Beiträge

Bild: Rachel from Unsplash (CC 0) 

Wenn in diesen Tagen überall im Land die Sommerferien zu Ende gehen, dann gewinnt die Bildungspolitik wieder stärkere Aufmerksamkeit. Das ist gut und richtig. Eine gute Bildungspolitik wird oft in Statistiken gepackt. Gut ist, wenn ein Bundesland möglichst viel Geld pro Schüler ausgibt. Gut ist, wenn die Bildungsausgaben pro Wirtschaftskraft im internationalen Vergleich möglichst hoch sind. Und gut ist, wenn die staatliche Forschungsförderung möglichst ausgebaut wird. All diese Ansätze haben eines gemeinsam. Sie glauben, „viel hilft viel“ und der Staat wüsste am besten, wie Bildung und dessen Erfolg auszusehen hat. Deshalb muss er für das Bildungswesen verantwortlich sein – und das möglichst zentral gelenkt.

Doch wenn das alles richtig wäre, dann müsste man im Bundesland Berlin die besten Schüler finden. Denn der Stadtstaat gibt pro Schüler am meisten Steuergelder aus (8.900 Euro pro Schüler/2015). Berliner Schüler schneiden aber beim Bildungsmonitor der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft am Schlechtesten von allen Bundesländern ab. Ein wesentlicher Grund für die hohen Bildungsausgaben pro Schüler ist der hohe Anteil an Ganztagsschulen in der Hauptstadt. Auch daran sieht man, dass Ganztagsschulen nicht per se zu besseren Bildungserfolgen führen. Dennoch zeigt das Beispiel Berlin, dass der Wettbewerb im Bildungsbereich in Deutschland nicht gänzlich ausgeschaltet ist. Würde alles von Berlin aus für das ganze Land bestimmt, dann bräuchte es nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen, dass nicht Sachsen (Platz 1) oder Thüringen (Platz 2) den Takt angäben, sondern eben Berlin (Platz 16) und Bremen (Platz 15)

Entscheidend ist, wofür Bildungsausgaben eingesetzt werden. Und hier läuft die Auseinandersetzung auf zwei Ebenen. Die erste Ebene ist zentral gegen dezentral. Die zweite Ebene verläuft zwischen Staat und Privat. Wenn der Staat seine Bildungsausgaben zentralisiert, glauben viele, würde es besser. Warum eigentlich? Eigentlich funktionieren die staatlichen Ebenen meist dann nicht, wenn Verantwortung verwischt wird. Wenn der Bund Bildungsausgaben bezahlt, die Länder das Personal einstellen und die Inhalte bestimmen, zusätzlich die Kommunen die Gebäude finanzieren, dann herrscht kollektive Verantwortungslosigkeit. Keiner kann für das Versagen in der Bildungspolitik verantwortlich gemacht werden. Eigentlich sind dann alle irgendwie schuld, wenn die Ergebnisse schlecht sind. Gleichzeitig verzerrt der Staat den Wettbewerb zu privaten Trägern. Letztere werden zwar auch vom Staat beaufsichtigt, aber irgendwie sind die Schulämter den „eigenen Schulen“ doch näher. Diese können die Lehrer verbeamten, private Träger können das nicht. Dort haben Lehrer dann schnell mal ein paar hunderte Euro weniger netto in der Tasche, nur weil sie Angestellte und keine Beamten sind.

Der Vereinheitlichung und Verstaatlichung des Bildungssystems ist der falsche Weg in der Bildungspolitik. Daher muss eine erfolgreiche Bildungspolitik auf dem Wettbewerbsprinzip basieren. Bildungseinrichtungen, vom Kindergarten bis zur Universität, müssen nach ihren eigenen Kriterien und ihren Auswahlverfahren ihre Bildungsempfänger aussuchen können. Der Staat muss Kinder und Jugendliche unabhängig vom Träger der Bildungseinrichtung gleich fördern, am besten über Gutscheine, die die Nutzer für die Bildungseinrichtung ihrer Wahl einlösen können. Der Staat kann in diesem Bildungssystem vielleicht Mindeststandards vorgeben, aber ansonsten sollte er sich nicht einmischen. Weder mit einem zentralen Bildungskanon noch mit einem Zentralabitur. Warum müssen alle Schüler eines Bundeslandes oder in ganz Deutschland die gleiche Abiturprüfung machen? Welchem Ideal folgt diese Forderung? Dem Ideal des Einheitsschülers?

Bildungsvielfalt könnte auf den Einzelnen Rücksicht nehmen. Sie könnte auf die Talente, auf die Begabungen und die unterschiedlichen Geschwindigkeiten im Lernen besser Acht geben. Bildungszentralismus schert alle über einen Kamm. Wir sollten in der Bildungspolitik mehr Wilhelm von Humboldt folgen: „Je mehr der Mensch für sich wirkt, desto mehr bildet er sich. In einer großen Vereinigung wird er zu leicht Werkzeug.“

Zuerst erschienen bei Tichys Einblick. 

Photo: Kenneth C. Zirkel from Wikimedia Commons (CC BY SA 4.0)

Über den Tellerrand hinauszublicken, ist oft hilfreich. Erlaubt es doch den Blick in bis dahin unbekannte Gefilde. So geht es vielleicht vielen, die das Buch „Freie Privatstädte – Mehr Wettbewerb im wichtigsten Markt der Welt“ von Titus Gebel in die Hand nehmen. Darin führt Gebel seine Leser ein in die Grundlagen des menschlichen Zusammenlebens.

Er beschreibt die vielen Fehlanreize unseres Steuer- und Sozialsystems, die Bevormundung des Staates gegenüber den Bürgern und plädiert daher insgesamt für weniger Staat. Als Jurist kennt er die Probleme der Machtbegrenzung der Politik und erwartet, durch mehr Systemwettbewerb zu besseren Ergebnissen zu kommen. Sein Modell freier Privatstädte ist für ihn eine alternative Ordnung zum herkömmlichen Nationalstaat. Als erfolgreicher Unternehmer sieht er darin sogar ein Geschäftsmodell. Ihm schwebt ein Betreibermodell vor, das als gewinnorientiertes Unternehmen eine Dienstleistung anbietet, für die die Vertragspartner bezahlen müssen. Die Teilnahme an und der Verbleib in der Privatstadt ist freiwillig. Die Aufnahme in die Privatstadt regelt der Betreiber nach eigenen Regeln, die vertraglich mit den Nutzern vereinbart werden. Streitigkeiten sollen vor einem unabhängigen Schiedsgericht geklärt werden.

Das klingt utopisch, ist es aber nicht. Historisch gab es zahlreiche erfolgreiche Beispiele. Die Stadtstaaten der Antike, die Reichsstädte oder der Städtebund der Hanse im Mittelalter, um nur einige zu nennen, haben über Jahrhunderte existiert. Der heutige Nationalstaat ist eher eine jüngere Erfindung. Wer im Mittelalter die Freiheit aus der Leibeigenschaft erlangen wollte, musste in eine freie Reichstadt gelangen und dort ein Jahr lang verweilen ohne gefangen genommen zu werden. „Stadtluft macht frei“ galt daher wörtlich. Freie Städte waren historisch Horte der Freiheit.

Auch in der Gegenwart gibt es solche Beispiele: Monaco, Hong Kong und Singapur sind jeweils Städte mit unterschiedlicher Autonomie und Ausgestaltung. Gebels theoretisches Modell einer freien Privatstadt erinnert an das Fürstentum Monaco. Nicht ganz ohne Grund lebt er dort mit seiner Familie. Fast wie eine Aktiengesellschaft wird das Fürstentum geführt. Seit dem späten Mittelalter ist es ein souveräner Staat. Noch Mitte des 19. Jahrhunderts lebten lediglich 300 Menschen dort. Heute sind es 38.000 Menschen. 50.000 Menschen arbeiten dort. Faktisch keine Kriminalität, keine direkten Steuern und keine Schulden machen den Ministaat so attraktiv, dass es hohe „Eintrittsgelder“ für eine Wohnrecht in Monaco gibt.

Eine andere Möglichkeit der Machtbegrenzung sieht er im Wettbewerb der Rechtssysteme. In Schwellen- und Entwicklungsländern entfaltet das dortige Rechtssystem kein Vertrauen. Wer etwas erreichen will, kommt meist auf normalen Wegen nicht weiter. Daher sind dort Korruption und Vetternwirtschaft dominierend. Gebel greift eine Idee des amerikanischen Ökonomen Paul Romer auf, der vorgeschlagen hat, in solchen Ländern die Auswahl aus unterschiedlichen Rechtsystemen zuzulassen. Sonderwirtschaftszonen sollen dies ermöglichen. Das hat durchaus seinen Charme. Nach der fortdauernden Krise in Griechenland, einer nicht funktionierenden Bürokratie und einem mangelnden Schutz privaten Eigentums, wäre es doch überlegenswert, eine Sonderwirtschaftszone dort einzurichten, in der zum Beispiel englisches Recht gilt. Wer Personal einstellt, kann das vielleicht auch nach deutschem Recht tun. Und wer Gesellschaftsverträge schließt, macht dies nach amerikanischem Recht. Ein Wettbewerb der Rechtssysteme in einem Land und nicht wie derzeit in jeweils unterschiedlichen Staaten wäre doch ein Versuch wert.

Titus Gebels Buch ist ein leidenschaftliches, kundiges und innovatives Plädoyer für Individualität und Dezentralität. Der Autor misstraut Politikern und Regierungen. Sie neigen dazu, immer mehr Macht auszuüben, um Sondervorteile auf Kosten Dritter zu erlangen. Daher plädiert er für eine Machtbegrenzung der Regierungen. Er will die etablierten Staaten durch seine Idee der freien Privatstädte in eine Wettbewerbssituation bringen, die diese zwingen, sich selbst zu verändern. Dabei strebt er keine Revolution an, sondern hofft, durch den Wegzug einiger einen evolutorischen Prozess zum Besseren einleiten zu können. Am Beginn seines Buches zitiert er Christoph Heuermann: „Gehe dorthin, wo Du am besten behandelt wirst.“

Titus Gebel: Freie Privatstädte – Mehr Wettbewerb im wichtigsten Markt der Welt, Aquila Urbis Verlag Walldorf, 2018

Photo by Victor Freitas on Unsplash

Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues

Die Schulden der Bundesländer variieren deutlich. Während Bayern und Sachsen sich mit besonders niedrigen Pro-Kopf-Verbindlichkeiten auszeichnen, hat Bremen abgeschlagen die höchsten Schulden. Der Vergleich der Bundesländer zeigt eins: Mehr Schulden sorgen nicht für eine brummende Wirtschaft, anders als es zahlreiche Politikerinnen und Politker auf nationaler und internationaler Ebene immer wieder propagieren.

Die Schulden des deutschen Staates beliefen sich Ende 2016 auf knapp über 2 Billionen Euro oder etwa 64 % des Bruttoinlandsprodukts. Die Bundesländer zeichneten für etwa 30 % der gesamten Schulden des öffentlichen Gesamthaushalts verantwortlich. Die Verschuldungsgrade der Länder unterscheiden sich dabei jedoch zum Teil gravierend. Während Bayern und Sachsen kaum verschuldet sind, wiegt die Schuldenlast für Bremen und das Saarland besonders schwer. Niedrige Schuldenstände in erfolgreichen Bundesländern zeigen, dass „mehr Staatsverschuldung“ nicht Voraussetzung ist, um Bedingungen schaffen zu können, unter denen Menschen ihr Leben erfolgreich selbst in die Hand nehmen.

Deutliche Unterschiede: Schulden der Länder pro Kopf

Die Schulden des Bundes sanken in den vergangenen Jahren und repräsentierten Ende 2016 knapp 63 % der gesamten Schulden staatlicher Körperschaften. 7 % entfielen auf die Kommunen und der Rest auf die Länder, deren Schulden in den letzten Jahren ebenfalls rückläufig waren.

Die Schulden verteilten sich jedoch ungleichmäßig auf die Einwohner der 16 Bundesländer. In Bayern und Sachsen lag die Staatsverschuldung der Landesregierungen bei unter 5.000 Euro pro Einwohner. In Berlin, dem Saarland und Hamburg lag sie pro Kopf bei über 15.000 Euro, in Bremen gar bei über 30.000 Euro.

Neben den Stadtstaaten ist es das kleine Saarland, in dem die Verschuldung des Landes pro Kopf besonders hoch ausfiel. Dass sich die seit Jahrzehnten vom Bund unterstützten Sorgenländer Bremen und das Saarland auch 2016 im Keller wiederfanden, überrascht nicht.

Geografie nicht ausschlaggebend

Ein Blick auf das Verhältnis der Staatsschulden zum Bruttoinlandsprodukt der Länder offenbart, dass Stadtstaaten nicht dazu verdammt sind, eine höhere Staatsschuldenquote als Flächenländer aufzuweisen. Denn Hamburg findet sich bei dieser Betrachtung in der ersten Hälfte wieder.

Auch die Einwohnerzahl scheint nicht ausschlaggebend zu sein. So sind die in Bezug auf ihre Einwohnerzahl relativ kleinen Flächenländer Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg in der oberen Hälfte wiederzufinden, wohingegen das Saarland auf dem vorletzten Platz landet.

Die Unterschiede zwischen den östlichen und den westlichen Bundesländern scheinen für die Höhe der Staatsschuldenquote ebenfalls nicht maßgeblich zu sein. Sachsen wird nur durch Bayern unterboten, wohingegen das Nachbarland Sachsen-Anhalt mit dem 12. Platz Vorlieb nehmen muss.

Gute Landespolitik bedarf keiner hohen Schulden

Der Vergleich zwischen dem Spitzentrio und den drei höchstverschuldeten Ländern lässt darüber hinaus den Schluss zu, dass eine hohe Staatsverschuldung für eine gelungene Landespolitik nicht notwendig ist.

Auf der einen Seite herrscht in Bayern und Baden-Württemberg derzeit Vollbeschäftigung und Sachsen weist unter den Ost-Flächenländern real das höchste Bruttoinlandsprodukt pro Kopf auf. Auf der anderen Seite landet das Saarland in Bezug auf das Einkommen pro Kopf und die Arbeitslosenrate trotz hoher Schulden jeweils im Mittelfeld aller Bundesländer, während das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in Berlin trotz Hauptstadtstatus niedriger ist als im Bundesdurchschnitt und die Arbeitslosenrate nur in Bremen noch höher ausfällt als in Berlin.

Zwar ist weder von der Hand zu weisen, dass die Staatsschuldenquoten in Bayern und Baden-Württemberg so niedrig sind, auch weil die wirtschaftliche Situation außergewöhnlich gut ist. Noch ist zu bestreiten, dass die Schuldenstände in Berlin und Bremen so hoch sind, auch weil die wirtschaftliche Situation in diesen Ländern relativ schlecht ist. Allerdings spricht ebenfalls nichts dafür, dass durch hohe Schulden finanzierte Staatsausgaben notwendig sind, um Voraussetzungen zu schaffen, die Menschen ihr Leben selbst erfolgreich gestalten lassen.

Staatsschulden: Skepsis ist stets angebracht

Angesichts der Verschuldungssituation der verschiedenen Bundesländer ist stets Skepsis angebracht, wenn Vertreter ihrer Regierungen sich für zusätzliche schuldenfinanzierte Staatsausgaben aussprechen. Selbiges gilt für die Regierungsvertreter von Nationalstaaten. Auch hier haben die jüngsten Erfahrungen in der Eurozone verdeutlicht, dass hohe Staatsschulden für das Wohlergehen der Bevölkerung eines Landes nicht notwendig sind, sondern wie in Portugal, Griechenland und Italien vielmehr Ausdruck einer verfehlten Politik sein können.

Zuerst erschienen bei IREF.

Photo: Gary J. Wood from flickr (CC BY 2.0)

Würde Horst Seehofer im Deutschen Bundestag die Loslösung Bayerns aus dem Bundesgebiet fordern, dann würde ihn das Grundgesetz vor der Strafverfolgung schützen. Selbst wenn der Landtag in München dies beschließen würde, wären die dortigen Landtagsabgeordneten vor Strafverfolgung geschützt. Aus historischem Grund wurde diese Indemnitätsregel im Grundgesetz verankert. Abgeordnete sollten nicht wegen ihres Abstimmungsverhaltens oder ihrer Reden im Parlament verfolgt werden können. Umso befremdlicher ist es, dass die Generalstaatsanwaltschaft in Schleswig nunmehr den ehemaligen katalanischen Ministerpräsidenten Carles Puigdemont wegen eines solchen „Vergehens“ nach Spanien ausliefern lassen will. Ihm wird dort Rebellion und die Veruntreuung öffentlicher Gelder vorgeworfen. Die Generalstaatsanwaltschaft ist nicht irgendwer. Sie ist eine weisungsgebundene Behörde des Justizministeriums in Schleswig-Holstein. Ohne eine enge Abstimmung mit der für die Außenpolitik zuständigen Bundesregierung ist ein solches Vorgehen nur schlecht vorstellbar.

Eigentlich hat Puigdemont eine politische Meinung vertreten und diese in seinem Regionalparlament zur Abstimmung gestellt. Zur Gewalt hat er anschließend nicht aufgerufen. Das Referendum wurde vom spanischen Verfassungsgericht untersagt, dennoch ist die Frage, ob in einer Region nicht trotzdem eine Abstimmung abgehalten werden darf. Sie hat dann keinen Charakter eines Referendums. Das ist sicherlich unstreitig. Aber eine Volksbefragung im Sinne eines Meinungsbildes kann durchaus möglich sein.

Grundsätzlich ist die Frage, ob eine Sezession möglich ist, auch wenn die eigene Verfassung dies untersagt. Sicherlich ja. Denn könnte man ein verfassungsrechtliches Sezessionsverbot verankern, dann wären die USA wohl nie gegründet worden. Wahrscheinlich ist die Neugründung von Staaten nur selten über den Rechtsweg der Verfassung des ursprünglichen Staates erfolgt. Insbesondere dann, wenn der größere Teil des Staatsgebietes dagegen ist. Eine Ausnahme ist die Verfassung des kleinen Liechtensteins. In der dortigen Verfassung können sich einzelne Gemeinden abspalten und einem Nachbarland anschließend. Doch Liechtenstein ist nicht überall. Und generell muss man fragen, ob eine knappe Mehrheit eine knappe Minderheit in einer solch fundamentalen Frage einfach so überstimmen darf.

Bei der Abstimmung in Katalonien im letzten Jahr stimmten 90 Prozent der Teilnehmer für die Loslösung von Spanien. Die Wahlbeteiligung lag jedoch bei lediglich 42,3 Prozent. Letztlich haben also nur 38 Prozent der Katalanen für die Unabhängigkeit gestimmt. Und auch die Wahlen in Katalonien im Dezember 2017 haben kein eindeutiges Ergebnis geliefert. Die Separatisten erzielten mit 47,5 Prozent der Stimmen zwar die Mehrheit, aber das Lager der Gegner ist mit 43,5 Prozent fast genauso groß. Auf dieser gespalteten Bevölkerung eine Sezession von Spanien zu begründen, ist schon sehr gewagt. Nicht ohne Grund kennen wir bei demokratischen Abstimmungen nicht nur das reine Mehrheitsprinzip. Vielfach ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich. Aber auch hier muss man fragen, ob das ausreichend ist. Immerhin ein Drittel wird durch die Zwei-Drittel-Mehrheit fundamental in den eigenen Lebensumständen beeinträchtigt. Daher ist zu fragen, ob nicht eine Drei-Viertel-Mehrheit oder eine Vier-Fünftel-Mehrheit für mehr Rechtsfrieden sorgen würde. Eine 50,1 Prozent-Mehrheit schafft dagegen keinen Rechtsfrieden.

Doch zurück zu den hiesigen Staatsorganen. Man stelle sich einmal vor, die Staatsorgane und insbesondere die Regierenden in Hamburg hätten sich nach den bürgerkriegsähnlichen Zuständen rund um den G 20-Gipfel 2017 in der Hansestadt ähnlich entschlossen gezeigt. Oder die Staatsanwaltschaften hätte die „Schotterer“, die die Bahngleise bei Castortransporten untergraben haben, ebenso entschlossen und schnell angeklagt.

Der spanisch-katalanische Konflikt sollte in Spanien und Katalonien gelöst werden. Deutschland sollte sich nicht auf die eine oder andere Seite schlagen. Der Publizist und Anwalt Carlos A. Gebauer hat dieser Tage vorgeschlagen, pragmatisch mit dem Fall Puigdemont umzugehen, da jede Entscheidung Deutschlands unbefriedigend sei. Als zuständiger Richter würde er den katalanischen Gast an unsere dänischen Freunde zurücküberstellen und in die Verfügung auf dem Aktendeckel den vielleicht schönsten aller Sätze aus der deutschen Verwaltungspraxis notieren: „Mit der Bitte um weitere Veranlassung.“

Erstmals erschienen auf Tichys Einblick.

Photo: Lennart Tange from Flickr (CC BY 2.0)

Von Claus Vogt, Börsenbrief „Krisensicher investieren“.

Die Regeln, welche sich die EU-Länder zur Eindämmung der Staatsverschuldung gegeben haben, sind in den letzten Jahren immer weiter verschärft worden. Einige EU-Länder haben sich hiervon aber nicht sonderlich beeindrucken lassen und setzen ihren Kurs des Schuldenmachens fort. Die EU-Kommission, welche die Einhaltung der Regeln überwacht, hat solche Verstöße mit fragwürdigen Begründungen hingenommen.

Allgemein bekannte Vorgaben zur Begrenzung der Staatsverschuldung sind die Maastricht-Kriterien, die schon seit 1992 gelten und später in die EU-Verträge aufgenommen wurden. Danach darf der staatliche Schuldenstand nicht höher als 60 Prozent des Bruttoinlandprodukts sein, das jährliche Haushaltsdefizit darf nicht mehr als drei Prozent des Bruttoinlandprodukts betragen. Es folgte im Jahr 1997 der Stabilitäts- und Wachstumspakt, der vorsieht, dass das strukturelle Haushaltsdefizit ein Prozent des Bruttoinlandprodukts nicht überschreiten darf.

Auch verpflichteten sich die unterzeichnenden Mitgliedstaaten, bei Überschreitung des Schwellenwerts von 60 Prozent ihren Schuldenstand um jährlich ein Zwanzigstel zurückzuführen. An diese Vorgaben knüpft der sogenannte Fiskalvertrag an, den 25 EU-Mitgliedstaaten im Jahr 2012 beschlossen haben. Er sieht unter anderem vor, dass die EU-Kommission finanzielle Sanktionen gegen hartnäckige Defizitsünder verhängen kann.

Verfahren wegen übermäßiger Defizite

Aufgrund der genannten Regelwerke sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, der EU-Kommission eine Fülle von Daten über ihre finanzielle Situation und insbesondere den Umfang der Verschuldung zur Verfügung zu stellen. Werden die Schwellenwerte überschritten, kann ein Verfahren wegen eines übermäßigen Defizits eingeleitet werden. Gegen fast alle EU-Länder wurden in den letzten Jahren solche Verfahren durchgeführt. Auch die Bundesrepublik Deutschland sah sich in den Jahren 2003 und 2009 entsprechenden Nachfragen ausgesetzt. Die Verfahren gegen Deutschland wurden dann allerding nach einiger Zeit wieder beendet. In jüngster Zeit liefen entsprechende Verfahren gegen Frankreich, Griechenland, Irland, Kroatien, Portugal, Slowenien, Spanien, das Vereinigte Königreich sowie Zypern.

Noch nie gab es Sanktionen gegen einen Schuldensünder

Ob ein Defizitverfahren eingeleitet wird, entscheidet der Ministerrat der EU, also die Finanzminister der Mitgliedstaaten, auf Vorschlag der EU-Kommission. Nach Einleitung eines Verfahrens sind die Schuldensünder verpflichtet, die EU-Kommission fortwährend über die geplanten und ergriffenen Maßnahmen sowie die Entwicklung ihrer Haushalts- und Wirtschaftslage zu unterrichten. Die EU-Kommission überwacht, ob die angekündigten Maßnahmen zur Korrektur der übermäßigen Defizite auch umgesetzt werden. Wurden keine wirksamen Maßnahmen ergriffen, können in letzter Konsequenz finanzielle Sanktionen gegen sparunwillige Mitgliedsländer verhängt, zum Beispiel Zahlungen aus EU-Fonds ausgesetzt werden. Bisher ist es noch in keinem Fall zu Sanktionen der EU gegen säumige Mitgliedstaaten gekommen.

Nur in wenigen EU-Ländern liegt die Gesamtverschuldung unter 60 Prozent

Wie wenig wirksam die komplizierten Regelungen zur Schuldenbegrenzung und die geschilderte Vorgehensweise der EU-Kommission sind, zeigt sich beispielhaft daran, dass die meisten Mitgliedstaaten nach wie vor einen höheren Schuldenstand als 60 Prozent des Bruttoinlandprodukts aufweisen. Lediglich bei einigen osteuropäischen Mitgliedsländern sowie Luxemburg und Malta liegt die Gesamtverschuldung unter 60 Prozent. Der offizielle Schuldenstand Deutschlands ist in den letzten Jahren zwar stark gesunken, liegt mit derzeit rund 68 Prozent aber immer noch über dem Schwellenwert.

Viel Verständnis der EU-Kommission für den Defizitsünder Frankreich

Die Schuldenstandsquote Frankreichs wird sich nach den Berechnungen der EU-Kommission von 92 Prozent im Jahr 2013 auf 97 Prozent im Jahr 2020 erhöhen. Zu Recht läuft deshalb derzeit ein Defizitverfahren gegen unser Nachbarland. In diesem Verfahren zeigte sich die EU-Kommission bislang ausgesprochen verständnisvoll gegenüber der französischen Schuldenpolitik. Trotz des erwarteten Anstiegs der Gesamtverschuldung und obwohl Frankreich einen Teil der vorgeschriebenen Unterlagen und Daten nicht lieferte, vertrat die EU-Kommission die Auffassung, dass das Land die Anforderungen der geltenden Bestimmungen erfülle. Das Defizit könne in einem ruhigeren Tempo unter den Schwellenwert gebracht werden.

Kein Defizitverfahren gegen Italien trotz enormer Staatsverschuldung

Noch einfacher machte es sich die EU-Kommission in Bezug auf das hochverschuldete Italien. Gegen Italien wurde 2009 ein Defizitverfahren eingeleitet, welches im Jahr 2013 aufgehoben wurde. Im Jahr 2015 führte die Kommission erneut eine Bewertung Italiens durch und kam zu dem Schluss, dass Italien das Schuldenstandskriterium „prima facie“ verletze. Die Schuldenstandsquote Italiens lag seinerzeit bei 133 Prozent. Trotz dieser Zahl kam die EU-Kommission zu dem Ergebnis, dass Italien das Schuldenstandskriterium einhalte. Begründet wurde dies mit der ungünstigen Wirtschaftslage und den angekündigten Strukturreformen. Diese würden sehr positive Auswirkungen auf die öffentlichen Finanzen in Italien haben. Derzeit läuft kein Defizitverfahren gegen Italien.

Kritik an der unterschiedlichen Vorgehensweise der EU-Kommission

Gegen andere Defizitsünder zeigte sich die EU weitaus weniger nachsichtig. In anderen EU-Ländern wurden Sparmaßnahmen nicht nur eingefordert, sondern tatsächlich durchgesetzt. In der Fachwelt wird die unterschiedliche Vorgehensweise der EU-Kommission bei den einzelnen Mitgliedstaaten kritisiert. Die Ermessenspielräume der EU-Kommission in den Defizitverfahren müssten reduziert werden. Die Einhaltung der Regeln müsse zielgenauer und weniger politisch bewertet werden. Gegebenenfalls müsse eine andere Institution als die EU-Kommission in die Bewertung eingeschaltet werden.

Die EU-Kommission will die Schuldenregeln aufweichen

Die geäußerte Kritik scheint der EU-Kommission lästig geworden zu sein. Dieser Tage hat sie die Fachwelt mit einem Vorschlag überrascht, der in eine ganz andere Richtung geht als von den Kritikern gefordert. Nach Presseberichten will Kommissionspräsident Juncker erreichen, dass das Defizitkriterium von drei Prozent künftig als europaweite Gesamtzahl ermittelt wird. Es käme dann deutlich weniger darauf an, dass jeder Mitgliedstaat sein Haushaltsdefizit unter die Marke von drei Prozent des Bruttoinlandprodukts drückt, sondern die Eurozone als Ganzes müsste diesen Wert erreichen. Damit würde ein klarer Anreiz für jedes einzelne Land geschaffen, auf Kosten der anderen über seine Verhältnisse zu leben. Und das möglichst schnell, bevor die Gesamtgrenze erreicht wird.

Überdies möchte die EU-Kommission diejenigen Regelungen nicht mehr anwenden, die sich zu sehr auf den Schuldenstand der Mitgliedsländer konzentrierten. Na toll, kann ich dazu nur sagen, dann muss sich die EU-Kommission keine abenteuerlichen Begründungen mehr ausdenken, wenn sie wichtige Länder trotz hoher Gesamtverschuldung mit Nachsicht behandeln möchte. Man kann nur hoffen, dass die Mitgliedstaaten den Vorschlägen der EU-Kommission eine deutliche Abfuhr erteilen.