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Photo: Andrew Martin from Pixabay (CC 0).

Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues.

Der Süden Italiens ist nicht nur geprägt durch eine höhere Arbeitslosenrate und niedrigere Einkommen als das nördliche Italien, sondern auch durch eine schlechtere medizinische Versorgung. Patienten in Süditalien reagieren darauf und begeben sich für Operationen relativ häufig in den Norden, der so zum Nettoexporteur medizinischer Dienstleistungen geworden ist. In ihrem IREF Working Paper untersuchen Paolo Berta, Carla Guerriero und Rosella Levaggi am Beispiel der Lombardei, wie sich die Mobilität der Patienten auf das Verhalten von Krankenhäusern auswirkt.

Ihre Ergebnisse lassen den Schluss zu, dass Patienten von außerhalb der Lombardei in privaten und staatlichen Krankenhäusern in der Lombardei besser versorgt werden als Einwohner der Lombardei. Dennoch profitieren vom Wettbewerb der Krankenhäuser um die auswärtigen Patienten auch die lombardischen Patienten. In Krankenhäusern mit hohem Anteil auswärtiger Patienten fallen die Mortalitätsraten niedriger aus – nicht nur für auswärtige Patienten. Das spricht laut den Autoren für positive Spillovereffekte von auswärtigen auf einheimische Patienten in der Lombardei, die ohne den Wettbewerb um die auswärtigen Patienten nicht entstünden.

Medizinische Versorgung in Italien: Nord-Süd-Gefälle

Die Lebenserwartung bei Geburt ist unter den OECD Ländern nur in Japan und der Schweiz höher als in Italien. Dabei gibt es ein deutliches Nord-Süd-Gefälle. In der nördlichen Region Trento-Südtirol sind es gemäß den Autoren 83,5 Jahre, während es in der südlichen Region Kampanien nur 80,5 Jahre sind. Dazu passend gibt es in den südlichen Regionen weniger Betten zur intensivmedizinischen Betreuung und Patienten warten länger auf kardiologische Untersuchungen. Unter diesen Vorzeichen überrascht es nicht, dass sich häufiger Patienten aus dem Süden für Behandlungen in die nördlichen Regionen begeben als umgekehrt.

Auswärtige Patienten in der Lombardei

Die Autoren nutzen in ihrem Papier Daten aus der nördlichen Region Lombardei, der bevölkerungsreichsten Region Italiens. 2016 wurden dort in den Krankenhäusern etwa 1,7 Millionen Patienten behandelt. Etwa 115.000 kamen aus anderen Regionen.

Für ihre Untersuchung verwenden die Autoren Daten aus den Jahren 2010 bis 2014, um das Verhalten von staatlichen Krankenhäusern, privaten gewinnorientierten Krankenhäusern und privaten Krankenhäsuern ohne Gewinnerzielungsabsicht gegenüber einheimischen und auswärtigen Patienten zu analysieren.

Zunächst lässt sich festhalten, dass der Anteil auswärtiger Patienten bei den privaten Krankenhäusern mit 18 Prozent deutlich höher ausfällt als mit jeweils 6 Prozent bei den privaten und staatlichen Einrichtungen ohne Gewinnerzielungsabsicht. Für die Behandlung auswärtiger Patienten werden die Krankenhäsuer über ihr jährliches Planungsbudget, das sich am Vorjahresumsatz orientiert, hinaus bezahlt. Das macht auswärtige Patienten vor allem für private Krankenhäuser attraktiv, die sich einer harten Budgetrestriktion ausgesetzt sehen, weil sie nicht auf finanzielle Unterstützung durch den Staat hoffen können.

Auswärtige Patienten ohne Nachteile für Einheimische bevorzugt

Auswärtige Patienten sind durchschnittlich etwas jünger und haben ernstere Leiden als einheimische Patienten. Zudem finden die Autoren, dass sie besser und schneller behandelt werden. Sie bleiben unter anderem länger auf Station – ein Maß für die Intensität der Betreuung – und müssen weniger lange auf eine Behandlung warten.

Es stellt sich jedoch die Frage, ob einheimische Patienten unter der bevorzugten Behandlung auswärtiger Patienten leiden. Dafür finden die Autoren keine Hinweise. Im Gegenteil: Die Wiedereinweisungsraten und Mortalitätsraten 30 Tage nach einem Eingriff fallen für lombardische Patienten umso niedriger aus, je höher der Anteil auswärtiger Patienten eines Krankenhauses ist – unabhängig von der Eigentümerstruktur der Krankenhäuser. Die Ausnahme stellt dabei eine konstante Mortalitätsrate 30 Tage nach der Geburt bei steigendem Anteil auswärtiger Patienten bei privaten Krankenhäusern ohne Gewinnerzielungsabsicht dar.

Wünschenswerte Folgen des Wettbewerbs um Patienten

Die Autoren weisen darauf hin, dass es für ihre Ergebnisse zwei mögliche – sich potentiell ergänzende – Erklärungen gibt. Erstens, bessere Krankenhäuser ziehen mehr auswärtige Patientienten an. Zweitens, Krankhäuser, die zusätzlichen Umsatz machen wollen, verbessern ihre Leistungen, um auswärtige Patienten anzulocken und liefern als Nebeneffekt auch an einheimische Patienten Leistungen besserer Qualität.

Das lombardische Beispiel illustriert, dass der Wettbewerb zwischen Anbietern auch auf dem Markt für Gesundheitsdienstleistungen aus Sicht der Kunden wünschenswerte Konsequenzen nach sich ziehen kann.

Ist die Qualität der Leistungen exogen und hängt nicht vom Wettbewerb ab, bringt der Wettbewerb zwischen privaten und staatlichen Krankenhäusern weder positive noch negative Effekte mit sich.

Ist die Qualität der Leistungen jedoch endogen und hängt vom Wettbewerb ab, sprechen die Ergebnisse deutlich dafür, dass der Wettbewerb zwischen Krankenhäusern um auswärtige Patienten positive Konsequenzen hat – sowohl für einheimische als auch für auswärtige Patienten. In diesem Sinne interpretieren auch die Autoren des Papiers ihre Ergebnisse.

 

Zuerst veröffentlicht bei IREF.

Photo: Georgios Domouchtsidis from Unsplash (CC 0)

Was haben der Weltspartag und die Cryptowährung Bitcoin miteinander zu tun? Auf den ersten Blick eigentlich nichts. Bitcoins kann man nur schlecht in eine Spardose legen, allenfalls in ein Wallet auf dem Smartphone. Cryptowährungen eignen sich aber auch nicht für die klassische Vermögensbildung, mit der man Kindern das Sparen beibringt.

Auf den zweiten Blick gibt es aber durchaus Gemeinsamkeiten. So fand in dieser Woche nicht nur der Weltspartag statt, sondern vor genau 10 Jahren wurde das erste Whitepaper über Bitcoin veröffentlicht. Seitdem wurde der Bitcoin immer wieder totgesagt, kostet heute aber, trotz zahlreicher Kursturbulenzen, über 5.500 Euro. Der Bitcoin ist eine Erfolgsgeschichte. Der dahinterstehenden Blockchain-Technologie wird heute viel zugetraut. Erst letzte Woche traf sich die Community mit mehreren tausend Teilnehmern beim Crypto + ICO Summit im schweizerischen Zürich. Dort konnte man sehen, wie dynamisch die Szene ist und welche Anwendungsmöglichen die Blockchain künftig bietet. Sie reichen von der sicheren Übertragung von Eigentum, auch grenzüberschreitend, über die Hoheit über die persönlichen Daten, die auf der Blockchain sicher hinterlegt werden können, bis zur Vereinfachung und Verbesserung des Meldewesens von Banken gegenüber der Notenbank. Es steckt viel Musik darin. So wie heute das Internet ganze Branchen verändert, so wird vermutlich morgen die Distributed Ledger Technologie ganze Wirtschaftszweige revolutionieren. Hier stehen wir erst am Anfang.

Das Jahr 2008 war aber nicht nur die Geburtsstunde des Bitcoin, es war auch einschneidend für den Weltspartag. Denn bis vor 10 Jahren war dieser noch eine Wucht. Er hat eine lange Tradition. Seit den 1920er Jahre begehen die Sparkassen in ganz Europa dieses Ereignis. Er war lange eine super Marketingmaßnahme, um Eltern und Großeltern und deren Kinder und Enkelkinder zum Sparen zu animieren. Früher pilgerten am letzten Tag im Oktober Scharen in die Sparkassen- und Bankfilialen, um die Spardosen der Kleinen zu leeren. Die gesammelten DM- bzw. heute Euro-Münzen wurden auf das Sparbuch einbezahlt. Die Kinder bekamen Luftballons und Geschenke. Aber der pädagogische Wert lag eigentlich darin, den Kinder zu zeigen, was es bringt, zu sparen und Konsumverzicht zu leisten. In den 1970er Jahren gab es auf dem Sparbuch 4 bis 5 Prozent Zinsen pro Jahr. Ja, auch die Inflation war damals eine andere als heute, aber die Kinder, deren Eltern und Großeltern hatten das Gefühl, dass es sich lohnt zu sparen.

Seit 2008 ist das anders. Seitdem geht der Sparbuchzins in den Keller. Heute gibt es nichts mehr. Allenfalls einen Luftballon für die Kinder. Die Ursache für den rapiden Rückgang liegt in der Geldpolitik der Notenbanken: mit Beginn der Finanzkrise Anfang 2008, als sie ihre Leitzinsen in kurzer Zeit auf fast Null senkten. Seitdem hat die EZB ihn nicht mehr erhöht und gleichzeitig mit Billionen neugedruckten Euros die Schulden von Staaten und Banken aufgekauft.

Bis zum Herbst nächsten Jahres will EZB-Präsident Mario Draghi diesen Zustand einfrieren. Dass sein Nachfolger diese Politik ändert, darf man sich wünschen, wahrscheinlich ist es jedoch nicht. Der Grund ist die aktuelle Situation in Italien. Würden die Zinsen in Italien nur auf 5 Prozent steigen, dann würde sich der Zinsaufwand der Regierung in Rom von 4 auf 6,5 Prozent des BIP erhöhen (laut Flossbach von Storch Research Institute). Es würde die Haushaltssituation Italiens dramatisch verschlechtern. Vielen ist nicht bewusst, dass die Situation Italiens heute schlimmer ist als jene Griechenlands in 2010. Die Arbeitslosigkeit ist höher und die Staatsverschuldung auch. Die Wettbewerbsfähigkeit Italiens hat erheblich nachgelassen. Bestes Beispiel ist die Automobilindustrie. Während Ende der 1980er Jahre fast 2 Millionen Autos in Italien vom Band liefen, sind es heute gerade mal noch rund 750.000. Diese auch für Italien wichtige Industrie produziert heute Stückzahlen auf dem Niveau der frühen 1960er Jahre. Heute liegt die Wirtschaftskraft Italiens noch deutlich unter dem Stand von 2008 und die Industrieproduktion liegt sogar unter dem Niveau von 1990. Kein Wunder, dass in diesem Umfeld die faulen Kredite für die Banken (18,6 Prozent im ersten Quartal 2018) ein Problem sind. Nur die Nullzinspolitik der EZB und der Anleihenkauf der italienischen Notenbank sichern aktuell die Zahlungsfähigkeit des Staates – und die Vollzuteilung der EZB die Liquidität der Banken. Mit einem Austritt Italiens muss man sich daher beschäftigen. Denn ein Programm wie es Griechenland seit 2010 durchlebt hat, würde auch Italien „Weimarer Verhältnisse“ bescheren. Es wäre eine Katastrophe für das Land – und für Europa.

Das Bitcoin-Whitepaper des Pseudonyms Satoshi Nakamoto war eine Antwort auf die Finanzkrise 2008 und die Politik der Notenbanken. Die Initiatoren wollten ein elektronisches Zahlungssystem schaffen, das ohne Banken und Notenbanken auskommt. Es sollte weltweite Zahlungen von einer Partei zu einer anderen Partei ermöglichen. Bitcoins sollten durch ein dezentrales Netzwerk fälschungssicher sein. Dies sollte dadurch erreicht werden, dass jede Transaktion in einer Blockchain unveränderbar veröffentlicht wird. Die Anzahl der Bitcoins sollte auf 21 Millionen begrenzt werden, so dass eine Inflationierung der Geldmenge nicht möglich ist. Bitcoin macht alles das, was das staatliche Geld nicht tut. Es basiert nicht auf dem Vertrauen in den Staat und seine Notenbank, in der Hoffnung, dass Mario Draghi und seine Mitstreiter alles richtig machen, sondern auf einer Verteilung der Macht auf viele. Das Misstrauen gegenüber der Machtkonzentration auf wenige, die vermeintlich mehr Wissen über die Zukunft haben, hat Bitcoin hervorgebracht. Zentrale Modelle wie der Euro haben den wesentlichen Nachteil, dass man ihnen nur sehr schwer entkommen kann. Die Sparbuchhalter und diejenigen, die in Festgelder investiert sind, wissen das. Sie sind Gefangene der EZB und Mario Draghis. Sie können nicht fliehen. Der wesentliche Unterschied zwischen dem Euro und Bitcoin ist daher: scheitert der Euro, dann leiden alle darunter. Scheitert der Bitcoin, dann sind es nur diejenigen, die ihn in ihrem Depot halten.

Erstmals erschienen bei Tichys Einblick.

Photo: Tambako The Jaguar from Flickr (CC BY-ND 2.0)

Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues und Kalle Kappner, Promotionsstudent an der Humboldt-Universität zu Berlin, Research Fellow bei IREF, Fackelträger von Prometheus.

Bis 2020 sollte in Deutschland der Ausstoß klimaschädlicher Gase um 40 % gegenüber 1990 sinken, so der 2007 beschlossene Plan von Kanzlerin Merkel. Nachdem sich in den letzten Jahren abzeichnete, dass dieses Ziel deutlich verfehlt wird, erklärte die neue schwarz-rote Bundesregierung den Klimaplan Anfang des Jahres für gescheitert.

Umweltpolitiker und Interessengruppen schlagen Alarm. Vielleicht sei das ursprüngliche Einsparungsziel tatsächlich nicht mehr zu halten, aber das könne nur bedeuten, dass künftig noch mehr Anstrengungen für den Klimaschutz zu unternehmen seien – durch neue Subventioneneinen schnelleren Kohleausstieg und gesetzliche Anreize zur Emissionsminderung.

Ein naheliegender Alternativvorschlag findet in der Diskussion dagegen wenig Gehör: Über das EU-weite Emissionshandelssystem ETS kann die Bundesregierung Verschmutzungsrechte erwerben. Lässt sie diese ungenutzt, trägt sie effektiv zum Klimaschutz bei, da die Gesamtmenge der Verschmutzungsrechte limitiert ist.

Deutschlands Emissionsziele

Es gibt drei wesentliche staatliche Mechanismen zur Emissionsreduzierung:

(1) Über das Emissionshandelssystem ETS wird der Ausstoß klimaschädlicher Gase in rund 45 % der EU-weiten Emissionsquellen reguliert. In jeder mehrjährigen Handelsperiode stellt die EU eine fixe Menge an zum Ausstoß klimaschädlicher Gase berechtigenden Zertifikaten bereit. Alle partizipierenden Unternehmen müssen anschließend eine ihren Emissionen entsprechende Menge an Zertifikaten vorweisen, die sie teils unentgeltlich erhalten, teils per Auktion ersteigern müssen. Über die Menge der in jeder Handelsperiode ausgegebenen Verschmutzungsrechte gibt die EU das Tempo der Emissionssenkungen in Europa – und damit auch in Deutschland – vor.

(2) Für die nicht im ETS integrierten Emissionsquellen – im Wesentlichen Verkehr, Gebäudeenergie und Landwirtschaft – gibt die EU im Rahmen der Lastenteilungsentscheidung länderspezifische Einsparziele vor. So soll Deutschland seine Emissionen in diesen Bereichen zwischen 2005 und 2020 um 14 % senken – ein Ziel, das zunehmend unrealistisch erscheint.

(3) Darüber hinaus gibt sich die Bundesregierungen Selbstverpflichtungsziele, aktuell etwa im Klimaschutzplan 2050. Frühere Ziele wie die sogenannten Meseberger Beschlüsse konnten nicht eingehalten werden. Ein wichtiger Grund für das Scheitern ist die unerwartet gute Konjunktur der letzten Jahre, die zu höheren Emissionen geführt hat.

Konventionelle Klimapolitik: Ineffizient und inflexibel

Vor diesem Hintergrund wird der Ruf nach zusätzlichen Subventionen und gesetzlichen Anreizen zur Emissionsreduktion wieder lauter. Doch Subventionen haben unerwünschte Umverteilungseffekte und sind teuer: Zu den direkt für die Steuerzahler anfallenden Kosten kommen indirekte durch Marktverzerrung entstehende Kosten hinzu. So zahlen deutsche Stromkunden schon heute auch aufgrund der EEG-Umlage europaweit mit die höchsten Strompreise.

Subventionsgetriebene Klimapolitik ist nicht nur teuer, sondern auch inflexibel. So ist eine 2018 ersonnene Subvention aufgrund langwieriger Gesetzgebungsverfahren kaum in der Lage, Emissionen schon zwei Jahre später effektiv zu senken. Einmal eingeführt, ist es allerdings schwer, eine Subvention wieder abzuschaffen, wenn ihre ursprüngliche Begründung längst weggefallen ist.

Ein weiteres Problem entsteht aus der Interaktion zwischen nationaler Klimapolitik und EU-weitem Emissionshandel: Da die in jeder Handelsperiode zur Verfügung stehende Menge an Verschmutzungsrechten EU-weit fixiert ist, führt jede aufgrund einer Subvention in Deutschland eingesparte Tonne lediglich zur Emission einer zusätzlichen Tonne in einem anderen europäischen Land – jedenfalls in den knapp 45 % der Emissionen umfassenden Sektoren, die derzeit im ETS integriert sind. Zwar verpuffen Subventionen so nicht gänzlich, doch ihr Einsparpotenzial wird damit relativ zu den durch sie verursachten Kosten eingeschränkt.

Alternative: Regierung kauft Verschmutzungsrechte

Als Alternative zur teuren und inflexiblen Subventionspolitik bietet sich die Beteiligung der Bundesregierung am europäischen Emissionshandel an. Kauft die Bundesregierung Unternehmen Zertifikate ab und lässt diese anschließend ungenutzt verfallen, entspricht dies einer durch die deutschen Steuerzahler finanzierten Reduktion der weltweiten Emissionen.

Auch zertifikatebasierte Klimapolitik ist nicht billig. Das Recht zur Emission einer Tonne CO2 kostet im ETS derzeit rund 16 Euro (Stand Juni 2018). Würde die Bundesregierung eine Großorder aufgeben, so würde dieser Preis steigen. Im Vergleich zur konventionellen Klimapolitik verspräche eine zertifikatebasierte Klimapolitik den Steuerzahlern dennoch substantielle Entlastungen, da die Verzerrungskosten herkömmlicher Subventionen vermieden würden. In europaweiter Perspektive würde zudem dafür gesorgt, dass die Einsparungen effizient vorgenommen werden.

Einsparungsziele durch Zertifikatekauf realisierbar

Auch das 2007 formuliert Ziel, Deutschlands Emissionen bis 2020 relativ zu 1990 um 40 % zu senken, könnte mittels eines entsprechenden Zertifikatkaufs erreicht werden. 2017 wurden in Deutschland etwa 904,7 Millionen Tonnen Treibhausgase freigesetzt. Um die Differenz zu den ab 2020 nur noch erlaubten 751 Millionen Tonnen zu überbrücken, wäre der Kauf von 153 Millionen Zertifikaten nötig – eine solche Order kostet zu heutigen Preisen 2,4 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Das Erneuerbare-Energien-Gesetz hat im Jahr 2016 Kosten von rund 22 Milliarden Euro verursacht.

Die Verpflichtung gegenüber der EU ließe sich über den Zertifikatekauf dagegen nicht vertragsgenau einhalten, schließlich beziehen sich die darin formulierten Einsparungsziele auf jene Emissionsquellen, die nicht vom ETS abgedeckt werden. Das ist bedauerlich, da effizienter zu realisierende Einsparungen in durch das ETS abgedeckten Emissionsquellen nicht gegen weniger effiziente Einsparungen in Nicht-ETS-Emissionsquellen aufgerechnet werden können. Solange diese Emissionsquellen nicht integriert sind, sollte die EU erwägen, es Regierungen zu erlauben, etwaige Lücken gegenüber den Zielvorgaben durch den Kauf von ETS-Zertifikaten zu schließen. Für den Klimaschutz spielt es keine Rolle, in welchen Industrien die Einsparungen vorgenommen werden.

Ein unmoralischer Ablasshandel?

Kritiker bezeichnen Unternehmen, die ihren Kunden klimaneutrale Produkte per Zertifikatekauf anbieten als „moderne Ablasshändler“. Der Kritik liegt die Vorstellung zugrunde, dass jeder Emittent für den durch ihn angerichteten Schaden moralisch verantwortlich ist und diesen daher selbst zu beheben hat – selbst, wenn es effizienter wäre, andere für eine klimaäquivalente Schadensbehebung zu bezahlen. Auch die Bundesregierung träfe die Kritik, sich „freizukaufen“, sollte sie die Klimapolitik zukünftig auf den Kauf von Zertifikaten beschränken und Unternehmen somit dafür bezahlen, weniger Emissionen auszustoßen.

Derartige Kritik übersieht allerdings, dass auch die heutige Subventionspolitik einem „Ablasshandel“ entspricht. Der Übergang zu einer zertifikatebasierten Klimapolitik würde lediglich bewirken, dass die Steuerzahler zusätzlich zu inländischen Unternehmen auch ausländische Unternehmen für Emissionsreduktionen bezahlen.

Emissionshandel stärken

Schwerwiegendere Kritik am Vorschlag einer zertifikatebasierten Klimapolitik speist sich aus der derzeit nur eingeschränkten Reichweite des ETS. Nur wenn möglichst viele wichtige Emissionsquellen in das ETS einbezogen werden, bewirkt dieses eine EU-weite Priorisierung von Emissionseinsparungen in jenen Bereichen, in denen diese am kostengünstigsten sind.

Zwar werden die Reichweite des ETS steigernde Reformen bereits diskutiert. Doch der Einbezug von Privathaushalten (ca. 10 % der Emissionen), Dienstleistungssektor (ca. 4 %) sowie Verkehrssektor (ca. 17,7 %) würde zu erheblichen Transaktionskosten führen. Zwar ist vorstellbar, dass die europäischen Regierungen den notwendigen Zertifikatekauf stellvertretend für ihre Bürger vornehmen, etwa auf Basis einer jährlichen Schätzung der aus diesen Quellen entsprungenen Emissionen. Eine solche Stellvertreterlösung würde jedoch zu Trittbrettfahrerverhalten einladen und die Effizienz des ETS mindern.

Trotz dieser Schwierigkeiten stellt das ETS für die Bundesregierung bereits heute ein vielversprechendes Instrument zur Realisierung selbstgesteckter Einsparungsziele dar. Die Vorteile gegenüber der konventionellen subventionsbasierten Klimapolitik – eine geringere Verzerrungswirkung und flexiblere Anwendungsmöglichkeiten – wachsen in dem Maße, in dem es zukünftig gelingt, weitere Emissionsquellen in das ETS einzubeziehen. Statt auf die Einführung neuer Subventionen hinzuwirken, sollten am Klimaschutz interessierte Interessengruppen und Umweltpolitiker daher auf die Ausweitung des ETS und die Nutzung des Zertifikatekaufs als klimapolitische Maßnahme durch die Bundesregierung pochen.

 

Zuerst veröffentlicht bei IREF.

Photo: Kid Circus from Unsplash (CC 0)

Die Zurückweisung des italienischen Haushaltsplanes durch die EU-Kommission klingt nach einem formalen Akt. Man empört sich, dass die italienische Regierung ein Budgetdefizit von 2,4 Prozent für 2019 plant. Auf den ersten Blick wirkt das etwas verwirrend. Liegt das Defizitkriterium im Stabilitäts- und Wachstumspakt (SWP) doch bei 3 Prozent. Somit ist Italien unter der vereinbarten Grenze geblieben. Zwar liegt die gesamtstaatliche Verschuldung in Italien bei über 130 Prozent zur Wirtschaftskraft und damit über dem 60 Prozentkriterium im SWP, doch auch Frankreich, Spanien und selbst Deutschland liegen darüber.

Mit der Reform des SWPs im Jahr 2011 wurden durch das sogenannte Six-Pack die Regeln jedoch verschärft. Dabei steht die Erreichung eines strukturell ausgeglichenen Haushalts im Mittelpunkt. Unterschieden wird zwischen einem präventiven und einem korrektiven Arm des SWP. Der präventive Arm sieht vor, dass bei einer Verfehlung des geplanten Haushaltsziels die Kommission eine Abbaupfad verlangen kann. Weicht der Mitgliedsstaat davon erheblich ab, dann können die Euro-Finanzminister in letzter Konsequenz Strafen verhängen, die bis zu 0,2 % des Bruttoinlandsproduktes betragen können. Das wären für Italien maximal 3,4 Milliarden Euro.

Als korrektiver Arm enthält der SWP das „Verfahren bei einem übermäßigen Defizit“. Dieses Verfahren wird eingeleitet, wenn der Mitgliedsstaat die 3-Prozentgrenze über das Budgetdefizit reisst oder die Staatsverschuldung, wenn diese oberhalb der 60 Prozentgrenze liegt, nicht mindestens um ein Zwanzigstel jährlich abbaut. Auch hier können Sanktionen verhängt werden, die im Extremfall 0,5 Prozent des BIP betragen können.

Klar ist: Italien verstößt gegen den präventiven Arm des Stabilitäts- und Wachstumspaktes. Klar ist aber auch: Frankreich hatte 2013 noch ein gegenüber dem Vorjahr erhöhtes Defizit von 3,7 Prozent gemeldet. Es gab Proteste, aber am Ende drückte die EU-Kommission beide Augen zu. Erst in diesem Jahr wurde Frankreich aus dem Defizitverfahren entlassen. Die Verschärfung des SWP ist und war ein stumpfes Schwert. Er funktioniert nicht, da die Kommission auf die großen Volkswirtschaften zu viel Rücksicht nimmt, und im zuständigen Rat der Finanzminister (ECOFIN) keine Krähe der anderen ein Auge aushackt.

Aus dem Blick gerät aber völlig der seit 2012 bestehende Fiskalvertrag. Er ist ein gegenseitiger völkerrechtlicher Vertrag aller Euro-Mitgliedsstaaten zuzüglich Bulgarien, Dänemark und Rumänien. Bis 2014 waren alle Vertragspartner verpflichtet, eine Regel für einen ausgeglichenen Haushalt mit dauerhafter und verbindlicher Natur in nationales Recht umzusetzen. Vorbild dieser Regelung war die Schuldenbremse im deutschen Grundgesetz, die faktisch einem Neuverschuldungsverbot gleichkommt. Inzwischen haben alle Vertragsstaaten die Regelung umgesetzt. Sie ist die andere Seite des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM). Die Mitgliedsstaaten, die dem ESM beitraten, verpflichteten sich gleichzeitig, eine Schuldenbremse im nationalen Recht zu verankern. Das eine sollte es nur mit dem anderen geben.

Jetzt schert sich Italien nicht um den Fiskalpakt. Die Regierung verstößt gegen die eigenen Haushaltsregeln. Dagegen können nur das Parlament in Italien selbst, das italienische Verfassungsgericht oder der Staatspräsident Italiens vorgehen. Dennoch ist der Verstoß nicht nur ein unfreundlicher Akt, sondern auch ein Bruch der Vertragsgrundlagen des ESM. In einem Erwägungsgrund des ESM-Vertrags wird die Gewährung von Finanzhilfen an die Ratifizierung des Fiskalvertrags, das Erreichen eines ausgeglichenen Haushalts und die Einführung einer Schuldenregel gebunden. Im Fiskalvertrag wird die Bedeutung der Einrichtung des ESM ausdrücklich hervorgehoben. Allen Seiten war dieser Zusammenhang bewusst, auch Italien. Die italienische Regierung bricht diese Regeln jetzt auf offener Bühne. Das darf eine deutsche Bundesregierung nicht einfach laufen lassen und sich einfach hinter der EU-Kommission verstecken. Der ESM-Vertrag und der Fiskalvertrag sind völkerrechtliche Verträge, deren Geschäftsgrundlagen jetzt von einem Vertragspartner gebrochen wurden. Völkerrechtliche Verträge können gekündigt werden, wenn wesentliche Voraussetzungen entfallen sind oder sich geändert haben. Dies ist hier der Fall. Deutschland sollte daher den ESM wegen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage kündigen und wieder verlassen.

Erstmals erschienen bei Tichys Einblick.

Photo: Nic Low from Unsplash (CC 0)

Die Sozialdemokraten haben zweifellos ein sehr grundsätzliches Problem. Da ist nicht nur das historisch schlechteste Ergebnis in Bayern, wo sie mit 9,7 Prozent nur noch fünftstärkste Kraft sind, sondern auch das drohende Debakel in Hessen. Dort waren sie früher staatstragend. Am übernächsten Sonntag rutscht sie vielleicht sogar hinter die Grünen unter 20 Prozent.

Das ist wahrlich dramatisch. Doch es ist nicht ungewöhnlich. Überall in Europa verlieren sozialdemokratische Parteien. In Italien waren die Sozialdemokraten 2008 noch bei 33 Prozent, bei der jüngsten Parlamentswahl mussten sie sich mit 18,7 Prozent zufrieden geben. In Frankreich waren die Sozialisten der PS 2012 noch mit 29,35 Prozent stärkste Partei. Bei der Parlamentswahl im letzten Jahr erreichten sie nur noch 7,44 Prozent. In Spanien sind die Sozialdemokraten der PSOE 2008 noch mit 43,85 Prozent ins Parlament eingezogen, 2011 waren es dann 28,76 Prozent und 2015 dann nur noch 22 Prozent. Und in Griechenland waren die Sozialdemokraten über viele Jahre die dominierende Kraft im Lande. 2003 erreichten sie noch 40,55 Prozent. 2015 marginalisierte sich die PASOK auf 6,28 Prozent. Das 21. Jahrhundert ist bislang wahrlich kein sozialdemokratisches.

Wenn jetzt Finanzminister Olaf Scholz den Einstieg in eine Arbeitslosenversicherung der EU vorschlägt, dann macht er das nicht ohne eine weitergehende Absicht. Er will sich warmlaufen für eine mögliche Kanzlerkandidatur. Das mag sich heute noch etwas lächerlich anhören, doch Sozialdemokraten sind Optimisten. Ob dieser Vorschlag ihn seinem Ziel näher bringt, lässt sich jedoch bezweifeln. Denn sein Vorschlag eines Rückversicherungssystems für die nationalen Arbeitslosenversicherungen ist eigentlich ein Schlag ins Gesicht der Arbeitnehmer im eigenen Land. Warum sollen Arbeitnehmer in Deutschland mit ihren Arbeitnehmerbeiträgen das Arbeitslosengeld in Italien, Griechenland oder Spanien finanzieren?

Die Arbeitslosenquoten in Griechenland (20,1 Prozent), in Spanien (15,3 Prozent) und in Italien (10,8 Prozent) sind ja nicht vom Himmel gefallen. Sie sind vielmehr ein Ergebnis falscher politischer Rahmenbedingungen. Auf diese Rahmenbedingungen haben die deutsche Regierung, der Deutsche Bundestag oder die Sozialversicherungsträger in Deutschland keinen Einfluss. Warum sollen sie dann dafür geradestehen?

Früher wären sozialdemokratische Spitzenpolitiker niemals auf die Idee gekommen, für sachfremde Leistungen die Arbeitslosenversicherung zu plündern. Sie hätten sich auch nicht für eine Kollektivierung aller Risiken in Europa ausgesprochen. Sie hätten sich um die Menschen im eigenen Land gekümmert. Was der Sozialdemokratie heute abgeht, sind Aufsteigergeschichten. Und Personen, die diese Aufsteigergeschichten glaubhaft vertreten können. In den 1970er Jahren haben die Sozialdemokraten für die Durchlässigkeit in der Gesellschaft gekämpft. Im Bildungssystem sollten auch Arbeiterkinder Abitur machen und anschließend studieren können. Gerhard Schröder war dann der letzte Sozialdemokrat und glaubhafte Repräsentant dieser Aufsteigergeneration. Er stammte aus ärmlichsten Verhältnissen, machte sein Abitur über den 2. Bildungsweg, studierte anschließend und schaffte es später sogar bis zum Bundeskanzler. Mehr Aufstieg geht nicht!

Mit ihrem Abstieg hinterlassen die Sozialdemokraten im deutschen Parteienspektrum eine Lücke, die hochinteressant ist. Es handelt sich dabei nämlich um die Menschen, die etwas schaffen wollen, die aufsteigen wollen und die aus ihren Verhältnissen ausbrechen wollen. Diese Gruppe will wie in den 1970er Jahren den Bildungsaufstieg schaffen, sie will eigenen, bescheidenen Wohlstand schaffen. Sie arbeitet dafür, dass sie im Alter nicht von der Fürsorge abhängig ist und sie will ihren Kindern eine bessere Zukunft hinterlassen. Eigentlich ist es doch ein gesellschaftlicher Skandal, dass ein Normalverdiener es heute nicht mehr schafft, sein eigenes Pflegerisiko ausreichend abzusichern. Nicht mehr nur die Geringverdiener müssen daher im Alter auf staatliche Transferleistungen vertrauen, sondern auch die Normalverdiener. Diese Ziele finden im deutschen Parteienspektrum nur einen rudimentären Niederschlag. Das ist bedauerlich und gleichzeitig eine Chance für eine Partei, die die Aufsteiger in den Blick nimmt. Das erfordert nicht mehr Intervention des Staates, sondern, ganz im Gegenteil, mehr Freiräume. Aufsteigen kann man nur, wenn Hürden abgebaut werden, wenn eine Gesellschaft durchlässiger wird und wenn mehr finanzieller Spielraum beim Arbeitnehmer und beim Einzelnen bleibt. Nur dann hat dieser die Chance, seine Wünsche und Lebensziele selbstständig zu erreichen.

Erstmals erschienen bei Tichys Einblick.