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Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues und Fabian Kurz, Student der Volkswirtschaftslehre, ehemaliger Praktikant bei Prometheus. 

20 Jahre nach der letzten großen Liberalisierung des europäischen Luftverkehrs ist es Zeit, die verbleibenden Wettbewerbshürden für nichteuropäische Anbieter zu beseitigen.

Der Zugang zum europäischen Luftverkehr ist für ausländische Anbieter streng limitiert. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, dürfen nur europäische Fluggesellschaften Passagiere und Fracht von einem Ort zu einem anderen Ort innerhalb der Europäischen Union befördern. Dies lässt derzeit insbesondere britische Airlines zittern. Sie wären bei einem ungeordneten Brexit auf einen Schlag Nicht-EU-Fluggesellschaften und damit zunächst nicht berechtigt, innerhalb der EU Flüge anzubieten. Der Ausschluss nichteuropäischer Fluggesellschaften ist nicht nur problematisch für britische Fluglinien im Fall eines harten Brexits, sondern behindert grundsätzlich den Wettbewerb von Airlines um die Gunst europäischer Kunden. Auch Airlines, die nicht zu mindestens 50 Prozent im Besitz von EU-Bürgern sind, sollten innereuropäische Flüge anbieten können.

Mehr Fluggäste, relativ stabile Ticketpreise

Im Jahr 2017 nutzten in Deutschland über 212 Millionen Reisende das Flugzeug als Verkehrsmittel. Das waren gut 48 Millionen Passagiere mehr als 10 Jahre zuvor. Der innereuropäische Flugverkehr macht dabei einen erheblichen Teil des Gesamtflugverkehrs in Deutschland aus. Nach Daten des Statistischen Bundesamts hatten im Jahr 2018 etwa 70 Prozent aller Passagiere, die in Deutschland ihre Reise begannen, als Ziel einen innereuropäischen Flughafen. Nur 30 Prozent der Passagiere flogen zu nichteuropäischen Zielen.

Trotz regelmäßiger Berichte über günstige Tickets von Low-Cost-Airlines wie Ryanair, easyJet und Co. sind Flugpreise für die Deutschen seit 1991 etwa so stark gestiegen wie das allgemeine Preisniveau.

Europäischer Luftverkehr: Unvollendete Erfolgsgeschichte

Der 1. April 1997 ist ein besonderer Tag für den europäischen Flugverkehr. An diesem Tag fand die zehnjährige schrittweise Liberalisierung des europäischen Luftverkehrs seinen vorläufigen Abschluss. Zum Schnäppchenpreis von 123 Mark konnten die Deutschen Ostern 1997 mit einer Tochter von British Airways innerhalb Deutschlands verreisen.

Seit dem 1. April 1997 dürfen EU-Airlines uneingeschränkt Flüge innerhalb der Europäischen Union anbieten und die Preise frei gestalten. Es dürfen daher auch ausländische europäische Fluggesellschaften innerdeutsche Flüge anbieten. Dies war vor der Liberalisierung nicht möglich. So ist es nicht verwunderlich, dass in den meisten europäischen Ländern nationale Monopolisten den Luftverkehr prägten – in Deutschland die Lufthansa.

Vor der Deregulierung war der Flugverkehr national reguliert und internationale Flüge waren nur durch bilaterale Luftfahrtabkommen möglich, die den Marktzugang und die Eigentümerstrukturen streng regulierten. Dies gilt bis heute für nichtinnereuropäische Flüge. Die Freiheiten des gemeinsamen europäischen Luftverkehrsraums gelten nur für Airlines aus der EU, Norwegen, Island, Liechtenstein und der Schweiz.

Fluggesellschaft europäisch genug?

Nur EU-Airlines dürfen grundsätzlich kommerziell Passagiere und Fracht von jedem Ort in der Europäischen Union an jeden anderen Ort in der Union befördern. Es ist detailliert geregelt, was eine EU-Airline ist. Die Airline muss ihren Hauptsitz in einem EU-Staat haben und über ein von diesem Mitgliedsland ausgestelltes Luftverkehrsbetreiberzeugnis verfügen. Außerdem muss die Airline mindestens zu 50 Prozent im Besitz von europäischen Staaten oder deren Staatsangehörigen sein und von diesen tatsächlich kontrolliert werden. Die Regeln gelten analog für Norwegen, Island, Liechtenstein und die Schweiz.

Nichteuropäischen Anbietern ist damit der Marktzugang so gut wie versperrt. Deshalb versucht die britische easyJet derzeit, ihre nichteuropäischen Aktionäre los zu werden, um im Falle eines Brexits weiterhin als EU-Airline zu gelten. Mit ähnlichen Schwierigkeiten kämpft die International Airlines Group (IAG), zu der unter anderem British Airways, die irische Aer Lingus und die beiden spanischen Fluggesellschaften Iberia und Vuelling Express gehören. Können Iberia und Vueling Express bis zum 29. März nicht nachweisen, dass sie spanische Airlines sind, würde ein großer Teil des innerspanischen Flugverkehrs im Falle eines ungeordneten Brexits lahmgelegt werden.

Die Erfolgsgeschichte fortführen

Die Anforderung an die Eigentümerstruktur auf dem EU-Flugverkehrsmarkt ist eine Form von Lokalisierungsbarriere, die Wettbewerb einschränkt. Wie in anderen Bereichen auch sind diese Einschränkungen vor allem kostspielig für die Verbraucher und können nur selten mit Sicherheitsbedenken begründet werden. So ist es nur schwer nachvollziehbar, warum beispielsweise American Airlines Flüge von New York nach Paris anbieten, aber keine Passagiere von Frankfurt nach Athen befördern darf. Sicherheitsbedenken können kaum Grund für diese Einschränkung sein, schließlich müssen ausländische Fluggesellschaften, die schon heute Ziele in der EU ansteuern, entsprechende Sicherheitsnachweise vorlegen.

20 Jahre nach der letzten großen Liberalisierung des europäischen Luftverkehrs ist es Zeit, die verbleibenden Wettbewerbshürden für nichteuropäische Anbieter zu beseitigen. Airlines sollten unabhängig von ihrer Aktionärsstruktur Flüge innerhalb der EU anbieten und sich Zugang zu Start- und Landesrechten verschaffen können, die öffentlich versteigert und nicht wie bisher vornehmlich an alt eingesessene Anbieter vergeben werden sollten.

Erstmals erschienen bei IREF.

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Es ist doch eine Perversion des Friedens- und Freiheitsprojektes, wenn die Nichtmitglieder tributpflichtig werden, nur damit sie mit der Bevölkerung der EU Handel treiben dürfen.

Der Brexit wird zunehmend zur Tragödie. Nichts drückt die aktuelle Stimmung auf der Insel so präzise aus, wie die lädierte, krächzende Stimme von Theresa May. Wenn sie im Unterhaus vor die Abgeordneten tritt und für ihre Vereinbarung mit der EU wirbt, dann schwankt man zwischen Bewunderung für ihre Kraft und Ausdauer und Entsetzen über ihre Ignoranz gegenüber den Mehrheitsverhältnissen im Parlament.

Gestern erreichte ein Antrag, einen harten Brexit abzulehnen, mit 312 zu 308 Stimmen nur eine knappe Mehrheit. Aktuell hat also weder der ausgehandelte Vertrag mit der EU eine Mehrheit, noch ein harter Brexit. Erst heute Abend wird man sehen, ob eine kleine Verschiebung des Austrittsdatums eine Mehrheit findet. Es ist nicht ausgeschlossen, dass auch dafür keine Mehrheit besteht. Dann kommt es zur verrückten Situation, dass es einen harten Brexit am 29. März gibt, obwohl eine Mehrheit im Parlament das eigentlich nicht will.

Mit Häme auf diese verfahrene Situation zu reagieren, wäre falsch. Denn eigentlich zeigt die Lage zweierlei. Zum einen, dass einfache Mehrheiten für so grundsätzliche Fragen nicht geeignet sind. Abstimmungen müssen strittige Fragen klären, aber anschließend auch Frieden stiften. Dies Bedingung hat das Brexit-Votum nicht erfüllt. Die Mehrheiten dafür waren zu knapp. Besser wäre es gewesen, wenn für den Austritt eine qualifizierte Mehrheit in der Bevölkerung notwendig gewesen wäre. Das letzte Votum über den Verbleib Großbritanniens in der damaligen EG erfolgte mit einer Zweidrittel-Mehrheit. 67,2 Prozent der Wähler votierten 1975 für den Verbleib in der EG. Das hatte das kritische Verhältnis weiter Teile der britischen Bevölkerung gegenüber dem Kontinent und der EU nicht verstummen lassen, aber die Lage über viele Jahrzehnte beruhigt.

Die aktuelle Lage zeigt aber auch, dass die EU nicht unschuldig ist an der verfahrenen Situation. Der EU-Kommission ging es von Anbeginn an um eine Disziplinierung nicht nur der Briten, sondern aller potentiellen Austrittskandidaten. Nie wieder sollte ein Land auf die Idee kommen, den Austritt in Erwägung zu ziehen. Die Hürden hierfür sollten möglichst hoch und schmerzhaft sein. In diesen Chor stimmten auch viele in Deutschland mit ein. Es dürfe kein Rosinenpicken zugelassen werden, also die Vorteile des gemeinsamen Marktes nutzen, aber zur Finanzierung nichts mehr beitragen wollen. Das sind keine besonders überzeugenden Argumente, insbesondere wenn man davon spricht, dass die EU ein Friedens- und Freiheitsprojekt sei. Zur Freiheit gehört die Auswahl aus verschiedenen Angeboten. Warum muss jemand der am Binnenmarkt teilnimmt, gleichzeitig die Forschungspolitik der EU oder für Agrarsubventionen mitbezahlen? Durch den Austritt kann das Land die Geschicke in der EU nicht mehr mitbestimmen, was richtig ist, aber dieses Land sollte diese Politik dann nicht auch weiter mitbezahlen müssen.

Es ist doch eine Perversion des Friedens- und Freiheitsprojektes, wenn die Nichtmitglieder tributpflichtig werden, nur damit sie mit der Bevölkerung der EU Handel treiben dürfen. Die EU sollte daher ihre Märkte für Großbritannien öffnen, ohne dass die Briten weiter Beiträge in den EU-Haushalt leisten müssen. Das wäre für viele Bürger und Unternehmen auf dem Kontinent und der Insel gut. Es wäre eine win-win-Situation in einer derzeit verfahrenen Lage. Es würde auch die EU als Freiheitsprojekt wieder attraktiv machen und andere einladen, gleiches zu tun. Vielleicht entsteht dadurch sogar einen Bewegung für Freihandel und gegen den wachsenden Protektionismus. Man mag das als Illusion abtun, so nach dem Motto: überall auf der Welt ist man gerade auf einem anderen Dampfer unterwegs. Aber vielleicht ist solch ein historischer Einschnitt, wie es der drohende Brexit aktuell ist, ein Weckruf zur Vernunft. Nicht die Abschottung und die Demütigung des anderen hat zu Frieden und Wohlstand in Europa geführt, sondern die Rücksichtnahme und das Verständnis für den anderen.

Deshalb wäre es klug und im wahrsten Sinne europäisch, wenn die EU den Briten mehr Zeit gäbe, um im britischen Unterhaus und in der britischen Bevölkerung einen breiten gesellschaftlichen Konsens herzustellen. Mehr Zeit ohne Vorbedingungen. Man mag sich über die Briten noch so ärgern, für die gute Idee eines europäischen Freiheitsprojektes darf es nicht auf einige Wochen mehr oder weniger ankommen. Weniger Häme und mehr politische Klugheit wären daher angebracht.

Erstmals erschienen bei Tichys Einblick.