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Photo: StefanRohrbach from Flickr (CC BY 2.0)

Von Claus Vogt, Börsenbrief „Krisensicher investieren“.

Der Bundesrechnungshof hat vor einigen Monaten einen Bericht veröffentlicht, in dem er sich intensiv mit der finanziellen Dimension der Energiewende auseinandersetzt. In dem Bericht kritisieren die Finanzkontrolleure insbesondere, dass die Bundesregierung keinen Überblick über die finanziellen Auswirkungen der Energiewende habe. Auch würden bei der Umsetzung der Energiewende die Ziele Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit nicht gleichrangig mit den klimapolitischen Zielen behandelt.

Fragen der Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit spielen auch in den derzeitigen Verhandlungen zur Regierungsbildung nach der Bundestagswahl vom September 2017 keine Rolle. Da fragt man sich als interessierter Zeitgenosse schon, auf welcher Faktenbasis die zukünftigen Koalitionäre über weitere Verschärfungen der Energiewende verhandeln und dadurch der Gesellschaft zusätzliche Belastungen auferlegen wollen.

Als Energiewende bezeichnet die Bundesregierung den Übergang von der Nutzung fossiler Energieträger wie Erdöl, Kohle und Erdgas sowie der Kernenergie zu einer nachhaltigen Energieversorgung durch erneuerbare Energien. Die Energiewende soll dazu beitragen, die angestrebten Klimaschutzziele zu erreichen. Der Begriff „erneuerbare Energien“ ist streng genommen nicht korrekt, denn Energie lässt sich nach dem Energieerhaltungssatz der Physik weder vernichten noch erschaffen, sondern lediglich in verschiedene Formen überführen. Die Bezeichnung hat sich jedoch allgemein durchgesetzt und auch Eingang in die Gesetzessprache gefunden.

Eine Gesamtkoordinierung findet nicht statt

Innerhalb der Bundesregierung ist das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) für die Gesamtkoordinierung der Energiewende zuständig. Das BMWi versteht die Energiewende als gesamtstaatliche Aufgabe und spricht in diesem Zusammenhang davon, dass durch seine Koordinierung Reibungsverluste verhindert und eine „Energiepolitik aus einer Hand“ ermöglicht werde. Die Feststellungen des Rechnungshofs zeigen allerdings, dass das BMWi bislang seine Rolle als Gesamtkoordinator nicht ausfüllt. Vielfach fanden weder innerhalb des BMWi noch mit anderen Bundesministerien koordinierende Absprachen statt. Beispielsweise wurden Fördermittel von verschiedenen Ressorts für ähnlich Programme zur Verfügung gestellt. Weiterhin hat der Bundesrechnungshof die mangelhafte Abstimmung zwischen Bund und Ländern bei der Umsetzung der Energiewende bemängelt.

Der Bund hat keinen Überblick über die Kosten der Energiewende

Angesichts der mangelnden Koordination verwundert es nicht, dass das BMWi keine belastbaren Zahlen über die finanzielle Dimension der Energiewende vorlegen konnte. Elementare Fragen wie zum Beispiel, was die Energiewende den Staat kostet bzw. kosten sollte, konnten nicht beantwortet werden. Für den Bundesbereich musste der Rechnungshof die entsprechenden Informationen bei den in Frage kommenden Bundesministerien erfragen. Maßnahmen zur Umsetzung der Energiewende finanziert der Bund aus dem Bundeshaushalt und aus dem Energie- und Klimafonds. Die entsprechenden Ausgaben lagen im Jahr 2011 bei 2 Milliarden Euro, im Jahr 2016 waren es bereits 4 Milliarden Euro. Der Rechnungshof hat gefordert, dass der Bund sich an zentraler Stelle einen umfassenden Überblick über die finanziellen Auswirkungen der Energiewende verschaffen müsse. Nur dann könne eine fundierte Entscheidung über Ausbau und Grenzen der Energiewende getroffen werden.

Bürger und Unternehmen werden mit hohen Milliardenbeträgen belastet

Viel gewichtiger als die Ausgaben der öffentlichen Haushalte für die Energiewende sind die Lasten, welche auf die Bürger und Unternehmen in diesem Zusammenhang zukommen. Insbesondere die von den Stromverbrauchern zu tragenden Aufschläge und Umlagen erreichen eine gewaltige finanzielle Dimension. Die von den Stromverbrauchern zu zahlenden Gesamtausgaben für die verschiedenen Aufschläge und Umlagen beliefen sich im Jahr 2016 auf schätzungsweise 24 Milliarden Euro. Darüber hinaus müssen die Bürger und Unternehmen die Energiewende aufgrund von gesetzlichen oder sonstigen Regelungen mitfinanzieren. Ein Beispiel hierfür ist die Energieeinsparverordnung, welche die Investitionsausgaben bei Gebäuden deutlich erhöht. Die energetisch relevanten Kosten bei Investitionen in den Gebäudebestand wurden vor einigen Jahren auf über 50 Milliarden Euro geschätzt.

Der Rechnungshof fordert Transparenz über die Kosten der Energiewende

Der Rechnungshof hat zu diesem Thema ausgeführt, dass der Bund Transparenz über die Auswirkungen der Energiewende auf Bürger und Unternehmen durch staatliche Maßnahmen wie Steuern, Abgaben, Umlagen usw. schaffen müsse. Das gleiche gelte für Regelungen wie beispielsweise das Gesetz über den Ausbau erneuerbarer Energien oder die Energieeinsparverordnung. Nur aufgrund einer ausreichend datenbasierten und umfassenden Grundlage sei eine Diskussion über die Weiterentwicklung der Energiewende möglich. Eine Entscheidung über Ausbau und Grenzen der Energiewende könne nur getroffen werden, wenn der Staat wisse, wie viel die Energiewende den Staat und die Verbraucher von Energie koste.

Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit müssten stärker berücksichtigt werden

Weiterhin geht der Rechnungshof auch auf die energiepolitischen Ziele der Bundesregierung ein. Die Ziele Umweltverträglichkeit, Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit (sogenanntes „energiepolitisches Dreieck“) stehen für die Bundesregierung gleichrangig nebeneinander. Der Bundesrechnungshof führt dazu aus, dass bei der Energiewende die Ziele Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit nicht gleichrangig mit den umweltpolitischen Zielsetzungen berücksichtigt würden. Es bestehe eine Dominanz der Umweltverträglichkeit. Der Rechnungshof fordert, dass die Ziele Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit genauso konkretisiert und quantifiziert werden müssten wie die bereits ausreichend quantifizierten umweltpolitischen Ziele. Dabei sollten Obergrenzen für die Kosten der Energiewende aufgezeigt werden. Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit müssten als begrenzende Faktoren für die Weiterentwicklung der Energiewende wahrgenommen werden.

Neue Lasten werden auf die Bürger zukommen

Goldene Worte, die der zur Objektivität verpflichtete Rechnungshof der Politik da ins Stammbuch geschrieben hat. Die äußerst vernünftigen Forderungen der Finanzkontrolleure werden aber vermutlich bei der Politik kein Gehör finden. Hierfür spricht, dass klimapolitische Ziele in den bisherigen Verhandlungsrunden zur Bildung einer tragfähigen Regierungskoalition nach der Bundestagswahl einen hohen Stellenwert hatten, während Aspekte der Versorgungssicherheit bzw. Bezahlbarkeit nicht im Vordergrund standen. An diesem Vorrang für den Klimaschutz dürfte sich auch bei weiteren Koalitionsverhandlungen nichts ändern. Vor diesem Hintergrund steht zu befürchten, dass die Politik uns Bürgern weitere finanzielle Lasten zur Durchsetzung ihrer klimapolitischen Ziele auferlegen wird.

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Es gibt wohl fast keinen Wirtschaftsbereich, vom Finanzsektor einmal abgesehen, der so stark von staatlicher Lenkung beeinflusst ist wie der Energiesektor. Das hat auch diese Woche wieder gezeigt. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Atomausstieg zeigt glücklicherweise die Grenzen staatlicher Willkür. Der Staat darf eben nicht alles. Er muss auf Eigentumsrechte und Verträge – wie etwa vorher mit ihm vereinbarte Kraftwerkslaufzeiten – Rücksicht nehmen. Verstößt er dagegen, muss er die Unternehmen entschädigen. Ärgerlich ist nur, dass die Kanzlerin und ihr damaliger Umweltminister Peter Altmaier für diese rechtswidrigen Entscheidungen vom Steuerzahler nicht schadensersatzpflichtig gemacht werden können. Es wäre aber zumindest „des Schweißes der Edlen wert“, darüber nachzudenken.

Diese willkürlichen Eingriffe des Staates in den Energiesektor finden sich häufig und besonders ausgeprägt im Bereich der Erneuerbaren Energien. Im Jahr 2019 steigen die Ökostromumlage und die Kosten anderer Maßnahmen auf dann 28,5 Milliarden Euro pro Jahr. Dagegen war der Kohlepfennig, der ebenfalls über eine Umlage finanziert wurde, eine Petitesse. Sein Volumen betrug im Jahr 1989 lediglich 5,4 Milliarden DM. Als der damalige Wirtschaftsminister Jürgen Möllemann 1991 den Abbau von 10 Milliarden DM an Subventionen, unter anderem bei der Kohle, zur Bedingung für seinen Verbleib im Kabinett machte, demonstrierten 800 Kumpel gegen Möllemann und verbrannten eine Strohpuppe, die ihn darstellen sollte. Erst 1994 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass der Kohlepfennig nicht zu rechtfertigen sei, da er eine Allgemeinheit von Stromkunden belaste, die keine besondere Finanzierungsverantwortlichkeit für Steinkohle aus Deutschland habe. Diese Argumentation passt heute ebenfalls wie die Faust aufs Auge für die Erneuerbaren Energie.

Ähnlich wie bei der heimischen Steinkohle, deren Bergschäden noch heute weite Teile des Ruhrgebiets belasten, ist es auch mit den Erneuerbaren Energien. Sie führen zu Monokulturen in der Landwirtschaft und zu immer mehr Eingriffen des Staates. Allein die Herstellung von Biogasanlagen hat sich in den vergangenen zehn Jahren vervierfacht, die der installierten Leistung verzehnfacht. Wer so viel elektrische Leistung produzieren will, braucht Futter. Mais ist dafür der gängige Rohstoff. Inzwischen ist die Maisanbaufläche in Deutschland auf 2,6 Millionen Hektar angewachsen – das ist mehr als die Fläche Mecklenburg-Vorpommerns. Einer der Kollateralschäden dieser Entwicklung ist die massive Zunahme von Schwarzwild. Wildschweine können sich im Mais besser verstecken und haben eine auskömmliche Nahrungsquelle. Allein in Hessen hat sich in den vergangenen Jahren die Abschusszahl der Wildschweine versiebenfacht.

Jetzt hat die EU angekündigt, dass der Biodiesel, der überwiegend aus Raps gewonnen wird, bei der Zwangsbeimischung für Diesel und Benzin von derzeit 7 Prozent auf dann nur noch 3,8 Prozent anzupassen sei. Noch 2009 wurde genau umgekehrt argumentiert. Damals galt die Beimischung als wichtiger Beitrag für den Klimaschutz und gleichzeitig als langfristige Existenzsicherung für die Landwirtschaft.

2011 wurde sogar mit viel Tamtam der E10-Kraftstoff eingeführt, den viele Fahrzeuge dann ins Stottern brachte. Eine ganze Industrie im In- und Ausland lebt inzwischen von dem Glauben, dass hier etwas Gutes getan wird. Landwirte werden in Märkte und Produkte gedrängt und finanziell angeschubst. Sie investieren in neue Geräte und Anlage und plötzlich überlegt sich die Regierung etwas Anderes. Schon schreien und beschweren sich die Angeschubsten und betonen, wie wichtig Bioethanol für die Umwelt sei. Gleichzeitig erwähnen sie beiläufig, dass weniger Rapsanbau mehr Getreideanbau zur Folge hätte und damit die Getreidepreise ins Rutschen geraten würden. Und nicht nur das: die Reste des Rapsanbaus könnten auch nicht mehr an die Tiere verfüttert werden. Damit müsste der Sojaimport erhöht werden. Soja sei allerdings häufig genmanipuliert und der Anbau würde die Regenwälder in Südamerika vernichten. Kein Argument ist zu flach, um nicht für die Lobbyarbeit herhalten zu können.

Letztlich führt diese Art der Wirtschaftspolitik zur Entmündigung. Alle Unternehmer, erst recht die Landwirte, werden von der Regierung an die kurze Leine genommen. Sie sind abhängig von der Willkür der Regierenden. Sie schauen nur noch, welche kurz gültigen Entscheidungen die Politik trifft, versuchen darauf über ihre Verbände Einfluss zu nehmen, verstehen aber offensichtlich nicht, dass sie sich dadurch ihre unternehmerische Freiheit “nachhaltig” rauben lassen.

Erstmals erschienen auf Tichys Einblick.

Photo: Uwe Kaufmann from flickr (CC BY 2.0)

Der Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung ist zwar derzeit nur ein sogenannter Hausentwurf im Bundesumweltministerium, aber dennoch sagt er viel über die Denke der Ministerialbürokratie aus. In dem 70 Seiten umfassenden Papier kommt all das zum Ausdruck, was Zentralverwaltungswirtschaft so ausmacht. Sie meinen, das sei zu hart? Nein, ganz und gar nicht. Es trifft den Nagel auf den Kopf. Gibt man nämlich im Internet „Zentralverwaltungswirtschaft“ ein, erfährt man beispielsweise auf der Seite www.wirtschaftslexikon24.com prompt: „Die Zentralverwaltungswirtschaft stellt eine Wirtschaftsordnung dar, in der von einer zentralen Stelle des Staates aufgrund eines Planes Produktion und Konsum gelenkt und gestaltet werden. Sie wird auch als zentralgeleitete Wirtschaft oder Planwirtschaft bezeichnet.“

Was in dieser neutralen Beschreibung fehlt, ist die historische Einordnung. Die Zentralverwaltungswirtschaft ist immer gescheitert – immer. Sie ist im China Maos gescheitert, in der Sowjetunion Gorbatschows, in der DDR Honeckers, in Kuba Castros und jüngst im Venezuela von Hugo Chavez. Warum sollte es im Deutschland der Bundesumweltministerin Barbara Hendricks anders sein? Dieses Scheitern liegt weniger am Willen der Maos, Gorbatschows und Hendricks. Sie glaubten und glauben an ihre Mission. Die Zentralverwaltungswirtschaft scheiterte und scheitert an ihrer Komplexität. Niemand hat dieses umfassende Wissen bis in die letzte Verästelung der Produktion und des Konsums hinein. Das Wissen und die Informationen sind subjektiv verstreut und unterliegen einem ständigen Wandel. Die Versorgung mit Brot, Fleisch oder Eiern kann deshalb nicht zentral geplant werden. Welches Brot soll beispielsweise geplant und hergestellt werden? Vollkorn-, Weiß- oder Toastbrot? Wieviel von jedem? 1000 Brote, eine Million oder 100 Millionen? Wieviel davon in München, wieviel davon in Greifswald? Wieviel am Sonntag und wieviel an den Werktagen? Auch die Versorgung mit Strom, Wärme oder Wasser kann nicht zentral geplant werden. Wer soll dieses Wissen haben? Viel zu differenziert und vielschichtig sind die Anforderungen an die Produzenten. Und viel zu differenziert und vielschichtig sind die Wünsche der Konsumenten. Der eine wohnt auf dem Land, der andere in der Stadt. Der eine wäscht jeden Tag, weil er kleine Kinder hat. Der andere bringt seine Wäsche in die Reinigung. Was für Brot, Fleisch, Eier, Strom, Wärme oder Wasser gilt, kann beim Klima nicht anders sein. Wer den CO²-Ausstoß reduzieren will, kann dies nicht zentral planen. Auch dieses Wissen hat niemand. Jeder Versuch wird daher scheitern. Dennoch bereitet das Umweltministerium die Zentralverwaltungswirtschaft 4.0 vor.
Legt man die oben genannten Kriterien an den „Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung“ an, dann ergibt sich eine vollständige Übereinstimmung. Die zentrale Stelle ist hier die Bundesregierung, die wiederum einen Plan bis 2030 und 2050 aufstellt, der die Produktion und den Konsum in der Energiewirtschaft, beim Bauen und Wohnen, bei der Mobilität, in der Industrie und der Land- und Forstwirtschaft lenkt und gestaltet.
Man kann dem Bundesumweltministerium nicht vorwerfen, es sei nicht konkret. Im Papier heißt es: Das Oberziel sei eine „treibhausgasneutrale Wirtschaft und Gesellschaft bis zur Mitte des Jahrhunderts“. Dies sei eine große Herausforderung – aber erreichbar, so die Autoren des Papiers. Dazu schlagen sie unter anderem vor:
• Spätestens bis zum Jahr 2030 muss auf die Neuinstallation von Heizsystemen, die auf die Verbrennung fossiler Brennstoffe beruhen, verzichtet werden. Hinweis: Ziehen Sie sich warm an!
• Das Verkehrssystem in Deutschland wird im Jahr 2050 nahezu unabhängig von Kraftstoffen mit fossilen Kohlenstoffen („dekarbonisiert“) sein. Hinweis: Planen Sie bei Reisen etwas Zeit ein, das Aufladen der Elektroauto-Batterie dauert ein wenig!
• Mit einem nationalen Radverkehrsplan und einer Fußverkehrsstrategie soll der Klimaschutzplan umgesetzt werden. Hinweis: Fahrradfahren hält jung!
• Bis 2050 sollte mindestens eine Halbierung des derzeitigen Fleischkonsums angestrebt werden. Hinweis: Sparen sie schon heute, damit sie sich morgen noch das Schnitzel leisten können!
• Mittel- und langfristig ist eine Änderung der Ernährungsgewohnheiten durch eine „deutliche Reduktion des Konsums tierischer Produkte“ anzustreben. Hinweis: Der Veggi-Day ist doch nicht tot!

Trotz der vielen gescheiterten Planwirtschaftsexperimente in der Geschichte wird immer wieder versucht, das Unmögliche möglich zu machen. An dieser Ignoranz könnte man verzweifeln. Eigentlich bräuchte es heute wieder einen Wirtschaftsminister wie Ludwig Erhard, der die Bürger wach- und aufrüttelt. In seinem wichtigsten Buch „Wohlstand für alle“ schrieb er damals: „Ich lehne das Prinzip der Planung und Lenkung dort radikal ab, wo es den einzelnen Staatsbürger von früh bis abends als Konsumenten oder Produzenten quälen soll.“ Lassen Sie sich nicht weiter quälen und wehren Sie sich. Jetzt!
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Photo: Wikimedia Commons

Vor fünf Monaten galt sie noch als die mächtigste Frau der Welt: Angela Merkel. Damals kürte das US-Magazin „Forbes“ die dienstälteste Regierungschefin in Europa bereits zum fünften Mal in Folge auf Platz eins dieses Rankings. Das Blatt hob die Kontinuität der Kanzlerschaft, die ökonomischen Erfolge Deutschlands und die dominierende Rolle der Kanzlerin in der Griechenland-Krise besonders hervor. Doch nichts ist von Dauer, erst recht nicht in der Politik. Die „Götterdämmerung“ Angela Merkels hat längst eingesetzt. Denn ihr Politikmodell zeigt zunehmend Schwächen.

Weit anders als ihre Vorgänger verbindet man mit Merkel keine Vision, keine langfristige Agenda. Adenauers Westbindung, Erhards ökonomischer Kompass, Brands Ostpolitik, Kohls Wille zur Deutschen Einheit oder Gerhard Schröders Entschlossenheit bei der Agenda 2010 waren wichtige Wegmarken. Diese wurden teilweise gegen viel Widerstand eingeschlagen, aber am Ende haben sie dem Einzelnen und der Gesellschaft insgesamt mehr Chance ermöglicht. Doch an was wird man sich in 20 oder 30 Jahren im Rückblick an Merkels Regierungszeit erinnern? Merkel steht für eine Politik ohne genaue Orientierung. Sie entscheidet von Fall zu Fall – pragmatisch, aber ohne Pathos. Das ist – oder besser war – durchaus beliebt. Ihre Bescheidenheit im Privaten, frei von Skandalen und Affären, wollen die Bürger in diesem Land.

Doch wer ohne inneren Kompass entscheidet, seine Politik an aktuellen Umfragen orientiert oder die Stimmung durch vorsichtiges Anstupsen (Nudging) lenkt, wird den eigentlichen Herausforderungen der Zukunft nicht gerecht. Es führt nämlich aus tagespolitischer Opportunität zu langfristig fatalen Fehlentwicklungen, die Recht und Freiheit gefährden. Die Herrschaft des Rechts wird durch eine Herrschaft der Willkür ersetzt. Das ist gefährlich. Drei Beispiele:

Erstens: Die Energiewende 2011 führte über Nacht zur Enteignung privater Unternehmen als die Stimmung im eigenen Land durch die Tsunami-Katastrophe in Japan kippte. Individuelle Eigentumsrechte, die Verlässlichkeit der Investitionsentscheidungen von Energieunternehmen und die langfristigen ökonomischen Folgen für das Land wurden einem Meinungsklima einer Mehrheit untergeordnet. Grundrechte Einzelner wurden über Nacht einfach beiseite gewischt. Was gestern und heute die Energieunternehmen sind, ist morgen vielleicht der private Hausbesitzer.

Zweitens: Die Euro-Krise, beginnend mit den ersten Griechenland-Hilfen 2010, vollzog sich nach dem gleichen Muster bis zum heutigen Tag. Die pragmatische Entscheidung mit Milliarden-Geldern den griechischen Staat vor dem Bankrott zu schützen, folgte dem Glauben, dass dies nur ein vorübergehendes Phänomen sei und dass man die Haftung der Eigentümer und Gläubiger nicht zu eng sehen müsse. Die Nichtbeistandsklausel, die Schuldentragfähigkeit, die Gefährdung des Euro-Raumes als Ganzes, spielten in der Not keine Rolle. Der Augenblick zählte, nicht die europäische Rechtsgemeinschaft.

Und drittens: Die jüngste einsame Entscheidung der Kanzlerin, Flüchtlinge an der ungarischen Grenze nach Deutschland einzuladen, ohne deren Asylverfahren im sicheren Drittstaat abzuwarten, war zunächst populär, sprengte jedoch letztlich das Dubliner Abkommen in den Europäischen Verträgen und schleift das Asylrecht in Deutschland endgültig. Da hilft es auch nicht, den anderen Mitgliedstaaten mangelnde Rechtstreue vorzuwerfen, weil sie nicht in der Lage sind, Flüchtlinge zu registrieren und rechtsstaatlichen Asylverfahren durchzuführen. Der Rechtsbruch wird nicht durch einen weiteren Rechtsbruch geheilt. Die Personenfreizügigkeit in Europa ist ein hohes Gut, das nur dann als Wert erhalten werden kann, wenn sich die Teilnehmer an die vereinbarten Regeln halten. Und genau darin liegt Europas Chance für die Zukunft. Das erfordert aber eine Änderung des Politikmodells. Es muss prinzipienbasiert sein, wo derzeit noch Willkür herrscht.

Vielleicht sollte sich die Kanzlerin an Ludwig Erhard orientieren, der diese Art der Politik bereits zu seiner Zeit scharf kritisierte: „Was sind das für Reformen, die uns Wände voll neuer Gesetze, Novellen und Durchführungsverordnungen bringen? Liberale Reformen sind es jedenfalls nicht. Es sind Reformen, die in immer ausgeklügelterer Form Bürger in neue Abhängigkeiten von staatlichen Organen bringen, wenn nicht sogar zwingen.“

Erstmals erschienen in der Fuldaer Zeitung am 26.09.2015.

Neulich las ich in der „Börsenzeitung“ eine kleine Notiz. Darin stand, dass das Bundesfinanzministerium die Anlagerichtlinien für Lebensversicherungen geändert hat, um Investition in den Energiesektor einfacher zu machen.

Sieh an, sieh an, kam es mir sofort in den Sinn. Soll keiner sagen, die Bundesregierung habe die Folgen der Niedrigzinspolitik der EZB nicht erkannt. Der drohende Exitus der Lebensversicherung wird dadurch behoben, dass künftig die Altersvorsorge der Sparer in die Energiewende investiert wird. Das ist praktisch, denn die dortigen Erträge sind staatlich reguliert und garantiert. Die Regierung schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe. Zum einen sichert sie den Lebensversicherungen in Zeiten der Nullzinspolitik feste Erträge oberhalb des durchschnittlichen Garantiezinses der Altersvorsorgeverträge von drei Prozent. Und zum anderen besorgt sie so das ausreichende Kapital, um die Energiewende zu finanzieren. Die Interventionsspirale durch immer mehr Umverteilung geht also munter weiter.

Mit dem Herausboxen der lateineuropäischen Staaten und Irland bezahlt der Steuerzahler in Deutschland die Überschuldungskrise von Staaten und Banken in Europa. Das war die Situation 2010 bis 2012. Seit 2013 und 2014 wird mit der Bankenunion auch der Sparer in diesem Land zur Kasse gebeten, um die Bankenabwicklung im Euro-Club zu finanzieren. Der vorläufige, aber sicher nicht endgültige Höhepunkt ist, dass jetzt auch noch der Stromkunde die Finanzkrise durch eine Stützung der Lebensversicherungen retten soll. Wenn das so weitergeht, dann wird sehr wahrscheinlich im nächsten Jahr der Sparbuchsparer genötigt, sein Geld in Griechenland anzulegen, um der dortigen Kapitalflucht entgegenzusteuern. Doch im Ernst: Wer mit immer mehr Umverteilung und Intervention in individuelle Entscheidungen eingreift, sie lenkt und steuert, um ein höheres Ziel zu erreichen – sei es, das Weltklima zu retten oder den europäischen Superstaat zu vollenden –, wird am Ende die Marktwirtschaft und die Freiheit zerstören.

Vielleicht ist es ein Trost, dass die eigentlichen Ziele dabei nicht erreicht werden. Das Klima wird mal wärmer und mal kälter, und Europa bleibt, was es ist: einer von mehreren Kontinenten auf dieser Welt.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „eigentümlich frei“ , Nr. 152, Ausgabe Mai 2015

Photo: Anton Fomkin from flickr