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Barbara Hendricks Zeit als Ministerin ist abgelaufen. Trotzdem wird Sie dem Mittelstand lange in Erinnerung bleiben. Als scheidende Umweltministerin wird sie einen bleibenden Eindruck bei vielen Unternehmen hinterlassen. Ihr Erbe ist die neue Gewerbeabfallverordnung, die seit Anfang August in Kraft ist. Sollte sich der Mittelstand jemals über Bürokratie beschwert haben, dann mögen die Mittelständler bitte die Abfallverordnung aus dem Hause Hendricks lesen.

Anders als für den Hausmüll, der je nach Region zwischen Bio-, Wertstoff-, Papier- und Reststofftonne getrennt wird, müssen Gewerbetreibende künftig gewerbliche Siedlungsabfälle in 8 (!) Kategorien trennen, sammeln und einer Verwertungsanlage zuführen. Papier, Glas, Kunststoffe, Metalle, Holz, Textilien, Bioabfälle und Sonstige-Fraktionen nennt die Verordnung. Welche Farben die Mülltonnen auf dem Betriebsgelände für die acht Fraktionen haben sollen, lässt der Gesetzgeber offen. Ob die betroffenen Unternehmen mit dieser Freiheit verantwortungsvoll umgehen können, wird sich zeigen. Ansonsten wird die Novellierung der Gewerbeabfallverordnung sicherlich auch das bald regeln.

Das alles wäre ja schon ambitioniert, aber damit ist die Ministerin noch lange nicht mit ihrem Latein am Ende. Es geht noch Konkreter. Lediglich fünf Prozent Fehlerquote akzeptiert die Verordnung. Kommt es zu Verstößen, dann ist mit einer Strafe von bis zu 100.000 Euro zu rechnen. Wahrscheinlich werden sich bald Dienstleiter finden, die Unternehmen für die rechtlich einwandfreie Mülltrennung zertifizieren. Da soll noch einer sagen, der Staat würde keine Jobs schaffen.

Schon jetzt sinniert der verantwortungsbewusste Teetrinker in der Betriebskantine beim Pausentee schon bisweilen: „Was passiert eigentlich mit dem gebrauchten Teebeutel? Gehört er zur Papier-, Bio- oder Sonstigen-Fraktion? Muss er gegebenenfalls sogar nach der Teewässerung händisch in Beutel, Teeblätter und Metallklammer getrennt werden, um das Fünf-Prozent-Ziel einzuhalten? Wer weiß?“

Aber auch hier ist das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht. Die fachgerechte Verwertung des Teebeutels muss anschließend akribisch dokumentiert und selbstverständlich auf Verlangen der zuständigen Behörde nachgewiesen werden. Dazu muss das Unternehmen die getrennte Sammlung der Teebeutel-Einzelteile mithilfe von Lageplänen, Lichtbildern, Praxisbelegen wie Liefer- und Wiegescheinen lückenlos nachweisen können. Über die anschließende Abfallentsorgung und -weiterverarbeitung muss das Unternehmen natürlich ebenfalls sämtliche Dokumente vorhalten – 3 Jahre lang. Zuwiderhandlungen werden mit einem Bußgeld von 10.000 Euro geahndet. Da lohnt es sich doch glatt, einen Mitarbeiter einzustellen, der einzig und allein mit der Müllfrage beschäftigt ist.

Und ja, es geht noch eine Eskalationsstufe weiter. Wird die Betriebskantine abgerissen und müssen anschließend die angefallenen Bau- und Abbruchabfälle entsorgt werden, dann ist das nur zulässig, wenn sie vorab in 10 (!) Fraktionen getrennt wurden. Glas, Kunststoff, Metalle, Holz, Dämmmaterial, Bitumengemische, Baustoffe auf Gipsbasis, Beton, Ziegel, Fliesen und Keramik. Wird zwischen den Abbruchabfällen ein Teebeutel gefunden, dann muss dieser wie gewohnt dokumentiert, bebildert und abgeheftet werden – 3 Jahre lang. So kann ein falsch sortierter Teebeutel ganz schön teuer werden.

Bürokratie wie diese schadet kleinen und mittleren Unternehmen ganz besonders. Ob sie der Umwelt nutzt oder ob nicht eine Stärkung des Eigentums durch mehr Haftung und Verantwortung viel sinnvoller wäre, sei dahingestellt. Doch Hendricks Verordnung verändert schleichend die Wirtschaftsstruktur in diesem Lande. Kleine und mittlere Unternehmen können nicht ausweichen. Die Bürokratiekosten belasten sie daher besonders. Irgendwann wird der Aufwand zu groß, sie verschwinden vom Markt oder werden von den Konzernen geschluckt, die es sich leisten können, eigene Abfallabteilungen zu betreiben. Ludwig von Mises hätte wohl über Barbara Hendricks gesagt: „Jeden Tag maßen sich Bürokraten mehr Macht an; bald schon werden sie das gesamte Land leiten.“

Erstmals erschienen auf Tichys Einblick.

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Junge Menschen seien „regelrechte Staats-Fans“, triumphiert der Vorsitzende des Deutschen Beamtenbundes (DBB). Was den Funktionär frohlocken lässt, könnte für eine freiheitliche Gesellschaft zunehmend zu einem erheblichen Problem werden.

„In einer globalisierten Gesellschaft braucht man einen starken Staat“

Forsa hat gerade zum elften Mal im Auftrag des DBB eine Umfrage zum Bild des Öffentlichen Dienstes durchgeführt. Die Ergebnisse liegen leider in einem Trend, den man schon länger ausmachen kann. Die Studien zu Berufswünschen, die EY 2014 und 2016 durchführte, zeigen, dass immer mehr junge Menschen beim öffentlichen Dienst arbeiten wollen. Terrorismus, Finanzkrise und öffentlich sehr präsente Themen wie Ungleichheit und Klimawandel suggerieren den Bürgern, dass der Staat eine höhere Lösungskompetenz habe als sie. Der Ansicht „in einer globalisierten Gesellschaft braucht man einen starken Staat, der die Bürger vor ausufernden Entwicklungen schützen kann“ stimmen 75 Prozent der Befragten zu, 9 Prozent mehr als vor zehn Jahren. Dagegen glauben nur 13 Prozent (vor zehn Jahren waren es noch 17), man brauche „immer weniger Staat, der Markt wird alles richten“.

Besonders interessiert sich der DBB natürlich für die Wahrnehmung der Staatsdiener durch die Bürger. Während ihnen vor zehn Jahren 59 Prozent der Bevölkerung attestierten, kompetent zu sein, sind es inzwischen 71 Prozent. Für überflüssig gehalten wurden sie 2007 von 24 Prozent, heute nur noch von 16 Prozent. Bezeichnend ist auch die Frage, welche Berufsgruppen ein hohes Ansehen genießen: Gestiegen ist es bei Beamten von 27 auf 38 Prozent, bei Steuerbeamten von 28 auf 33 und bei Gewerkschaftsfunktionären von 23 auf 29. In der Zeit ist das Ansehen von Managern von 37 auf 26 gesunken und das von Unternehmern von 61 auf 55. Die Frage, ob der öffentliche Dienst den Steuerzahler zu viel Geld koste, bejahten vor zehn Jahren noch 58 Prozent der Befragten – heute sind es nur noch 33. DBB-Chef Dauderstädt hat also allen Anlass dazu, die Sektknorken knallen zu lassen.

82 Prozent der jungen Menschen wollen den starken Staat

Viele politische Akteure vermitteln Wählern und Bürgern den Eindruck, ihr Leben werde gefährlicher und komplexer, und darum bedürfe es der lenkenden Hand des starken Staates. Vom Verbraucherschutz bis zur Terrorbekämpfung, von der Zuwanderung bis zu steigenden Mieten – und natürlich in einer globalisierten Welt, die Unüberschaubarkeit und Unberechenbarkeit geradezu idealtypisch repräsentiert. In uns Menschen steckt eine tiefe Sehnsucht nach jemandem, der für uns sorgt und unser Leben organisiert. Erinnerungen an selige Kindheitstage spielen da mit hinein. Und möglicherweise auch vererbte Instinkte unserer Vorfahren, die sich gegen die Unbill der Welt nur durch strenge hierarchische Strukturen schützen konnten. Verantwortung abzugeben wird natürlich umso einfacher, je mehr man denjenigen vertraut, denen man sie übergibt. Und selbst wer die Bürokratie eher für überflüssig hält und glaubt „der Markt wird alles richten“ (wie es so schön differenziert in der Umfrage heißt), muss wohl zugeben, dass die deutsche Bürokratie in Fragen wie Unbestechlichkeit und oft sogar Freundlichkeit nicht schlecht abschneidet.

Wird also ein Albtraum wahr? Wird ein immer effizienterer Staat mit einem attraktiven und reichhaltigen Angebot graduell die Bereitschaft und den Drang zurückdrängen, als Unternehmer tätig zu werden und neue, unbekannte Wege zu beschreiten? Geben wir die emanzipatorischen Bemühungen der vergangenen paar hundert Jahre langsam wieder auf, weil die neue Form der Herrschaft in der Regel uns die fürsorgliche Hand entgegenstreckt statt des Schwertes? Legt man die Umfrage von Forsa neben die EY Studie, den Freiheitsindex und Untersuchungen von Instituten wie Allensbach ist Sorge durchaus angebracht. Der Trend ist ziemlich übereinstimmend. Beängstigend sind vor allem die Ergebnisse der jüngsten Befragten. Keine Altersgruppe steht so deutlich hinter der Bürokratie wie die der 14- bis 29-Jährigen: Zwar finden 48 Prozent, dass es zu viel Bürokratie gebe, aber 43 sind der Ansicht es sei gerade richtig und 7 Prozent wollen gar mehr davon. 75 Prozent von ihnen finden nicht, dass der öffentliche Dienst den Steuerzahler zu viel Geld koste. Und 82 Prozent sind der Ansicht, man brauche einen starken Staat. (Der einzige Hoffnungsschimmer ist in dem Kontext, dass wenigstens 14 Prozent immer weniger Staat haben wollen.) Rebellengeist, Aufbruchsstimmung, Abwerfen der Fesseln und des Miefs von tausend Jahren? Offenbar derzeit nicht mehrheitsfähig …

Die Grenzen der Wirksamkeit des Staates

Dass gerade junge Menschen ein sehr hohes Vertrauen in staatliche Einrichtungen haben und „regelrechte Staats-Fans“ sind, liegt sicherlich auch daran, dass sie in der Regel noch keine Steuern bezahlen müssen und selten mit bürokratischen Hürden konfrontiert sind. An Schulen und Universitäten erleben sie einen Teil der Bürokratie, der mitunter als sehr positiv und hilfreich empfunden wird. Andererseits wird gerade in diesen Institutionen oft ein kritikloses Bild staatlicher Einrichtungen gezeichnet. Wer würde auch die Hand beißen, die einen füttert? So süß diese Nachricht in Herrn Dauderstädts Ohren auch klingelt – man könnte sie auch ganz anders formulieren: Vier von fünf jungen Menschen wünschen sich eine Institution, die sie für den Konsum von Cannabis bestraft; die ihnen Geld abknöpft, sobald sie mehr als 450 Euro im Monat verdienen; und die zumindest die Männer unter ihnen bis vor sechs Jahren noch gezwungen hat, zwischen 9 und 20 Monaten ihres jungen Lebens diesem Staat zu widmen. Nicht gerade das, was man von Leuten erwarten würde, die sich gerade durch irgendeine Phase ihrer Pubertät durchkämpfen, um am Ende die Fähigkeit zur Selbstbestimmung zu erlangen.

Wilhelm von Humboldt, einer der bedeutendsten liberalen Theoretiker unseres Landes, der vor 250 Jahren geboren wurde, verfasste mit 25 Jahren seine immer noch sehr lesenswerte Schrift „Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit des Staates zu bestimmen“. Darin warnte er: „Anordnungen des Staates führen immer, mehr oder minder, Zwang mit sich, und selbst wenn dies der Fall nicht ist, so gewöhnen sie den Menschen zu sehr, mehr fremde Belehrung, fremde Leistung, fremde Hülfe zu erwarten, als selbst Auswege zu denken.“ Mit anderen Worten: Junge Menschen zu Staats-Fans zu erziehen, führt dazu, dass sie die Fähigkeit verlieren, selber für ihr Leben Verantwortung zu übernehmen. Und was fast noch schlimmer ist: sie verlieren oft sogar die Sehnsucht danach. Nein, junge Menschen sollten keine Fans des Staates sein! Sie sollten Fans ihrer eigenen Möglichkeiten, Hoffnungen, Begabungen und Erwartungen sein!

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In Großbritannien kippt die Stimmung. Labour-Chef Jeremy Corbyn hat lange rumgeeiert und sich jetzt für eine weichen Brexit ausgesprochen. Vielleicht hat er meinen „Weckruf für eine weichen Brexit“ vom 9. Juni gelesen. Man sollte die Hoffnung nie aufgeben – selbst bei Sozialisten!

Nach der Wahlschlappe von Theresa May bei der Unterhauswahl im Juni und dem Verlust ihrer absoluten Mehrheit war klar, dass diese „Klatsche“ nicht ohne Folgen für die britischen Brexit-Verhandlungen sein konnten. Die Premierministerin ist weiterhin stark unter Druck und es ist nicht ausgemacht, ob sie die nächsten Monate politisch überlebt.

Schon hat Außenminister Boris Johnson Zugeständnisse bei den Scheidungskosten angekündigt. Fast könnte man glauben, die EU sei in der Vorderhand und könne den Briten den Takt diktieren. Zumindest kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die EU-Kommission besser vorbereitet ist. Nach wie vor will die EU-Kommission an Großbritannien ein Exempel statuieren. Nie wieder soll ein Mitgliedsstaat es wagen auszutreten. Gerade in Richtung Polen, Tschechien und Ungarn soll dies wirken. Ob dies die Zentrifugalkraft durch den wachsenden EU-Zentralismus beseitigt, muss bezweifelt werden. Als Kitt und Lockmittel wirken dann letztlich nur noch die Gelder, die aus Brüssel verteilt werden.

Schon schlägt Frankreichs Präsident Emmanuel Macron eine Verschärfung der Entsenderichtlinie vor, um den französischen Arbeitsmarkt gegen Arbeitnehmer und Unternehmen aus Osteuropa zu schützen. Er will die Entsendung auf maximal 12 Monate begrenzen. Mitarbeiter von entsendeten Firmen sollen nicht mehr nur den Mindestlohn des Landes erhalten, wo sie vorübergehend arbeiten, sondern den vergleichbaren Lohn. Wer jemals in der EU vom Abbau von Handelshemmnissen fabuliert hat, sollte künftig lieber still sein. Wer den Binnenmarkt, seine wohlstandsschaffende Wirkung auf die Märkte von Dienstleistungen und Waren jemals verstanden hat, sollte nicht weiter Hand an die ohnehin viel zu bürokratische Entsenderichtlinie und insbesondere ihre Umsetzung in die nationalen Gesetze anlegen.

Schon heute muss jedes Unternehmen, das im Nachbarland vorübergehend tätig ist, weil es eine Maschine aufbaut oder diese wartet, einen Wust an Bürokratie bewältigen, den mittelständische Firmen nicht ohne fremde Hilfe stemmen können. Damit wir die Wirkung eines gemeinsamen Marktes durchkreuzt. Es wäre so, als wenn ein Unternehmen aus Niedersachsen, das in Bayern eine Werkzeugmaschine installiert, vorher über das dortige Wirtschaftsministerium um Erlaubnis fragen muss. So weit sind wir innerdeutsch zum Glück noch nicht. Aber zwischen Frankreich und Deutschland, zwischen Deutschland und Österreich läuft es genau so. Macron will „Frankreich first“ durchsetzen und schadet damit dem eigenen Land. Wenn Unternehmen den Lohn des Einsatzlandes bezahlen müssen, dann wird es noch komplizierter. Woher soll ein Mittelständler aus Ostwestfalen mit 150 Mitarbeitern das Wissen hernehmen? Soll er extra dafür jemanden einstellen oder Anwälte damit beauftragen?

Erschreckend ist, dass die große Koalition und die Regierung in Berlin Macron beispringen. Auch sie wollen den deutschen Arbeitsmarkt abschotten und abriegeln. Sie sagen es nicht so, sondern kommen mit Schlagwörtern wie Dumpinglohn und unfairer Konkurrenz daher. Doch wo hört das auf? Ist es fair, dass Skoda seine Autos auf einem niedrigeren Lohnniveau in Tschechien produziert als VW in Wolfsburg. Müsste nicht Skoda, wenn es seine Autos in Deutschland verkaufen will, auch vergleichbare Löhne der deutschen Automobilindustrie bezahlen? Muss hier nicht auch die EU-Kommission endlich eingreifen? Ist das nicht auch Dumping? Und sind China, Indien und Südkorea nicht alle Dumping-Ökonomien? Müssen dort nicht auch unsere Löhne bezahlt werden? Was unterscheidet eigentlich diese Politik vom handelspolitischen Säbelrasseln eines Donald Trump? Ist es die Geschmeidigkeit? Die bessere Frisur? Regierungen wollen oft ökonomische Gesetze aushebeln, weil sie kurzfristig gefallen wollen. Doch ökonomische Gesetze lassen sich nicht beseitigen, sie wirken immer. Sie schaffen entweder die Basis für künftigen Wohlstand, oder die Politik versucht, sie zu verbiegen und schafft dadurch Arbeitslosigkeit und Armut.

Erstmals erschienen bei Tichys Einblick.

Vielfach wird in der Europäischen Union darüber geklagt, dass die gemeinsame Währung, der Euro, nicht zur Konvergenz der Wirtschaften im Währungsgebiet geführt hat, wie das viele seiner Väter damals angenommen hatten. Das stimmt. Die Target II-Salden der Euro-Staaten zeigen es. Sie sind das in Zahlen gefasste Auseinanderfallen der Eurozone. Allein die Deutsche Bundesbank hatte im Juni Target-Forderungen von 860 Mrd. Euro gegenüber anderen Notenbanken in der Eurozone. Die italienische Notenbank dagegen hatte zur gleichen Zeit Verbindlichkeiten von 413 Mrd. Euro. Man muss keine prophetischen Gaben haben, um festzustellen, dass die Zukunft des Euro an der weiteren Entwicklung Italiens festgemacht werden kann.

Doch den Takt in der EU gibt aktuell Emmanuel Macron an. Der neue französische Präsident lässt so langsam erkennen, welche wirtschaftspolitischen Vorstellungen er tatsächlich hat. Hier ist durchaus Vorsicht geboten. Jetzt hat er sich gegen „Sozialdumping“ durch die EU-Entsenderichtlinie ausgesprochen und quasi ein „Equal Pay“ für alle Arbeitnehmer, die in Frankreich arbeiten vorgeschlagen. Er will sogar eine Entsendung auf 12 Monate beschränken. Damit outet er sich als Sozialdemokrat, der den Arbeitsmarkt noch mehr verriegeln und verrammeln will. Er verkennt dabei, dass die Probleme des französischen Arbeitsmarktes nicht mit noch mehr Regulierung gelöst werden können. Die Zahlen in Frankreich sind dramatisch. Die Zahl der französischen Arbeitslosen ist inzwischen auf ein historisches Hoch von 6,2 Mio. Menschen angestiegen (saisonbereinigte Zahl der registrierten Arbeitslosen und Unterbeschäftigten, Mai 2017). Eine riesige Zahl bei 67 Millionen Einwohnern. Auch bei der Jugendarbeitslosigkeit liegt Frankreich mit einer Quote von 21,4 Prozent sehr hoch.

Die Frage ist: Wie kommt ein Land aus dieser negativen Entwicklung heraus? Sicherlich nicht, indem Macron den Arbeitsmarkt weiter zuschnürt und die Wettbewerbsfähigkeit der französischen Industrie weiter einschränkt. Die Zahlen in Frankreich sprechen auch hier für großen Handlungsbedarf. Noch immer liegt die französische Industrieproduktion 12 Prozent unter dem Hoch von 2008, das Baugewerbe liegt sogar um 21,8 Prozent darunter. Und auch im Juni schrumpfte die Industrieproduktion zum Vormonat um 1,1 Prozent. In dieser Situation hat Macron seine angekündigte Steuerreform erstmal verschoben und erhöht stattdessen die Steuern. Auch ein Signal.

In dieser Situation braucht es in Frankreich eigentlich eine Agendapolitik Schröderscher Prägung. Viele können sich daran nicht mehr erinnern. Es ist immerhin schon 14 Jahre her, seitdem in Deutschland grundlegende Reformen durchgeführt wurden. Die Situation war durchaus vergleichbar mit der Frankreichs heute. 2003 war Deutschland der kranke Mann Europas, mit 5 Millionen Arbeitslosen und einer Wachstumsschwäche. Zunehmende Finanzierungsprobleme in den Sozialversicherungen und den öffentlichen Haushalten verstärkten den Abwärtstrend. Schröders Agenda sah im Wesentlichen eine Befreiung des Arbeitsmarktes und eine Änderung der Sozialhilfe durch Fördern und Fordern vor.
Die Einführung von Zeitarbeit, die stärkere Begrenzung des Arbeitslosengeldes und die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe waren die entscheidenden Momente für jene Trendwende. Viele Maßnahmen von damals hat die große Koalition inzwischen wieder zurückgenommen oder erneut reguliert. Dennoch wirken die Reformen bis heute und sind der eigentliche Grund für das „Beschäftigungswunder“ in Deutschland. Die jetzige Regierung ruht sich auf dieser Entwicklung aus. Die Reformmüdigkeit liegt wie Mehltau über dem Land.

Kein Wunder, dass sich Emmanuel Macron und Angela Merkel so gut verstehen. Sie ticken gleich. Beide scheuen Schrödersche Reformen und sind verliebt in die Allmacht des Staates – Macron will sogar eine europäische Arbeitslosenversicherung schaffen. Da trifft es sich gut, wenn die Bundesagentur für Arbeit über 10 Milliarden Euro Rücklagen der Beitragszahler gebunkert hat, die man dann für französische, italienische oder griechische Arbeitsbeschaffungsprogramme nutzen kann. Nein, so wird das nichts. Wer Wachstum und Arbeit in Europa schaffen will, muss die Arbeitsmärkte liberalisieren und flexibler machen. Er muss die Entsenderichtlinie entbürokratisieren und vereinfachen. Nicht weniger Personenfreizügigkeit in Europa schafft Wohlstand für alle, sondern mehr davon. Dafür muss sich eine neue Regierung in Europa einsetzen. Ansonsten kämpfen wir bald nicht nur außerhalb Europas gegen Protektionismus, sondern verstärkt auch innerhalb des gemeinsamen Marktes, mit fatalen Folgen für uns alle.

Erstmals erschienen bei Tichys Einblick.

Photo: ND Strupler from Flickr (CC BY 2.0)

Im Laufe des kommenden Herbstes wird sich ja vermutlich eine neue Regierung bilden. Sie wird dem Drang widerstehen müssen, mehr Geld auszugeben, und müsste dringend Reformen auf den Weg bringen. Und sie sollte ein Amt klug besetzen: das des Staatsministers für Bürokratieabbau.

Schwarzes Loch im Kanzleramt?

Bei manchen Ministerien fragt man sich ernsthaft, warum es einen solchen umfangreichen Apparat denn überhaupt braucht: Zum Beispiel das Landwirtschaftsministerium. 600.000 Menschen arbeiten noch im Agrarsektor, Tendenz stark fallend – bei Siemens sind es 400.000, die haben aber auch kein eigenes Ministerium. Das Verteilen von Subventionen könnte auch das darin schon geübte Wirtschaftsministerium übernehmen. Und in Zeiten der Globalisierung muss die Frage nach der Ernährungssicherheit zum Glück nur noch den Katastrophenschutz beschäftigen. Oder das Familienministerium, das hauptsächlich benutzt wird, um die ideologischen Wünsche der eigenen Anhängerschaft zu bedienen: Indem man etwa Mütter zurück an den Herd bringt oder sie den Fängen ihrer Kinder entreißt. Oder indem man die Förderung von Projekten gegen wahlweise rechten oder linken Extremismus ins Schaufenster stellt.

Vermutlich ist es leider müßig, die Zusammenlegung oder Abschaffung einiger dieser ausgabefreudigen Vorschriftsproduktions-Maschinen zu fordern. Am Ende ist es doch immer wichtiger, noch Posten verteilen zu können – nicht nur für Minister, sondern auch für Staatssekretäre und eine Heerschar von loyalen Mitarbeitern, die man in führende Positionen hieven kann. Darum ein Vorschlag zur Güte für die neue Regierung: Stärken Sie ein Amt, das bisher im Land des Vergessens vor sich hindümpelt, das des Staatsministers für Bürokratieabbau. Wussten Sie nicht, dass es so etwas gibt? Und Sie wussten auch nicht, wie der derzeitige „Staatsminister bei der Bundeskanzlerin für Bürokratieabbau, bessere Rechtsetzung und die Koordinierung der Bund-Länder-Beziehungen im Kanzleramt“ heißt, der überdies noch für die Koordination von Bund und Ländern bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise zuständig ist? Kein Wunder. Seit Helge Braun vor knapp vier Jahren in das Amt kam, hat die FAZ rund zehn Mal über ihn geschrieben und die SZ etwas öfter. Ohne die Flüchtlingskrise wäre es wohl noch seltener gewesen.

Was man sieht und was man nicht sieht

Wer mit Unternehmern spricht, kann oft die Erfahrung machen, dass sie über Bürokratie und Regulierung noch mehr stöhnen als über die Steuerbelastung. Auch die Daten sprechen eine deutliche Sprache. Seit elf Jahren gibt es in Deutschland den Nationalen Normenkontrollrat, der die Regierung dabei unterstützen soll, „die durch Gesetze verursachten Bürokratiekosten durch Anwendung, Beobachtung und Fortentwicklung einer standardisierten Bürokratiekostenmessung auf Grundlage des Standardkostenmodells zu reduzieren.“ Vor zwei Wochen stellte er seinen jährlichen Bericht vor. Der fiel einmal wieder wenig ermutigend aus. So stellten die Ratsmitglieder fest, dass der durch neue gesetzliche Regelungen verursachte Kostenaufwand sich im letzten Jahr um 2,1 Milliarden Euro erhöht hat, der einmalige Erfüllungsaufwand um 4,8 Milliarden.

Was dem Rat in seinem Bericht natürlich völlig entgeht, sind die verpassten Gelegenheiten: Wie viel Innovation kam nicht zustande? Wer hat gar nicht erst angefangen, zu gründen oder etwas zu entwickeln? Wer ist lieber gleich in ein anderes Land gegangen? Die Kosten, die natürlich sofort an Kunden und Anteilseigner durchgereicht werden, sind sehr ärgerlich. Wirklich problematisch sind hingegen die Folgen, die man nicht sieht und nicht unmittelbar spürt. Eine Studie der KfW, die letzte Woche veröffentlicht wurde, kommt zu dem Schluss, dass die meisten Gründer Bürokratie als die größte Schwierigkeit empfinden. Beruhigend wird seitens der staatlichen Förderbank hinzugefügt, dass deshalb jedoch keiner seine Gründung abbreche. Nicht erwähnt wird freilich, dass die Zahl der Gründer seit 2001 (1,55 Millionen) fast kontinuierlich zurückgegangen ist und sich 2016 auf einem historischen Tiefstand von 672.000 befand. Und Zuwanderer und Flüchtlinge, die oft aus unternehmerisch geprägten Kulturen kommen und so auch hierzulande tätig werden könnten, sehen sich einem undurchdringlichen Dschungel aus Steuerrecht und Gewerbeaufsicht, Betriebssicherheitsverordnungen und Berufsgenossenschaften ausgesetzt. Verpasste Chancen allenthalben.

Sichtbar, durchsetzungsstark und im Zweifel bissig

Wie auch immer die nächste Regierung aussehen wird: Entbürokratisierung muss eine Top-Priorität sein. Der Trend geht nämlich leider gerade in eine andere Richtung: Von Maßnahmen wie der Erhöhung des Mindestlohnes, die deutsche Unternehmen allein 1 Milliarde Euro gekostet hat, bis hin zu Vorschriften über die zulässige Bezeichnung von Nahrungsmitteln („Pflanzenkäse“ und „Tofubutter“). Viele Wahlversprechen, die vordergründig als Wohltat daherkommen, sind oft mit mehr Bürokratie verbunden. Und in den meisten Fällen, in denen Politiker ein Mehr an Sicherheit in Aussicht stellen, wachsen vor allem Behörden und Apparate – nicht aber die tatsächliche Sicherheit.

In der Regierung kommt idealerweise dem Finanzminister die Rolle des Spielverderbers zu, der seinen Kabinettskollegen Gelder streicht oder zumindest verweigert. Wenn jemand diesen bisweilen unerquicklichen Job übernimmt, ist das höchst verdienstvoll. Die Regierung braucht aber dringend noch einen zweiten Spielverderber: Jemanden, der den Kollegen in die Parade fährt, wenn sie schon wieder etwas regulieren wollen, und der sie mitunter auch bedrängt, bestehende Bürokratie abzubauen. Für diese Aufgabe braucht man eine sichtbare und durchsetzungsstarke Persönlichkeit. Eine Frau (oder einen Mann), die in die Öffentlichkeit tritt; die bereit ist, ihre Kollegen vor den Kopf zu stoßen; und die Unterstützung bekommt vom Parlament. Wer dieses Amt als nächstes übernimmt, muss über die unternehmerischen und persönlichen Freiräume der Bürger wachen wie ein guter Finanzminister über seine Schatztruhe – und muss im Zweifel auch zubeißen.

Der Ökonom Ludwig von Mises schrieb am Ende seines 1944 erschienenen Buches „Bürokratie“:

„Es ist offensichtlich, daß die Jugend das erste Opfer des Trends zur Bürokratisierung ist. Es ist nicht schön, ein junger Mensch unter bürokratischer Führung zu sein. Das einzige Recht, dessen sich junge Leute in diesem System erfreuen können, ist gelehrig, unterwürfig und gehorsam zu sein. Es gibt keinen Platz für widerspenstige Unternehmer, die ihre eigenen Ideen haben. Dies ist mehr als eine Krise der Jugend. Es ist eine Krise des Fortschritts und der Zivilisation.“