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Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues, und Kevin Spur, Student der Ökonomie an der Freien Universität Berlin.

Die skandinavischen Staaten sind für vieles bekannt, für einen schlanken, wenig eingreifenden Staatsapparat allerdings nicht. Zumindest um die wirtschaftliche Freiheit ist es in Dänemark, Schweden, Norwegen und Finnland bei weitem nicht so schlecht bestellt, wie manch einer vielleicht glaubt. Bei genauerem Hinsehen könnte das andere Vorurteil in sich zusammenfallen.

Skandinavien gilt für viele als Vorbild. Das sogenannte „skandinavische Modell“ verbinde wirtschaftlichen Erfolg mit einem umfassenden Sozialstaat. Der Ökonom Jeffrey D. Sachs schreibt: „Die nordischen Länder haben erfolgreich einen Wohlfahrtsstaat mit hohem Einkommensniveau, solidem Wirtschaftswachstum und makroökonomischer Stabilität kombiniert.“ Ist also die wirtschaftliche Freiheit in Skandinavien deutlich stärker eingeschränkt als beispielsweise in Deutschland? Ein Blick auf den Index für wirtschaftliche Freiheit zeigt, dass die skandinavischen Länder im Mittel gar ein wenig wirtschaftlich freier sind als Deutschland – trotz umfangreicherer staatlicher Aktivität.

Skandinavien ist (erfolg-)reich

Das höchste reale pro Kopf Einkommen unter den skandinavischen Ländern ist in Norwegen zu finden. Es ist dort fast 20% höher als in Dänemark. Dies liegt unter anderem an den reichen norwegischen Rohstoffvorkommnissen. Der Öl- und Gassektor macht rund 22 % der Wirtschaftsleistung aus.

Das Pro-Kopf-Einkommen der Menschen in Dänemark und Schweden ist ähnlich hoch wie in Deutschland. Finnland ist nach diesem Maßstab ökonomisch weniger erfolgreich als seine Nachbarländer. Das finnische BIP pro Kopf ist gut ein Viertel niedriger das norwegische.

Skandinavien: Hohe Staatsquote

Im Vergleich zu Deutschland ist der Umfang staatlicher Aktivitäten in Skandinavien deutlich ausgeprägter. Die Staatsausgaben liegen in Deutschland bei gut 44 % des BIP, während sie in den skandinavischen Ländern mehr als die Hälfte des BIP ausmachen. Soweit passen die Beobachtungen zum verbreiteten Bild von umfassenden Wohlfahrtsstaaten.

Wirtschaftliche Freiheit

Das kanadische Fraser Institut berichtet regelmäßig über die weltweite Lage der wirtschaftlichen Freiheit. Es werden verschiedene Kategorien betrachtet, um ein Gesamtbild der wirtschaftlichen Freiheit der Menschen eines Landes zu zeichnen. Negativ fließen der Umfang staatlicher Aktivität sowie staatliche Regulierung ein. Positiv fließen Rechtssicherheit und Sicherung privater Eigentumsrechte, monetäre Stabilität sowie grenzüberschreitender Handel ein.

Die skandinavischen Länder, angeführt von Dänemark, sind nach diesem Maßstab ähnlich wirtschaftlich frei wie Deutschland. Deutschland befindet sich in Bezug auf die gemessene wirtschaftliche Freiheit in der Mitte der vier skandinavischen Länder.

Dieser Befund mag überraschen, da er der verbreiten Wahrnehmung widerspricht, die skandinavischen Staaten schränkten im Vergleich zu Deutschland wirtschaftliche Freiheit stärker ein.

Obwohl die Staatsausgaben im Verhältnis zum BIP in Skandinavien deutlich höher als in Deutschland ausfallen, ist die gemessene wirtschaftliche Freiheit in der Gesamtschau auf einem ähnlich hohen Niveau. Die drei Unterkategorien des Indexes, die sich mit sicheren Eigentumsrechten, grenzüberschreitendem Handel und Regulierung befassen, geben Hinweise darauf, wie dieses für einige überraschende Ergebnis zustande kommt.

Sichere Eigentumsrechte

Im Bereich Rechtsstaatlichkeit und Sicherheit privater Eigentumsrechte schneiden alle skandinavischen Staaten besser als Deutschland ab. Skandinavische Gerichte sind unabhängiger, das Rechtssystem ist weniger korruptionsanfällig und es erfolgt eine bessere Durchsetzung des Rechts. Das Eigentum der Skandinavier wird besser geschützt, sie können freier als die Deutschen über ihr Eigentum verfügen und Regulierung beschränken den Kauf und Verkauf von Eigentum weniger stark.

Ein funktionierender Rechtsstaat sichert private Eigentumsrechte und schützt die Menschen gegen Übergriffe durch Private oder staatliche Stellen. Der Schutz von Eigentum ist für die wirtschaftliche Entfaltung von Menschen essentiell. Ein Umfeld sicherer Eigentumsrechte animiert zu Investitionen, die zum Wachstum des Kapitalstocks und damit einem höheren Wohlstand in der Zukunft beitragen.

Es wäre möglich, dass auf Grund der größeren Ausgaben des Staates die Eigentumsrechte in Skandinavien besonders sicher und die Gerichte besonders zuverlässig sind. Dies scheint allerdings nicht der Fall zu sein. Im Gegenteil: Der deutsche Staat verwendet einen höheren Anteil des BIP auf Ausgaben für Polizei und Gerichte. Nicht höhere Staatsausgaben, sondern eine effizientere Durchsetzung von Recht und Ordnung scheinen diesbezüglich das skandinavische Rezept zu sein.

Freier Handel

Mit Ausnahme von Norwegen sind die dem grenzüberschreitenden Handel entgegenstehenden Barrieren in den skandinavischen Ländern weniger stark ausgeprägt als in Deutschland.

Der durchschnittlich erhobene Zoll ist in allen betrachteten Ländern mit fast 9 % gleich hoch. Nur im Nicht-EU-Mitglied Norwegen sind die Zölle im Durchschnitt niedriger (8,7%). Dafür sind sie in Norwegen im Vergleich zu den übrigen Ländern uneinheitlicher – auf verschiedene Produkte werden mehr als in den anderen Ländern unterschiedlich hohe Zollsätze erhoben. Dies lässt Norwegens Indexwert für wirtschaftliche Freiheit in Bezug auf Freihandel etwas hinter die übrigen Länder zurückfallen.

Während Zölle den grenzüberschreitenden Handel in Skandinavien und Deutschland in ähnlicher Weise behindern, ist es für ausländische Investoren einfacher, in Skandinavien geschäftlich aktiv zu werden. Es gibt weniger Hindernisse für Ausländer, in Skandinavien Unternehmen zu kaufen oder in Projekte zu investieren. Außerdem sind Regulierungen, die den grenzüberschreitenden Handel beinträchtigen und nicht-tarifäre Handelshemmnisse in Skandinavien weniger verbreitet als in Deutschland. Diese Faktoren erklären, warum Skandinavier durchschnittlich einen besseren Zugang zu grenzüberschreitendem Handel haben als Deutsche.

Weniger Regulierung in Dänemark und Schweden

Dänemark und Schweden weisen zwar die höchsten Staausausgaben auf, sind aber in Bezug auf das Ausmaß der Regulierung der Wirtschaft die beiden zurückhaltendsten Länder.

Der dänische Arbeitsmarkt ist der unter den Vergleichsländern am wenigsten regulierte und die Hürden für den Eintritt in den Arbeitsmarkt sind dort entsprechend niedriger als in den anderen vier Ländern.

Norwegen und Finnland schneiden bezüglich der Regulierungsintensität auf Grund stärkerer Regulierungen des Arbeitsmarktes ähnlich ab wie Deutschland.

Skandinavien: Wirtschaftlich so frei wie Deutschland

Die wirtschaftliche Freiheit ist in Skandinavien nicht deutlich eingeschränkter als in Deutschland. Deutlich höhere Staatsausgaben und entsprechende Staatseinnahmen werden kompensiert durch einen Mix aus einem verlässlichen Rechtsstaat, zurückhaltender Regulierung und niedrigen Barrieren für den grenzüberschreitenden Handel.

Eine Ausweitung staatlicher Aktivität in Deutschland ohne Verbesserung des Justizwesens, Erleichterung des grenzüberschreitenden Handels und Abbau kooperationshinderlicher Regulierungen würde nicht einer Annäherung an das „skandinavische Modell“ gleichkommen. Bezüglich der wirtschaftlichen Freiheit würde sich Deutschland so weiter vom „skandinavischen Modell“ entfernen.

Erstmals veröffentlicht bei IREF.

Photo: Kenneth C. Zirkel from Wikimedia Commons (CC BY SA 4.0)

Über den Tellerrand hinauszublicken, ist oft hilfreich. Erlaubt es doch den Blick in bis dahin unbekannte Gefilde. So geht es vielleicht vielen, die das Buch „Freie Privatstädte – Mehr Wettbewerb im wichtigsten Markt der Welt“ von Titus Gebel in die Hand nehmen. Darin führt Gebel seine Leser ein in die Grundlagen des menschlichen Zusammenlebens.

Er beschreibt die vielen Fehlanreize unseres Steuer- und Sozialsystems, die Bevormundung des Staates gegenüber den Bürgern und plädiert daher insgesamt für weniger Staat. Als Jurist kennt er die Probleme der Machtbegrenzung der Politik und erwartet, durch mehr Systemwettbewerb zu besseren Ergebnissen zu kommen. Sein Modell freier Privatstädte ist für ihn eine alternative Ordnung zum herkömmlichen Nationalstaat. Als erfolgreicher Unternehmer sieht er darin sogar ein Geschäftsmodell. Ihm schwebt ein Betreibermodell vor, das als gewinnorientiertes Unternehmen eine Dienstleistung anbietet, für die die Vertragspartner bezahlen müssen. Die Teilnahme an und der Verbleib in der Privatstadt ist freiwillig. Die Aufnahme in die Privatstadt regelt der Betreiber nach eigenen Regeln, die vertraglich mit den Nutzern vereinbart werden. Streitigkeiten sollen vor einem unabhängigen Schiedsgericht geklärt werden.

Das klingt utopisch, ist es aber nicht. Historisch gab es zahlreiche erfolgreiche Beispiele. Die Stadtstaaten der Antike, die Reichsstädte oder der Städtebund der Hanse im Mittelalter, um nur einige zu nennen, haben über Jahrhunderte existiert. Der heutige Nationalstaat ist eher eine jüngere Erfindung. Wer im Mittelalter die Freiheit aus der Leibeigenschaft erlangen wollte, musste in eine freie Reichstadt gelangen und dort ein Jahr lang verweilen ohne gefangen genommen zu werden. „Stadtluft macht frei“ galt daher wörtlich. Freie Städte waren historisch Horte der Freiheit.

Auch in der Gegenwart gibt es solche Beispiele: Monaco, Hong Kong und Singapur sind jeweils Städte mit unterschiedlicher Autonomie und Ausgestaltung. Gebels theoretisches Modell einer freien Privatstadt erinnert an das Fürstentum Monaco. Nicht ganz ohne Grund lebt er dort mit seiner Familie. Fast wie eine Aktiengesellschaft wird das Fürstentum geführt. Seit dem späten Mittelalter ist es ein souveräner Staat. Noch Mitte des 19. Jahrhunderts lebten lediglich 300 Menschen dort. Heute sind es 38.000 Menschen. 50.000 Menschen arbeiten dort. Faktisch keine Kriminalität, keine direkten Steuern und keine Schulden machen den Ministaat so attraktiv, dass es hohe „Eintrittsgelder“ für eine Wohnrecht in Monaco gibt.

Eine andere Möglichkeit der Machtbegrenzung sieht er im Wettbewerb der Rechtssysteme. In Schwellen- und Entwicklungsländern entfaltet das dortige Rechtssystem kein Vertrauen. Wer etwas erreichen will, kommt meist auf normalen Wegen nicht weiter. Daher sind dort Korruption und Vetternwirtschaft dominierend. Gebel greift eine Idee des amerikanischen Ökonomen Paul Romer auf, der vorgeschlagen hat, in solchen Ländern die Auswahl aus unterschiedlichen Rechtsystemen zuzulassen. Sonderwirtschaftszonen sollen dies ermöglichen. Das hat durchaus seinen Charme. Nach der fortdauernden Krise in Griechenland, einer nicht funktionierenden Bürokratie und einem mangelnden Schutz privaten Eigentums, wäre es doch überlegenswert, eine Sonderwirtschaftszone dort einzurichten, in der zum Beispiel englisches Recht gilt. Wer Personal einstellt, kann das vielleicht auch nach deutschem Recht tun. Und wer Gesellschaftsverträge schließt, macht dies nach amerikanischem Recht. Ein Wettbewerb der Rechtssysteme in einem Land und nicht wie derzeit in jeweils unterschiedlichen Staaten wäre doch ein Versuch wert.

Titus Gebels Buch ist ein leidenschaftliches, kundiges und innovatives Plädoyer für Individualität und Dezentralität. Der Autor misstraut Politikern und Regierungen. Sie neigen dazu, immer mehr Macht auszuüben, um Sondervorteile auf Kosten Dritter zu erlangen. Daher plädiert er für eine Machtbegrenzung der Regierungen. Er will die etablierten Staaten durch seine Idee der freien Privatstädte in eine Wettbewerbssituation bringen, die diese zwingen, sich selbst zu verändern. Dabei strebt er keine Revolution an, sondern hofft, durch den Wegzug einiger einen evolutorischen Prozess zum Besseren einleiten zu können. Am Beginn seines Buches zitiert er Christoph Heuermann: „Gehe dorthin, wo Du am besten behandelt wirst.“

Titus Gebel: Freie Privatstädte – Mehr Wettbewerb im wichtigsten Markt der Welt, Aquila Urbis Verlag Walldorf, 2018

Photo: LWYang from Flickr (CC BY 2.0)

Es ist jedes Mal dasselbe: Ein Problem taucht auf, Politiker verfallen in wilden Aktionismus und am Ende wird eine Regulierung eingesetzt, die das Problem lösen soll. Die großen Spieler juckt das meist wenig. Wer wirklich stranguliert wird, sind Mittelständler, Familien und die Zivilgesellschaft.

MiFID – Sisyphos auf dem Papierberg

MiFID II – der Albtraum jedes Kleinanlegers. Als sich die G20-Staaten im September 2009 in Pittsburgh trafen, saß den Politikern der Schock der Banken- und Finanzkrise von 2007/08 noch gehörig in den Knochen. Gegen die Verantwortungslosigkeit im Bankensektor musste man doch etwas tun! Das Ergebnis: ein selbst für Experten undurchschaubarer Wust an Regulierungen, die verhindern sollen, dass die unbedarfte Oma vom provisionsgierigen Bankangestellten um ihre letzten Ersparnisse gebracht wird. Zumindest dieses Ziel wurde erreicht: die Oma lässt jetzt alles Geld brav auf dem Sparkonto liegen, wo Niedrig- bis Negativzinsen daran nagen.

Gleichzeitig sind aber ganze Bankabteilungen damit beschäftigt, Gesprächsprotokolle aufzuzeichnen und Formulare auszufüllen. Für die großen Banken ist das – mit Mühe – zu stemmen, die Sparkassen, Privat- und Genossenschaftsbanken drehen völlig am Rad. Am schlimmsten aber trifft es diejenigen, die ihr Erarbeitetes und Erspartes gewinnbringend einsetzen wollen. Die Großanleger arbeiten auf Hochtouren daran, die neuen Regulierungen wieder zu umgehen, während der Kleinanleger sich vor einer fast unüberwindbaren Mauer wiederfindet. Während er sich mit seinem Bankberater durch die MiFID-Vorgaben durcharbeitet, haben die großen Zocker bereits wieder astronomische Gewinne eingefahren.

DSGVO – im Labyrinth der Bürokratie-Hydra

Datenschutz-Grundverordnung – die Todesfalle der Zivilgesellschaft. Google, Facebook und Co. gehen nicht immer so mit unseren Daten um, wie es im Blick auf unsere Privatsphäre und Selbstbestimmung angemessen wäre. Diese Situation schreit geradezu nach staatlichen Maßnahmen. Wieder einmal eine ideale Gelegenheit für Politiker, dem Bürger zu beweisen, dass sie deren letzte Zuflucht und wahre Schutzmacht sind im Haifischbecken der datensaugenden Profitmaximierer. (Man wünscht sich, dass diese Ritter der Privatsphäre auch einmal in ihrem eigenen Laden aufräumen würden: der Staat darf nämlich munter observieren, erheben und speichern …) Das Problem mit der DSGVO ist freilich, dass die Netz-Riesen die Ressourcen haben, um die lästigen neuen Regulierungen zu verarbeiten. Richtig hart trifft es dagegen den Biobauernhof, die Bastelgruppe, die Kirchengemeinde und den „Verein zur Erhaltung der Biergartentradition“.

Der Kfz-Mechaniker-Azubi, der die Trainingsspiele der Handball-Jugendmannschaft koordiniert, befindet sich mit seinem Email-Verteiler demnächst kurz vor der Illegalität. Der selbständige Optiker in Aschaffenburg bewegt sich in gefährlichen Wassern, wenn er Kundendaten in der Wohnung über seinem Geschäft aufbewahrt, weil seine Tochter dann Zugang haben könnte. Wahrscheinlich entsteht demnächst eine neue Berufsgruppe von professionellen Bürokratieverstehern, die Kleinbetrieben und zivilgesellschaftlichen Gruppen den Weg durch den Paragrafendschungel weisen. Anstatt vom missgünstigen Konkurrenten wegen Verstößen gegen die DSGVO angeschmiert oder von oder übereifrigen Bürokraten erschnüffelt und ertappt zu werden, leistet man sich dann doch lieber den teuren Experten – oder macht den Laden oder Verein gleich ganz dicht.

Die Zumutung der Selbständigkeit statt der Windeln der Regulierung

Es gibt eine Fülle von Problemen mit der Regulierung, diesem Lieblingsinstrument von Politikern, die ihren kämpferischen Einsatz für ihr Wahlvolk damit zur Schau stellen: Regulierungen wirken oft wie Markteintritts-Barrieren für schwächere Konkurrenten. Sie kommen häufig zu spät, wenn die Verursacher eines Problems schon weitergezogen sind zur nächsten Trickserei. Sie leiden unter einem chronischen Informationsmangel. Sie steigern die Kosten für die Betroffenen, was dann häufig an die Verbraucher weitergegeben wird. Sie hemmen Innovation und Fortschritt. – Eine besonders schmerzhafte Folge aber ist, dass die großen Spieler auf einem Markt meist die Ressourcen und Kapazitäten haben, um mit den neuen Regulierungen irgendwie umzugehen. Wer über diese Mittel nicht verfügt, ist den Vorschriften hilflos ausgesetzt.

Weder das Verhalten der Banken noch der Umgang großer Internetkonzerne mit Daten sind unproblematisch. Aber die derzeitigen Maßnahmen stellen keinen wirksamen Schutz dar. Andere Mittel sind dazu weitaus besser geeignet, auch wenn sie dem Politiker weniger Glanz ermöglichen. Klare Haftungsregeln und eine starke und unabhängige Gerichtsbarkeit gehören zu diesen Mitteln; aber insbesondere auch eine Zumutung an den Bürger: Die Zumutung der Selbständigkeit. Zugegeben: die wenigsten Politiker gewinnen Wahlen, wenn sie auf ihre Plakate drucken „Ich vertraue darauf, dass Sie die meisten Ihrer Probleme selbst lösen können.“ Aber am Ende des Tages ist der wirksamste Schutz gegen zwielichtige Geldanlagen und Datenmissbrauch nicht MiFID und DSGVO, sondern verantwortungsbewusste Konsumenten und Bürger. Anstatt sie durch Regulierung zu infantilisieren und zu pampern, sollten Politiker die Bürger ermutigen, Verantwortung zu übernehmen. Nur so funktioniert übrigens auch eine Demokratie …

Photo: Klimkin from Pixabay (CC 0)

Für einen vermeintlich kostenlosen Verleih von Lastenrädern 153.000 Euro, 378.000 Euro Kaufzuschuss für Elektro-LKW, 718.000 Euro für Kunststoffe aus Kaffeesatz, 6 Millionen Euro für staatliche Reisebüros, 120.000 Euro für nachhaltige Recyclinghöfe in der Türkei und 1,5 Millionen Euro für Züge in Indien sind nur die offensichtlichsten Beispiele für falsche staatliche Lenkungspolitik. Man muss dem Bund der Steuerzahler dankbar sein, dass er diese Beispiele jedes Jahr in seiner Aktion „Frühjahrsputz“ auflistet.

Die Steuerzahlerschützer folgen einer grundsätzlichen Kritik an der Haushaltspolitik des Bundes. Die so hoch gepriesene Schwarze Null ist bei näherem Hinsehen ein Fake und alleine den steigenden Steuereinnahmen und den sinkenden Zinsausgaben geschuldet. Zwischen 1995 und 2017 sind die Zinsausgaben von 40,2 Milliarden Euro auf 17,5 Milliarden gesunken. Und die Steuereinnahmen stiegen in der gleichen Zeit von 187,2 Milliarden Euro auf 309,3 Milliarden Euro. Da wundert es nicht, dass die Geldausgeber im Vorteil sind. In den letzten zwei Jahren sind daher die Ausgaben ohne Zinsen im Bundeshaushalt um 11 Prozent gestiegen. Da können selbst die steigenden Steuereinnahmen nicht mithalten. Die Einnahmen des Bundes sind in gleicher Zeit lediglich um 6 Prozent in die Höhe gegangen. Daher basieren die hohen Überschüsse faktisch nur auf die zurückgehenden Zinsausgaben. Dafür kann der alte Finanzminister Wolfgang Schäuble, aber auch sein Nachfolger Olaf Scholz nichts, sie sollten sich aber auch nicht dafür feiern lassen. Sie können allenfalls Dankesbriefe an die EZB senden. Doch insgeheim machen sie das bereits. Sie schimpfen nicht auf die EZB. Das sagt schon viel aus. Nicht weil sie diese nicht kritisieren dürfen, sondern weil sie ihnen hilft, vermeintliche Wohltaten zu verteilen. Die EZB macht den Staat fetter, weil sie eine Haushaltssituation vorgaukelt, die mit einer realen Zinswelt nichts zu tun hat. Her mit dem Frühjahrsputz.

Das ermöglicht den paternalistischen Staat in Vollendung. Denn man muss sich schon fragen, warum die Bundesregierung den Bürgern so sehr misstraut und so wenig in die Kreativität der Unternehmen vertraut. Verdeutlicht wird dies durch die Tatsache, dass man sich im Bundesforschungsministerium nun darauf geeinigt hat, mit 8,2 Millionen Euro ohnehin schon große und erfolgreiche Big-Player wie etwa VW, BMW, Vodafone, Nokia oder Ericsson zu fördern, um Lösungen für das sogenannte „taktil vernetzte Fahren“ zu finden. Im Kern sollen Fahrzeuge untereinander und mit der Infrastruktur digital interagieren können.

Ist das eine Aufgabe des Staates? In einer Marktwirtschaft werden Lösungen kommen, sofern sie nachgefragt und praktikabel sind. Auch ohne Forschungsministerium und staatliche Subventionen! Her mit dem Frühjahrsputz. Offenkundig wird, dass der Staat ein Ausgabenproblem hat und da helfen nur liberale Konzepte: Zurück zur marktwirtschaftlichen Ordnungspolitik bei gleichzeitiger Entrümpelung im eigenen Laden, Schluss mit dem Verteilen der Goodies nach dem Gießkannenprinzip und zurück zu einer wahrhaftigen Prioritätensetzung bei den Staatsaufgaben, die letztendlich allen hilft und nicht nur den Wenigen.

Der Staat muss sich wieder auf seine Kernaufgaben beschränken. Her mit dem Frühjahrsputz. Bei all der Ineffizienz, bei all der regulatorischen Ungleichbehandlung durch den staatlichen Subventionsapparat, bei all den Marktverzerrungen, bei all den planwirtschaftlich anmutenden Verwerfungen braucht es wieder eine gesellschaftliche Generaldebatte über staatliche Kernkompetenzen! Und es braucht eine Debatte über die EZB. Sie muss ihre fatale Zinspolitik beenden. Je eher, desto besser. Her mit dem Frühjahrsputz.

Erstmals erschienen bei Tichys EInblick.

Photo: Timothy Krause from Flickr (CC BY 2.0)

Von Bill Wirtz, Policy Analyst für das Consumer Choice Center.

Angesichts des Austritts Großbritanniens aus der Europäischen Union werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, ihre Beiträge nach Brüssel zu erhöhen. In einer Presseerklärung zu den Plänen, eine Plastiksteuer zum Ausgleich dieser Verluste einzuführen, fügte EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger hinzu, dass die Union „von den positiven Ergebnissen, die wir in Ländern wie Irland gesehen haben” sehr überzeugt sei. Die Einführung einer Plastiktütensteuer brachte dem Land über einen Zeitraum von 12 Jahren 200 Millionen Euro in die Kassen, und reduzierte außerdem die Verschmutzung durch Tüten von 5% auf 0,13%.“ Nach mehreren Kritiken an einer solchen Plastiksteuer hat die Kommission das Thema in ihrer Pressemitteilung zur neuen Plastikverordnung nicht mehr erwähnt.

Und nicht nur Brüssel diskutiert dieses Thema: Theresa May mag den Punkt bezüglich einer Erhöhung der Steuereinnahmen ausgelassen haben, aber sie besteht darauf, dass die Besteuerung von Kunststoffprodukten zum Schutz der Umwelt beitragen wird. May unterstrich, dass sie plastikfreie Supermarktregale sehen möchte und fügte hinzu: „In den kommenden Jahren denke ich, dass die Leute schockiert darüber sein werden, wie wir heute zulassen, dass so viel Plastik unnötig produziert wird.“

Umweltverbände begrüßen die Bewegung auf beiden Seiten der Brexit-Debatte der, da insbesondere Plastiktüten seit langem als weniger umweltfreundlich als ihre Alternativen angesehen werden. Bei näherer Betrachtung es regen sich jedoch Zweifel an dieser These.

EU-Kommissar Oettinger griff in seinem Zitat das Beispiel Irlands auf, das vor Jahren eine Plastiktütensteuer einführte. In einem Forschungspapier des Connecticut Office of Legislative Research aus dem Jahr 2008 wurde festgestellt, dass die Maßnahme unbeabsichtigte Konsequenzen hatte. Eine wichtige Erkenntnis was, dass Einzelhändler einen starken Anstieg an Mülltüten erlebt haben. In einem Artikel des “Irish Examiner” vom 23. Januar 2003 hatte die Zeitung berichtet, dass Lebensmittelhändler einen „77-prozentigen Anstieg des Verkaufs von Treteimer-Mülltüten erlebt hatten. Verkaufszahlen von anderen Müllsäcken stiegen um 75%.“ Plastiktütenhersteller ließen Arbeiter doppelte Schichten arbeiten, um mit einer Steigerung der Nachfrage von bis zu 400 Prozent Schritt zu halten.

Diese irische Erfahrung führte 2005 zu einer Folgenabschätzung in Schottland, die zu dem Schluss kam, dass alle Plastiktüten (einschließlich biologisch abbaubarer) besteuert werden müssen. Dessen ungeachtet würden die Verkaufszahlen von Mülltüten weiterhin stark zunehmen. In Australien schätzte eine Regierungsstudie den Verkaufsanstieg von Abfallbehältern zwischen 50 und 80 Prozent.

Unterm Strich wird der Rückgang des Verbrauchs von Plastiktüten durch eine Zunahme des Verbrauchs von anderen Müllbeuteln ausgeglichen, die mehr Energie und Rohöl zur Produktion benötigen. Schon unter diesem Gesichtspunkt sind die Auswirkungen auf die Umwelt fragwürdig. Es kommt allerdings noch schlimmer.

Im Jahr 2011 veröffentlichte die britische Umweltbehörde einen Bericht über die Umweltauswirkungen, die Verwendung und die Wiederverwendung von Kunststoffbeuteln und über ihre Alternativen. Der Bericht unterstrich: „Die Ergebnisse sollten politische Entscheidungen in Bezug auf Plastiktüten beeinflussen und Entscheidungsfindung ermöglichen.“ (S.69) Es stellt sich jedoch heraus, dass die Regierung nichts dergleichen getan hat. In dem Bericht heißt es, dass das „Treibhauspotenzial“ jedes Beutels bedeutet, dass Papierbeutel vier Mal und Baumwollbeutel insgesamt 173 Mal wiederverwendet werden müssten (S. 33). Im selben Bericht wird jedoch die Wiederverwendung von Papiertüten unter „Einmalgebrauch“ und Baumwollbeuteln im Durchschnitt mit 52 angegeben. Dies bedeutet, dass selbst eine Verdoppelung der Wiederverwendung von Baumwoll- und Papierbeuteln nicht ausreichen würde, um deren im Vergleich zu Plastikbeuteln deutlich höhere Umweltbelastung  auszugleichen. Die realistische Schlussfolgerung lautet, dass die Verwendung alternativer Beutel für die Umwelt tatsächlich schlechter ist als bei Kunststoff.

Öffentliche Richtlinien funktionieren ähnlich wie die Entscheidungen, die Einzelpersonen in einem Geschäft treffen: Ausgewählte Optionen gehen auf Kosten Ihrer nächstbesten Alternative. In der Volkswirtschaft nennt man das Opportunitätskosten. Dies gilt auch für die Gesetzgebung zu Plastiktüten: Niemand behauptet, dass Plastiktüten von Natur aus gut für die Umwelt sind. Wenn man jedoch die Umweltauswirkungen vergleichbarer Alternativen ignoriert, nur um eine öffentliche Wohlfühlpolitik umzusetzen, dann ist die Umweltpolitik komplett pervertiert.

Wenn wir über die Auswirkungen des Verbraucherverhaltens auf die Umwelt sprechen, reicht es nicht aus, den “idealen” Konsumenten als Richtlinie heranzuziehen. Wir müssen das tatsächliche Verbraucherverhalten beobachten, um zu beurteilen, ob unsere Politik eine gute oder eine schlechte ist. Denn wenn wir das nicht tun, dann handeln wir nur nach subjektiven Gefühlen.

Kunststoffsteuern, wie sie von der EU und dem Vereinigten Königreich vorgeschlagen werden, sind ein Irrweg. Sie bringen nicht nur zusätzliche Unannehmlichkeit für die Verbraucher mit sich, sie schaden der Umwelt am Ende sogar mehr, als sie ihr nützen.