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Photo: Ralf Schulze from Flickr (CC BY 2.0)

Unzählige Mitbürger regen sich darüber auf, dass sie Monat für Monat 17,50 € bezahlen müssen. Immer wieder dringen Korruptions- und Verschwendungs-Skandale aus dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk an die Öffentlichkeit. Online-Streaming-Dienste – legale wie illegale – sind für sehr viele inzwischen eine übliche Alternative zur Fremdbestimmung durch Programmchefs. Warum greift keiner dieses Thema auf? Keine Partei, keine Verbraucherschutzorganisation, keine zivilgesellschaftliche Organisation, nicht mal die Kollegen von Campact?

Die Macht der Öffentlichen

Zumindest einer Erklärung dafür liegt natürlich schon einmal auf der Hand: Die öffentlich-rechtlichen Medien sind mächtig. Wer sich mit ihnen anlegt, kann fest davon ausgehen, dass er massiv Gegenfeuer bekommt. Die Partei, die sich mit ihnen anlegt, kann sich an fünf Fingern abzählen, dass über sie wohl nicht mehr mit Wohlwollen berichtet wird. Der Politiker, der sich mit Kritik zu weit aus dem Fenster lehnt, braucht sich wohl keine Hoffnungen mehr machen, einmal zu einer Talkshow eingeladen zu werden. Welcher politische Akteur will sich schon die Öffentlichen zum Gegner machen solange diese mit Tagesschau, Heute und etlichen Talkshows noch einen Löwenanteil des Informations- und Meinungsangebots stellen?

Selbst wenn er dann vielleicht auf „RTL aktuell“ gefeiert wird, würde ihm das kaum etwas nutzen. Denn die Öffentlichen haben eine fast monopolistische Stellung im Bereich der Meinungsbildung. Die Nachrichten, die auf ARD und ZDF gesendet werden, unterscheiden sich so gut wie gar nicht von denen auf n-tv oder N24. Dennoch glauben viele Menschen immer noch, dass die Öffentlichen ein Garant für Objektivität seien. Solange sich diese Meinung hält, begibt sich jeder Politiker, der sich mit ARD und ZDF anlegt, in den direkten Kamikaze-Sturzflug.

Ähnliches gilt auch für Verbraucherschutzverbände: Sie sind oft angewiesen darauf, mit den öffentlichen Sendern zusammenzuarbeiten, um ihre Anliegen an eine größere Öffentlichkeit zu bringen. Da guckt man bei all den kleinen Skandalen schon mal diskret weg. Und leider auch beim ganz großen Skandal des monatlichen Zwangsbeitrags. Verständlich. Aber frustrierend für jeden, der sich wünscht, dass sich endlich mal eine vernehmbare Stimme erhebt gegen dieses System, dem man nicht entkommen kann.

Die Öffentlichen machen sich Komplizen

Es gibt aber noch einen Grund, warum die Öffentlichen stets ungeschoren davonkommen. Nicht nur freuen sich alle möglichen Personen und Gruppierungen über wohlwollende Aufmerksamkeit seitens der Journalisten im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Das System der Rundfunkräte bindet auch viele Gruppierungen mit ein und macht sie zu Komplizen.

Die Rundfunkräte der Landesrundfunkanstalten, des ZDF, der Deutschen Welle und des Deutschlandradios haben insgesamt 517 Mitglieder. 120 von ihnen wurden von Parteien entsandt, 57 von politischen Organen auf Bundes- Landes- und Kommunalebene, 65 von Arbeitgeber-, Selbständigen- und Handwerkerverbänden, 57 aus dem Kultur- und Bildungsbereich, 56 von Gewerkschaften, 51 von Kirchen und Religionsgemeinschaften. Nur 74 Vertreter, also nicht einmal 15 %, gehören zivilgesellschaftlichen Organisationen an wie dem Deutschen Sportbund, Naturschutzorganisationen oder Jugend- und Familienverbänden. Verbraucherschutzorganisationen stellen 7 Mitglieder.

Abgesehen davon, dass die Aufteilung der Sitze in den Rundfunkräten natürlich bedenklich ist, werden gleichzeitig die unterschiedlichsten gesellschaftlichen Gruppierungen durch diese Räte in das System mit eingebunden: Die Gewerkschaftsvertreter freuen sich, wenn sie einen Bericht über die schlimmen Zustände bei Amazon durchdrücken können. Und die Kirchen legen Wert auf ihr „Wort zum Sonntag“. Geradezu dreist, dass sogar noch drei Vertreter der Zeitungsverleger in die Rundfunkräte berufen wurden.

Die Tage sind wohl gezählt

Sehr viele profitieren von dem durch Zwangsbeiträge finanzierten System. Und jeder, der profitiert, hat kaum Anreize, sich gegen das System zu wenden. Die breite Einbindung möglichst vieler gesellschaftlich relevanter Gruppen sichert dem System eben auch eine breite Unterstützung. Wer eine Reform oder – horribile dictu – gar eine Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks fordert, riskiert nicht nur schlechte Presse bei ARD und ZDF. Er legt sich unter Umständen auch mit all den vielen Gruppierungen, Verbänden und Organisationen an, die Nutznießer des Status Quo sind.

Und doch: die Tage der Öffentlichen sind wohl mittelfristig gezählt. Zu viele Mitbürger haben es satt, Jahr für Jahr über 200 Euro dafür zu bezahlen. Die Alternativangebote, die inzwischen im Internet verfügbar sind, werden immer besser und immer zahlreicher. Das System des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist jetzt schon überholt. Es ist nur noch eine Frage der Zeit bis diese Einsicht tatsächlich auch bei den dafür zuständigen Entscheidungsträgern ankommt. Vielleicht ist das auch der richtige Zeitpunkt, um einmal ordentlich an den verkrusteten Grundfesten zu rütteln. Damit der mündige Bürger bald selbst bestimmen kann, wie er sich informiert, was er anschaut und wie er sein Geld ausgibt.

Heute startet die erste Kampagne von Prometheus unter dem Motto „Zwangsbeitrag? Nein Danke“! Die FAZ berichtet heute über das Gutachten unseres Kuratoriumsmitglieds Prof. Justus Haucap „Eine liberale Rundfunkordnung für die Zukunft“. Das Gutachten und viele weitere Informationen finden Sie auf der Kampagnen-Website Zwangsbeitrag.info.

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Wer nur den Mindestlohn bekommt, schuftet zwei Stunden im Monat, um die Rundfunkbeiträge zu bezahlen. Ein Entkommen gibt es nicht. Das alles, um unseren öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu finanzieren, der in absoluten Zahlen (!) die höchsten Einnahmen weltweit kassiert (pro Kopf sind die Einnahmen nur in den kleinen und reicheren Ländern Norwegen und Schweiz höher). Aber, so hören wir, es geht ja um unsere Demokratie … Ist das wirklich so?

Ein Solidarmodell?

In den letzten Monaten ist es immer mal wieder durch die Medien gegangen: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk zahlt üppigste Gehälter – nicht nur an Jauch, Maischberger und Illner, sondern auch an viele Hunderte von Direktoren und Abteilungsleitern, die einer breiten Öffentlichkeit unbekannt bleiben. Er gibt Millionen von Euro aus für Übertragungsrechte – als ob es irgendwen interessieren würde, ob er Fußball beim ZDF oder auf Sat.1 anschaut. Der Jahresetat der Degeto, die für den Einkauf und die Förderung von Filmen zuständig ist, ist mit 450 Millionen Euro so hoch wie der vom Technischen Hilfswerk, dem Bundesamt für Flüchtlinge und Migration und der Bundeszentrale für Politische Bildung – zusammen.

Und während die Milliarden in die Kassen fließen, versuchen die Justitiare der Landesrundfunkanstalten über Artikel, Leserbriefe und Interviews das Problem kleinzureden. So bezeichnete der SWR-Justitiar Hermann Eicher in der FAZ die Zwangsbeiträge vor kurzem doch tatsächlich als „Solidarmodell“. Ein interessantes Solidarmodell, das Friseure, Bauarbeiter und Kassiererinnen Monat für Monat um zwei Stunden ihres hart verdienten Lohns bringt. Solidarität ist da mal wieder eine Umverteilung von unten nach oben. Einfache Arbeiter und Angestellte alimentieren Talkmaster, Fußballkommentatoren und Justitiare, die ihnen die Welt erklären.

90 Prozent der Bevölkerung sind nicht demokratiefähig

Wozu genau brauchen wir diese öffentlichen Sendeanstalten eigentlich? Jörg Schönenborn hat uns schon vor gut zwei Jahren belehrt: Es handelt sich keinesfalls um einen Zwangsbeitrag, der Menschen aufgebrummt wird, obwohl sie mit ARD und ZDF nichts am Hut haben. Die 17,50 € im Monat – 210,00 € im Jahr sind „ein Beitrag für die Funktionsfähigkeit unseres Staatswesens und unserer Gesellschaft“. Denn – so die Logik – Menschen brauchen ARD und ZDF, um sich eine ausgewogene Meinung zu bilden.

Nehmen wir einmal an, dass das letzte Wochenende repräsentativ ist. Da haben am Samstag 8,06 und am Sonntag 8,88 Millionen Menschen Tagesschau und heute gesehen – also gut 10 Prozent der deutschen Bevölkerung. Was sagt das über die verbleibenden 90 Prozent aus? Müssen wir ihnen die Demokratiefähigkeit absprechen? Sollten wir bei Wahlen einen Nachweis über regelmäßigen Konsum öffentlich-rechtlicher Nachrichten und Journale verlangen? Sollte jemand, der kein Interesse an diesen Inhalten hat, auch kein Recht zum Wählen haben?

Für dumm verkauft

Wenn man ein wenig nachdenkt über die Verteidigungsreden der Verantwortlichen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, wird eines eigentlich immer klarer: Diese Leute halten die meisten ihrer Mitbürger für etwas doof – zumindest diejenigen, die sich nicht den Belehrungen der Experten aussetzen. „Demokratie fußt auf der Urteils- und Entscheidungsfähigkeit ihrer Bürgerinnen und Bürger“, weiß Schönenborn – und die bekommen selbige eben durch die Experten bei ARD und ZDF vermittelt. Nicht etwa durch ihre eigenen Bemühungen zu denken oder sich zu informieren. Mündig wird der Bürger erst, wenn er durch die Schule von Caren Miosga und Claus Kleber gegangen sind.

Es ist eine aparte Mischung aus Ansichten, die sich da bei den Verteidigern der Zwangsabgabe findet. Was dabei herauskommt, lässt sich etwa so zusammenfassen: Es ist ein Akt der Solidarität, wenn die Frau, die im Edeka die Regale einräumt, zwei Stunden im Monat dafür arbeitet, dass sie aus ihrer Unfähigkeit, selbständig zu urteilen und zu entscheiden, herausgeführt wird von den Moderatoren der Tagesthemen, die für ihren Beitrag zum Erhalt der Demokratie etwa 15.000 € im Monat nach Hause bringen.

Man sollte dagegenhalten. Der Zwangsbeitrag muss weg. Er ist unsozial. Und er ist Ausdruck der elitären Arroganz einer Klasse von Journalisten, die es sich bequem gemacht haben, weil ihnen die Zwangsgebühren ein dauerhaft erträgliches Einkommen sichern. Sie sind nicht die heldenhaften Retter der Demokratie. Wir leben nicht seit über 65 Jahren in einer Demokratie, weil es den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gibt. Wir leben so lange in einer stabilen Demokratie, weil die allermeisten Bürger verantwortungsbewusst sind und durch ihre tägliche Arbeit, durch ihr Interesse und ihr Engagement, ihre Ehrlichkeit und ihr Streben unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung zum Leben erwecken. Auch die 90 Prozent von ihnen, die nicht abends um 19 oder 20 Uhr vor dem Fernseher sitzen.

G9, G8, Zentralabitur, Inklusion, Gesamtschulen … Reformen, Pläne, Konzepte – mit Vorliebe basteln Politiker und Bürokraten an Schulen herum. Besser geworden sind sie dadurch meist nicht. Vielleicht sollte man die Zuständigkeit denen zurückgeben, die sich damit auskennen: den Lehrern vor Ort. Es gibt eindrucksvolle Beispiele, dass das funktionieren kann.

Privatschulen sind keine Elitensache

Privatschulen haben oft einen anrüchigen Ruf. Das liegt zwar bisweilen auch am Verhalten von deren Publikum. Oft aber liegt das an dem Misstrauen, das immer noch privaten Initiativen entgegengebracht wird. Nur was der Staat anpackt – so die Vorstellung –, kann auch tatsächlich gerecht sein, denn Private wollen ja den eigenen Nutzen maximieren, während der Staat für das Gemeinwohl zuständig sein muss. Man könnte das freilich auch genau andersrum sehen: Während private Schulen tatsächlich Ergebnisse liefern müssen, damit sie ihr Geld verdienen können, haben staatliche Bildungseinrichtungen eine implizite Bestandsgarantie unabhängig von ihrem Erfolg.

Privatschulen müssen aber nicht nur für Anne-Sophie und Casimir da sein, sie können auch für Mandy und Hassan zur Verfügung stehen. Privatschulen müssen auch nicht allein für Kinder da sein, die hochbegabt sind – oder zumindest von ihren Eltern dafür gehalten werden. Privatschulen müssen nicht nur in Starnberg oder im Hochtaunuskreis stehen, es gibt sie auch in Mannheim und Berlin-Wedding. Dort kümmern sie sich um diejenigen, deren Startchancen weniger rosig aussehen als die von künftigen Firmenerben und Professorenkindern.

Pauschallösungen sind immer ungerecht

Es gibt sie zum Glück, diese Schulen, die aus privater Initiative, mit Hilfe von Spenden gegründet werden. So wendet sich zum Beispiel die Schule „Quinoa Bildung“ im Wedding gezielt an „sozial benachteiligte“ Kinder und Jugendliche. Hier werden nicht in Studierstübchen Konzepte ersonnen, die dann verbindlich für ein ganzes Bundesland festgelegt werden – zumindest bis zum nächsten Regierungswechsel. Hier wird vor Ort gearbeitet. Hier können die Pädagogen direkt auf die Schüler eingehen, sich auf konkrete Situationen einstellen anstatt Einheitslösungen für alle vorzuhalten.

Es ist eigentlich eine Binsenweisheit, dass die Lehrer, die Tag für Tag mit den Schülern in intensivem Austausch stehen, natürlich besser deren Fähigkeiten und Bedürfnisse kennen und deshalb besser einschätzen können, welche Art Unterricht angemessen ist. Dennoch hält sich hartnäckig die Vorstellung, Bürokraten könnten kompetenter darüber entscheiden. Das liegt nicht zuletzt an den Allmachtsgefühlen derjenigen, die politische Entscheidungen durchsetzen wollen. Sie halten ihre Lösung und ihren Weg für ideal und wollen sie deshalb mit Hilfe der Bürokratie durchsetzen. Sie halten sich und ihre Überzeugungen für das Maß aller Dinge. Das ist das Gegenteil von gerecht. Pauschallösungen sind in der Regel sehr ungerecht. Sie behandeln Menschen gleich. Aber Menschen sind eben nicht gleich. Gerecht sind Lösungen nicht, wenn sie Menschen gleich behandeln, sondern wenn sie Menschen richtig oder zumindest so richtig wie möglich behandeln.

Private Initiativen machen politische „Lösungen“ überflüssig

Je mehr Kompetenzen man einem Pädagogen vor Ort zugesteht, umso mehr Gestaltungsspielraum müssen Politiker und Bürokraten abgeben. Kein Wunder, dass letztere Privatschulen in düsteren Farben malen, um so die öffentliche Wahrnehmung zu prägen. Wenn diese Privatschulen dann auch noch erfolgreich arbeiten, werden sie natürlich erst recht zur Bedrohung. Da kann es rasch mal passieren, dass ein stellvertretender Referatsleiter im Kultusministerium die eine oder andere Genehmigung immer wieder unter den Stapel schiebt. Ein kleiner Handgriff für ihn – ein großes Problem für die Schulen.

Während Politiker sich „elitären“ Privatschulen nur von Zeit zu Zeit widmen, um die Ungerechtigkeiskeule zu schwingen und sie ansonsten eher in Ruhe lässt, sind Schulen und Bildungsprojekte, die sich an die Kinder von Migranten oder Hartz-IV-Empfängern richten, eine echte Bedrohung. Politiker wollen nämlich immer gerne retten. Die Tochter des Notars muss nicht gerettet werden – der Sohn der Kriegswitwe aus dem Kosovo unter Umständen schon. Wenn jetzt plötzlich private Initiativen zeigen, dass sie das erfolgreicher können als staatliche Programme, nehmen sie dem Politiker nicht nur die Arbeit weg – das wäre ja noch zu verschmerzen. Sie nehmen ihm aber vor allem die Möglichkeit weg, politische Lösungen zu versprechen.

Bildung lebt von Persönlichkeiten, nicht von Lehrplänen

Bildung lebt nicht primär von ausgefeilten Programmen oder raffinierten Lehrplänen. Bildung lebt vor allem von Persönlichkeiten. Gerade die guten Lehrer, an die man sich auch nach Jahrzehnten noch gerne und dankbar zurückerinnert, sind oft abgewichen von den Vorgaben, haben nicht durch Planerfüllung begeistert, sondern durch ihre Fachkenntnis und vor allem durch ihren Willen, die ihnen anvertrauten Schüler zu motivieren und weiterzubringen. Bildung lebt von Idealisten. Projekte, die aus diesem Idealismus entspringen, sollten nicht bürokratischen Hürden zum Opfer fallen.

Was dieses Land braucht ist Bildungsfreiheit. Was unsere Schüler brauchen – die privilegierten genauso wie die benachteiligten – sind Lehrer und Schulleiter, die selber entscheiden, was für ihre Schüler gut ist. Die derzeitige zentralistische Politik ist auch ein Misstrauensvotum gegenüber den Pädagogen, denen man damit die Kompetenz und Einsichtsfähigkeit, den guten Willen und die Einsatzbereitschaft abspricht. „Faule Säcke“, wie Gerhard Schröder sie einst bezeichnete, werden Lehrer gerade dann, wenn man ihnen all das nicht mehr zutraut. Mehr Vertrauen in den Einzelnen vor Ort, weniger Vertrauen in wirklichkeitsferne „Entscheider“ – das wäre mal ein guter Anfang.

Photo: Utz Schmidtko from Flickr

Politisches Denken wird maßgeblich bestimmt von Erzählungen. Eine wichtige Rolle spielen dabei historische Erzählungen, die die Gegenwart mithilfe der Vergangenheit deuten. Dabei wird Geschichte jedoch oft einseitig dargestellt. Den Nutzen haben die Mächtigen.

Schlachten und Herrscher bestimmen unsere Geschichtsbücher

Anfang April jährte sich Bismarcks Geburtstag zum 200. Mal. Manch einer versuchte, aus diesem Jubiläum politisches Kapital zu ziehen. Auch der Finanzminister erhob zaghafte Ansprüche auf das Erbe des Eisernen Kanzlers. Sein dazugehöriger FAZ-Artikel musste freilich etliche Pirouetten drehen und mehrere Hindernisse umschiffen, um das ohne Bauchplatscher ins Fettnäpfchen hinzubekommen. Drei Kriege, die Katholiken- und Sozialistenverfolgung sind selbst für einen gewieften Politiker wie Schäuble nicht einfach weg zu diskutieren. Es bleibt verwunderlich: dieselben Leute, die Politiker wie Orban, Erdogan oder Putin mit Sorge beobachten, tragen ihr Wohlwollen gegenüber Bismarck unverhohlen zur Schau.

Wir Menschen lieben Erzählungen. Am meisten solche mit Helden und Schurken. Schon die alten Sagen von Homer handelten mehr von Kriegern und Anführern als von Erfindern und Unternehmern. Dieses Phänomen zieht sich durch. Am Ende des 19. Jahrhunderts war Deutschland übersät mit Kaiser-Wilhelm-Denkmälern und –Straßen und es gab weit mehr Heldendenkmäler für die Gefallenen als Krankenhäuser für die Lebenden. Und noch heute hangeln sich die meisten Geschichtsbücher entlang einflussreicher Herrscher und gewaltiger Schlachten. Die Schlüsseldaten der Geschichte, die fast jeder kennt, lauten eben immer noch 1618, 1789, 1815, 1871, 1918, 1933, 1945 … Das Jahr 1989 ist tatsächlich eine rühmliche Ausnahme.

Legitimation der Macht

Es ist kein Wunder, dass wir eine solche Tradition haben, denn die meisten Geschichtsschreiber waren direkt oder indirekt abhängig von den Mächtigen ihrer Zeit. Und so hatte Geschichtsschreibung oft zumindest auch das Anliegen, deren Handeln zu rechtfertigen. Es war selbstverständlich, Herrscher und Schlachten für die eigenen Erzählungen zu nutzen. Und natürlich fanden sich auch immer dankbare Zuhörer. Die Kämpfe in Gallien waren eben spannender als die Erzählung von der Erfindung des Aquädukts. Das ist heute noch so: Der Erfolg von „Game of Thrones“ oder „House of Cards“ zeigt die zeitlose Gültigkeit dieses Phänomens – auch in unserer scheinbar aufgeklärten Gesellschaft.

Wegen dieses Erzählmusters werden die technischen und zivilisatorischen Fortschritte der Menschheit meist mit Herrschern und Politikern in Verbindung gebracht. Das hilft auch den aktuellen Akteuren. Weil wir durch diese Art Geschichtsschreibung geprägt sind, erwarten viele, dass die Mächtigen entscheidende Veränderungen einleiten. Diese Art Geschichtsschreibung legitimiert den Anspruch, mit dem Politiker auftreten, und nährt die Hoffnungen, die in sie gesetzt werden. Vor dem Hintergrund der verklärenden Geschichtsschreibung übersehen viele, dass die Bilanz in der Regel gemischt, oft auch negativ war. Ein Friedrich II. von Preußen mag Voltaire gefördert haben, aber er hat eben auch einen schrecklichen Krieg angezettelt, der mehr als eine Million Menschen das Leben kostete und weltweit wirtschaftliche Entwicklung hemmte. Kaiser Karl der Große hat einen Genozid unter Friesen und Sachsen durchgeführt – was gerne unterschlagen wird, wenn er heute als der „erste Europäer“ gefeiert wird.

Wenn wir unsere Perspektive ändern, dann ändert das auch unser Verhalten

Es ist nicht nur eine Frage der Fairness, dass wir uns ein anderes Geschichtsverständnis zulegen, sondern auch eine Frage der Klugheit. Fairness, weil der wirkliche Fortschritt für die Menschheit eben von Erfindern, Unternehmern, Denkern und deren Unterstützern ausging. Und Klugheit, weil wir dann vielleicht denen nicht mehr bedenkenlos Verantwortung übertragen würden, die sie so oft missbrauchen. Von dem englischen Historiker Lord Acton stammt der Satz: „Macht hat die Tendenz zu korrumpieren und absolute Macht korrumpiert absolut.“ Unsere Helden sollten nicht Karl der Große oder Friedrich II. von Preußen, Bismarck oder Adenauer heißen, sondern Johannes Gutenberg oder Moses Mendelssohn, Robert Koch oder Karl Albrecht.

Kriege werden durch Töten gewonnen. Fürstenthrone auf den Rücken der Untertanen gebaut. Mit anderen Worten: Politik lebt von den Opfern, die andere bringen. Wenn wir Geschichte schreiben und erzählen, sollten wir lieber von denen berichten, die durch ihre Findigkeit, ihren Unternehmergeist und überhaupt ihre positive Energie die Leben von Tausenden, Millionen, oft sogar der ganzen Menschheit massiv verbessert haben. Von diesen Menschen sollten wir lernen, ihnen vertrauen, ihnen nacheifern. Wenn wir unsere Perspektive ändern, dann ändert das auch unser Verhalten: Reden wir mehr über Forscher und Unternehmer – dann wird es auch wieder mehr davon geben!

Photo: Ian Rutherford from Flickr

Hunderte von jungen Menschen aus ganz Europa kamen am vergangenen Wochenende in Berlin zusammen, um über die Freiheit in all ihren vielen Facetten zu diskutieren und neue Freunde zu gewinnen, die ihre Ideale teilen. Zum vierten Mal fand die „European Students for Liberty Conference“ statt und die Zahl der Teilnehmer wächst und wächst. 2008 in den USA ins Leben gerufen und seit 2011 in Europa aktiv hat dieses Netzwerk inzwischen weltweit hunderte von Mitgliedsgruppen und ist zu einem der großen globalen Verbreiter der freiheitlichen Idee geworden. Es war uns eine Ehre, dass wir auch die Gelegenheit hatten, Prometheus in diesem Rahmen vorzustellen.

Die Jugend: ein entscheidendes Ass im Ärmel der Freiheit

Nachhaltige Veränderungen brauchen Zeit. Darum ist es in der Regel sehr hilfreich, wenn sich insbesondere junge Menschen für solche Veränderungen engagieren. Denn sie haben Zeit. Und sie wollen und werden von den Veränderungen auch dann profitieren, wenn diese erst in ein, zwei Jahrzehnten durchschlagenden Erfolg haben. Und sie haben natürlich auch oft den Idealismus, den man aufbringen muss, um Ziele zu verfolgen, die noch nicht in unmittelbarer Reichweite liegen. Deshalb sind die Students for Liberty als Organisation, wo sich diese Menschen sammeln können, ein entscheidendes Ass im Ärmel der Freiheit. Weltweit.

Wie üblich bei den Students for Liberty war die Themenbandbreite bemerkenswert. Mit Themen wie Bitcoin, Euro-Krise oder Globalisierung hätten Außenstehende wohl gerechnet. Auf den ersten Blick ungewöhnlicher sind da schon die Frage nach der Beseitigung von Armut, ein Plädoyer für Multikulturalismus und auch das Hauptthema der Konferenz: Offene Grenzen. Auch handelte es sich bei der Konferenz mitnichten um ein Treffen von lauter Elfenbeintürmern. Eine große Rolle spielt die Förderung unternehmerischen Bewusstseins.

Freiheit braucht Menschen, die anpacken

Zwei außerordentlich eindrucksvolle Beispiele für Unternehmertum wurden im Rahmen der Konferenz vorgestellt: Am Freitagabend berichtete der Malteser Martin Xuereb über die privat finanzierte und organisierte Flüchtlings-Rettungsaktion MOAS, die seit einigen Monaten im Mittelmeer unterwegs ist, um Flüchtlinge vor dem sicheren Tod zu retten. Das ist im wahrsten Sinne des Wortes eine Freiheitsinsel! Am Sonntagmorgen sprach Flemming Rose, der dänische Publizist, der für die Veröffentlichung der Mohamed-Karikaturen im Jahr 2005 verantwortlich zeichnete. Die strengen Sicherheitsvorkehrungen haben allen Teilnehmern sehr anschaulich vor Augen geführt, in welchem Maße auch heute in unserem Land die Freiheit immer wieder Bedrohungen ausgesetzt ist – und dass es sich doch dafür zu kämpfen lohnt!

Diese Initiativen spiegeln den Geist wieder, der unter den jungen Menschen herrscht, die aus Athen und Reykjavik, aus Kiew und Lissabon zu der Konferenz gekommen waren. Es sind eben nicht die üblichen „Besserverdiener“, mit denen viele (leider noch zurecht) rechnen würden, wenn sie von einer „Liberty Conference“ hören würden. Es sind junge Menschen, die selber anpacken wollen, um etwas zu verändern. Deren Blick zum Teil weit hinausgeht über den Rand des eigenen Portemonnaies. Tom G. Palmer, einer der Vordenker der Students for Liberty, zitierte in seinem Vortrag Joaquim Nabuco, der sich im 19. Jahrhundert in Brasilien für die Abschaffung der Sklaverei einsetzte:

„Erzieht eure Kinder, erzieht euch selbst, die Freiheit der anderen zu lieben. Denn nur so ist sichergestellt, dass eure eigene Freiheit nicht nur ein Zufallsgeschenk des Schicksals ist. Dann werdet ihr ihren Wert erkennen und den Mut finden, sie zu verteidigen.“

Außerhalb des Rechts-Links-Schemas

Die Sache der Freiheit ist nicht selten in einer etwas unbequemen Minderheitenposition. In dieser Lage gehen ihre Streiter immer mal wieder Koalitionen ein mit den anderen beiden großen politischen Strömungen: dem Konservatismus und dem Sozialismus. In einzelnen Fällen mag es klug und richtig sein, sich gemeinsam für ein Anliegen einzusetzen. Gefährdet ist die Freiheit freilich, wenn aus diesen kurzfristigen gemeinsamen Projekten eine dauerhafte Bindung wird. Dann finden sich manche Liberalen plötzlich mitten in der Sozialdemokratie wieder und andere haben unversehens den Habitus der Konservativen übernommen. Beides ist der Freiheit alles andere als dienlich.

Den Students for Liberty gelingt es erfreulicherweise sehr gut, die grundsätzliche Distanz zu beiden politischen Strömungen zu wahren, auch wenn man bisweilen Bündnisse schmiedet, bei denen gemeinsame Anliegen auf der Agenda stehen. Wenn es um die Freiheit der Marktakteure geht, können die Konservativen durchaus einmal hilfreiche Partner sein. Und wenn die Rechte von Frauen oder Ausländern verteidigt werden müssen, steht einer Kooperation mit Sozialisten nichts entgegen. Immer aber wird klar kommuniziert, dass die freiheitliche Idee eine eigenständige Strömung ist. Dass es zwar gemeinsame Anliegen geben kann – allerdings nur obwohl man ganz andere Gründe dafür hat, dieses Anliegen zu verfolgen.

Neue Ideen lassen sich nicht unterdrücken

Es besteht sehr viel Anlass zur Hoffnung für die Sache der Freiheit, wenn man Veranstaltungen wie die Students for Liberty Conference besucht. Noch mag die Bewegung verhältnismäßig klein erscheinen. Sie hat noch nicht die Größe von Woodstock oder der Castor-Proteste. Aber neue Ideen lassen sich – wenn sie einmal in der Welt sind – nicht mehr wirklich unterdrücken. Und Ideen sind der Wesenskern dieser Bewegung. Überzeugende allemal. Ludwig von Mises hatte wohl Recht in dem, was er 1927 in seinem Buch „Liberalismus“ schrieb. Es sei den Students for Liberty ins Stammbuch geschrieben:

„Aller Fortschritt der Menschheit vollzog sich stets in der Weise, dass eine kleine Minderheit von den Ideen und Gebräuchen der Mehrheit abzuweichen begann, bis schließlich ihr Beispiel die anderen zur Übernahme der Neuerung bewog.“