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Photo: Paul Sableman from Flickr (CC BY 2.0)

Vor zwei Jahren machte ein Tweet Schlagzeilen, in dem sich eine Schülerin aus Köln beklagte: „Ich bin 18 und habe keine Ahnung von Steuern, Miete oder Versicherungen. Aber ich kann eine Gedichtsanalyse schreiben – in vier Sprachen.“ Letzteres wird die derzeitige NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann sicherlich freuen. Und ersteres war bisher nicht die oberste Priorität der grünen Bildungsministerin. Die Abschaffung des Faches Wirtschaft durch die gerade abgewählte NRW-Landesregierung, das die Vorgängerregierung zuvor eingeführt hatte, zeigt daher bereits ihre Wirkung.

Eine Studie des Verbandes Junger Unternehmer und der Familienunternehmer hat die Entwicklung jetzt systematisch anhand der Qualität der Schulbücher untersucht. Das Urteil ist erschreckend. Wenn es um ökonomische Zusammenhänge in deutschen Schulbüchern geht, dreht es sich meist um Fragen der Verteilungsgerechtigkeit, um Gefahren und Nachteile der Globalisierung und es wird ein tendenziell negatives Unternehmerbild vermittelt. Das positive Bild der Marktwirtschaft, die Basis für unseren Wohlstand ist, spielt nur eine untergeordnete Rolle.

Und selbst dort, wo wirtschaftliche Zusammenhänge behandelt werden, sind die untersuchten Schulbücher von der herrschenden neoklassischen Gleichgewichtstheorie und einer keynesianischen Wirtschaftspolitik geprägt. Die Rolle des Unternehmers in der Marktwirtschaft, wie ihn einst Schumpeter beschrieb, spielt dabei keine oder nur eine sehr untergeordnete Rolle. Dabei ist er es, der durch seine Risikobereitschaft investiert und dadurch Ideen in Produkte verwandelt. Er ist in einer Marktwirtschaft unverzichtbar. Eine Bildungspolitik, die das ignoriert oder sogar das Gegenteil vermittelt, befördert dann auch nur potentielle Staatsbedienstete. Wie soll in einem solchen schulischen Umfeld eine Gründerkultur in Deutschland entstehen? Stattdessen steht in einem Schulbuch „Volkswirtschaftslehre“: „Wer als Arbeitgeber nur heuert und feuert, Mitarbeiter nicht weiterbildet oder diese gar mobbt, handelt demnach keineswegs im Sinne von Ökonomen.“

Auch die Notwendigkeit und der Segen der Arbeitsteilung in der Marktwirtschaft wird meist nicht positiv herausgestellt, sondern es werden wüste Zerrbilder gezeichnet. Insbesondere die internationale Arbeitsteilung, die für viele deutsche Unternehmen existentiell ist, wird als Gefahr und nicht als Chance dargestellt. In „Terra Erdkunde 3“ heißt es dazu: „Der Großteil der Bevölkerung hat aber keinen Vorteil vom Welthandel.“ Da muss man sich dann nicht wundern, wenn Globalisierungskritiker von „Rechts“ und „Links“ zu tausenden auf die Straße gehen. Woher sollen sie es auch wissen, wenn es nicht mal in den Schulbüchern steht und viele Lehrer selbst in vorderster Front auf den Demos mitmarschieren? So heißt es im Schulbuch „Politik verstehen und handeln“ über eine marktwirtschaftliche Ordnung: „Ihre häufigen Krisen, die die wirtschaftliche Existenz großer Menschengruppen bedrohen, und die weltweiten Umweltzerstörungen lassen jedoch viele Menschen an diesem Leitbild zweifeln.“ Da mag man sich doch gleich an die Umweltzerstörungen in sozialistischen Planwirtschaften des letzten Jahrhunderts erinnern. Insbesondere die Kraftwerke in der DDR waren ja der Inbegriff des Fortschritts und des Umweltschutzes, oder etwa nicht?

Die Autoren der Studie fordern als Konsequenz aus dieser Situation ein eigenes Schulfach oder zumindest ein Ankerfach für Wirtschaftswissenschaften an Schulen. Dadurch würde sich die Lage sicher nicht von heute auf morgen verändern, aber es würde eine Veränderung der Lehrerausbildung einleiten. Denn ohne ein eigenes Fach oder ein Ankerfach fände keine systematische ökonomische Aus- und Fortbildung von Lehrern statt. Ohne ein entsprechendes Ankerfach wird daher die ökonomische Bildung in der Schule immer ein Nischenthema bleiben. Mal ist es der Politikunterricht, mal der Erdkundeunterricht und mal der Geschichtsunterricht, in dem Aspekte des Wirtschaftens eine Rolle spielen, aber Lehramtsstudenten bekommen so ökonomische Zusammenhänge nur am Rande mit. Vielleicht wäre schon einmal ein guter Anfang, wenn Ludwig Erhards „Wohlstand für alle“ zur Pflichtlektüre gemacht würde. Darin beschreibt er das Bild einer Marktwirtschaft, die in ihrer Wirkung sozial ist. Das wäre doch schon mal etwas, wenn dies in unseren Schulen vermittelt würde.

Erstmals erschienen auf Tichys Einblick.

Am 20. März ist in der „Edition Prometheus“ beim FinanzBuch Verlag München das Buch „Wie wir wurden, was wir sind. Einführung in den Klassischen Liberalismus“ von Eamonn Butler erschienen.

Die Übersetzung des Buches „Classical Liberalism“ von Eamonn Butler erscheint unter dem deutschen Titel „Wie wir wurden, was wir sind“ und zur rechten Zeit. Denn der Klassische Liberalismus in Deutschland kann eine Selbstvergewisserung gut gebrauchen, ist er doch eine der Quellen dessen, wer wir sind. Eamonn Butler ist Gründer und Leiter des Londoner Adam Smith Institute, Englands führender Denkfabrik für Marktfreiheit und Klassischen Liberalismus. Sein Buch ist aus allgemeiner, doch angelsächsisch gefärbter Sicht verfasst, und das ist kein Nachteil.

Die Ursprünge des Klassischen Liberalismus liegen nämlich im Schottland des 18. Jahrhunderts. Die schottische Aufklärung brachte Persönlichkeiten wie Adam Smith, David Hume und Adam Ferguson hervor, deren Strahlkraft bis heute reicht. Ihre Schriften erreichten im 18. und 19. Jahrhundert auch Kontinentaleuropa und die deutschen Länder. Zur damaligen Zeit galten die klassisch Liberalen als politisch links, weil sie sich gegen die etablierten Autoritäten auflehnten. Sie kämpften für die Herrschaft des Rechts und gegen die Willkür der Obrigkeit.

Ihr entschiedenes Eintreten für den Freihandel sollte nicht den Reichen und Vermögenden zugutekommen, sondern Armut bekämpfen und Frieden stiften. Die Liberalen waren allesamt Marktwirtschaftler und kämpften für die Meinungsfreiheit. Der deutsche Sprachraum wurde ein Hort des Klassischen Liberalismus: Im 18. Jahrhundert waren seine bekanntesten Vertreter Immanuel Kant und Wilhelm von Humboldt, im 19. Jahrhundert John Prince-Smith, Eugen Richter und Hermann Schulze-Delitzsch. Jeder von ihnen stand für etwas, das heute noch Grundlage für eine liberale Gesellschaft ist.

John Prince-Smith machte die Freihandelsidee in Preußen populär. Er gründete Freihandelsvereine und saß im Preußischen Abgeordnetenhaus, später auch im Reichstag. Eugen Richter war der kompromisslose Kämpfer für die klassisch liberale Deutsche Fortschrittspartei im Kaiserreich. Als politischer Gegenspieler des Reichskanzlers Otto von Bismarck, ging er gleichzeitig mit den aufkommenden Sozialdemokraten hart ins Gericht. Er wandte sich vehement gegen die Sozialistengesetze Bismarcks auf der einen Seite, aber auch gegen die Einführung der gesetzlichen Sozialversicherung auf der anderen Seite. Hermann Schulze-Delitzsch war der entscheidende Begründer und Antreiber des Genossenschaftswesens in Deutschland – Hilfe zur Selbsthilfe für Gewerbetreibende, Handwerker und Landwirte, die keinen Zugang zu Krediten hatten. Dieser Grundgedanke des Genossenschaftswesens ist bis heute im Bankwesen, im Gesundheitswesen und im Einzelhandel verankert.

Der Klassische Liberalismus damals wie heute hatte und hat viele Gegner. Sie kommen aus der konservativen wie auch aus der sozialistischen Ecke – die beide dazu neigen, das Althergebrachte zu konservieren und im Neuen nicht die Chance, sondern die Gefahr zu vermuten. Selbstverständlich gilt das nicht überall und im gleichen Maße. Die Konservativen sind häufig ökonomisch aufgeschlossener als die Sozialdemokraten, aber gesellschaftlich rückwärtsgewandt. Die Sozialdemokraten sind oft gesellschaftlich offener für Veränderungen als die Konservativen, aber ökonomisch wollen sie die alte Welt möglichst lange behalten. Letztlich vereint sie aber derselbe Irrtum: Sie trauen dem Einzelnen wenig zu. Sie glauben, dass der Staat die Dinge regeln muss, weil der Einzelne ökonomisch, geistig oder körperlich dazu nicht in der Lage ist.

Wie sieht also die Situation des Klassischen Liberalismus heute in Deutschland aus? Haben die Marktwirtschaft, der Freihandel, der Rechtsstaat und das Individuum noch eine Lobby? Aber ja! Ähnlich wie schon einmal im 19. Jahrhundert weht seit einiger Zeit, inspiriert aus dem angelsächsischen Raum, ein neuer klassisch-liberaler Wind nach Deutschland hinein. Diese Szene ist bunt, jung – und sie wächst. Dem Netzwerk „Students for Liberty“ etwa, 2008 in den USA gegründet, gehören derzeit weltweit über 2000 und in Deutschland über 20 Studentengruppen an, die dem Liberalismus verpflichtet sind.

Sogar Ludwig von Mises’ „Nationalökonomie“ und Friedrich August von Hayeks „Verfassung der Freiheit“ werden wieder neu aufgelegt und von jungen Lesern entdeckt. Die Kenntnisse dieser Klassiker tun gut; denn der deutsche Liberalismus ist in seiner Geschichte bisher niemals an seiner Prinzipientreue und Standfestigkeit gescheitert, sondern immer an seiner Beliebigkeit. Deshalb ist ein festes theoretisches Fundament so notwendig. Und als ein verlässlicher und informativer Stein in diesem Fundament dient das Buch von Eamonn Butler.

Erstmals erschienen in Der Hauptstadtbrief.

Photo: Warner Bros Entertainment Inc

Um unsere Wirtschaftsordnung, die Soziale Marktwirtschaft, ist es nicht gut bestellt. Wenn man die Bürger im Lande fragt, ob die Soziale Marktwirtschaft die Reichen reicher und die Armen ärmer macht, dann stimmen 77 Prozent der Bürger dieser Aussauge zu. Für die Ungerechtigkeit in Deutschland machen 52 Prozent die Soziale Marktwirtschaft verantwortlich. Eine Mehrheit von 51 Prozent fordert sogar eine grundlegende Veränderung des Wirtschaftsmodells. Trotz Beschäftigungsrekorden, trotz historisch einmaligem Wohlstand in Deutschland, auch in breiten Schichten der Bevölkerung, herrscht großes Misstrauen.

Diese Einschätzungen fallen nicht vom Himmel, sondern haben einen kulturellen Hintergrund, dessen Wurzeln zu Beginn des letzten Jahrhunderts zu suchen sind, und die sich heute in breiten Bevölkerungsschichten niederschlagen. In Deutschland gibt es also seit sehr langer Zeit eine kritische, zuweilen sogar ablehnende Position gegenüber der Marktwirtschaft. Dies hat sich auch mit dem Zusammenbruch des real existierenden Sozialismus der DDR nicht wirklich geändert.

Dass diese kritische Haltung sich durchsetzen konnte, hat viel mit der so genannten „Frankfurter Schule“ zu tun, die sich um das Institut für Sozialforschung an der Universität Frankfurt gebildet hat. Max Horkheimer und Theodor Adorno waren die Ikonen dieser Schule. Das Institut war vor der Zeit des Nationalsozialismus und erst recht in den 1950er und 60er Jahren die ideologische Kaderschmiede der Marxisten in der westlichen Welt und trug maßgeblich zur Ablehnung der Marktwirtschaft bei. Generationen von Studenten wurde weltweit davon beeinflusst, die heute an den Schaltstellen des Staates, der Parteien, Medien und Unternehmen sitzen. Der berühmte Marsch durch die Institutionen ist vollbracht. Der Kampf der Ideen scheint gewonnen.

Doch wer die Basis dieser Entwicklung, das Institut für Sozialforschung, näher betrachtet, stößt sehr schnell auf den Argentinier Felix Weil, der die finanzielle Basis gelegt hatte. Das privat finanzierte An-Institut der Universität Frankfurt wurde von seinem Geld errichtet. Als Sohn und Erbe des Multimillionärs und Getreidehändlers Hermann Weil, hat er „sein gesamtes Vermögen in das Projekt eines interdisziplinären, marxistischen Theorien verpflichteten Instituts gesteckt“, wie die Autorin Jeanette Erazo Heufelder in dem gerade erschienen Buch mit dem Titel „Der argentinische Krösus“ schreibt. Nicht ohne Erfolg, wie man leider feststellen muss.

Hermann Weil hat sehr früh erkannt, dass es in einer Gesellschaft um den Kampf der Ideen geht. Auch die Idee der Sozialen Marktwirtschaft ist nicht vom Himmel gefallen, sondern hat ihre Wurzeln in den 1920er und 30er Jahre. Erst die Vorarbeiten von Wilhelm Röpke, Walter Eucken und anderen versetzen Ludwig Erhard nach dem 2. Weltkrieg in die Lage, durch die Freigabe der Preise und die Einführung der D-Mark, eine marktwirtschaftliche Ordnung durchzusetzen.

Ein weiteres, und besonders ermutigendes Beispiel ist das von Antony Fisher. Fisher kam als Hühnerzüchter zu Vermögen und las nach dem 2. Weltkrieg das Buch „Der Weg zur Knechtschaft“ von Friedrich August von Hayek, in dem Hayek hart mit den braunen und roten Sozialisten ins Gericht ging. Fisher ging anschließend zu Hayek und teilte ihm mit, nach der Lektüre seines Buches in die Politik gehen zu wollen, um eine ähnliche Entwicklung in Großbritannien aufzuhalten. Hayek riet ihm jedoch davon ab und empfahl ihm, ein Institut zur Verbreitung freiheitlicher Ideen zu gründen. Diesem Rat folgend gründete Fisher und 1957 das Institute of Economic Affairs in London. Großbritannien war zu dieser Zeit ein halb-sozialistisches Land. Die Industrie war überwiegend verstaatlicht worden und die Spitzensteuersätze lagen bei über 90 Prozent. Das Institut beeinflusste in den Folgejahren die Stimmung und trug zur marktwirtschaftlichen Erneuerung Großbritanniens in den 1980er Jahren unter Margaret Thatcher maßgeblich bei. Milton Friedman sagte später über die IEA: „Ich bezweifle, dass es ohne das IEA eine Thatcher-Revolution gegeben hätte.“ Die Macht der Ideen und der Wettbewerb um die Köpfe und Herzen der Menschen entscheidet über unsere Zukunft!

Photo: Daughterville Festival – Stefan Malz from Flickr (CC BY 2.0)

Von Justus Lenz, Leiter Haushaltspolitik bei Die Familienunternehmer/Die Jungen Unternehmer

Um die wirtschaftliche Bildung an deutschen Schulen ist es in der Regel leider schlecht bestellt. Wirtschaft als Schulfach gibt es nur in einigen wenigen Bundesländern und dann meist als Mischfach wie Wirtschaft und Recht. In der Regel kommen Schüler nur am Rande mit wirtschaftlichen Themen in Berührung, in so verschiedenen Fächern wie Erdkunde oder Geschichte. Die Vermutung liegt nah, dass die fachfremden Lehrer wirtschaftliche Themen eher wenig durchdrungen haben und zudem eher marktskeptisch geprägt sind.

Ob Lehrer im Unterricht auf ihre Schüler ideologisch einwirken, ist zwar schwer nachprüfbar. Gut untersucht werden kann jedoch, ob die Jugendlichen schon in Schulbüchern mit falschen Fakten, Emotionalisierungen und tendenziösen Behauptungen beeinflusst werden. Schulbuchstudien zeigen leider, dass genau dies der Fall ist.

Wirtschaftswachstum und Wohlstand bringen beispielsweise Arbeitslosigkeit – jedenfalls wenn man dem Schulbuch Terra Erdkunde 9/10 Niedersachsen glaubt. Hier heißt es:

„Ständiges Wirtschaftswachstum und damit wachsender Wohlstand haben aber (…) in zunehmendem Maße auch Arbeitslosigkeit zur Folge“ (2007, Seite 58).

Die Behauptung dieses sachlich falschen Zusammenhangs ist an sich schon schlimm genug. Geradezu zynisch wirkt die Aussage jedoch, da sie im Kontext Entwicklungspolitik getroffen wird. Der Schulbuchautor weist darauf hin, dass Wirtschaftswachstum folglich kein erstrebenswertes Ziel für Entwicklungsländer sei. Der Wohlstand und überhaupt die ganze Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung von Industrieländern werden als wenig nachahmenswertes Modell dargestellt – wobei sich natürlich die Frage aufdrängt was denn die Alternativen seien. Hier aber werden die Schüler ohne konkrete Antworten allein gelassen.

Es gibt weitere Beispiele von tendenziösen Passagen in Schulbüchern. So heißt es im Schulbuch „Die Reise in die Vergangenheit 3“:

„Für den Unternehmer waren die Maschinen wertvoller als die Arbeiter.“ (2007, S. 168).

Zum Glück gibt es auch Beispiele dafür, dass wirtschaftliche Themen in Schulbüchern objektiv dargestellt werden. So zeigt eine qualitative Studie von Hamburger WeltWirtschaftsInstitut und Universität Erfurt sogar, dass die Darstellung wirtschaftlicher Themen in ökonomienahen Fächern (z. B. Politik und Wirtschaft) überwiegend objektiv ist.[i] Eine marktkritische und zum Teil ideologische Färbung lässt sich dagegen jedoch leider in vielen Schulbüchern ökonomieferner Fächer wie Erdkunde und Geschichte feststellen, wenn sich die Schulbuchautoren in das Feld ökonomischer Zusammenhänge begeben. Auch eine empirische Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft bestätigt die teilweise sehr unsachliche Darstellung wirtschaftlicher Zusammenhänge in Schulbüchern.[ii]

Diese Ergebnisse machen deutlich, dass es noch viel Verbesserungspotential gibt, das angesichts der Bedeutung der Ökonomie als Grundlage für gesellschaftliche Entwicklungen und politische Entscheidungen genutzt werden sollte. Hier sind natürlich zunächst die Schulbuchverlage gefragt. Die Ergebnisse legen aber auch nahe, dass ein eigenständiges Schulfach Wirtschaft in allen Bundesländern an allen weiterführenden Schulen eingeführt werden sollte. Die ökonomische Bildung ist viel zu wichtig, als dass wir sie fachfremden Lehrern überlassen können.

[i]           Justus Lenz, Die Darstellung von Marktwirtschaft und Unternehmertum in Schulbüchern in Deutschland und in der deutschsprachigen Schweiz, Liberales Institut der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, 2010.

[ii]              Helmut E. Klein, Unternehmer und Soziale Marktwirtschaft in Lehrplan und Schulbuch – Der Beitrag gesellschaftswissenschaftlicher Schulbücher zur Ökonomischen Bildung, Institut der Deutschen Wirtschaft, 2011.

Photo: dierk schaefer (CC BY 2.0)

Die DDR-Vergangenheit wird verharmlost, vertuscht, verklärt. Es hat Folgen für die heutige Politik, wenn ein „Schutzwall“ nicht als mörderisches Instrument gesehen wird und eine exzessive Planwirtschaft nicht als Weg zur Verelendung großer Bevölkerungsteile.

Mauer, Stasi und Mangelwirtschaft als Pflichtübungen

Wenn Sie dieser Tage in Berlin unterwegs sind, kann es passieren, dass Sie in eine S-Bahn steigen, auf der für das DDR-Museum geworben wird. Hierbei handelt es sich nicht etwa um einen Erweiterungsbau der Gedenkstätte im Stasi-Gefängnis Hohenschönhausen, um die Schrecken der 40 Jahre langen Diktatur darzustellen. Eher im Gegenteil: Das DDR-Museum liegt in bester Lage an der Spree gegenüber dem Berliner Dom. Der Besucher kann sich in alte Trabis setzen, sich über die FKK-Kultur und die Blech-Münzen amüsieren, etwas Kalter-Krieg-Grusel empfinden und in einem authentischen DDR-Wohnzimmer umherwandeln – inklusive Abhörstation.

Mauer, Stasi und Mangelwirtschaft kann man natürlich schwerlich auslassen. Aber man will den etwa 600.000 Menschen, die jährlich das Museum besuchen, ja nicht die Stimmung vermiesen. Und so ist die Darstellung dieser Aspekte der DDR eher eine Pflichtübung, die auch noch absolviert wird. Wer will schon den spanischen Schulklassen, britischen Fanclubs und japanischen Rentnerinnen, die sich gerade zwischen dem Döner am Hackeschen Markt und dem Bummel über die Friedrichstraße befinden, die Geschichten erzählen von Unterdrückung und Umweltverpestung, von Fremdenfeindlichkeit und Familienzerwürfnissen, von Misswirtschaft und Mauertoten?

Stalinisten als Namensgeber

Das Museum ist eines der prominentesten Beispiele für DDR-Nostalgie, aber bei weitem nicht das einzige. Mitten durch Berlin laufen gleich zwei große Straßen, die nach Karl Marx benannt sind, auf dem Gebiet der ehemaligen DDR gibt es noch unzählige von ihnen. Auch Rosa Luxemburg fungiert als Namensgeberin für Straßen, Plätze, Schulen und sogar eine Stiftung. Also die Frau, die feststellte „Wer sich dem Sturmwagen der sozialistischen Revolution entgegenstellt, wird mit zertrümmerten Gliedern am Boden liegenbleiben.“ Auch der ausgemachte Stalinist Ernst Thälmann geistert noch allenthalben mit Denkmälern und als Namensgeber durch die östlichen Teile unseres Landes. All diese kulturellen Reminiszenzen an ein diktatorisches Regime sind in etwa so absurd als würde man einen Erlebnispark Deutscher Kolonialismus aufmachen, wo man lustige Tropenhüte erwirbt, mit einer Bimmelbahn die Ostafrikanischen Zentralbahn nachspielt und alle zwei Stunden einem traditionellen Tanz der Papua zusehen kann.

Doch nicht nur die Symbole und Souvenirs sind erhalten geblieben. Auch in vielen Köpfen ist die DDR noch oder wieder ein Sehnsuchtsort. Nach der Wiedervereinigung war sie vor allem für die „Wendeverlierer“ das positive Gegenbild zur neuen Realität. Diese Menschen verhalfen der zur PDS gewandelten SED zum Überleben. Inzwischen gibt es eine neue Gruppe, für die die Vorstellung umfassender Fürsorge und echten Schutzes an Attraktivität gewinnt. Es sind die Menschen, die sich überrannt fühlen von der Globalisierung, denen gesellschaftliche Veränderungen zu schnell gehen und die das Gefühl haben, vernachlässigt zu werden.

Die Versuchung, Verantwortung abzugeben

Vernachlässigung war nun wahrhaft nicht das Problem des DDR-Regimes. Für jeden wurde ein Arbeitsplatz gefunden, für jeden die Konsummöglichkeiten bestimmt und viele hatten einen ganz persönlichen Ansprechpartner und Kümmerer im Ministerium für Staatssicherheit. Der marktwirtschaftlich organisierte und freiheitlich-demokratische Rechtsstaat bietet da wesentlich weniger Komfort und verlangt ein wesentlich höheres Maß an Selbstverantwortung. Natürlich gibt es auch in diesem System immer wieder Verlierer – zumindest im Kontrast zu den Gewinnern. Weil die DDR-Vergangenheit jedoch nie wirklich aufgearbeitet wurde und landauf, landab eher der kitschige als der kritische Blick dominiert, fällt es den Verlierern schwer zu erkennen, dass sie selbst als Verlierer im jetzigen System noch viel besser dran sind.

Ein Resultat der mangelhaften bis ungenügenden DDR-Vergangenheitsbewältigung ist der rege Zuspruch, den Kritiker und Gegner von Marktwirtschaft, freiheitlicher Demokratie und offener Gesellschaft derzeit erfahren. Bei den Wahlen in den ostdeutschen Bundesländern haben Parteien am linken und am rechten Rand in den letzten beiden Jahren zwischen 33 und 42 Prozent der Wähler hinter sich versammeln können. Diese Wähler sind nicht lauter Kommunisten und Rassisten. Es sind insbesondere auch Menschen, die sich – oft mit guten Gründen – schwertun, zu akzeptieren, dass unser gesellschaftliches und politisches System ihnen mehr Selbstverantwortung zumutet als sie zu übernehmen bereit oder vielleicht auch imstande sind.

Der Preis, den ein vermeintlich einfacheres, überschaubares und sichereres System á la DDR uns abverlangt, ist vielen zu wenig bewusst. Wer den Durchmarsch der Parteien der einfachen Antworten auf der Linken und Rechten stoppen will, muss auch bei einem besseren Geschichtsverständnis ansetzen. Darum ist es eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, noch viel deutlicher als bisher klarzumachen, dass zentrale Planungsbehörden und Einheitsprodukte, Mauern und politische Gefängnisse zu den ganz großen Tragödien unseres Landes, ja unseres Kontinents gehören. Das hatte schon vor bald zehn Jahren der bedeutende Historiker Hans-Ulrich Wehler vorausgesehen: „Eine intensive Beschäftigung mit der DDR-Vergangenheit ist dringend geboten. Die Konsequenzen dieses Staates sind doch nicht nur in Bitterfeld, sondern auch in der Gesellschaft noch über Jahrzehnte zu beobachten.“