Photo: LWYang from Flickr (CC BY 2.0)

Es ist jedes Mal dasselbe: Ein Problem taucht auf, Politiker verfallen in wilden Aktionismus und am Ende wird eine Regulierung eingesetzt, die das Problem lösen soll. Die großen Spieler juckt das meist wenig. Wer wirklich stranguliert wird, sind Mittelständler, Familien und die Zivilgesellschaft.

MiFID – Sisyphos auf dem Papierberg

MiFID II – der Albtraum jedes Kleinanlegers. Als sich die G20-Staaten im September 2009 in Pittsburgh trafen, saß den Politikern der Schock der Banken- und Finanzkrise von 2007/08 noch gehörig in den Knochen. Gegen die Verantwortungslosigkeit im Bankensektor musste man doch etwas tun! Das Ergebnis: ein selbst für Experten undurchschaubarer Wust an Regulierungen, die verhindern sollen, dass die unbedarfte Oma vom provisionsgierigen Bankangestellten um ihre letzten Ersparnisse gebracht wird. Zumindest dieses Ziel wurde erreicht: die Oma lässt jetzt alles Geld brav auf dem Sparkonto liegen, wo Niedrig- bis Negativzinsen daran nagen.

Gleichzeitig sind aber ganze Bankabteilungen damit beschäftigt, Gesprächsprotokolle aufzuzeichnen und Formulare auszufüllen. Für die großen Banken ist das – mit Mühe – zu stemmen, die Sparkassen, Privat- und Genossenschaftsbanken drehen völlig am Rad. Am schlimmsten aber trifft es diejenigen, die ihr Erarbeitetes und Erspartes gewinnbringend einsetzen wollen. Die Großanleger arbeiten auf Hochtouren daran, die neuen Regulierungen wieder zu umgehen, während der Kleinanleger sich vor einer fast unüberwindbaren Mauer wiederfindet. Während er sich mit seinem Bankberater durch die MiFID-Vorgaben durcharbeitet, haben die großen Zocker bereits wieder astronomische Gewinne eingefahren.

DSGVO – im Labyrinth der Bürokratie-Hydra

Datenschutz-Grundverordnung – die Todesfalle der Zivilgesellschaft. Google, Facebook und Co. gehen nicht immer so mit unseren Daten um, wie es im Blick auf unsere Privatsphäre und Selbstbestimmung angemessen wäre. Diese Situation schreit geradezu nach staatlichen Maßnahmen. Wieder einmal eine ideale Gelegenheit für Politiker, dem Bürger zu beweisen, dass sie deren letzte Zuflucht und wahre Schutzmacht sind im Haifischbecken der datensaugenden Profitmaximierer. (Man wünscht sich, dass diese Ritter der Privatsphäre auch einmal in ihrem eigenen Laden aufräumen würden: der Staat darf nämlich munter observieren, erheben und speichern …) Das Problem mit der DSGVO ist freilich, dass die Netz-Riesen die Ressourcen haben, um die lästigen neuen Regulierungen zu verarbeiten. Richtig hart trifft es dagegen den Biobauernhof, die Bastelgruppe, die Kirchengemeinde und den „Verein zur Erhaltung der Biergartentradition“.

Der Kfz-Mechaniker-Azubi, der die Trainingsspiele der Handball-Jugendmannschaft koordiniert, befindet sich mit seinem Email-Verteiler demnächst kurz vor der Illegalität. Der selbständige Optiker in Aschaffenburg bewegt sich in gefährlichen Wassern, wenn er Kundendaten in der Wohnung über seinem Geschäft aufbewahrt, weil seine Tochter dann Zugang haben könnte. Wahrscheinlich entsteht demnächst eine neue Berufsgruppe von professionellen Bürokratieverstehern, die Kleinbetrieben und zivilgesellschaftlichen Gruppen den Weg durch den Paragrafendschungel weisen. Anstatt vom missgünstigen Konkurrenten wegen Verstößen gegen die DSGVO angeschmiert oder von oder übereifrigen Bürokraten erschnüffelt und ertappt zu werden, leistet man sich dann doch lieber den teuren Experten – oder macht den Laden oder Verein gleich ganz dicht.

Die Zumutung der Selbständigkeit statt der Windeln der Regulierung

Es gibt eine Fülle von Problemen mit der Regulierung, diesem Lieblingsinstrument von Politikern, die ihren kämpferischen Einsatz für ihr Wahlvolk damit zur Schau stellen: Regulierungen wirken oft wie Markteintritts-Barrieren für schwächere Konkurrenten. Sie kommen häufig zu spät, wenn die Verursacher eines Problems schon weitergezogen sind zur nächsten Trickserei. Sie leiden unter einem chronischen Informationsmangel. Sie steigern die Kosten für die Betroffenen, was dann häufig an die Verbraucher weitergegeben wird. Sie hemmen Innovation und Fortschritt. – Eine besonders schmerzhafte Folge aber ist, dass die großen Spieler auf einem Markt meist die Ressourcen und Kapazitäten haben, um mit den neuen Regulierungen irgendwie umzugehen. Wer über diese Mittel nicht verfügt, ist den Vorschriften hilflos ausgesetzt.

Weder das Verhalten der Banken noch der Umgang großer Internetkonzerne mit Daten sind unproblematisch. Aber die derzeitigen Maßnahmen stellen keinen wirksamen Schutz dar. Andere Mittel sind dazu weitaus besser geeignet, auch wenn sie dem Politiker weniger Glanz ermöglichen. Klare Haftungsregeln und eine starke und unabhängige Gerichtsbarkeit gehören zu diesen Mitteln; aber insbesondere auch eine Zumutung an den Bürger: Die Zumutung der Selbständigkeit. Zugegeben: die wenigsten Politiker gewinnen Wahlen, wenn sie auf ihre Plakate drucken „Ich vertraue darauf, dass Sie die meisten Ihrer Probleme selbst lösen können.“ Aber am Ende des Tages ist der wirksamste Schutz gegen zwielichtige Geldanlagen und Datenmissbrauch nicht MiFID und DSGVO, sondern verantwortungsbewusste Konsumenten und Bürger. Anstatt sie durch Regulierung zu infantilisieren und zu pampern, sollten Politiker die Bürger ermutigen, Verantwortung zu übernehmen. Nur so funktioniert übrigens auch eine Demokratie …

11 Kommentare
  1. gogo49
    gogo49 sagte:

    Sehr richtig! Politiker, die solches veranstalten, erklären faktisch alle Verbraucher zu Minderbemittelten und alle Unternehmen zu Schurkenorganisationen.

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  2. steinweg
    steinweg sagte:

    Bei Betrachtung der Regelungen, gerade der DSGVO, darf man nicht vergessen an die bereitstehende Abmahn-Industrie zu erinnern.

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    • Katja Triebel
      Katja Triebel sagte:

      Stimmt. Merkel hat auch dieses Versprechen gebrochen: Sie wollte mal vor Urzeiten die Abmahn-Industrie beschränken. Stattdessen erhält diese weiteres Futter mit der DSGVO u.a. oder wird gestützt mit Steuergeldern wie die DUH.

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  3. Kannitverstaan
    Kannitverstaan sagte:

    Nachdem Leviathan seine Kräfte schwinden sieht, muss er seine vielen, kleinen Untertanen knebeln und fesseln und bedient sich dabei der Kräfte seiner Hofschranzen, Schergen und Bürokraten sowie der willfährigen großen Untertanen, die sich dadurch – analog Leviathan – längeres Überleben zu sichern trachten.
    Der alles durchdringende Pilz (bzw Filz) überlebt immer seinen Wirt…… und das ist die Perspektive, in der wir uns befinden. Die Bürokratie stirbt zuletzt.

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  4. Hubert Daubmeier
    Hubert Daubmeier sagte:

    Etwas spät in der Diskussion. Aber die Ausführungen zu DSGVO sind Vollquatsch (sorry geht nicht dezenter)

    1. es möge bitte jemand versuchen eine Lex google facebook und co zu formulieren. Wie sollte gefühltes Verhalten denn nun konkret in ein Gesetz gefasst werden?

    2. warum sollte ein erwachsener Mensch nicht in der Lage sein für sich selbst zu entscheiden was er auf Facebook und co posten dürfte? Was hätte die staatliche Gängelung gar mit Freiheit zu tun?

    3. die genannten Beispiele des Kfz-Mechaniker-Azubi, oder der selbständige Optiker sind Auswuchs einer hysterischen – aber durchaus typisch deutschen – Übertreibung, die durch keinerlei Fakten belegbar ist.

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  5. Klaus Falke
    Klaus Falke sagte:

    Am DSGVO war maßgeblich ein rot/grüner Europa-Politiker beteiligt. Die Unterscheidung Unternehmen und Endkonsumenten fehlt. Wenn diese rot/grün/schwarzen Bevormundungspolitiker anstelle Zwangsbeglückung den mündigen Bürger wünschen würden, dann hätten zwei Button gereicht: Bitte alle von mir gespeicherten persönlichen Daten zusenden und Bitte alle persönlichen Daten von mir löschen. Ebenso hätte der Button keine Emails mehr zusenden in einer Email auch gereicht. Alles hätte weniger Kosten für die Wirtschaft bedeutet.
    Am meisten werden Start-ups getroffen, nicht die großen etablierten Unternehmen.

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    • Hubert Daubmeier
      Hubert Daubmeier sagte:

      Erstens: Ich konnte anno 2011 in Paris auf einer IAPP Konferenz Vivianne Redding zuhören als sie noch für die Idee warb. Ihr Szenario damals: stell dir den kleinen Softwareentwickler vor, der eine App für den gemeinsamen Markt bauen und dabei den Datenschutz berücksichtigen möchte (Privacy by design und default). Der Großkonzern mag sowas stemmen können. Doch der Startup hat keine Chance 26 (oder so) unterschiedliche Datenschutzgesetze überhaupt zu finden, dann zu lesen, zu verstehen, oder gar umzusetzen. Appell: wir sollten es den Startup leicht machen.

      Dieses Ziel ist erreicht worden – ohne Wenn und Aber. Meines Erachtens ein Riesenziel. Egal wie sehr Rechtsprofessoren an der handwerklichen Qualität des Gesetzes auch rumkriteln. Hat jemals jemand davon berichtet? Nein! Und was kommt aktuell alles an Dünnblech – nee Vollquatsch – auf den Markt der Neuigkeiten? Ich mag die Verschwörungstheorien gar nicht aufzählen.

      Zweitens: aus dem wahren Leben darf ich als DSB gar nicht erzählen; bin ja zum Schweigen verpflichtet. Außer es ist haarsträubend was in der Realität wirklich passiert. Wenn ich das mal reflektiere, dann sind es eigentlich genau die ahnungslosesten Schreihälse, deretwegen die Bußgelder so angezogen wurden und die Aufsichtsbehörden zum Sanktionieren verdonnert wurden. Ich würde denen gerne mal die Frage stellen „wie würdest du die Message verbreiten ‚da ist was, kümmer dich drum'“? Vielleicht mit dem Nebensatz „aber sorge auch dafür, dass die Kümmerer nicht wieder die A-Karte ziehen weil den Nichtkümmerern ihr laissez-faire durchgeht und die Mühe der Kümmerer umsonst war“.

      Drittens: die große Angst geht ja vor den Abmahnern um. Wobei schon mal niemand dazu sagt, dass das Prinzip / der Grundgedanke hinter der Abmahnung ganz viel Sinn macht. Aber der finanzielle Schaden hinter eine Abmahnung ist in ganz anderen Dimensionen als die Bußgelder der DSGVO. Was auch keiner dazusagt: nicht jede blöde Abmahnung muss ich mir gefallen lassen. Und wenn ich es als kleiner Freelancer nicht stemmen kann, dann mag mir mein Berufsverband durchaus zur Seite stehen.

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    • Hubert Daubmeier
      Hubert Daubmeier sagte:

      Übrigens ist auch diese Aussage falsch „Die Unterscheidung Unternehmen und Endkonsumenten fehlt“

      Art 2 Abs 2 Diese Verordnung findet keine Anwendung auf die Verarbeitung personenbezogener Daten …
      Ziffer 2: durch natürliche Personen zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten,

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      • Klaus Falke
        Klaus Falke sagte:

        Okay, Sie sind als DSB ein Enthusiast der DSGVO und haben leider die Wirtschaft nicht im Blick.
        Warum die Strangulierungen im B2B?
        Beim B2C kann ich die Bevormundung etwas verstehen. Ich möchte jedoch in den Unternehmensdaten nicht vergessen werden – werde aber zwangsvergessen, weil Firmen vom DSB wie Sie dazu aufgefordert werden.

        Was soll die Einmischung des Staates in die wirtschaftlichen Beziehungen der Unternehmen untereinander?
        Bitte mal hier schauen (es wird Sie frohlocken):
        https://www.marconomy.de/das-aendert-sich-im-b2b-mit-der-eu-dsgvo-a-610439/
        Wenn Sie Beamter sind, dann wird mir natürlich Ihre Position rasant klar.

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        • Hubert Daubmeier
          Hubert Daubmeier sagte:

          Und ein paar Anmerkungen zu diesem „Ratgeber“:

          1. An den Rechtsgrundlagen hat sich – außer, dass die Paragraphen und Artikel andere Nummern haben – nichts Wesentliches geändert. Ok, die Einwilligung ist ein etwas strikter zu handhaben. Andererseits steht jetzt im Gesetz, dass Werbung ein berechtigtes Interesse sein kann. Ansonsten hat sich nur der Bußgeldrahmen geändert. Man könnte auch sagen: all jene die schon immer die Mär verbreitet haben „cold calls sollst du machen“ dürfte ihre Lüge, die schon immer eine war, etwas schwerer von den Lippen kommen.

          2. Datenminimierung stand im BDSG, steht in der DSGVO

          3. Double-Opt-in ist eine Forderung, die aus dem UWG kommt. Hat mit DSGVO nur bedingt zu tun

          4. „Auf der sicheren Seite sind Sie, wenn Sie vor der Verarbeitung eine rechtskonforme Einwilligung einholen“ – auch nee. Und vorher hätte das nicht gegolten? Haben wir auf unterschiedlichen Planeten gelegt?

          5. „Bei Fachmessen gesammelte Visitenkarten zum Beispiel erlauben keinen Opt-In“ – Warum sollte das nicht möglich sein? Oder gar gestern nicht gegolten haben? Die Geschichte „papp ein Schild an deine Sammelbox“ habe ich vor über zehn Jahren schon erzählt. Geglaubt hat es bloß keiner. Und umgesetzt noch weniger.

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