Photo: Polybert49 from Flickr (CC BY-SA 2.0)

0,42 Prozent des Bruttonationaleinkommens gab die deutsche Regierung im vergangenen Jahr für Entwicklungshilfe aus. Das ist weniger als die 0,7 Prozent, die die Vereinten Nationen bereits 1970 als Zielgröße empfohlen haben. Aber dennoch sind die 12,5 Milliarden Euro der drittgrößte Wert weltweit. Die Regierung wird daher zufrieden sein.

Doch ob diese rein quantitative Betrachtung der Entwicklungshilfe hilfreich ist, läßt sich sicherlich bezweifeln. Findet doch Entwicklungshilfe oft als reine Budgethilfe für afrikanische Staaten statt. Nach dem Zuckerbrot-und-Peitschen-Prinzip wird die jeweilige Regierung mit Budgethilfen belohnt, wenn sie sich rechtsstaatlich, demokratisch, ökologisch oder weniger diskriminierend gegenüber Minderheiten verhält. Dieser Erziehungsansatz mag bei Kleinkindern funktionieren, ob es souveränen Staaten und deren Machthabern unsere Form des demokratischen Rechtsstaates näherbringt, darf sicherlich bezweifelt werden. Ohne innere Einsicht wird das nicht klappen.

Um so erfreulicher ist es, wenn jetzt eine wichtige Organisation in der Entwicklungshilfe, die Weltbank, zumindest personell einen neuen Weg zu gehen scheint. Der Vorstand der Weltbank hat den New Yorker Ökonomen Paul Romer zum neuen Chefökonomen ernannt. Damit könnte auch ein Wandel in der weltweiten Entwicklungszusammenarbeit eingeläutet werden. Zu wünschen wäre es. Romer ist in mehrerer Hinsicht ein interessanterFall: Er gilt als einer der prägenden Köpfe einer endogenen Konjunkturtheorie, die den Fortschritt und das Wachstum ganzer Volkswirtschaften mit der Innovationskraft einzelner Unternehmen begründet. Für ihn ist der Konsumverzicht, also das Sparen, die Voraussetzung für Investitionen, die wiederum Wachstum und Arbeitsplätze schaffen. Im letzten Jahr erzeugte er eine heftige Debatte unter seinen Professorenkollegen, weil er ihnen eine Missbrauch der Mathematik vorwarf. Er nannte dies „Mathiness“ und meinte damit, dass unter dem Deckmantel der Mathematik, ideologische Dogmen vertreten und vermeintlich bewiesen werden.

Wahrscheinlich ist seine Konjunkturtheorie auch der Ansatz für seine entwicklungspolitische Idee, die er „Charter City“ nennt. Im Februar habe ich dieses Konzept bereits in meiner Kolumne im Blog von Roland Tichy vorgestellt. Er versteht darunter eine Art Sonderwirtschaftszone in Entwicklungsländern, in denen das Rechtssystem eines anderen Landes gilt. Seine Vorbilder sind Hongkong und Singapur, die unter einem anderen Rechtssystem eine wesentlich bessere Entwicklung genommen haben als ihr Umland. Erst diese Entwicklung hat China veranlaßt, mit Sonderwirtschaftszonen im eigenen Land diesen Regionen nachzueifern.

Romers Verdienst ist es, dass er Rechtsstaatlichkeit und Eigentumsschutz als wesentliche Triebfeder für den Wohlstand ansieht. Nur wenn Eigentum rechtssicher erworben und übertragen werden kann, investieren Unternehmer. Nur wenn die Regierung Korruption glaubhaft bekämpft, kommt Investitionskapital in das Land. Und nur wenn die Gleichheit vor dem Recht existiert, kann die Regierung nicht mehr willkürlich entscheiden.

Auf die aktuelle Entwicklung in der Türkei bezogen, bedeutet dies: So schädlich bereits der Putschversuch für ein Land ist, so ökonomisch verheerend ist das anschließende willkürliche Vorgehen der Regierung unter Staatspräsident Erdogan gegen vermeintliche Kritiker. Wahrscheinlich erlebt die Türkei in den nächsten Monaten einen Exodus seiner Eliten.

Auch hier wären „Charter Cities“ eine Alternative. Dort würde nicht türkisches Recht, sondern vielleicht englisches gelten. Die Richter wären unabhängig vom Zugriff der Regierung und stünden vielleicht sogar unter internationalem Schutz. Die Freiheit der Wissenschaft würde an den dortigen Hochschulen gelebt, weil sie sich selbst über Studienbeiträgen finanzieren. Kein Machthaber und kein Präsident hätte das Recht und die Möglichkeit, Wissenschaftlern die Ausreise zu verbieten oder sie zu entlassen. Es würde Investitionssicherheit herrschen, weil ein Grundbuch vorhanden ist und eine schlanke und effiziente Verwaltung existiert.

Romers Idee ist deshalb so bestechend, weil sie im Kleinen Dinge von einigen innovativen Kräften ausprobieren läßt, die andere aus Behäbigkeit, Verkrustung oder einem drohenden Machtverlust nie zulassen würden. Vielleicht ist die Berufung von Paul Romer zum Chefökonom der Weltbank eine Initialzündung für bald tausend Hongkongs auf dieser Welt. Der Bekämpfung von Hunger und Elend würde dies am besten dienen. Zu wünschen wäre es.

4 Kommentare
  1. Die Wahrheit
    Die Wahrheit sagte:

    „Nur wenn Korruption bekämpft wird kommt Investition ins Land“ Lach!!!
    Investoren und Konzerne korrumpieren oder kommen nur wenn Steuergelder der Gesellschaften fließen

    Antworten
  2. Claudia Westphal
    Claudia Westphal sagte:

    Ich lese die Artikel auf diesem Blog eigentlich immer recht
    gern und jedesmal fällt wieder auf, dass bei allem Ruf nach Marktwirtschaft und
    der Forderung, dass alles dem Markt unterworfen sein solle, den Ideensammlern
    und -gebern hier ein gesellschaftliches Gesamtkonzept völlig fehlt. Das ist
    ähnlich einem Arzt, der verzweifelt versucht, einen Patienten nur als die Summe
    seiner Krankheiten zu sehen und sich weigert, den Körper als Ganzes zu
    betrachten.

    Singapur und HongKong gehören zu den Orten in der Welt mit den absolut
    geringsten Geburtenraten. Alles wird dem Markt unterworfen, Kinder und Familie
    stören da nur. Man versucht nun staatlicherseits gegenzusteuern und in den
    Familienmarkt – um mal bei dem ortsüblichen Vokabular zu bleiben –
    einzugreifen. Im Augenblick bedient man sich ja noch beim Kindermarkt in China,
    aber die haben selbst nur eine geringe Reproduktionsrate. Da muss es doch dem
    Libertären in Schauern über den Rücken laufen. Der Staat greift ein und dann
    auch in in das privateste des Privaten, die Geburtenregelung. Man hat Angst um
    den Fortbestand seiner Spezies. Es ist eigentlich zum Lachen, wenn es nicht so
    traurig wäre.

    Die Wohnungspreise in beiden Städten sind horrent und übersteigen den
    leistbaren Level. Klar doch, die Nachfrage bestimmt den Preis, weiß da der
    buchgeschulte Wissenschaftler zu kontern. Die Kosten der Kinderaufzucht sind
    für Familien nicht tragbar, zumal dann ein Einkommen fehlt bzw ebenso horrente
    Betreuungskosten anstehen. Selbst schuld, dann gibt’s eben keine Kinder. Alles
    eine Frage der Wertvorstellungen des einzelnen. Man ist ja frei, oder etwa
    nicht?

    Im Moment haben beide Megacities das Problem, dass sie einer rapiden Überalterung
    der Bevölkerung entgegensteuern. Hinzu kommt, dass die gesamte industrialisierte
    Welt im gleichen Teich um die Kinder der anderen fischt. Natürlich will man nur
    die best ausgebildeten, aber dann bitte auf Kosten der anderen. Das schont den
    eigenen Markt. In HongKong geht das aktuell noch so weit, dass junge Menschen, die
    gerade die Uni abgeschlossen haben, in ihrer Heimat keine jobs bekommen.
    Anfänger unerwünscht – das schadet dem Markt. Man braucht den plug and play
    Mitarbeiter. Deshalb gehen die HongKong-Chinesen nach der Ausbildung erst
    einmal nach Kanada oder hier in die UK um Berufserfahrung zu sammeln. Nach drei
    Jahren können sie dann in ihrer Heimat noch mal einen Versuch starten, in den
    dortigen Markt zu kommen.

    Thom Hartmann, ein amerikanischer Radio und TV host, hat kürzlich mal in einem
    Video die Frage danach gestellt, warum eigentlich die meisten Libertarians
    weisse Männer sind?

    https://www.youtube.com/watch?v=G_RP__L47IY&feature=youtu.be

    Interessant zu hören und vielleicht findet dann auch der eine oder andere die
    Antwort darauf, warum der Libertarismus an einer gesamtgesellschaftlichen
    Lösung kein Interesse hat? Es könnte sein, dass man dann die eigene Spielwiese
    aufgeben muss, in der man es sich zwischen Theorienschaukel und
    Philosophiesandkasten so schön bequem gemacht hat.

    Antworten
    • Anette Schuett
      Anette Schuett sagte:

      „Die Wohnungspreise in beiden Städten sind horrent und übersteigen den

      leistbaren Level.“ – heißt das, die Städte sind leer?
      Was ist der „leistbare level“? Hier können Sie Ihre elitäre und leider totalitäre Haltung Ihren Mitmenschen gegenüber gut erkennen. Sie interessiert nicht, daß Millionen von Menschen dem Wohnen in diesen Städten so einen hohen Preis zugeschrieben haben … Sie möchten festlegen, was anderen Menschen etwas wert sein darf … Das ist das Gewalt-Problem in sozialistischen Haltungen wie Ihrer – gefährlich, wenn solche Menschen zudem noch zutiefst überzeugt sind, für andere zu wissen, welche Werte sie gefälligst zu vertreten haben.
      Zudem verräterisch die Formulierung „dem Markt unterwerfen“. Wahrscheinlich haben Sie die Formulierung irgendwo übernommen, aber denken Sie darüber nach: man kann sich nur Gewalt „unterwerfen“, alles andere sind freiwillige Entscheidungen. Das ist die libertäre Idee – Menschen kooperieren freiwillig. Ihre Bedürfnisse können sich nur am reinsten abbilden, wenn sie die Möglichkeit haben- ohne eine dritte Macht, die glaubt Werte in ihrem Leben per Gewaltmonopol festlegen zu dürfen – durch freiwillige Kooperation zu befriedigen. Nur so kann man „nach seiner Facon selig werden“.
      Das Bild des „Philosophiesandkasten“ trifft daher einzig und allein auf sozialistische Planspiele zu, da dort Menschen nicht ihr Wille zugestanden wird, sondern sie, wie Figuren auf einem Spielbrett „zu ihrem Besten“ bewegt werden – so stellt sich der Sozialist gottgleich die Frage wem nehmen wir mit Gewalt etwas weg, um es anderen zu geben“. Allerdings: Gute, verantwortungsvolle Menschen überlegen, was sie selbst geben können 😉 Und sie wissen, daß der Topf aus dem gegeben werden kann, zu jedem Zeitpunkt der Weltgeschichte auf jedem Ort der Welt, im Sozialismus stehts zu Gunsten der „klugen Elite“ geleert wurde – während bittere Armut „gerecht verteilt“ wurde …

      Antworten
      • Claudia Westphal
        Claudia Westphal sagte:

        Es steht Ihnen völlig frei, nach Singapur oder HongKong zu ziehen. Ich
        wüsste niemanden zu nennen, der Sie daran hindert – ausgenommen die
        Einwanderungsbestimmungen der Länder.

        Anonsten bestätigen Sie mit
        Ihrem post nur das, was ich bereits geschrieben habe. Es ist also müßig,
        das nochmal zu wiederholen. Eine Gesellschaft ist eben mehr als
        freiwillige Kooperation und Marktwirtschaft. Aber das kann man getrost
        ausblenden, wenn man in einer Gesellschaft lebt, die für den notwendigen
        Zusammenhalt sorgt. Da lässt es sich eben in gesichertem Rahmen
        philosophieren und theoretisieren.

        Ist auch nicht schlimm.
        Schadet niemandem. Aufgrund des fehlenden Gesamtkonzeptes wird dieses
        Modell sich ohnehin nicht durchsetzen. Ich will ja nicht sagen, dass der
        Markt darüber entscheiden wird, aber irgendwie wird es so ähnlich
        kommen.

        Antworten

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