Photo: Tambako The Jaguar from Flickr (CC BY-ND 2.0)

Symbolpolitik hat noch selten zur Lösung eines Problems beigetragen. Auch bei der Suche nach Antworten auf die drängende Klimafrage muss gelten: es geht darum, das Ziel zu erreichen, nicht die Überlegenheit der eigenen Rechtschaffenheit zu demonstrieren.

„Aber ich hab es doch gut gemeint!“

Seit einigen Jahren verbreitet sich die Idee des „Effektiven Altruismus“. Derzeit geistert sie noch vorwiegend in philosophischen Kreisen herum und an einigen Universitäten, doch findet man inzwischen auch in der ein oder anderen Zeitung einen Beitrag dazu. Wenn dann das Morgen-Fernsehen mal etwas dazu sendet, könnte das Konzept realistische Chancen auf einen Durchbruch haben … Eines der Hauptargumente dieser Bewegung ist das berühmte Diktum „Gut gemeint ist oft das Gegenteil von gut.“ Viele Hilfeleistungen, die wir in der Überzeugung gewähren, damit die Umstände von einem Menschen in Not wirklich zu verbessern, verfehlen ihr Ziel oder machen die Situation sogar noch schlimmer. Da nutzt es dann auch nichts, wenn man sich in dem erhabenen Gefühl suhlt, das „Richtige“ getan zu haben, wenn es das „Falsche“ war.

Das ist im privaten Umfeld bereits ein Problem, wird aber zu einer sehr viel größeren Herausforderung, sobald Politiker beteiligt sind. Das liegt daran, dass sie Entscheidungen treffen, die oft für ganze Länder oder gar weltweit Verbindlichkeit haben. Und es liegt daran, dass ihr Motiv bisweilen anders gelagert sein mag als der bloße naive Wille, jemandem jetzt sofort zu helfen. Allein die politischen Maßnahmen der letzten zwei Jahre in unserem Land bieten dutzende, wenn nicht gar hunderte von Beispielen dafür, wie gute gemeinte oder sich als gut gemeint ausgebende Maßnahmen ohne Effekt bleiben oder gar massive Negativeffekte hervorrufen. Man denke etwa an den Vorschlag des Bundesarbeitsministers zur Grundrente, der nicht nur Kraut und Rüben ist, sondern auch viele derjenigen schlechter stellen würde, denen er angeblich helfen wollte.

Wirksamkeit braucht Ehrlichkeit

Der Ansatz des Effektiven Altruismus bietet genau das, was die aktuelle Debatte um Klimapolitik dringend braucht: einen kühlen Kopf. So verständlich die Sorge der jungen Leute auf den Straßen ist und so erdrückend die wissenschaftlichen Erkenntnisse über den menschlichen Anteil am Klimawandel – die Antwort darf nicht Aktionismus sein. Sogar die Fridays for Future-Aktivisten schreiben auf ihrer Website: „Alle getroffenen Maßnahmen müssen unabhängigen wissenschaftlichen Kontrollen unterliegen, die ihre Wirksamkeit beurteilen.“  Wirksamkeit ist das entscheidende Stichwort, das in keiner Debatte fehlen sollte.

Das kann schnell unangenehm werden – denn Wirksamkeit setzt noch etwas voraus: Ehrlichkeit. Und wenn man ehrlich ist, dann muss man etwa die Beobachtung ernstnehmen, dass Plastiktüten in der Natur und vor allem in Gewässern zwar eine Katastrophe sind, dass ihre Öko-Bilanz aber offenbar erheblich besser ist als die von Papier- oder gar Jute-Tüten. Und auch der Getränkekarton scheint ökologischer zu sein als Flaschen, wie eine Studie gerade berechnet hat. Nach Jahren des Dauerfeuers auf den Lieblingsfeind Plastik können solche Erkenntnisse schmerzhaft sein. Ehrlicherweise muss man auch zugeben, dass der überstürzte Ausstieg aus der Kernenergie auch nicht hilfreich war bei der CO2-Reduktion. Der Ruf an die Politik, jetzt tätig zu werden, sollte immer verbunden sein mit der Forderung nach Ehrlichkeit.

Effektive Klimapolitik: zuerst denken, dann fordern

Neben der ganz basalen Überprüfung, ob ein Mittel geeignet ist, das Ziel zu erreichen, sind es vor allem drei Aspekte, die bei der Suche nach einer effektiven Klimapolitik im Vordergrund stehen müssen, um wegzukommen von der derzeitigen politischen Debatte, die gespeist wird von „am deutschen Wesen soll die Welt genesen“-Mentalitäten, die mehr der Gewissensberuhigung dient als echten Änderungen und die derzeit vor allem der Profilierung von Politikern und politischen Akteuren dient.

Priorisierung: nicht jedes Problem ist gleich wichtig

Man kann nicht gleichzeitig Versicherungsunterlagen sortieren, zum Basketball-Training gehen und die neueste Kunstausstellung besuchen. Unser ganzes Leben besteht aus Priorisierungen: wir machen zunächst das, was uns mehr Freude bereitet oder wichtiger erscheint.  In einigen Fällen ist der bestimmende Faktor sehr klar: wenn wir mit einer veritablen Bedrohung konfrontiert sind, dann hat deren Bewältigung absoluten Vorrang. Kernenergie etwa hat Risiken und Folgeschäden. Doch wenn sie dazu beitragen kann, schneller den CO2-Ausstoß zu reduzieren, sollte man darüber diskutieren können, ob sie nicht doch vorübergehend ein wichtiger Teil im Energie-Mix sein könnte. Wenn man zwischen Endlager-Problemen und Klimawandel priorisieren möchte, sollte die Antwort eigentlich klar sein …

Unbeabsichtigte Folgen: wer zahlt eigentlich?

Es wäre wohl keine schlechte Idee, bei den nächsten Maßnahmen nicht wieder ein Instrument wie die EEG-Umlage zu ersinnen, das am Ende vor allem die Altenpflegerin und den Bauarbeiter belastet. Der derzeitige Gegenentwurf – eine CO2-Steuer, die dann wieder ausgeschüttet wird an die weniger Wohlhabenden – hat auch das Zeug zu einem verkorksten Instrument, wie jedes Mittel, das gleichzeitig der Politik Verfügungsgewalt über Geldressourcen gibt. Gleichzeitig wird die Großindustrie einschließlich der Luftfahrt alles daransetzen, weiter Privilegien zu genießen. Neben den sozialen Konsequenzen gibt es aber auch noch viele andere Dinge mitzudenken, da insbesondere harte Maßnahmen wie Steuern und Verbote eine eindrückliche Vielfalt an Ausweich-Taktiken hervorbringen und mithin das Ziel konterkarieren können.

Internationale Wirksamkeit: Der Reis-Sack in Chinas ist relevant

Früher konnte der Rest der Welt einen umfallenden Reis-Sack in China getrost ignorieren. Heute sind Länder wie das Reich der Mitte, Indien, Indonesien, Brasilien und Südafrika zentrale Akteure, wenn es darum geht, den menschlichen Einfluss auf den Klimawandel zu reduzieren. Es stimmt: unter den großen Ländern der Welt, wird der Pro-Kopf-Ausstoß von CO2 in Deutschland nur von den USA, Südkorea, Russland und Japan übertroffen. Und pro Kopf stoßen die Deutschen ein Drittel mehr aus als die Chinesen. Doch in absoluten Zahlen stößt China das Dreizehnfache aus und die USA immer noch das Sechseinhalbfache. (Stand 2015) Hierzulande nimmt der Ausstoß langsam, aber kontinuierlich ab, während er in vielen Schwellenländern in Riesenschritten ansteigt: Zwischen 1980 und 2015 in China, Indien und Indonesien um das Siebenfache, in Brasilien und Südafrika um das Zweieinhalbfache. Bei einem Bevölkerungswachstum von jährlich 0,35 (China) bis 1,16 Prozent (Südafrika) kann man sich vorstellen, was uns bevorsteht.

Eine effektive Klimapolitik kann nicht anders als global zu denken. Das bedeutet aber nicht, darauf zu warten, dass die entsprechenden Regierungen irgendwann einknicken und Zwangsmaßnahmen zur Reduktion des CO2-Ausstoßes beschließen. Das bedeutet vor allem, über Methoden, Techniken und Systeme, Institutionen und Regeln nachzudenken, die für die entsprechenden Länder und deren Bürger attraktiv und nachahmenswert sein können. Exportierbare und adaptierbare Lösungsversuche für das Problem des Klimawandels müssen das wichtigste Ziel bleiben für alle, die wirklich etwas verändern wollen.

11 Kommentare
  1. Klaus Falke
    Klaus Falke sagte:

    Dazu ist noch zu bedenken, dass die – gesamte – Menschheit nur mit ca. 2% an der Produktion von CO2 beteiligt ist, laut einer Analyse der NASA. Ca. 98% des CO2 sind natürlichen Ursprungs. Eine Grafik dazu kann ich dazu gerne liefern. Aber es soll ja wohl an Deutschland die Welt genesen.

    Antworten
        • Karl Kloos
          Karl Kloos sagte:

          Jedenfalls ist die Grafik völlig irrelevant. Herr Falke möchte offensichtlich suggerieren, dass der Anteil des menschengemachten CO2-Ausstoßes wenige Effekte verursacht, dadurch dass dieser tatsächlicherweise relativ gering ist. Nach 2 min googeln lässt sich leicht herausfinden, dass der zusätzliche Ausstoß von CO2 vom Menschen das natürliche Gleichgewicht von CO2-Aufnahme (u.a. durch Pflanzen) und CO2-Abgabe (u.a. durch Lebewesen, Ozeane) extrem stört und die CO2-Konzentration dadurch in den vergangenen Jahrzehnten extrem gestiegen ist.

          https://www.klimafakten.de/behauptungen/behauptung-die-co2-emissionen-des-menschen-sind-winzig

          Mit freundlichen Grüßen
          Karl Kloos

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          • Thomas Leske
            Thomas Leske sagte:

            Ich folge dem Volkswirt George Reisman darin, dass wir mit dem menschengemachten Anteil der Erwärmung so verfahren sollten, als wäre er natürlich.

            Reisman schreibt auf Twitter (meine Übersetzung):
            „Klimawandel ist dadurch ein Naturvorgang, dass keine Einzelperson und kein freiwilliger Zusammenschluss von Menschen für ihn verantwortlich ist. Ein Vorgang, für den niemand verantwortlich ist, ist natürlich. Klimawandel ist auch dadurch ein Naturvorgang, dass der Mensch Teil der Natur ist und es in seiner Natur liegt, dass er seinen Verstand gebraucht, um Wissenschaft, Technik und Industrie zu entwickeln, um zu leben und zu gedeihen.“

            Ausführlicher per Audio: https://youtu.be/LQukl9NI48A

  2. Alexander Schärling
    Alexander Schärling sagte:

    Leider lässt sich in den vergangenen Jahren immer wieder feststellen, dass diese sicherlich gut gemeinten
    Ratschläge „eines kühlen Kopfes“ immer dann erfolgen, wenn das „Haus bereits brennt“ : Beim Ruf nach einem Feuerlöscher erfolgt dann der Hinweis auf das Bewahren eines „kühlen Kopfes“
    Vielleicht überlegt jede in den vergangenen 25 Jahren an einer Regierung beteiligte Partei im Hinblick auf erodierende Sozialsysteme und Vernichtung der Lebensgrundlagen der Menschheit was diese getan hat, damit das „Haus nicht beginnt zu brennen“.
    Steuergeld verschwendende, gut versorgte, lebensferne und fachlich inkompetente Beamte bilden letztlich die Basis für das „Brennen des Hauses.“
    Wenn einer Millionen Flüchtlinge Wohnungen bereitgestellt werden, dann fehlen diese nicht wg. mangelnder Bauaktivitäten sondern schlicht, weil mit einer „Sonderaktion“ ein bis dato weitgehend funktionierender Markt „auf den Kopf“ gestellt wurde. Seit 30 Jahren ist bekannt, dass unser Rentensystem in dieser Form keine Chance auf eine Zukunft hat. Aus diesem Umstand der „Überalterung“ mit wenigen Beitragszahlern musste „logisch“ folgen, dass das Themen Krankenversicherung und Pflege uns „einholen“ wird. Weshalb schwenkt man nicht für bis 25-Jährige kpl..und für Ältere gestaffelt auf ein kapitalgedecktes Rentensystem um und investiert die Bundeszuschüsse (akt. in das „kranke System“) in umweltschonende dezentrale Energieversorgungssysteme (Blockheizkraftwerke, etc.) Streichen von versicherungsfremden Leistungen (was hat Reha mit Altersrente zu tun ?) Dies ist ein Bereich der Krankenversicherung. Weshalb nicht eine gesetzliche Kasse ?
    Warum geht man mit dieser Botschaft nicht einmal konkret nach draußen und versucht Bürger hierfür zu gewinnen und zu begeistern – ich höre nichts…
    Wer meint, keine Wählerstimmen zu erlangen wird auch mit den Stimmen in späterer Regierungsverantwortung im Sumpf der Kompromisse austrocknen…30 Jahre haben dies und auch anderes gelehrt :
    „Konsumterrorismus, Genderwahn , eine übergewichtige und faule Gesellschaft, welcher der SUV wichtiger ist als die Pflege Ihrer Angehörigen lässt nur eine Frage zu : Wo war der kühle Kopf, als der „Zug in diese Richtung“ fuhr ???

    Antworten
  3. Thomas Leske
    Thomas Leske sagte:

    Das Copenhagen-Consensus-Center empfiehlt ebenfalls, in Forschung und Entwicklung für CO2-Reduktion zu investieren. Aber noch besser bewertet es den Ansatz, die Sonne mithilfe der Wolken herunterzudimmen (Neudeutsch: Solar-Radiation-Management).

    Erstens hätte man damit einen Rettungsschirm („parachute“), wenn wegen der Kipppunkte alles schlimmer kommt, als der Weltklimarat meint (Selbst im 1,5°C-Bericht schätzt dieser die Schäden bis 2100 nur auf einige Prozent des Bruttosozialprodukts, wenn wir nichts unternehmen! Also statt doppelt so reich, nur um vielleicht 90% reicher.).

    Und zweitens könnte Deutschland notfalls im Alleingang die Welt retten! („The low costs of SRM [Solar Radiation Management] mean that a few nations working together, or even a single advanced state, could act to halt warming, and it could do so quickly (Barrett, 2009).“)

    https://www.copenhagenconsensus.com/sites/default/files/cop15_policy_advice.pdf

    Antworten
  4. Peter Triller
    Peter Triller sagte:

    Es ist so unendlich viel zu diesem Thema schon geschrieben worden, ob der aktuell festgestellte Klimawandel menschengemacht ist oder nur zu einem geringen Teil auf menschliche Aktivitäten zurückzuführen ist, ob CO2 alles das erklärt oder nicht und ob eine Erwärmung nur schlechte Folgen hat oder eher mehr positive. Alles das ist vollkommen unerheblich. Es ist ein politischer Größenwahn, zu meinen, dass Politik mit irgendwelchen Maßnahmen die Welttemperatur gleich einem Thermostaten auf eine bestimmte Gradzahl einstellen könnte. (Eine Explosion eines Großvulkans bringt die gesamte Rechnung schon durcheinander.) Menschen können sich nur dem Klimawandel anpassen, ob dieser menschengemacht ist oder nicht ist wie gesagt vollkommen unwichtig. Liberale sollten politischen Größenwahn nicht effektiv gestalten sondern dem Irrsinn entgegentreten.

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