Photo: Max Bender from Unsplash (CC 0)

Von Gordon Kerr und Cavin O’Driscoll.

Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich hat sich in einem Bericht äußerst kritisch über die Blockchain-Technologie und ihre verschiedenen Anwendungen geäußert. Dabei zweifelt das Basler Institut die generelle Nützlichkeit an und kritisiert schließlich den enormen Energieverbrauch der Krypto-Währungen. Die Kritik mag auf den Kryptovorreiter Bitcoin zutreffen, doch hat sich die Technologie längst weiterentwickelt und die von der BIS angeführten Schwächen überwunden.

Um die Veränderung des Potentials der Blockchain-Technologie im Kontext des Krypto-Währungs-Hypes zu verstehen, plädiert der an der Wharton School tätige Professor David Werbach dafür, zwischen drei häufig vermengten Begriffen zu unterscheiden:

> Krypto-Währungen wie Bitcoin: Netzwerke, die Werttransfers sichern sollen;

> Blockchains: Netzwerke, die gemeinsam die Gültigkeit von Informationen prüfen können;

> Tokens: Krypto-Vermögenswerte, die sich handeln lassen.

Blockchains und vielleicht sogar Kryptoassets könnten bedeutende Innovationen sein, welche auf dem besten Weg sind, in der breiten Masse Anwendung zu finden. Doch der Siegeszug der neuen Technologien ist noch nicht gewiss – so Werbach. Kurz nach unserem Beitrag zum Thema Bitcoins im Dezember wurden Bitcoins bis zu einem Preis von 19.843 Dollar gehandelt. In den vergangenen drei Monaten hat sich der Preis im Bereich von 6.000 bis 7.000 Dollar bewegt.

Jüngste Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass sich langfristige Bitcoin-Inhaber im Dezember zusammentaten, um den Preis zu treiben. Die hohe Preisvolatilität ist ein Grund, warum Bitcoin bisher keine flächendeckende Akzeptanz gefunden hat. Auch die täglichen Berichte über Betrug und Skandale bei der Einführung neuer Krypto-Währungen tragen dazu bei, dass zusammen mit anderen strukturellen und technischen Unzulänglichkeiten Krypto-Währungen weit davon entfernt sind, die Vormachtstellung herkömmlicher Währungen in Gefahr zu bringen.

Krypto-Währungen: Nutzlos und energieverschwenderisch?

Umso überraschender ist, dass trotz des Nischendaseins von Krypto-Währungen die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIS) sich im Juni ausführlich mit den Nachteilen und Gefahren der Krypto-Währungen beschäftigt hat. Schon die Einleitung des 24-seitigen Berichts ist scharf formuliert:

„… über den Hype hinaus ist es schwierig, ein spezifisches wirtschaftliches Problem zu identifizieren, das sie derzeit lösen. Transaktionen sind langsam und kostspielig, anfällig für Engpässe und können nicht mit der Nachfrage mithalten. Die dezentralisierte Validierung von Datensätzen ist ebenfalls fragil und verbraucht enorme Mengen an Energie.“

Diese Kritik ist fragwürdig. Der erste Punkt ist leicht zu entkräften. Das „spezifische wirtschaftliche Problem“ dass Krypto-Währungen identifizieren ist die Fähigkeit, Mittel schnell und ohne Kosten von Banken zu transferieren, sowohl was Transaktionsgebühren als auch regulatorische Anforderungen betrifft. Bitcoin-Inhaber können Mittel weltweit innerhalb weniger Minuten ohne Compliance-Schritte übertragen, indem sie lediglich die Anweisungen und einen 26-stelligen privaten Schlüssel eingeben.

Abgesehen von der Nutzung zur Steuerhinterziehung und anderen offenkundig illegalen Aktivitäten, gibt es einen weiteren legitimen Nutzen von Krypto-Währungen. Die Ausweitung der Kontrolle von Zahlungsströmen durch Staaten wird zunehmend kritisch gesehen. Das Transaktionsgeheimnis an sich ist wertvoll.

Das zweite Argument der BIS ist, dass Blockchains langsam seien. Visa und Mastercard können derzeit 3.500 bzw. 2.000 Transaktionen pro Sekunde (TPS) verarbeiten. Im Vergleich dazu können die beiden größten Krypto-Währungen, Bitcoin und Ether, nur 3,3 respektive 3,2 TPS verarbeiten. Diese Geschwindigkeiten haben sich zudem auch aufgrund größerer Transaktionsvolumina deutlich verlangsamt. Allerdings verallgemeinert die BIS die Kritik zu voreilig. Ant Financial, das am höchsten bewertete Privatunternehmen der Welt, das die größte Online- und Mobile-Payment-Plattform betreibt, führt derzeit eine private Blockchain ein, die 25.000 TPS verarbeiten kann.

Kommen wir zum dritten Punkt der BIS: dem Stromverbrauch. Natürlich ist bekannt, dass Bitcoin Mining sehr energieintensiv ist. Schätzungen zufolge liegt der Gesamtenergieverbrauch von Bitcoin pro Jahr bei über 70 Terawattstunden. Der hohe Energieverbrauch ist allerdings nicht für alle Krypto-Währungen typisch. Ohne in technische Details zu gehen, belohnen Bitcoin und andere frühe Krypto-Währungen die Validierung von Transaktionen durch einen Prozess, der als „proof of work (POW)“ Puzzle-Lösung bekannt ist. Die mathematischen Puzzles sind so aufgebaut, dass eine beträchtliche Rechenleistung benötigt wird, um die Puzzles zu lösen – daher der Begriff POW.

Beliebte, wenn auch noch wenig verbreitete Krypto-Währungen wie DASH (Marktkapitalisierung 2 Milliarden US Dollar) und NEO (2,4 Milliarden US Dollar) setzen dagegen auf eine andere Methode, die als „proof of stake (POS)“ bezeichnet wird. Beim POS werden keine neuen Coins der Währung geschürft, die als Belohnung für die Validierung verbleiben. Vielmehr wird die Validierung von Transaktionen mit einer Transaktionsgebühr belohnt. Die Validatoren von Transaktionen werden zufällig ausgewählt, jedoch werden Inhaber größerer Rechenleistungen häufiger ausgewählt. Die Annahme ist, dass große Stakeholder einen Anreiz haben, die Integrität der Transaktionskette aufrechtzuerhalten. Wenn ein Validator betrügt, riskiert er, seinen Anspruch auf eine Entschädigung zu verlieren.

Die POS-Technologie entwickelt sich ständig weiter. Im Wettbewerb haben sich verschiedene Formen des Arbeitsnachweises entwickelt. Wir befinden uns noch in der frühen Phase der Krypto-Währungen. Bitcoin hat mit einer Marktkapitalisierung auf Basis der 17,1 Millionen ausgegebenen Münzen von 114 Milliarden US Dollar und einem täglichen Handelsvolumen von derzeit 3 – 5 Milliarden US Dollar pro Tag einen starken First Mover-Vorteil. Dennoch ist es merkwürdig, dass die BIS so viel Wert auf den Energieverbrauch legt, der eigentlich ein Problem darstellt, welches hauptsächlich Bitcoin betrifft.

Wie ist die Kritik motiviert?

Könnte es sein, dass die BIS erkannt hat, dass die coolen Kids von heute für die Umwelt brennen und sie sich deshalb entschieden hat, das schwache Umweltargument in den Vordergrund zu stellen?

Blockchain und die Ausgabe neuer Coins oder Tokens sind eindeutig sehr cool. Fast täglich finden in mehreren europäischen Großstädten gut besuchte Blockchain-Veranstaltungen statt. Anständig bezahlte Jobs für Absolventen sind in manchen Teilen Europas auf einem Allzeittief und die Anziehungskraft von Blockchain-Startups ist verständlich. Im Jahr 2017 wurden rund 6 Milliarden US Dollar an privatem Risikokapital in Blockchain-basierte Startups investiert, und Prognosen für 2018 belaufen sich auf 24 Milliarden US Dollar.

Konkurrenz für herkömmliches Geld?

Natürlich weist die BIS zu Recht darauf hin, dass Krypto-Währungen nur wenige Merkmale aufweisen, die mit den allgemein anerkannten Eigenschaften von Geld verbunden werden. Herkömmliche Geldsysteme zeichnen sich dadurch aus, dass sie von Zentralbanken verwaltet werden, die befugt sind, die Geldmenge zu kontrollieren. Außerdem sind Zentralbanken verpflichtet, tägliche Bilanzen zu erstellen, welche die Vermögenswerte ausweisen, auf denen die Währungsverbindlichkeiten der Zentralbanken basieren.

Windige und seriöse Geschäfte

Von den 750 Coins, die auf der angesehenen Webseite Coinmarketcap.com gelistet sind, haben die unteren 100 nur eine Marktkapitalisierung von wenigen tausend Dollar. Es ist kaum verwunderlich, dass hier auch windige Angebote zu finden sind. Eine andere Website, Deadcoin.com, listet 853 Beispiele für gescheiterte Coins und Betrugsfälle auf. Die relative Leichtigkeit, mit der sich neue Unternehmen durch den Verkauf von Krypto-Währungen finanzieren können, ist beunruhigend. Denn im Gegensatz zur Finanzierung über herkömmliches Eigenkapital oder Fremdkapital liegen den ausgegebenen Krypto-Währungen keine Ansprüche auf die Vermögenswerte und Cashflows der Unternehmen zu Grunde.

Es ist fast schon „uncool“ für ein neues, auf einer Blockchain basierendes Startup, sich nicht durch einen Verkauf von Coins zu finanzieren. Diese Art der Finanzierung wird als Initial Coin Offering (ICO) bezeichnet. Die Wertpapieraufsichtsbehörden haben die ICOs nur zögerlich mit ihren bestehenden Vorschriften in Einklang gebracht. Erst im Dezember griff die US-Börsenaufsicht SEC ein und stoppte ein ICO für ein Lebensmittelunternehmen namens Munchee, obwohl die ausgegebenen Coins keine Ansprüche auf die zugrundeliegenden Cashflows des Unternehmens vergaben. Für die Börsenaufsicht war es ausreichend, dass Munchees Angebotsdokumente darauf hindeuteten, dass das Management versuchen würde, den Wert der Token zu erhöhen. Die SEC hat erst kürzlich erklärt, dass Bitcoin und Ether keine Wertpapiere sind, allerdings schweigt die Börsenaufsicht zu anderen großen Coins. Jede zukünftige nachteilige Entscheidung der SEC würde die Werte solcher Coins belasten.

Der Selbsterhaltungstrieb von Institutionen

Im Krypto-Sektor sind daher weitere Verwerfungen möglich. Doch die relative Attraktivität ist entscheidend. Seit mehr als zehn Jahren lesen wir fast täglich über Skandale und über Manipulationen wichtiger Referenzzinsen durch die Banken und deren ständige Rettung durch Liquiditätsoperationen der Zentralbanken. Es mag sein, dass die BIS erkannt hat, dass Krypto-Währungen, obwohl sie noch winzig sind, eine Bedrohung für die Glaubwürdigkeit der Zentralbanken darstellen.

Wenn dem so ist, wäre die BIS nicht die erste Regulierungsbehörde, die durch Selbsterhaltung motiviert ist. Das schwedische Grundbuchamt hat angekündigt, Georgien nachzuahmen und sein Eigentumsregister auf ein Blockchain-System aufzubauen. Die Motivation der georgischen Behörde war die Bekämpfung von Korruption. Das schwedische Grundbuchamt dagegen befürchtet, dass Google eine App entwickeln wird und schwedische Bürger sich auf diese statt auf das offizielle Register verlassen würden.

BIS: Thema verfehlt

Das Hauptargument der BIZ hätte sich auf den fragwürdigen intrinsischen Wert, die Preisvolatilität und die Sorge um die Endgültigkeit der Validierung von Transfers konzentrieren sollen. Sollte eine „Reserve-Kryptowährung“ entstehen, die Bitcoin übertrumpft und wirklich mit klassischen Geld konkurriert, müssen Transaktionen sowohl endgültig als auch anfechtbar sein, wenn sie falsch ausgeführt wurden. Indem die BIZ schwache Argumente wie den Energieverbrauch vorschiebt, scheint die BIZ wie die Wertpapierregulierungsbehörden immer noch den Anschluss an das Thema zu suchen.

Zuerst erschienen bei IREF. 

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