Photo: GLOBAL 2000/Christopher Glanzl from Flickr (CC BY-ND 2.0)

Die intellektuelle Elite der westlichen Welt ist in Schockstarre: Von Österreich bis zu den Philippinen, von den USA bis nach Sachsen-Anhalt haben Populisten plötzlich massiven Aufwind. Dieselben Eliten sind freilich nicht unschuldig daran: Wenn es ihnen passte, haben sie auch gerne das Instrument der Panikmache genutzt.

Die Skandalkultur der 70er und 80er Jahre

Populismus fällt nicht vom Himmel. Er wächst aus der Erde hervor. Und der Nährboden für dessen Gedeihen wird nicht selten von Menschen bereitet, die das gar nicht beabsichtigen. Populismus gedeiht durch undifferenzierte und mithin sehr eindimensionale Kommunikation, er nährt sich von irrationaler Angst und braucht Skandale, um groß zu werden. Eine erste Blütezeit der Skandalkultur waren die 70er und 80er Jahre. In Gang gebracht haben das ebenjene Vordenker aus dem intellektuellen Milieu, die heute entsetzt aufschreien. Die gesellschaftliche Macht der Zeit-Journalisten, Politologie-Professoren und Greenpeace-Aktivisten ist nicht zuletzt durch Skandalisierung und Panikmache entstanden. Und nun ist es wie bei Goethes Zauberlehrling: „Herr, die Not ist groß! Die ich rief, die Geister, werd ich nun nicht los.“

Am Anfang der Skandalisierungskultur stand ein ehrenwertes Anliegen. In der unmittelbaren Nachkriegszeit wurde Vergangenheitsbewältigung nur sehr zaghaft betrieben. Wer die Auseinandersetzung mit der grauenhaften NS-Vergangenheit vorantreiben wollte, wie etwa der Staatsanwalt Fritz Bauer, musste laut werden. Oder zu etwas fraglichen Mitteln greifen wie Beate Klarsfeld mit ihrer Ohrfeige für Bundeskanzler Kiesinger. Politische Aktivisten der 70er Jahre übernahmen diese Techniken und rechtfertigten sie durch den Gebrauch des pauschalen Nazi-Etiketts. Überall sahen sie Nazis: in den Vorstandsetagen und im Bundestag, in den Kirchen und Kindergärten, in der Bundeswehr und bei den Energieversorgern. Man musste nur Faschismus drauf schreiben und schon wandelte sich jedes Hetzen, Niederbrüllen und Steinewerfen in eine Heldentat.

Zuwanderung statt Gentechnik

Ob Anti-Atomkraft- oder Friedens-Bewegung, ob Wale retten oder Gen-Gemüse verhindern: Immer gibt es einen guten Grund dafür, warum man laut sein darf, warum man Angst und Panik verbreitet, warum man es „denen da oben“ mal ordentlich zeigt. Man fühlt sich auf der richtigen Seite. Man steht in einer Tradition mit Sophie Scholl und Gandhi, Rosa Parks und Benno Ohnesorg. Auch in jüngster Zeit wird das Mittel „Skandal“ immer wieder angewandt: So etwa als Greenpeace die völlig unspektakulären „Geheim-Papiere“ zu TTIP „enthüllte“ oder mit dem jüngsten Hype um Glyphosat.

Muss man sich wundern, wenn all diese Methoden nun nicht mehr nur für die „richtigen“ Ziele wie Weltfrieden, Umweltrettung und eine gen- und atomfreie Erde eingesetzt werden? Jahrzehntelang haben linke Aktivisten vorgemacht, wie man Mücken zu Skandal-Elefanten macht und wie man Ängste nutzt, um politische Ziele durchzusetzen. Nun machen es eben rechte Aktivisten nach. Ersetze „Atom-Super-GAU“ durch „Niedergang der Kultur“, „Gentechnik“ durch „Zuwanderung“ und „Chlorhühnchen“ durch „Sexualkunde“ … Sogar die Selbststilisierung zum Helden kann man wiederfinden: Absurderweise vergleichen sich nicht selten rechte Aktivisten mit Figuren des Widerstands gegen den Nationalsozialismus.

Vereinfachen und Polemisieren wie Campact, Greenpeace und Occupy

Trump, Hofer, Le Pen, Kaczynski und Orban sind nicht nur Produkte einer absteigenden Mittelklasse, die sich als Verlierer der Globalisierung empfinden. Sie sind auch gelehrige Schüler der 68er und ihrer Epigonen. Sie vereinfachen wie Campact, sie polemisieren wie Greenpeace und sie inszenieren sich als Stimme des Volkes wie die Occupy-Bewegung. Im Unterschied zu Goethes Zauberlehrling gibt es jedoch in dieser Situation keinen Hexenmeister, der den Scherbenhaufen wieder aufräumen könnte, den die Nachwuchs-Zauberer hinterlassen. Und es wird auch nicht so schnell gehen wie in der Goethe-Ballade: Es wird gemeinsamer und langfristiger Bemühungen bedürfen, um der populistischen Versuchung Herr zu werden.

Gefragt sind bei diesen Bemühungen alle diejenigen, die sich in stärkerem Maße politisch engagieren: Politiker selbst, aber vielleicht noch viel mehr Journalisten, Mitarbeiter von NGOs und Aktivisten. Die Hauptaufgabe besteht darin, das Diskussionsklima wieder herunter zu kühlen. Wer sich Sorgen macht wegen des rechten Populismus, der muss auch auf der linken Seite abrüsten. Hört auf damit, TTIP zu dämonisieren, ungleiche Einkommensverteilung zu skandalisieren, Sorge vor zu vielen Zuwanderern als faschistoid zu bezeichnen und allenthalben Machenschaften und Geheimniskrämerei der Großkonzerne oder des Establishments zu wittern! Schon vor fast sechzig Jahren schrieb der am Mittwoch verstorbene Historiker Fritz Stern über „Kulturpessimismus als politische Gefahr“. Wenn wir nicht gegensteuern, könnte wirklich das „Zeitalter der Angst“ anbrechen, vor dem er noch im Januar warnte.

13 Kommentare
  1. gogo49
    gogo49 sagte:

    Viele Bürger haben es einfach satt, sich von linksgrünen Aposteln apokalyptische Behauptungen als Tatsachen verkaufen und sich – oft auch noch von oben herab – bevormunden zu lassen. Deshalb wählen so viele AfD. Das sind keineswegs nur Braune.

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    • Guenter Radtke
      Guenter Radtke sagte:

      Aber die Schwarz-Roten sind auch nicht besser.
      Vorgestern war ich als Gast auf einer AfD-Mitgliederversammlung: Es sind -wie Sie schreiben- nicht nur Braune. Ein grosser Teil der Mitglieder und Sympathisanten sind m.E. Protestwaehler.

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      • gogo49
        gogo49 sagte:

        Klar, schwarz ist inzwischen auch ziemlich rot.
        Gelb muss aufpassen. AfD redet Klartext, FDP sagt zu vielem nichts oder wischiwischi. Der AfD Klartext beschränkt sich – wenn man hinter das Mediengetöse schaut – keineswegs nur auf Zuwanderung und ähnliches.

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        • berta
          berta sagte:

          Wer die Rechte der Menschen achtet der wird rot,und das ist gut so..Denn nach viel Umverteilung von unten nach oben empfiehlt es sich um Gleichgewicht herzustellen auch mal die Umverteilung von oben nach unten. Genau hier liegt das Problem. Verbrecher, wie ausgefuchst sie auch sind, wollen nicht Menschenrechte achten.
          Was die AfD angeht, habe ich die Befürchtung dass sie das trojan. Pferd der Reichen ist.

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  2. berta
    berta sagte:

    Halten Sie Herr Clemens Schneider die Menschen für blöd? Gilt auch für gogo49.
    Der Kampf der Reichen gegen Arme ist nicht neu und artet immer wieder aus. Wenn man Arme nicht mehr unterdrücken kann dann wird ein Krieg generiert oder eben die Macht gegen Enteignungen der Reichen gefestigt(Faschismus) mit der Enteignungen der Armen haben dieselben Betrüger selbstverständlich keine Probleme und greifen gerne in alle sozialen Systeme die deshalb für diese auf Dauer unbezahlbar werden und in die Eigentumsrechte der ärmeren Teil der Gesellschaft(Verarmung) – obwohl alle die Volkswirtschaft und Betriebswirtschaft studiert haben wissen wie Volkswirtschaft funktioniert in einem kapitalist. System. Das Kapital „nötigt“ die Regierungen Gesetze in ihrem Sinne zu erlassen, das zur Umverteilung von unten nach oben führt.
    Vereinbarungen wie TTIP/TISA und CETA, unkündbar weil sie völkerrechtliche Verträge sind, nötigen die Gesellschaften den Reichen noch mehr in den Hintern zu schieben bis zur Selbstaufgabe/Selbsttötung/Mord der Armen in einer Welt in dem die Resourcen begrenzt sind und in dem die Resourcenverschwendung zur Zerstörung der Lebensgrundlagen führt – DAS IST FASCHISTOID!
    Frei ist in Ihrem Sinne nur der Reiche – der Arme .. niemals, denn der muss sich aus Gründen des Überlebens immer im kapital. System unterordnen bzw. versklaven.
    Dass Sie die AfD auf der Seite der Armen verorten lässt tief blicken und auch dass sie Fritz Bauer und Klarsfeld für Ihre Interessen instrumentalisieren.
    Einen schönen Tag noch.

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      • berta
        berta sagte:

        Nein,
        Einsicht nach langjähriger Erfahrung!!!
        Vor einigen Jahren habe ich auch noch geglaubt dass sich Leistung lohnt, aber nein – das tut sie leider nicht bzw nur für die, die genug finanziellen Hintergrund haben und auch sonst gehört zur Leistungserfolg sehr viel Glück.

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          • berta
            berta sagte:

            Nein. Ich finde dass ich hier richtig bin. Ich suche die Auseinandersetzung nicht den Gleichschritt. Selten genug, denn ich muss tatsächlich Leistung erbringen damit sich meine Leistung andere auf ihre Fahnen schreiben können.

        • gogo49
          gogo49 sagte:

          Komisch, ich kenne eine ganze Menge erfolgreiche Aufsteiger aus einfachen und einfachsten Verhältnissen. Vielleicht beschreiben Sie mal für uns was Ihre erfolglose Leistung ist oder war.

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          • berta
            berta sagte:

            Ich werde meine Leistung nicht für Sie beschreiben und es geht auch nicht um mich sondern um gesellschaftliche Probleme und im Übrigen könnte ich auch lügen. Wenn es Ihnen nicht erkennbar ist aus dem was ich geschrieben habe, dann wirft das Fragen auf über Sie.
            Ist Petry(AfD) nicht konkurs gegangen? Eine Verliererin? Die Partei die soviel über Leistung und Leistungserfolg definiert; hat „so“ eine Vorsitzende, wie geht das nur, hat sie denn etwa nicht genug geleistet?
            Es können eben nicht alle aufsteigen, denn die Gesellschaft braucht leider nicht so viele kluge Köpfe die eben auch bezahlt werden müssen aber von einer verarmten Bevölkerung eben nicht bezahlt werden können und dass diejenigen aufgestiegen sind die noch die Möglichkeit dazu hatten weil die Märkte z.B. nicht gesättigt waren und die Konkurrenz klein war ist kein Wunder.

            Wettbewerb ist Krieg und wer gewisse Vorteile hat, hat es eben leichter im Wettbewerb zu bestehen, angefangen bei den kognitiven, netzwerklichen bis zu den finanziellen Möglichkeiten und nicht zu vergessen die Rücksichts-/Skrupellosigkeiten.
            Jemand hat teffend gesagt es muss Arme geben – ja in einem kapitalist. System und ohne sozialen Ausgleich ist es systemimmanent.

  3. Peter Triller
    Peter Triller sagte:

    Eine sehr gute Analyse! Chapeau!

    Rechter und linker Populismus bedingen einander, nur ist der linke zur Zeit am längeren Hebel. Vor 40 Jahren war es noch andersherum, den linken Populisten wurde die Empfehlung gegeben, „rüber zu gehen“ oder sie gleich ins „Arbeitslager “ zu senden.

    Heute wird der neue Nazi Untermensch durchs Dorf gejagt. Und das ist jeder, der einfach nur die eignen Interessen formuliert und nicht in Euphorie gerät, wenn neben seinem Haus ein Migrantenlager aufgeschlagen wird.

    Die AfD ist so gesehen, die notwendige Gegenkraft gegen die linkspopulistische Hegemonie. Die FDP hat ja durch ihren Opportunismus die Chance verpasst, auf ALLE anstehenden Schicksalsfragen adäquate sachlich-rationale Antworten im Sinne unserer Freiheitsidee zu geben. Stattdessen prügelt die Bundesführung im Einklang mit den herrschenden Linkspopulisten auf die rechten Populisten ein.

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    • berta
      berta sagte:

      Populismus wird von den Reichen vor allem von denen die wissentlich Verbrechen(weil insbesondere diese Angst haben sie müssten mal erklären woher ihr Vermögen stammt im Falle von Vermögenssteuer/Erbschaftssteuer) begehen(Angstschüren und Neidebbatten) angeheizt und auch heute wird denen die sich tatsächlich gegen Unterdrückung(also für Freiheit) engagieren nahegelegt sie sollen nach Korea,… dabei waren sie es und die Menschen für die sie eintreten die tatsächlich Leistung erbracht haben, trotz vieler Hindernisse die ihnen in den Weg gelegt wurden, und dieses Land vorwärts gebracht haben. Die Putzfrau Susanne Neumann beispielsweise, oder die Pflegerinnen, die den sogenannten „Leistungsträgern“ überhaupt erst ermöglicht haben(also den Rücken freihielten) ihre Leistung erbringen zu können.
      Davon abgesehen wird genug geleistet, das meiste leisten inzwischen Maschinen und machen Menschen im Leistungsprozess überflüssig(z.B. Kassiererrinnen) nur dass sie nicht besteuert werden und dieser Leistungsgewinn findet sich auch erheblich bei denen die gar keine Leistung erbringen sondern nur investieren(siehe Armutsbericht) und weniger bei den Rentnern wie oftmals behauptet wird.

      Die Linken sitzen leider nicht am längeren Hebel, wäre es so dann hätte die AfD nicht diesen Zuspruch.

      Ich bin der Meinung die AfD wurde genau zu dem Zweck gegründet linke Politik die Gerechtigkeit wieder in den Vordergrund stellt zu verhindern. Das ist gelungen in z.B. in BW in RP.

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