Photo: Marco Verch from Flickr (CC BY 2.0).

Man muss kein Vegetarier sein, um zu wissen, dass Soja-Mich oder Tofu-Butter nicht von einer Kuh oder Ziege stammen. Dennoch hat der Europäische Gerichtshof jetzt in einem Urteil diese Produktbezeichnungen verboten. Die Bezeichnung „Milch“ sei grundsätzlich allein Milch tierischen Ursprungs vorbehalten. „Butter“ dürfe nur ein Erzeugnis aus Milch genannt werden. Andere Produkte, wie zum Beispiel Leberkäse, die auch keine Milch enthalten, seien von der EU-Kommission ausdrücklich als Ausnahmen zugelassen und in einer Verordnung geregelt. Gott sei Dank, der Leberkäse ist gerettet!

Die Frage ist: Muss das sein? Muss die EU dies regeln? Ist damit dem Konsumenten gedient oder ist dies lediglich eine erneute bürokratische Stilblüte aus Brüssel? Dient das ganze tatsächlich der „gemeinsamen Marktintegration landwirtschaftlicher Produkte“ in einem gemeinsamen europäischen Markt? Wohl kaum.

Ein aufgeklärter Verbraucher macht sich schlau und informiert sich. Eine kritische Öffentlichkeit informiert über Fehlentwicklungen. Hersteller haben, wenn sie langfristig Erfolg haben wollen, selbst ein Interesse ihre Kunden zu informieren. Warum sollte ein Soja-Milch-Hersteller seine Kunden nicht darüber informieren wollen, dass Soja-Milch keine Milch von Kühen oder anderen Tieren enthält? Sie haben doch selbst ein Interesse daran, denn die Vegetarier sind ja ihre Zielgruppe.

Landwirtschaftsminister Christian Schmidt bläst inzwischen ins gleiche Horn wie die EU. Er will die vegetarische Currywurst verbieten. „Ich möchte nicht, dass wir bei diesen Pseudo-Fleischgerichten so tun, als ob es Fleisch wäre,“ so der Minister von der CSU. Natürlich kann man sich die Frage stellen, warum ein Vegetarier, der kein Fleisch oder Milch zu sich nehmen will, die typischen Bezeichnungen wie Wurst, Schnitzel oder Milch, Käse und Butter übernehmen soll. Aber es ist doch keine Frage, die der Landwirtschaftsminister oder die EU regeln müssen. Hier wird ein Popanz aufgebaut, wo man sich schon fragen muss, ob der gemeinsame europäische Markt nicht andere Probleme hat. Ist es nicht gerade dieser Vorschriftenwust, der dazu führt, dass kleine und mittelständische Unternehmen nicht mehr durchblicken? Sie werden sogar dadurch gehindert, am europäischen Markt teilzunehmen, weil sie immer Gefahr laufen, irgendeine Vorschrift übersehen zu haben. Sie können sich keine Stäbe im Unternehmen leisten, die erst mal die jeweiligen Vorschriften im anderen Land prüfen, damit sie dort Kunden beliefern dürfen.

Deutschland ist leider in Europa ein Paradebeispiel für diesen falschen Verbraucherschutz. Was haben vermeintliche Verbraucherschützer und Politiker beispielsweise für das Reinheitsgebot beim Bier gestritten? Vor 30 Jahren hat der EuGH das damalige Verbot, Bier, das nicht nach dem deutschen Reinheitsgebot gebraut wurde, hierzulande nicht verkauft werden durfte, aufgehoben. Der Untergang des Abendlandes wurde heraufbeschworen. Heute werben deutsche Brauereien mit dem Reinheitsgebot als Qualitätsmerkmal neben den vielen Anbietern, die nicht nach den strengen deutschen Regeln ihre Produkte in Deutschland verkaufen. Sind Konsumenten dadurch Nachteile entstanden? Nein, ganz im Gegenteil. Seitdem hat die Produktvielfalt beim Bier enorm zugenommen.

Das Ganze wird uns immer als Verbraucherschutz verkauft. Es ist aber das Gegenteil dessen. Es dient dazu, Märkte abzuschotten, etablierte Hersteller zu privilegieren und damit zu bevorteilen. Es soll die Regierung in ein vorteilhaftes Licht rücken. Mit dem Schutz der Konsumenten hat das aber alles nichts zu tun. Verbraucherschutz entmündigt den Verbraucher nicht, sondern vertraut ihm. Nur aufgeklärte Verbraucher finden sich in unserer komplizierten Welt zurecht. Ein Staat, der diese Verbraucher immer an die Hand nehmen will, der jeder vermeintlichen Gefahr vorab per Gesetz vorbeugen will, behandelt die Bürger wie Schafe. Sie sind eingezäunt und beaufsichtigt, bekommen regelmäßig zu essen und zu trinken und dürfen ab und zu herumblöken. Wer das nicht will, muss klar sagen: Freiheit für die Veggie-Wurst!

Erstmals erschienen in der Fuldaer Zeitung am 17. Juni 2017.

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