Photo: CIAT from Flickr (CC BY-SA 2.0)

Die wahrscheinliche Wahl von Joe Biden zum 46. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika rückt die Welthandelskonflikte wieder in den Fokus. Klar ist: Joe Biden ist kein Freihändler. Aber er wird mehr Berechenbarkeit in die Handelspolitik der USA bringen als sein Vorgänger. Das ist schon viel wert. Doch die grundsätzliche Auseinandersetzung über die Legitimation des Freihandels wird dieser Wechsel nicht entscheiden. Hier geht es um eine viel grundsätzlichere Frage: Freihandel ist mehr als nur ein ökonomischer Vorgang. Freihandel ist ein Menschenrecht.

Man kann den Freihandel mit der Steigerung der allgemeinen Wohlfahrt begründen. David Ricardo hat dies mit seiner Theorie der komparativen Kostenvorteile vor rund 200 Jahren getan. Der Handel zwischen zwei Staaten ist für beide von Vorteil, wenn ein Land sich auf die Produktion konzentriert, bei der es nur einen relativen Kostenvorteil gegenüber dem anderen Land hat. Ricardos bahnbrechende Theorie hat die theoretische Begründung für den wachsenden Welthandel geliefert. Der Aufstieg Chinas, der Tigerstaaten und Indiens sind beredte Zeugnisse dieser Entwicklung in der heutigen Zeit. Deren Erfolg hat den Bürgern und Unternehmen hierzulande nicht geschadet. Ganz im Gegenteil: auch der gestiegene Wohlstand in Deutschland fußt auf dem wachsenden Welthandel.

Doch eigentlich ist die ökonomische Begründung für den Freihandel lediglich ein Hilfsargument. Sie  alleine reicht nicht aus, um den Freihandel zu legitimieren. Der Freihandel hat in erster Linie eine ethische Dimension. Freihandel wäre auch dann richtig, wenn Ricardos Theorie nicht stimmen würde. Mit den Worten des Philosophen Karl Popper: „Wir wählen die Freiheit nicht, weil sie uns das oder jenes verspricht. Wir wählen sie, weil sie die einzig menschenwürdige Form des Zusammenlebens möglich macht.“

Der Freihandel ist kein Entgegenkommen von Regierungen und Parlamenten gegenüber dem Bürger. Er ist auch keine Willkür und erst recht nicht ein Instrument, zur menschenunwürdigen Ausbeutung, wie es der Bundestagspräsident gerade in einem Interview formulierte. Der Freihandel entspringt der menschlichen Natur. Er entspricht dem Kooperationswillen der Menschen. Schon immer haben Menschen versucht, sich auszutauschen und Handel zu treiben – vor Tausenden von Jahren genauso wie heute. Grenzen, die sie daran hinderten, waren politische Grenzen. Fürsten, Herrscher und Regierungen wollten mit Zöllen Einnahmen erzielen, um ihre Haushalte und Armeen zu finanziert. Zölle dienten und dienen noch immer der Finanzierung von Machtausübung und der Bestechung einzelner Bevölkerungsgruppen.

Zölle und andere protektionistische Maßnahmen laden kleine Gruppen geradezu ein, ihre Partikularinteressen über den Staat und die Regierung zu artikulieren und dann zu Lasten aller anderen durchzusetzen. Sie sind zwar als Gesetz oder Verordnung formuliert, aber eigentlich sind sie ein Befehl des Regierung. Wer zuwider handelt, wird bestraft. Zölle und Handelsbeschränkungen sind ein Widerspruch zu gutem Recht. Letzteres entwickelt sich über Jahre, Jahrzehnte vielleicht sogar Jahrhunderte. Dieses Recht folgt Traditionen und verändert sich im Laufe der Zeit. Der Gegensatz zum autoritären Verständnis von Gesetz als Befehl der Regierung sind in freiheitlichen Staaten allgemeine, abstrakte und für alle gleiche Regeln. Nur sie sichern das Recht – auch das Recht auf freien Handel.

Der Freihandel ist kein Privileg Europas, der westlichen Welt oder der OECD-Staaten. Nein, Freihandel ist ein universelles Recht, das für alle Menschen auf dieser Welt in gleicher Weise gilt. So wie die Gewissensfreiheit oder die Religionsfreiheit allgemeine Freiheiten sind, so gehört auch der freie Handel zu diesen unveräußerlichen Freiheiten. Es gehört vom Prinzip her zu den ganz fundamentalen Abwehrrechten gegenüber dem Staat – nicht nur als Bürgerrecht, sondern als globales Recht. Der Eingriff in die freiwillige Entscheidung von zwei Menschen, miteinander im ökonomischen Bereich in Austausch zu treten, ist so wenig legitimiert wie der Eingriff in unsere Freundschaften und Beziehungen.

Wer heute für Freihandel eintritt, sollte dies daher nicht nur mit ökonomischen, sondern mit sehr grundsätzlichen Argumenten tun. Es geht letztlich um den Schutz der Bürger vor der Willkür der Regierenden.

3 Kommentare
  1. Bernhard K. Kopp
    Bernhard K. Kopp sagte:

    So plakativ ist das mit dem Menschenrecht Unsinn. Es wäre auch ein Menschenrecht der Näherin in Bangladesh für ihre Arbeit einen fairen Lohn zu bekommen, von dem sie ungefähr so leben kann wie die Käufer der Produkte ihrer Arbeit. Man kann Freiheit nicht nur immer so definieren, dass sie nur denen nützt, die sich machtpolitisch niedrigere Kosten schaffen können. Die Welt, und auch die Idee der Freiheit, ist komplizierter.

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  2. Dirk W. Kühne
    Dirk W. Kühne sagte:

    Ich denke auch, dass es nicht so einfach ist, Freiheit als Menschenrecht zu bezeichnen und schon gar nicht als universell. Und ist das überhaupt sinnvoll? Der zitierte Popper war offensichtlich anderer Meinung. Er sagt: „Wir wählen die Freiheit…“. Freiheit ist also eine Wahl, die wir bewusst treffen, weil wir sie für sinnvoll halten. Menschenrechte wären „alternativlos“. Universellen Menschenrechten haftet immer etwas Gottgegebenes an. Freiheit entsteht aus meinem menschlichen, völlig götzenfreien Willen.

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  3. Lothar W. Pawliczak
    Lothar W. Pawliczak sagte:

    Ganz so einfach ist es nicht: Protektionsmus ist unter Umständen (!) auch ein Menschnrecht, z.B. der Patentschutz für Erfinder. Will sagen: Was soll der Quatsch, hier mit „Menschenrecht“ zu argumentieren? Was da alles plötzlich „Menschenrecht“ sein müßte. Das wäre allerdings mal diskussionsbedürftig: Was fällt unter den Begriff des Menschenrechts und was nicht.

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