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Am Sonntag jährt sich zum 150. Mal der Geburtstag des Philosophen Ernst Cassirer. Von 1919 an lehrte er als Professor an der Universität Hamburg, bis er 1933 aufgrund seiner jüdischen Herkunft das Land verließ und nach Großbritannien, Schweden und schließlich in die USA weiterzog, wo er 1945 in New York starb.
Er war der letzte Vertreter der sogenannten Marburger Schule des Neukantianismus, die die Gedankenwelt Immanuel Kants in ihre Zeit übersetzen wollten. Cassirer bewegte sich geländesicher in den Nachbarwissenschaften der Philosophie wie Psychologie und Soziologie und hatte zugleich ein scharfes Auge für andere Ausdrucksformen des Menschen, die er unter den Begriffen Symbol und Mythos zu verstehen versucht. In seinem für ein breiteres Publikum verfassten „Essay on Man“, das 1944 erschien, stellt er sein anthropologisches Grundverständnis vor: „Im ganzen genommen könnte man die Kultur als den Prozeß der fortschreitenden Selbstbefreiung des Menschen beschreiben. Sprache, Kunst, Religion und Wissenschaft bilden unterschiedliche Phasen in diesem Prozeß. In ihnen allen entdeckt und erweist der Mensch eine neue Kraft, die Kraft, sich eine eigene ‚ideale‘ Welt zu errichten.“
Kurz vor seinem Tod vollendete er das Buch „Vom Mythus des Staates“, das in einer Reihe steht mit den großen Werken, die versuchen, die ideologischen Ursachen der globalen Katastrophe des 20. Jahrhunderts zu verstehen wie José Ortega y Gasset mit „Der Aufstand der Massen“ (1929), Friedrich August von Hayek mit „Der Weg zur Knechtschaft“ (1944), Ludwig von Mises mit „Omnipotent Government“ (1944), Karl Popper mit „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“ (1945) und Hannah Arendt mit „Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“ (1951). An Kants Vorstellung der Freiheit als einer Aufgabe für den Menschen anknüpfend schreibt Cassirer am Ende des Buchs: „Die Freiheit ist kein natürliches Erbe des Menschen. Um sie zu besitzen, müssen wir sie schaffen. Wenn der Mensch bloß seinen natürlichen Instinkten folgen würde, würde er nicht für die Freiheit kämpfen; er würde eher die Abhängigkeit wählen. … Hier hakt der totalitäre Staat und der politische Mythus ein. Die neuen politischen Parteien … unterdrücken und zerstören den Sinn für Freiheit selbst; aber gleichzeitig befreien sie den Menschen von jeder persönlichen Verantwortung.“