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Das Verhältnis der Liberalen zu den Kirchen, insbesondere zur katholischen, ist schwierig. Ein Ursprung dieser Verwerfungen liegt im so genannten „Kulturkampf“ des 19. Jahrhunderts. Besonders vehement wurde er in Preußen geführt, war aber auch ein gesamteuropäisches Phänomen, das in der Schweiz und auch in Italien eine große Rolle spielte und ganz besonders in Frankreich zu einer strikten Trennung von Staat und Kirche beitrug. Von beiden Seiten wurde der Kampf mit harten Bandagen geführt. Es ging um Macht und Pfründe, aber ebenso auch um ideologische Dominanz.

Vielen Liberalen war die Katholische Kirche verdächtig. Denn sie war nicht nur geistliche Macht, sondern auch staatliche. Der Kirchenstaat auf der italienischen Halbinsel war souverän. Und das Ende der staatlichen Macht kirchlicher Institutionen mit den Napoleonischen Kriegen und dem Untergang des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation lag nur wenige Jahrzehnte zurück. Der kirchliche Einfluss auf das tägliche Leben der Menschen blieb in vielerlei Hinsicht bestehen, gerade in den katholischen Herrschaften des preußischen Staates wie dem Rheinland und Polen.  In den katholischen Regionen bestimmten die Bistümer weitestgehend das Bildungssystem und die Eheschließung und von der Kanzel wurde auch manche politische Botschaft gepredigt. Die Bischöfe waren eine Macht im Staat, die durch großen Grundbesitz und Vermögen weiterhin großen Einfluss hatten.

Mit Papst Pius IX kam in dieser Zeit ein neuer Akteur aufs politische Spielfeld, der in den Inhalten der Freiheitsbewegungen der 1848er Jahre eine große Verirrung des Zeitgeistes sah und zur konservativen Gegenrevolution aufrief. Mit der Einberufung des ersten Vatikanischen Konzils 1869 und der Verkündung des Unfehlbarkeitsdogmas, sowie der Festlegung einer weltweiten Jurisdiktion des Papstes über die Katholische Kirche trieb Pius IX den Konflikt auf die Spitze. Wie der katholische Kirchenhistoriker Hubert Wolf in seinem lesenswerten Buch („Der Unfehlbare“) über Pius IX so treffend schreibt, wurde der Katholizismus damit neu erfunden. Pius IX zentralisierte die Macht beim Papst in Rom. Sein Ziel war es die weltliche und die geistliche Macht über die Katholische Kirche zu erlangen. Aus heutiger Sicht betrachtet gelang ihm nur letzteres.

Otto von Bismarck nutzte dies in Preußen und dann im Deutschen Reich, um die Trennung von (katholischer) Kirche und Staat voranzutreiben. Dies setzte er rabiat durch. Priester, Ordensleute und sogar Bischöfe wurden zu Hunderten eingesperrt oder mussten ins Exil, der Jesuitenorden wurde verboten und Klöster geschlossen. Das Argument Bismarcks war, dass die Katholiken Anhänger einer ausländischen Macht seien. Man könne nicht gleichzeitig Katholik und Patriot sein. Der politische Arm im Parlament war die katholische Zentrumspartei, deren politische Vernichtung zentraler Bestandteil im Plan Bismarcks war, und dazu waren die Liberalen seine gefügigen Handlanger. Die Zentrumspartei sei die 5. Kolonne Roms. Zwar unterstützte eine Mehrheit der liberalen Fortschrittspartei den Kurs Bismarcks, doch zur Ehrenrettung der Liberalen sei hier betont, dass es Eugen Richter war, der wesentliche Teile der Katholikengesetze nicht mittrug. Richter durchschaute die Absicht Bismarcks, wenn er feststellt: „Das kann mich nicht trösten, dass der reaktionäre Spieß, nachdem er bisher mehr gegen links gekehrt war, nun gegen das Zentrum gerichtet wird.“

Bis heute hat diese Auseinandersetzung Folgen: Die Schulpolitik ist eine größtenteils staatliche Aufgabe, die Zivilehe wird vor dem Standesamt geschlossen und Leistungen der Kirche werden von staatlicher Seite umfangreich alimentiert.

Heute hat sich das Verhältnis zwischen Kirche und Staat umgedreht. Zumindest in Deutschland hängt die Katholische Kirche, noch mehr die Evangelische Kirche, am Gängelband des Staates. Daher versuchen beide auf Staat und Politik Einfluss zu nehmen. Heute sind Kirchentage, Synoden und Bischofskonferenzen weniger spirituelle Begegnungen, sondern mehr politische Versammlungen. Gleichzeitig machen die Staatsleistungen und das Kirchensteuerregime die Kirchen träge. Die Kirchenbesucher können ein Lied davon singen.

Eigentlich bräuchte es Freiheitsbewegung für die Kirchen, ohne staatliche Bezahlung. Diese müssten zwar einmalig abgelöst werden, aber es wäre für beide Seiten von Vorteil. Die Kirche würde in die Freiheit entlassen und der Staat könnte sich auf seine originären Aufgaben konzentrieren. Als Papst Benedikt XVI vor zehn Jahren in Freiburg diese Entflechtung von Kirche und Staat forderte – um der Kirche willen –, war der Aufschrei bei den Pfründe-Verwaltern in der Kirche groß. Man sollte sie daran erinnern, dass der Katholiken-Feind Bismarck in der Ver-Staatlichung der katholischen Kirche die zweitbeste Lösung nach einer Zerstörung sah. Eine verstärkte Trennung von Kirche und Staat wird nämlich vor allem erstere stärken.

7 Kommentare
  1. Hans-Georg Binder
    Hans-Georg Binder sagte:

    Als bekennender Agnostiker kann ich die Grundaussage Ihres Artikels nur voll und ganz unterschreiben. Ich erinnere mich, dass es im April des Jahres in einer Anhörung des Innenausschusses des Bundestages genau um diese Thematik ging, nämlich Ablösung der Zahlungen an die Kirchen durch eine einmalige Zahlung. Was ist eigentlich aus diesem Vorstoß von FDP, Linken und Grünen geworden? Das Thema ist ja sowohl in der Weimarer Verfassung wie im Grundgesetz hinterlegt worden, aber seit 100 Jahren ist nichts passiert. Sollen wir noch einmal 100 Jahre warten?

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  2. Hake, Bruno
    Hake, Bruno sagte:

    Ich befürworte die Trennung, auch in Bezug auf die Kichensteuer und staatliche Subventionszahlungen.Schon aus Gründen der Gleichbehandlung, weil z.B.für Moslems keine Kirchensteuer eingezogen wird. . Vor längerer Zeit hat die FDP das Thema aufgegriffen, es dann wieder ruhen lassen.Ich habe den Eindruck, dass wegen des starken „Linksrucks“ in der evang. Kirche die SPD und die Grünen sich Propaganda-Vorteile von der Kirche erhoffen und sie daher nicht vergrämen möchten.Die stetige „Abastimmung mit den Füßen“ der evangel. und kathol. Christen wird das Thema in einigen Jahren von selbst erledigen.

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    • orth, Detlef
      orth, Detlef sagte:

      Ob Sie das nicht falsch sehen? Die verbleienden Verwalter (Mitarbeiter der Kirchen) werden doch auch bei schrumpfenden Kirchenmitgliederzahlen noch ihre auskömmliche Vergütung erhalten. War nicht das Ministerium für die GB Kolonien am grössten als GB keine Kolonien mehr hatte (Parkinson oder so)

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  3. Hubert Königstein
    Hubert Königstein sagte:

    Bereits 1974 wurde auf einem FDP-Bundesparteitag die Trennung von Kirche und Staat beschlossen. Die Kirchensteuererhebung (gegen ein geringes Entgelt an den Staat, und kostenlos durch Arbeitgeber) sollte danach eingestellt werden. Im Buch von Rudolf Augstein „Jesus Menschensohn“ ist gut nachvollziehbar das Menschenmachwerk dargestellt. Es fällt einem wie Schuppen von den Augen. Alle neue Nachrichten über die Kirchen belegen, dass hier mit dem Rücken an der Wand gekämpft wird. Der Niedergang ist nicht mehr aufzuhalten und beschleunigt sich. Die neuen Großpfarreien „Pfarrei neuen Typs“ sind die letzten Zuckungen. In Montabaur wurde eine ev. Kirche an einen Koblenzer Bauinvestor veräußert. In den SWR1-Nachrichten gestern wurde von einer Kirche berichtet, in die Wohnungen eingebaut werden. In Staffel lag für die rk. Kirche die beantragte Abbruchgenehmigung vor, die wohl nur deshalb nicht umgesetzt wurde, weil man von dort auf den 6 km entfernten 32-Mio.€-Bischofssitz von Tebartz-van Elst sehen kann. Jörg Uwe Hahn, FDP, MdL in Hessen hat als Minister den islamischen Schulunterricht eingeführt und Imame auf die Gehaltsliste des Landes Hessen gesetzt. Das ist das genaue Gegenteil des FDP-Bundesparteitagsbeschlusses. Die Sicherung des staatliche Machtanspruchs über die Kirchen/Religionen wird durch finanzielles Abhängigmachen bewerkstelligt. Wir zahlen Steuern, damit die Herrscher leichter herrschen können. In Hessen wurde aktuell mit dem Landesverband der jüdischen Gemeinden ein Staatsvertrag geschlossen, dem der Landtag einstimmig zugestimmt hat. Danach zahlt das Land Hessen, die Berichterstattung ist nicht ganz durchschaubar, pro Gläubigen der 4.796 Juden in Hessen pro Nase rd. 2.000 € p.a. an den Landesverband.

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  4. Bernhard Maxara
    Bernhard Maxara sagte:

    Mit ihrem Verhalten in den zwei vergangenen „Coronajahren“ haben beide Kirchen jeden spiriuellen Anspruch verwirkt; man stelle sich vor: in der (angeblich) allerhöchsten Not und Gefahr verschlossene Kirchen! So ist bewiesen: Das Gottvertraun reicht bis zum nächsten Schnupfen!

    Besonders die evangelische Kirche tut sich noch auch noch als Schlepperorganisation hervor und malt Vaginas auf ihren Versammlungen. Im Gegenzug könnten die Katholiken vielleicht Penisse zeichnen…
    Also Kündigung der Konkordate und Freistellung des Klerus an den Arbeitsmarkt, aber schon längst.

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  5. Ralf Becker
    Ralf Becker sagte:

    Die Kirche müsste in der Tat eigentlich eine Freiheitsbewegung sein.
    Habe es vor kurzem gelesen, dass der „Graue Papst“ Pepe Orsini der wirkliche Chef des Vatikans sei. Dieser Name war mir bis dahin völlig unbekannt.

    In 1982 hatte die Vatikanbank jedenfalls einen ihrer schlimmsten Skandale. Der Spiegel schrieb seinerzeit:
    Die finstere Finanz-Affäre um die Mailänder Banco Ambrosiano Ein Papst-Vertrauter als Partner verschlagener Finanz-Ganoven, ein toter Bankier unter einer Themse-Brücke, eine Geheimloge als Drahtzieher.

    In 2012 hatte der Vatikan den Chef der Vatikanbank Ettore Gotti Tedeschi aus dem Dienst entlassen.

    Der Standard berichtete:
    Ein angebliches Mordkomplott gegen Benedikt XVI. sorgt für Aufruhr in Rom. Das berichtet zumindest die italienische Tageszeitung „Il Fatto Quotidiano“, die sich auf ein Schreiben des kolumbianischen Kardinals Dario Castrillon Hoyos bezieht.

    Bei Papst Pius XII war es mehr als bedenklich, dass der Vatikan seit 1940 die Kriegführung der Alliierten mit Devisen und Gold gefördert hatte.

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  6. Sören Thomas
    Sören Thomas sagte:

    An sich ein guter Artikel, wenn auch etwas zu deskriptiv für meinen Geschmack.
    Die Kirche in die Freiheit zu entlassen klingt zwar beim ersten hinhören sehr schön, ich mag mir aber nicht vorstellen, wie sich eine völlig entfesselte Kirche benehmen würde.
    Ich als gläubiger Katholik halte eine staatl. Kontrolle über die Kirchen (leider) für bitter notwendig.

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