Photo: Dirk Ingo Franke from Flickr (CC BY-SA 2.0)

Von Steffen Hentrich, Referent für Gesundheitspolitik, Kommunales, Umwelt-, Energie- und Verbraucherschutzpolitik beim Liberalen Institut der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.

Einen Paradigmenwechsel soll das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) ab 2017 bringen. Nach 16 Jahren Dauerförderung scheint die Bundesregierung endlich begriffen zu haben, dass ihr die Bürger und Unternehmen beim Thema Energiewende doch irgendwann die Gefolgschaft versagen, wenn sie nicht bald die Stromkosten in den Griff bekommt. Nächstes Jahr soll die bereits 2014 eingeleitete EEG-Reform abgeschlossen sein und dann “die Kostendynamik durchbrechen, die erneuerbaren Energieträger planbar ausbauen und fit für den Markt machen”. Der Referentenentwurf ging bereits in die Länder- und Verbändeanhörung, deren Ergebnisse seit vergangener Woche vorliegen.

Nach längerer Testphase soll die Vergütung für einen großen Teil der Wind- und Solaranlagen nicht mehr staatlich festgelegt, sondern über eine Ausschreibung am Markt bestimmt werden. Nur für Anlagen, deren Nennleistung unterhalb einer Bagatellgrenze liegt, ist auch weiterhin das alte System der Festvergütungen vorgesehen. Der zu einem festen Ausbauziel führende Pfad, mit Formeln für jede einzelne Technologie und Ausschreibung akribisch auszurechnen, soll Zielgenauigkeit und Kostenkontrolle gleichermaßen gewährleisten. Die Ausschreibungen werden zunächst nur für die Windkraft und Photovoltaik getrennt vorgesehen, später soll auch die Förderung der Biomasseverstromung mit einbezogen werden. Für die Windenergienutzung auf See soll es ein gesondertes Gesetz geben. Die Reform soll eine bessere Planbarkeit der Energiewende für alle Marktakteure bringen, den Wettbewerb zwischen den Anlagenbetreibern ermöglichen und für eine hohe Akteursvielfalt sorgen. Unterm Strich erwartet die Bundesregierung eine höhere Akzeptanz der Energiewende in der Bevölkerung.

In den letzten Jahren war den Bürgern und der Wirtschaft immer schwieriger zu vermitteln, dass mehr als die Hälfte der monatlichen Stromkosten inzwischen direkt dem Staat und seiner Energiepolitik zuzuschreiben sind. Zwar haben Meinungsforscher in einer Umfrage für den BDEW-Energiemonitor ermittelt, dass mehr als 90 Prozent der Befragten die Energiewende für sehr wichtig oder zumindest wichtig halten, doch rechnen fast 70 Prozent in Zukunft mit steigenden Strompreisen. Beim Geld hört die Freundschaft ja bekanntlich auf, weshalb die Reformen so bitter nötig sind. Auf fast 24 Mrd. Euro werden sich allein die EEG-Auszahlungen in diesem Jahr belaufen. Abzüglich des Börsenwertes des Stroms aus Erneuerbaren Energieträgern ergibt sich daraus eine Subventionssumme von 23 Mrd. Euro (BDEW, 2016).

Dazu kommen die schwer quantifizierbaren Folgekosten durch das Vorhalten von Reservekapazität, Eingriffe in das Stromnetz zum Schutz vor Überlastung (Redispatchmaßnahmen) und hohe Investitionen in Stromnetze. Die werden immer schwerer finanzierbar, denn der hochsubventionierte EEG-Strom kann nahezu ausnahmslos an der Börse verramscht werden und drückt die Preise gerade für andere Kraftwerke, die wegen des Einspeisevorrangs der Erneuerbaren Energien zu unwirtschaftlichen Lückenbüßern degradiert werden. Die Umlage all dieser Kosten auf die Strompreise hat wesentlich dazu beigetragen, dass die Strompreise für private Haushalte und Industrie seit Inkrafttreten des EEG im Jahr 2000 nahezu unaufhaltsam gestiegen sind. Mehr als das Doppelte des damaligen Strompreises zahlt heute ein Durchschnittshaushalt bei einem jährlichen Stromverbrauch von 3500 kWh, obwohl die Preise für Beschaffung, Netzentgelt und Vertrieb um nur 50% gestiegen sind. In diesem Zeitraum ist allein die EEG-Umlage von 0,2 ct/kWh auf 6,35 ct/kWh angewachsen. Für Steuer, Abgaben und Umlagen zusammen sind nicht mehr 4 ct/kWh, sondern 15,5 ct/kWh zu zahlen. Nicht besser geht es der deutschen Wirtschaft. Sofern Unternehmen nicht zu den inzwischen umlagebefreiten energieintensiven Branchen zählen, und das sind 96 Prozent der zumeist kleinen und mittleren Industriebetriebe, hat sich für sie der Strompreis prozentual noch stärker als bei den privaten Haushalten erhöht. Deutschlands Wirtschaft zahlt im EU-Vergleich überdurchschnittlich hohe Strompreise und muss deshalb um seine Wettbewerbsfähigkeit in Europa fürchten, ganz zu schweigen von dem Konkurrenzdruck aus Fernost und auch den USA, wo billige Energie noch nicht auf der Streichliste staatlicher Regulierung steht.

Beim näheren Hinsehen entpuppt sich der Referentenentwurf des EEG jedoch als Scheinreform. Grundsätzlich begrüßenswerte Veränderungen drohen sich in einem Dickicht von Sonderregeln, Ausnahmetatbeständen und differenzierten Vergütungssätzen aufzulösen. Statt eines echten Wettbewerbs um die Höhe der Marktprämie soll bei der Windenergie an Land ein Korrekturfaktor dafür sorgen, dass in ganz Deutschland vergleichbare Wettbewerbsbedingungen herrschen und sich Anlagen auch an windschwächeren Standorten auch in den Binnenländern rechnen. Ähnlich sieht es bei der Photovoltaik durch die Bagatellgrenze von 1 MW aus, womit praktisch alle Dachanlagen aus dem Förderwettberb herausgenommen werden. Mit dem Referentenentwurf ändert sich nichts an der Feinsteuerung einzelner Technologien, es bleibt bei technologiedifferenzierten Ausbauzielen, bei deren Definition das Thema Kosteneffizienz keine wesentliche Rolle spielt. So gerät der Ausbau der derzeit kostengünstigsten Grünstromalternative Windenergie an Land zur Residualgröße des Ausbaus anderer, erheblich subventionsintensiverer Technologien, allen voran der Photovoltaik. Relative Kosten und die Integrationsfähigkeit in das Stromnetz spielen bei der Gestaltung des Mengenkorsetts des Ausbaus der einzelnen Technologien offenbar nur eine untergeordnete Rolle.

Ganz wichtig ist der Bundesregierung die Akteursvielfalt unter den Anlagenbetreibern. Neben der bereits erwähnten Bagatellgrenze von 1 MW, die kleineren Investoren den Wettbewerb ersparen soll, ist für Bürgerenergiegesellschaften ein vereinfachtes Verfahren zur Beteiligung an den Ausschreibungen geplant. Das Motiv hierfür ist wohl die Furcht der Bundesregierung, einen Akzeptanzverlust der Energiewende zu riskieren, sollte es ihr zukünftig nicht gelingen, noch mehr Menschen zu direkten Profiteuren des EEG zu machen. Es wird nämlich immer deutlicher, dass die Energiewende auch ein veritables Umverteilungsprojekt von einkommensschwächeren Haushalten zu einer Mittelklasse ist, die in der Lage ist, mit Solaranlagen auf dem Eigenheimdach ihre Stromkosten zu drücken oder eben durch Beteiligungen an Bürgerenergieprojekten die EEG-Vergütung zur Vermögensbildung zu nutzen. Da will niemand auf der Verliererseite stehen. Können sich die Bürger einfacher ein Stück vom Subventionskuchen sichern, dürfte sich der Widerstand gegen eine Verschandelung der Landschaft durch Windkraftanlagen, zunehmende Waldrodungen und den Verlust seltener Vögel im Umfeld von Windparks relativieren. Aus ökonomischer Perspektive, die darauf abzielt, die Kosten der Energiewende möglichst gering zu halten, sind derartige Privilegien nicht sinnvoll, aus politischem Kalkül hingegen sehr. In der Realität dürfte es aber ohnehin schwer werden, zwischen echten Bürgerenergiegesellschaften und solchen, die speziell um die Privilegien herum kreiert werden, zu unterscheiden. Die Bagatellgrenze dürfte vor allem dazu führen, dass größere Unternehmen in eine Vielzahl von Anlagen mit geringerer Kapazität investieren, um so den Auschreibungswettbewerb zu umgehen.

Zweifel sind angebracht, ob das Ausschreibungsdesign wirklich zu einer deutlichen Reduzierung der Kosten der EEG-Förderung beiträgt. Generell ist anzunehmen, dass der Wettbewerb zukünftiger Ausschreibungen um immer schlechtere Standorte standfindet, so dass trotz sinkender Anlagenpreise die notwendige Förderung dennoch zunehmen kann. Zudem hat man sich, trotz guter Erfahrungen mit der Einheitspreisauktion, in den Pilotausschreibungen für die Anwendung des Gebotspreisverfahrens entschieden. Intuitiv erscheint es einleuchtend, dass die bezuschlagten Bieter die Förderhöhe entsprechend ihres individuellen Gebots erhalten und nicht wie bei der Einheitspreisauktion das letzte noch zugeschlagene Gebot die Förderhöhe für alle setzt. Hier scheint die Bundesregierung davon auszugehen, dass die differenzierte Förderung Kosten reduziert und Mitnahmeffekte vorbeugt. Doch Experten warnen davor, dass unter realen Marktbedingungen mit hohen Unsicherheiten über die relativen Kosten der Bieter ein strategisches “Raten” des höchsten, gerade noch akzeptierten Gebots höhere Förderkosten nach sich ziehen könnte. Mit einer Vielzahl von unterschiedlichen Zuschlagspreisen würde sich die ohnehin schon aufwendige Abwicklung der EEG-Marktprämie beim Netzbetreiber noch weiter verkomplizieren. Die stärker wettbewerbliche Vergabe der Marktprämie wird nichts am geringen Anreiz der Anlagenbetreiber ändern, die Stromproduktion an der Marktnachfrage auszurichten. Auch in Zukunft wird bei negativen Börsenstrompreisen die Förderung nicht unmittelbar, sondern erst nach einer sechs Stunden andauernden Preisphase im Minus ausgesetzt. So lässt sich vielleicht der Anstieg der EEG-Umlage begrenzen, doch die Kosten der Netzintegration werden nicht maßgeblich sinken.

Einen echten Reformwillen lässt der Referentenentwurf des EEG 2016 nicht erkennen. Zwar werden marktwirtschaftliche Wettbewerbsmechanismen aufgegriffen, doch durch eine Vielzahl an Detailregeln gleich wieder kassiert. Offen erkennbar ist dabei das Einknicken gegenüber den Forderungen von diversen Interessengruppen und die Berücksichtigung politischer Nebenziele, die mit dem energiepolitischen Zieldreieck aus Wirtschaftlichkeit, Versorgungssicherheit und Umweltschutz nichts mehr zu tun haben. Aber auch die Förderung der Markteinführung wurde stillschweigend aus dem Zielkatalog gestrichen. Stattdessen plant das Gesetz eine Dauersubventionierung der besonders teuren und ökologisch fragwürdigen Stromerzeugung aus Biomasse. Zukünftig sollen Bestandsanlagen, die ursprünglich nach zwanzig Jahren Förderung in den Markt entlassen werden sollten, sich in gesonderten Ausschreibungen um eine weitere zwanzigjährige Vergütung bewerben dürfen. Es bleibt abzuwarten wer als nächstes mit einer Anschlussförderung rechnen kann. Das Versprechen zusätzlicher Beschäftigung, Technologieführerschaft und regionaler Wirtschaftsförderung hat die eigentliche klimapolitische Motivation der Energiewende schon lange marginalisiert. Eine Priorisierung der kostengünstigsten Energieträger ist ebenso wenig erkennbar, wie eine Harmonisierung der EEG-Förderung mit den klimapolitischen Maßnahmen außerhalb des Stromsektors. Auch die Mahnung der Wissenschaft, die Förderung der Erneuerbaren Energieträger endlich in die europäische Klimapolitik zu integrieren und mit dem EU-Emissionshandel zu harmonisieren, wird weiterhin ignoriert.

Wen wundert es? Die Teilhabe an der EEG-Förderung ist inzwischen zu einem zu lukrativen Geschäftsmodell geworden, zu einem politischen Selbstläufer. Das legt auch die Länder- und Verbändeanhörung nahe. Von den die Anlagenbetreiber vertretenden Verbänden, Umweltorganisationen und einigen Bundesländern wird die Ausschreibung der Fördermittel zum Teil scharf kritisiert. Die Ausnahmen davon wären völlig unzureichend. Greenpeace kommentiert gar: die „Regelungen für bedrohte Bürgerenergie grenzen an unterlassene Hilfeleistung“. In seiner Stellungnahme fordert das Land Baden-Württemberg eine Regionalisierung der Ausschreibungen und noch mehr Privilegien für “kleine Akteure”. Die vom Windkraftausbau betroffene Bevölkerung wird es besonders freuen, dass das eher windarme Bundesland sehr gern auch “die in Berg- und  Waldregionen höheren spezifischen Nebeninvestitionskosten (Netzanschluss, Waldrodung, schwerer zugängliches Gebiet)” in Form einer höheren Förderung berücksichtigt sehen möchte. Mehrheitlich wird Kritik nur noch dort angebracht, wo die eigenen Interessen nicht hinreichend Berücksichtigung finden. Weil aus dieser Richtung kein Gegenwind mehr weht, scheint es zu genügen, der Öffentlichkeit mit der EEG-Reform nicht viel mehr als ein Placebo anzubieten. Es bleibt abzuwarten, wie lange das noch gut geht!

1 Antwort
  1. gogo49
    gogo49 sagte:

    Windbarone grinsen hinten und machen vorne Lobby. Die Politik hat kein Rückgrat hierzulande. Sie wird sich das ganze Konzept zerfieseln lassen. Länder wie Spanien und Japan gehen anders vor. Sie trauen sich einzugreifen und eng zu steuern. Die „Argumentation“ mit Technologie und Arbeitplätzen ist genau so hinterlistig oder naiv wie damals bei der Photovoltaik. Natürlich kann man mit 24 Mrd viele Arbeitsplätze bezahlen. Mindestens 240.000, bei denen nicht ein einziger Arbeitnehmer je am Arbeitsplatz erscheinen müsste.

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