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Das Weihnachtsloch füllte sich schnell mit dem Lied von der Oma-Umweltsau, das der WDR uns unter den Weihnachtsbaum legte. Der Vorfall und die Reaktionen sind symptomatisch für die Glashaus-Arroganz einer Gruppe von Intellektuellen, die unfähig scheint, das Gefühl der eigenen moralischen Überlegenheit zu hinterfragen.

Im Angesicht der Unfehlbarkeit

Der WDR-Intendant Tom Buhrow hat recht: „In unserem Land ist etwas richtig krank“. Dass inzwischen Mord-Drohungen gegen die Macher des Umweltsau-Liedes ergehen, ist nicht zuletzt angesichts von Attentaten und tatsächlichen Morden an Amtspersonen, Leuten des „Establishments“, ein Alarmsignal Stufe Rot. Diese Straftaten sind das eine – und ein Fall für die Staatsanwaltschaft. Das andere ist die massive Verärgerung vieler Menschen im Land, von denen viele immer mehr in eine Grundsatzopposition verfallen. Wie kommt es zu diesen verhärteten Fronten? Eine von mehreren Ursachen ist vielleicht die Bedrängnis, in der sich ein Teil der Bürger des Landes immer mehr fühlt, wenn sie mit der geballten Macht einer bestimmten Weltsicht konfrontiert werden, die mit einer Art Unfehlbarkeitsanspruch die Diskurshoheit einnimmt. Ob sie den Kommentar bei den Tagesthemen hören, die Süddeutsche Zeitung aufschlagen oder am nachweihnachtlichen Familientreffen mit ihrem Cousin sprechen – wieder und wieder machen sie die Erfahrung: Was ich mir überlege und was mir wichtig ist, wird als falsch, böse und gemein charakterisiert.

Merken die Lieddichter vom WDR und die Zeit-Redakteure eigentlich, was sie anderen Menschen vermitteln? Machen sie sich Gedanken darüber, wie Menschen mit anderen Meinungen auf ihre schwarz-weiße Weltsicht reagieren könnten? Und noch spannender vielleicht: Ist es ihr Ziel, anderen Menschen die eigenen Werte und Vorstellungen attraktiv zu vermitteln, zugänglich und sympathisch zu machen? Oder soll nur das eigene Erhabenheitsgefühl gesteigert und der Applaus aus der Blase eingeholt werden? Wie sehr bemüht man sich darum, Gräben zu überbrücken, echte Vielfalt zu ermutigen (die auch unangenehme Andere einschließt) und die Diskurse in unserem Land wieder in zivilisierte Bahnen zu lenken? Will man sich in die mühseligen Niederungen des Erklärens und Debattierens begeben oder bevorzugt man es, sich im Glanze der eigenen Tugendhaftigkeit und Erkenntnis zu sonnen?

„Morgen kommt der Muselmann“

Viele Medien in Deutschland haben eine gewisse Schlagseite, die besonders in ideologisch eher aufgeheizten Zeiten wie den unseren überdeutlich wird. Wie schon etwa in der Zeit nach 1968 werden auch heute die immer latent vorhandenen ideologische Differenzen in Gesellschaft und Medien besonders deutlich, die in anderen Situationen sehr viel weniger auffallen. Ganz vorne mit dabei in Sachen Einseitigkeit ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk, der in Sonntagsreden ja immer beschworen wird als zentrales Medium, um den Zusammenhalt der Gesellschaft zu gewährleisten und die Demokratie am Leben zu erhalten. Wenn es in den politischen Bereich geht, sind die Öffentlich-rechtlichen freilich oft alles andere als nüchtern, sachlich und unparteiisch: Von den zum Teil sehr rabiaten Tagesthemen-Kommentaren über Politmagazine wie „Monitor“ und „Panorama“ bis zu angeblichen „Satirikern“ wie Volker Pispers, Jan Böhmermann, die „Heute Show“ und „Die Anstalt“.

Ein Gedankenexperiment könnte helfen, das Problem zu veranschaulichen. Versetzen wir uns in den Winter 2015. Die vielen Geflüchteten, die nach Deutschland gekommen sind, beherrschen die Medien. Einige SWR-Redakteure sind der Ansicht, dass die Regierung hier mit dem Feuer spielt und wir einer äußerst bedrohlichen Situation entgegensehen. Darum entscheiden sie sich, mit den drastischen Mitteln der „Satire“ einen Weckruf durchs Land zu senden. Sie engagieren einen Männergesangverein von der Schwäbischen Alb und lassen die älteren Herren ein Lied anstimmen mit dem Titel „Morgen kommt der Muselmann“, das die entsprechenden Klischees bedient bis hin zum Mordvorwurf (ja, die Oma aus dem WDR-Lied überfährt zwei „Opis“). Völlig zu Recht wäre ein gigantischer Aufschrei durchs Land gegangen. Manch ein Antifa-Aktivist hätte sich womöglich auch bemüßigt gefühlt, eine Morddrohung auszusprechen. Eine breite Front quer durch die politischen Lager hätte gemahnt, man müsse derlei Diskursvergiftung schon im Keim ersticken.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss entpolitisiert werden

Und mit dem gleichen Recht müssten sich die Liedermacher des WDR, „Die Anstalt“, Volker Pispers und all die anderen witz- und spaßbefreiten, bisweilen ungehemmt fanatischen „Satiriker“ diesen Vorwurf gefallen lassen. Es mutet grotesk an, dass sich dieselben Vertreter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks darüber beschweren, wie öffentliche Debatten den Bach runtergehen, die in ihren Sendern hochpolitische Agitation dulden und faktenaverse Stimmungsmache zulassen von Glyphosat über Ungleichheit bis zu Freihandelsabkommen. Vielleicht sollten sich die Damen und Herren einmal vor Augen führen, was in unserem Land los wäre, wenn andere politische Vorzeichen vor unserem öffentlichen Rundfunksystem stünden; wenn der Mainstream eher durch Orban, Kaczynski oder Le Pen bestimmt wäre.

Nun soll dies aber gerade kein Plädoyer dafür sein, auch einmal eine rechte „Anstalt“ zu etablieren und Hans-Georg Maaßen endlich seine eigene Talkshow zu geben. Das entscheidende Problem ist nämlich nicht, dass der Journalismus in den Öffentlich-rechtlichen in eine bestimmte politische Richtung neigt. Und die Lösung ist auch nicht, der anderen politischen Richtung das Ruder in die Hand zu drücken. Die Lösung besteht darin, das System zu entpolitisieren. Am Anfang der 20er Jahre könnte sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk einmal die Aufgabe vornehmen, seine Rolle als „Meinungsmacher“ abzulegen: Weniger Partei ergreifen und mehr Interesse ergreifen. Journalistische Neugier statt Gestaltungswillen. Weniger Selbstbeweihräucherung, mehr Dialog. Ein Anfang könnte darin bestehen, sich einmal der Frage zu stellen: Sind die Diskursvergifter eigentlich immer nur die anderen?

5 Kommentare
  1. Helmut Krebs
    Helmut Krebs sagte:

    Es gehört zum Selbstverständnis der Linken, sich auf der Seite der Wissenschaft, des Fortschritts und der allein gültigen Moral zu sehen. (Man mag daraus ersehen, wie wenig links die heutigen Reste der Sozialdemokratie sind, die sich dem Ökologismus angeschlossen haben.) Wer sich im Besitz dieser Güter wähnt, tut leicht und unbemerkt den kleinen Schritt zum Belehren und Abwerten anderer, die ihn beim Durchregieren stören. Hayek sprach in diesem Zusammenhang von einer Anmaßung des Wissens. Zugegeben, es fällt schwer, sich mit der Tatsache abzufinden, dass unser Wissen bruchstückhaft, vergröbernd und mit heute noch nicht sichtbaren Irrtümern durchtränkt ist. Skepsis und Pluralismus sind Tugenden des Liberalen. In dieser Hinsicht sind die Linken keine Abkömmlinge des Liberalismus.

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  2. Matthias Wilms
    Matthias Wilms sagte:

    You hit the bull’s eye, Clemens Schneider! Die öffentlich-rechtlichen Sender müssen kommentarfrei sein. Das zeigt der Blick auf die klassischen Printmedien, die privat und kommentarberechtigt sind.

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  3. Karsten Schürmann
    Karsten Schürmann sagte:

    Den offentlich Rundfunk gebührenbefreit auf seinen öffentlichen Auftrag zurückschrauben wäre die einzige gesunde Lösung.

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  4. Elvira Lauffs
    Elvira Lauffs sagte:

    Waere auch dafuer, dass man es befreit, vllt hoeren dann die ewigen Diskussionen auf, GEZ oder nicht.. Somit kann Satire weiterlaufen, natuerlich im Rahmen des erträglichen.

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  5. Ralf Becker
    Ralf Becker sagte:

    Das Lied „Meine Oma ist eine Umweltsau“ war als Modifikation des Liedes „Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad“ gedacht. Der Inhalt ist jedoch bei einigen Personen falsch angekommen.

    Beim öffentlich-rechtlichen Zwangsfunk fällt auf, dass die Tochter von Wolfgang Schäuble, Christine Strobl, dort Medienmanagerin ist.

    Jedenfalls kommt es uns doch so vor, als hätte bei uns mit Wolfgang Schäuble ein besonders wichtiger Politiker zumindest indirekt einen Vorteil dafür bekommen, dass der Zwangsfunk von uns seine Zwangsgebühr erheben darf.

    Wir erinnern uns zudem daran, dass er doch seinerzeit 100.000 DM vom Waffenhändler Karlheinz Schreiber annahm und dass er diese Parteispende nicht angegeben hatte.

    Einige alternative Medien verdächtigen etwa auch Tagesthemensprecher Claus Kleber immer wieder, dass er etwas zu leichtfertig den Einsatz militärischer Mittel empfiehlt.

    Die Rolle der iranischen Kriegsbeteiligung beim Jemen-Krieg sei zudem bei ARD/ ZDF des öfteren verfälscht worden. Es hätte noch viel mehr auf die fehlerhafte Rolle Saudi-Arabiens aufmerksam gemacht werden müssen.

    Insofern haben die Medien eine hohe Verantwortung, dass der Frieden, nicht nur im Inland, erhalten bleibt.

    In diesem Zusammenhang bringt die Linkspartei es zwar sehr glaubhaft rüber, dass sie für soziale Gerechtigkeit sorgen will. Zudem sei die Linke wie keine andere Partei eine Antikriegspartei. Allerdings übermitteln bei der Linken doch ausgerechnet Politiker mit mehr als üppigen Diäten diesen Wunsch nach mehr Gerechtigkeit und Frieden.

    Eine Urwahl gibt es bei der Linken ebenfalls nicht.
    Würde es sie geben, dann wären die derzeitigen Probleme ohnehin nicht mehr auf nationaler Ebene lösbar.

    Vor ca. 3 Tagen behauptete Herr Bartsch, dass wir Neuwahlen bräuchten. Die Linke wolle zudem mehr soziale Gerechtigkeit.
    Auch die Wirtschaftslage in unserem Land ist problematisch. Wir hätten Ansätze einer Rezession. So schlechte Quartalszahlen wie zuletzt hatten wir 2012 das letzte Mal.

    Hier mal einige Auszüge des Schreibens „Dietmar Bartsch: Deutschland auf einen zukunftsfesten Weg bringen“ vom 11. September 2019.

    „““““
    Dieser Haushalt ist so wenig visionär. Helmut Schmidt würde den nicht mal zum Arzt schicken.

    Sie verabschieden jetzt wohlklingende Gesetze:

    Es ist ja sogar das DIW, das heute fordert, endlich ein milliardenschweres zusätzliches Investitionsprogramm aufzulegen.
    „““
    Die Linke fordert dann etwa die Lockerung der Schuldenbremse, womit sie ein wenig den Eindruck vermittelt, als würde sie die Funktionsweise unseres Geldsystems nahezu gar nicht kennen.

    Dietmar Bartsch sagt: Deutschland braucht Wohnungen statt Waffen

    Er sagt, dass es eine Fehlinvestition der Bundesregierung sei, dass 17 % mehr in die Rüstung gesteckt worden seien.

    Herr Bartsch will zudem zwar Deutschland auf einen zukunftsfähigen Weg bringen. Aber dies will er doch ausgerechnet mit der Lockerung der Schuldenbremse erreichen, weil es doch allzu offensichtlich sein müsste, dass wir mehr Investitionen bräuchten.

    Irgendwo hört sich seine Argumentation doch sehr logisch an. Er müsste als Politiker eigentlich auch kompetent sein, weil er doch auch ein abgeschlossenes Studium der Wirtschaftswissenschaften hat. Die wenigsten Politiker im Bundestag haben überhaupt irgendwelche Wirtschaftskenntnisse.

    Mir kommt es jedoch trotzdem so vor, als würde sich die Linke nahezu gar nicht mit der präzisen Funktionsweise unseres Geldes beschäftigen.

    Jedenfalls hatte es doch eine in 2015 veröffentlichte empirische Studie des Professors Richard Werner erstmals ans Licht gebracht, dass Geld doch dadurch entsteht, dass Banken Geld aus dem Nichts schöpfen.

    Jedenfalls betrachtet auch Herr Bartsch Geld als universelles Investitionsmittel.

    In Wirklichkeit hat Geld bei unserem fehlerhaften Geldsystem deshalb einen Wert, weil es gleichzeitig eine Schuld ist.

    Jedenfalls ist es doch schon sehr suspekt, dass wir bei unserem fehlerhaften Geldwesen deshalb Geld haben, weil irgendwelche anderen Leute Schulden haben. Bei unserem Geldwesen stimmt also einiges nicht und die Rezepte der Linken mit der Lockerung der Schuldenbremse, die funktionieren doch vorne und hinten nicht, weil die fehlerhafte Schuldenlogik unseres Geldes von der Linken eben gerade nicht verstanden wird.

    Dann bereitet mir zudem auch die derzeitige Politik des Herrn Trump sehr große Sorgen.
    Den iranischen General hätte er nicht auf die Terrorliste setzen dürfen.

    Mit immer mehr arabischer Unterstützung bauen die US- und die israelische Regierung derzeit eine Front gegen Iran auf.

    Die USA wollten zudem 85 Atombomben im Iran einsetzen.

    Ernst Wollf schrieb bei KenFM:
    Tagesdosis 25.8.2018 – Iran: Die Kriegsgefahr nimmt zu

    Die USA scheinen jedenfalls durchaus keine dermaßen weiße Weste zu haben, wie die Medien uns dies meist vermitteln.
    So hat etwa die Webseite derfunke-at eine Liste der Kriegsverbrechen der USA seit 1945 veröffentlicht.
    Beispielsweise gab es doch die Brutkastenlüge der USA, die seinerzeit zum Irakkrieg geführt hatte. Hier hatte eine Agentur 20 Mio. US-Dollar dafür bezahlt, dass diese Lüge verbreitet wurde.

    Dann ist doch der deutsche Anwalt Markus Kompa bei uns nahezu die einzige Person, die sich etwas ausführlicher mit der Rolle der Brüder Allen Dulles und John Foster Dulles im Zweiten Weltkrieg beschäftigt hat.

    Er kritisiert es etwa, dass Prescott Bush, Vater und Großvater zweier ehemaliger US-Präsidenten, Geschäftsführer der Wall-Street-Bank Brown Brothers Harriman war, die eben auch Gewinne aus der Zwangsarbeit in Ausschwitz zog.

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