Photo: Christian Scheja from Flickr (CC BY 2.0)

Die Corona-Krise wird in diesem Jahr die weltweite Verschuldung auf 342 Prozent der Weltwirtschaftsleistung ansteigen lassen. Diese Entwicklung sollte uns allen Sorge bereiten. Was heute verfrühstückt wird, werden unsere Kinder und Kindeskinder nämlich später nachhungern müssen.

Einige Beobachter meinen, dass diese These so nicht oder nicht mehr stimmt. Sie begründen dies damit, dass wir uns ja nicht mehr in Zeiten geschlossener Volkswirtschaften befinden, in denen die Geldmengenausweitung heute zum Verzicht morgen führt. Immerhin würden unsere Kinder ja die andere Seite der Schulden erben, also die Werte, die durch diese Verschuldung angeschafft wurden. Selbst Anleihen hätten ja fixe Zinsen und einen festen Rückzahlungswert. Entscheidend sei, dass konjunkturelle Dellen überwunden würden, dazu bräuchte man dann auch eine kreditfinanzierte Politik, die die Grundlage für den erneuten Aufschwung legt. Irgendwann kommt dann schon alles wieder ins Lot.

Ökonomen vertreten diese These sehr häufig. Sie blenden jedoch einige Sachverhalte völlig aus:

Erstens ist die Höhe des Zinses kein Marktergebnis – zumindest heute nicht mehr. Der Zins ist ein Produkt der Notenbanken. Sie kaufen in noch nie da gewesener Weise Schulden von Staaten, Banken und Unternehmen auf, um den Zins zu drücken. Würden sie es nicht tun, wären viele Staaten, viele Banken und viele Unternehmen zahlungsunfähig. Die enorme Erhöhung der Notenbankbilanzen weltweit spricht dafür eine eindeutige Sprache. Wollten sie keinen Einfluss auf den langfristigen Zins der Anleihen nehmen, würden ihre Anstrengungen keinen Sinn ergeben. Deshalb ist auch die These des Sparüberhangs falsch. Der Marktzins ist nicht deshalb so niedrig, weil es zu viele Sparer und zu wenig Anlagemöglichkeiten gibt, denn die Aktien- und Immobilienmärkte boomen fast überall. Was tatsächlich stattfindet, ist eine Blasenökonomie, die durch Geld- und Kreditexpansion die Vermögensgütermärkte befeuert.

Zweitens sind die Werte nur nominal vorhanden. Real sind sie wesentlich weniger wert. Sie sind aufgeblasen mit billigem Geld, das zuerst in die Vermögensgüter fließt. Danach wird es auch noch in die Anleihenmärkte gedrückt. Denn nur so lässt sich die erhöhte Verschuldung der Staaten dauerhaft finanzieren. Der Staat zwingt die Sparer regulatorisch zur Anlage in Staatsanleihen. Die Anleihenhalter sind meist einfache Sparer, die ihr Geld in Lebensversicherungen, Bausparverträgen und Pensionskassen investiert haben, die eigentlich ihre Altersvorsorge abdecken sollen. Eines steht heute schon fest: hier kann später nur wenig vererbt werden, weil Vermögen nicht, nicht mehr in diesem Ausmaße oder auf mittlere Sicht nicht mehr vorhanden ist.

Drittens droht eine Umverteilung innerhalb von Generationen, aber auch über Generationen hinaus. Diejenigen, die in Vermögensgüter investieren können, profitieren so lange vom Boom, bis Anleger nicht mehr an die Vollendung der Investitionen glauben und sich zurückziehen. Dann bricht das Kartenhaus zusammen. Die Schlussphase vor dem Zusammenbruch nennt Ludwig von Mises einen Crack up-Boom, der nur durch steigende Vermögenspreise genährt wird. Während Vermögende tendenziell in der Boomphase profitieren, leiden Konsumenten und Normal- und Geringverdiener darunter. Ihre Gehaltssteigerungen können mit den steigenden Vermögenspreisen nicht mithalten. Die Vermögensschere geht daher auseinander. Am Ende des Crack up-Booms steht die Korrektur der Vermögenspreise. Schrumpfen diese auf breiter Front, dann platzt auch die Kreditblase. Kreditfinanzierte Assets können nicht mehr bedient werden. Insolvenzen sind die Folge, die eine Wirtschaftskrise auslösen, die mit Arbeitslosigkeit und „Nachhungern“ einhergeht. Die Lösung ist stattdessen „gutes Geld“. Ludwig von Mises meint mit „gutem Geld“: „Wenn ein Gut Geld bleiben soll, darf die öffentliche Meinung nicht glauben, daß mit einer schnellen und unaufhaltsamen Vermehrung seiner Menge zu rechnen ist.“

Erstmals erschienen bei Tichys Einblick.

6 Kommentare
  1. Chriwi
    Chriwi sagte:

    „Was heute verfrühstückt wird, werden unsere Kinder und Kindeskinder nämlich später nachhungern müssen.“
    Schulden sind keine Ware. Es ist eine Zahl in einer Bilanz.
    „Einige Beobachter meinen, dass diese These so nicht oder nicht mehr stimmt. Sie begründen dies damit, dass wir uns ja nicht mehr in Zeiten geschlossener Volkswirtschaften befinden, in denen die Geldmengenausweitung heute zum Verzicht morgen führt.“
    Das hat noch nie gestimmt. Unabhängig davon ob eine Volkswirtschaft geschlossen oder offen ist. Die Schulden des Einen sind die Guthaben des Anderen.
    Eine Geldmengenausweitung heißt erst einmal nur, dass es mehr Geld gibt. Es sagt nichts über die Nachfrage aus. Wenn jeder Mensch 1 Millionen Euro bekommen würde, nichts davon ausgibt, dann ändert sich gar nichts. Das ist zwar ein fiktives Beispiel. Die Realität sieht aber so aus. Ein Großteil des geschaffenen Geldes fließt in die Finanzmärkte und führt dort zu steigenden Preisen. Wenn man nun (das wäre ziemlich einfach) die Geldmenge reduzieren möchte, besteuert man einfach die Finanzvermögen und zahlt das Geld zurück.
    „Immerhin würden unsere Kinder ja die andere Seite der Schulden erben, also die Werte, die durch diese Verschuldung angeschafft wurden.“
    Das entspricht nun einmal der Realität. Irgendwer muss die Schulden und Werte halten.

    „Ökonomen vertreten diese These sehr häufig. Sie blenden jedoch einige Sachverhalte völlig aus:

    Erstens ist die Höhe des Zinses kein Marktergebnis – zumindest heute nicht mehr. Der Zins ist ein Produkt der Notenbanken.“
    Das ist falsch. Die Leitzinsen sind ein solches Produkt. Nur wenn ich ein Kredit nehme, dann bekomme ich diesen in der Regel nicht.
    „Sie kaufen in noch nie da gewesener Weise Schulden von Staaten, Banken und Unternehmen auf, um den Zins zu drücken. Würden sie es nicht tun, wären viele Staaten, viele Banken und viele Unternehmen zahlungsunfähig.“
    Und das wäre aus welchem Grund erstrebenswert? Unternehmen die pleite gehen hinterlassen eine Lücke. Andere Unternehmen können diese fülle. Aber Staaten? Wenn Deutschland pleite gehen würde, was dann. Macht man alle Schulen zu. Verteilt man die Menschen die hier leben auf neue Staaten und dann dürfen andere Staaten sich hier einkaufen und bspw. Berlin kaufen? Wie absurd.

    „Die enorme Erhöhung der Notenbankbilanzen weltweit spricht dafür eine eindeutige Sprache. Wollten sie keinen Einfluss auf den langfristigen Zins der Anleihen nehmen, würden ihre Anstrengungen keinen Sinn ergeben. Deshalb ist auch die These des Sparüberhangs falsch.

    „Der Marktzins ist nicht deshalb so niedrig, weil es zu viele Sparer und zu wenig Anlagemöglichkeiten gibt, denn die Aktien- und Immobilienmärkte boomen fast überall. Was tatsächlich stattfindet, ist eine Blasenökonomie, die durch Geld- und Kreditexpansion die Vermögensgütermärkte befeuert.“

    Beides findet statt. Es gibt zu viel Geld der Sparer und eine enorme Nachfrage nach sicheren Anlagemöglichkeiten. Daher gibt es keine Investitionen. Die Geldpolitik versucht nun durch noch mehr Geld dem entgegenzuwirken. Einfacher wäre es Vermögen zu besteuern und als Staat direkt zu investieren. Dann wird Luft aus der Blase genommen und die Infrastruktur erneuert.

    „Zweitens sind die Werte nur nominal vorhanden. Real sind sie wesentlich weniger wert.“
    Was ist den ein realer Wert? Der Wert wird in Geld ausgedrückt. Ist jemand bereit den Preis zu zahlen, dann hat das Produkt den Wert. Das es absurd ist, dass Hauspreise um zweistellige Prozente jährlich steigen, geschenkt.
    „Die Lösung ist stattdessen „gutes Geld“. Ludwig von Mises meint mit „gutem Geld“: „Wenn ein Gut Geld bleiben soll, darf die öffentliche Meinung nicht glauben, daß mit einer schnellen und unaufhaltsamen Vermehrung seiner Menge zu rechnen ist.““
    Geld ist eine Zahl. Nicht mehr und nicht weniger. Sie ist beliebig wählbar und definitiv nicht knapp. Viele der beschriebenen Probleme sind eben kein Geldproblem, sondern ein Verteilungsproblem des Reichtums. Dieses Verteilungsproblem, dass sich automatisch, zwingend aus einer kapitalistischen Wirtschaft ergeben muss, wollen die Liberalen nicht angehen. Wirtschaftliche Ungleichheit führt automatisch zu einer Machtungleichheit. Die Verträge zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern ist eben nicht auf Augenhöhe ausgehandelt. Gleiches gilt für kleine Unternehmen mit großen Unternehmen. Im Grunde will kein Unternehmen einen freien Wettbewerb und Konkurrenz. Unternehmen und Unternehmer wollen am liebsten Null Risiko und hohe Rendite. Auf Basis dieser Annahme lässt sich viel mehr erklären. Lobbyismus, Unternehmenssteuersenkungen, ThinkTanks wie diesen hier, usw.
    Diese Realität müssten die Liberalen anerkennen anstatt einem 150 Jahre alten vielfach widerlegten Dogma hinterherzulaufen.

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  2. Christiaan Eckhart
    Christiaan Eckhart sagte:

    Eine sehr treffende Beschreibung der aktuellen Marktverzerrung durch massive Eingriffe in den freien Markt durch staatlicher Verschuldung. Ein prominentes Beispiel für die fatalen Folgen fand vor unserer Haustüre statt. Die Zentralbank in der Sowjetunion hatte massiv und systematisch gedrucktes Geld in den Markt gedrückt. Die Folge waren verzerrte, nicht wettbewerbsfähige Preise und eine Überschuldung, die nicht mehr rück-zuführen war. Auch bei uns wird die Verschuldung, selbst bei kontinuierlichem positiven Wirtschaftswachstum nicht mehr in den nächsten Generationen tilgbar sein. Überschuldung reduziert politischen, wirtschaftlichen und sozialen Gestaltungsspielraum, der Anteil an Tilgung und Zins wächst unaufhaltsam. Kennen wir vielleicht bereits das Ergebnis? Wie gelingt es uns Handlungsspielräume für Entscheidungen in Freiheit wieder zu vergrößern?

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    • chriwi
      chriwi sagte:

      „Eine sehr treffende Beschreibung der aktuellen Marktverzerrung durch massive Eingriffe in den freien Markt durch staatlicher Verschuldung. “
      Sie haben einen Gedankenfehler. Es gibt keinen freien Markt und Marktverzerrungen waren und sind in unserem Wirtschaftssystem normal. Im Grunde ist das auch egal. Denn ein theoretisch freier Markt der die Modellannahmen erfüllt ist laut Theorie effizient. Eine Validierung dieser Behauptung gibt es nicht, da es keine empirische Realität gibt. Nehmen wir an sie gäbe es. Dann sagt ökonomische Effizienz nichts über gesellschaftliche Teilhabe, Verteilung und wirtschaftliche Stärke aus. Ein Markt der Armut produziert mag effizient sein, lässt aber die Potentiale armer Menschen außen vor. Sie haben keine Zeit diese zu entwickeln, da sie mit überleben beschäftigt sind. D.h. ein ineffizienter Markt (im Vergleich zur ungültigen Theorie) kann gesamtgesellschaftlich zu besseren Ergebnissen führen.

      „Überschuldung reduziert politischen, wirtschaftlichen und sozialen Gestaltungsspielraum, der Anteil an Tilgung und Zins wächst unaufhaltsam.“
      Dann müssten sie für höhere Steuern eintreten. Wie sonst sollen die Schulden abgebaut werden? Nur das wird als Diebstahl verkauft. Daher ist in den neoliberalen Gedanken eines Frank Schäffler der Schuldenabbau nicht vorgesehen. Gibt es Überschüsse, dann kommen eben jene hervorgekrochen die vorher die hohen Schulden anmahnen, dass man Bürger über Steuersenkungen entlasten solle. Basierend auf diesem Prinzip konvergiert das Problem zu Null Steuern und Null staatlichen Leistungen.

      Auch sonst ist das Beispiel nicht wirklich passend. Die zentrale Frage ist, wofür man seine Produktionskapazitäten ausnutzt. Wenn man wie die UdSSR einen Großteil der Ressourcen in das Militär und einen teuren Krieg (Afghanistan) steckt, dann bekommt man Probleme. Das Geld ist dabei irrelevant. Die Frage ist doch, ob dem Geld Werte gegenüberstehen. Ggf. Werte die zukünftig mehr abwerfen als heute. Das ist bei Atomwaffen selten der Fall. Die EZB weitet seit einem Jahrzehnt die Geldmenge aus. Nichts passiert. Warum? Weil die Kaufkraft in der Breite, sprich die Löhne, nicht steigen. Das ist auch logisch. Wenn jeder eine Millionen Euro hat, aber nur für 1000 Euro nachfragt, ist das Inflationsresultat das Gleiche, als ob jeder 1000 Euro hat und 1000 Euro nachfragt. Die Geldmenge ist also eine notwendige aber keine hinreichende Bedingung.

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  3. Dr. Alexander Dill
    Dr. Alexander Dill sagte:

    Ich stimme Chriwi zu. Ich habe deshalb 2010 die Tilgung der deutschen Staatsschulden vorgeschlagen:
    https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/1-7-billionen-euro-miese-so-entkommt-deutschland-der-schuldenfalle-a-711589.html
    Und auch Frank hat recht, dass die Notenbanken, nicht vermeintliche ‚Märkte‘ die Konditionen machen.
    Faktisch geht aber auch das nur durch ein Ratingkartell, das die OECD-Länder begünstigt und Entwicklungsländern verwehrt, Staatsanleihen weltweit zu handeln.

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    • chriwi
      chriwi sagte:

      Ich finde es erstaunlich, dass wieder und wieder Schulden ohne Guthaben oder Sicherheiten betrachtet werden. Eine Millionen Euro Schulden sind für Elon Musk nichts, für einen Hartz 4 Empfänger unendlich viele Schulden.

      Zahlen wir die 1.7 Billionen Euro zurück, dann müssten wir Steuern in dieser Höhe erheben. Beispielsweise eine hohe Erbschafts- und Vermögenssteuer. Dann sind die deutschen Wähler um 1.7 Bilionen Euro ärmer.

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