Photo: Andreas Praefcke from Wikimedia Commons (CC 0)

Die letzten Bastionen fallen: Jetzt will sogar die Union eine Frauenquote einführen. Ein weiterer Schritt zur Sozialdemokratisierung bzw. Vergrünung unserer Gesellschaft. Oder vielleicht doch nicht? Manch ein Konservativer dürfte überrascht sein, wie nah an seinem Weltbild solche Ideen sind …

Das X-Chromosom disqualifiziert nicht automatisch für Führungstätigkeiten

1932 wurde erstmals eine Frauenquote in Deutschland eingeführt: „Ein Viertel bis ein Drittel der Bezirksleitung müssen Genossinnen sein“, formulierte – für damalige Verhältnisse sehr progressiv – die ansonsten wirklich grauenerregend reaktionäre, chauvinistische und von Stalinismus durchseuchte KPD. 1932 war das Frauenwahlrecht in Deutschland, Österreich, Polen und den Niederlanden gerade einmal 13, 14 Jahre in Kraft. In Frankreich und Italien sollte es noch bis 1944 bzw. 1946 dauern, in der Schweiz gar bis 1971. In einer solchen Situation war die Selbstverpflichtung zu einer Quote ein klares Signal, dass man die illegitime und unmoralische Männer-Dominanz brechen wollte.

Aber 2020 ist nicht 1932. Wir leben – zum Glück! – in einer Welt, in der Menschen wie Golda Meir und Margaret Thatcher prägende Gestalten über Jahrzehnte hinweg werden konnten. Frauen in politischen Führungspositionen sind kaum mehr eine Erwähnung wert. General Motors und Thyssenkrupp haben Frauen als Vorstandsvorsitzende. Nicht gerade Unternehmen, in denen man noch vor wenigen Jahren besonders viele Frauen erwartet hätte. Auch wenn sich Traditionsunternehmen wie die Deutsche Bank (4 Frauen im Vorstand in 150 Jahren), Siemens (erste Frau im Vorstand 2008, derzeit keine einzige) und die FAZ (noch nie eine einzige Frau im Herausgeber-Kreis) noch als ziemlich maskulin dominierte Organisationen präsentieren, ist doch vielerorts schon klar, dass das X-Chromosom nicht automatisch für Führungstätigkeiten disqualifiziert.

Konservative: die kleinen Gleichmacher

Szenenwechsel aus den Vorstandsetagen in die Niederungen der Kulturkämpfe: Da beklagen konservative Speerspitzen wie Birgit Kelle und Harald Martenstein das zunehmende „Gender-Gaga“: die natürlichen Unterschiede zwischen Mann und Frau sollten durch die Gender-Theorie unter den Teppich gekehrt werden. Man muss kein Freund aller, zum Teil schon eher abenteuerlichen, Spielarten der Gendertheorie sein, um festzuhalten: so ganz falsch sind deren Überlegungen nicht. Der Individualismus, Grundlage unserer westlichen Zivilisation, des Liberalismus, der Demokratie und der Marktwirtschaft, räumt dem Einzelnen möglichst viel Spielraum ein, weil er ihr und ihm zutraut, sein eigenes Leben am besten in den Griff zu bekommen. Jemanden einem Kollektiv zuzuordnen und dadurch dessen Spielraum voraus zu definieren, ist dem Liberalismus ein Graus.

Anders die Konservativen und oft genug auch die Sozialisten: Ihre Weltsicht basiert nicht auf der Überzeugung, dass spontane Ordnung die beste Grundlage für ein gesellschaftliches Gedeihen ist. Sie wollen die Ordnung selber bestimmen, nach ihren Maßstäben. Religiöse oder anderweitig weltanschauliche Begründungen, die „Natur“, die Tradition oder andere Ideen bestimmen für sie ganz klar den Platz des Menschen. Sie wissen, was eine Frau, einen Deutschen oder eine Führungspersönlichkeit ausmacht, und welcher Platz sich im großen Ganzen der Gesellschaft daraus ergibt. Konservative sind in gewisser Weise auch Gleichmacher. Während ihre sozialistischen Gegner alle gleich machen wollen, sind sie darauf aus, bestimmte Gruppen gleich zu machen.

„Männer sind … Und Frauen auch … Überleg dir das mal!“

Der Liberalismus hingegen – im fundamentalen Gegensatz zum Ruf der „égalité“, den der Schlächter Robespierre vor 220 Jahren ausstieß – ist der festen Überzeugung, dass überhaupt kein Mensch gleich ist. Ja mehr noch: dass die Unterschiedlichkeit der Menschen ihr größter Schatz ist, der überhaupt erst diese grandiose Zivilisation ermöglicht. Deshalb sind für ihn auch biologische Unterschiede wie Geschlecht oder Ethnie, Klassen-, Intelligenz- und Persönlichkeitsdifferenzen nur einzelne Elemente einer Gesamt-Person, die eben nicht dadurch definiert wird, dass sie etwa eine dunkelhäutige Frau aus der Unterschicht ist. Entscheidend sind vielmehr die Fähigkeiten, die diese Person vorweisen kann, und ihre Bereitschaft, diese im Miteinander der Großen und Offenen Gesellschaft einzubringen. Oder mit den Worten des großen Loriot, der in dem unvergesslichen Film „Pappa ante Portas“ verzweifelt versucht, mit seinem Sohn ein Aufklärungs-Gespräch zu führen: „Männer sind … Und Frauen auch … Überleg dir das mal!“

Die Frauenquote steht dieser Wahrnehmung des Menschen entgegen, weil sie das biologische Geschlecht zu einem bestimmenden Merkmal werden lässt. Diesen Widerspruch zu den Überlegungen der Gendertheorie hat sogar die konservative Ikone Birgit Kelle schon aufgedeckt: „Obwohl darauf beharrt wird, dass das biologische Geschlecht keine Rolle mehr spielen sollte, entscheidet der Besitz einer Gebärmutter neuerdings über die Vergabe von Posten.“ Ja, die Frauenquote ist ein inhärent konservatives Projekt, weil sie in den Kategorien einer entlang gewisser Merkmale geordneten Gesellschaft denkt.

Trotz aller Verbesserungen in unseren westlichen Gesellschaften ist es für viele noch ein handfester Nachteil, eine Frau zu sein, eine andere Hautfarbe, einen „fremdländischen“ Namen zu haben oder irgendwie abzuweichen von jeweils dominierenden Gruppen. Die freiheitliche Antwort auf dieses Problem findet sich überraschenderweise bei Konservativen und Gendertheoretikern gleichermaßen. Erstere weisen in Opposition zur Quote gerne darauf hin, dass doch Leistung entscheidend sein sollte und nicht Geschlecht. Letztere reklamieren, dass Geschlecht ohnehin nur ein Konstrukt sei. Die Gemeinsamkeit: das Geschlecht ist am Ende gar nicht wichtig. Beide halten sich freilich oft nicht an den eigenen Anspruch. Da ist es die vornehme Aufgabe der Freunde der Freiheit: Vorzuleben, dass wir eine Person nicht nach äußeren Kriterien beurteilen, sondern nach ihrem Beitrag zu unserem Miteinander und ihrem Wert als einzigartiges, unvergleichbares und niemals wirklich einzuordnendes Individuum.

9 Kommentare
  1. Peter Triller
    Peter Triller sagte:

    Bitte nicht böse sein, der Artikel ist konfus und ideologisch borniert. Die Überschrift passt nicht zum Inhalt und dass die „lupenreinen“ Liberalen toll sind und viel klüger als die Konservativen ist ja nun oft genug von Ihnen beschrieben worden. Die Liberal-Konservativen wie ich nehmen das mit Gelassenheit hin…

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  2. Egon Harms
    Egon Harms sagte:

    Ein konservatives Projekt? Wie definieren Sie Herr Schneider denn den Konservativen? Ich stufe mich selbst als konservativ-liberal ein. Beim Lesen Ihrer Ausführungen habe ich den Eindruck, dass Liberalismus und Konservatismus sich ausschließen. Das ist aber nicht der Fall. Ich als Liberal-Konservativer setzte auf Kontinuität, bis sich etwas als falsch herausstellt. Derzeit gibt es keine Frauenquote und sie sollte erst dann in Betracht gezogen werden, wenn schlüssig nachgewiesen wird, dass das seit Jahrzehnten praktizierte Verfahren erhebliche Nachteile hat. Die Frauenquote ist eben kein konservatives Projekt. Aber möglicherweise haben Sie eine andere Vorstellung von Konservatismus. Meine Empfehlung: bevor Sie solche Begriffe verwenden, sollten Sie sie definieren.

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    • Clemens Schneider
      Clemens Schneider sagte:

      Vielen Dank für Ihre Anmerkungen, Herr Harms.
      Die Definition findet sich eigentlich im ganzen Artikel, insbesondere aber in folgender Formulierung am Ende des vorletzten Absatzes: „die Frauenquote ist ein inhärent konservatives Projekt, weil sie in den Kategorien einer entlang gewisser Merkmale geordneten Gesellschaft denkt.“
      Ansonsten verweise ich auch gerne auf Herrn Schäfflers schönen Artikel zum Thema Konservatismus und Liberalismus: https://prometheusinstitut.de/liberalismus-eine-ortsbestimmung/

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  3. Gero Pischke
    Gero Pischke sagte:

    Meine Lebens- und Berufserfahrung zeigt mir, dass die (oder eine nicht ausgesprochene) Frauenquote nur dazu dient, sich als Opfer zu gerieren und somit rechtliche und wirtschaftliche Vorteile zu erhaschen. Ich kann nicht sehen, dass so etwas in den letzten Jahrzehnten von Männern so praktiziert wurde. Klar, gab es mehr in Führungspositionen. Na und? Hat in Unternehmen und Behörden verdammt gut funktioniert. Heute kommen aus Angst vor Stigmatisierung Leute nach oben, die es nicht können und von den untergebenen Könnern durchgefüttert werden. Wenn Frauen alle automatisch so viel besser sind, warum machen sie sich nicht selbstständig? Also ich verstehe „konservativ“ gerade so, dass sich die Besseren durchsetzen und nicht irgendwelche Jammerlappen, die behaupten (vielleicht noch als Minderheit) ständig von anderen benachteiligt zu werden, insbesondere von den „bösen, weißen Männern“. Und der Konservatismus hat auch nie Verbote ausgesprochen, dass Frauen Führungspositionen in Politik und Wirtschaft bekleiden können. Hingegen wollen die Befürworter von Frauenquoten Verbote für Männer schaffen, wenn Männer irgendwo quotal zu viele werden würden. Wem hilft das wirklich? Doch nur den Frauen, aufgrund der Quasi-Bevorzugung durch Gesetze. So kauft man sich Wählerstimmen. Ich nenne das Korruption. Und die ist niemals konservativ (Werte bewahrend), sondern immer liberal.

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  4. Gero Pischke
    Gero Pischke sagte:

    Entspräche eine gesetzliche Frauenquote (nur Frauen?) nicht einem staatlichen Markteingriff? Und zwar nur aus ideologischen Gründen, nicht mal wirtschaftlichen! Wie kann man als Liberaler so etwas befürworten? Als Konservativer (Bewahrer des Bewährten) schon mal gar nicht.

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  5. Katrina
    Katrina sagte:

    Eine Wortmeldung aus den „Niederungen der Kulturkämpfe“, oder sagen wir doch lieber gleich, Kulturrevolution: Den Individualismus, den Sie hier so sehr loben, kann es nur geben, wenn ein Kollektiv dahinter steht, das den Individualisten im Fall des Scheiterns seiner Träume wieder auffängt. Und da sind wir schon bei den Sozialisten, denen die Familie als Trutzburg gegen das Kollektiv im Wege steht. „Ehe sollte gleichzeitig mit Privatbesitz verschwinden. Wenn man die Utopie des auf magische Weise erscheinenden Wohlstandes schon nicht glaubt, kann man sich der Hoffnung auf Befreiung von sexueller Verantwortung und Reife hingeben.“ (Ludwig von Mises über den Sozialismus)
    Die Natur hat weibliche und männliche Lebensformen schon seit frühester Entwicklung der Arten eingeführt. Wenn uns das nicht mehr gefällt und wir lieber unsere eigenen individuellen Entscheidungen bezüglich unserer Identität treffen wollen, müssen wir halt noch ein bisschen an der Biologie herumschrauben. Ansonsten treffen Männer und Frauen eben verschiedene Entscheidungen in ihrer Lebensplanung.
    Meine Vorstellung von Liberalismus ist, dass sich der Staat nicht in die persönlichen Entscheidungen der Bürger einmischt. Aber vielleicht ist das auch zu naiv und die Intellektuellen hätten nichts mehr zu schreiben und die Beamten nichts mehr zu regeln. Vor allem würden die Bürger dann wieder die wirklich relevanten Fragen stellen z.B. warum gibt es keine parlamentarische Kontrolle der EZB usw.

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    • Clemens Schneider
      Clemens Schneider sagte:

      Woher stammt denn dieses Mises-Zitat?
      Die Natur hat mancherlei „eingeführt“, ist aber eben kein handelndes Subjekt und vor allem beständigem Wandel unterworfen. Zivilisation hingegen hat die Überwindung „natürlicher“ Hindernisse ermöglicht und uns zu den Höhen des Lebens geführt, die wir heute in den ganz „unnatürlichen“ Segnungen von Technologie, Wissenschaft, Marktwirtschaft und offener Gesellschaft genießen dürfen.

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      • Katrina
        Katrina sagte:

        Wenn ich Sie richtig verstehe, stellen Sie Natur und Konservatismus auf einen Seite, gegen Zivilisation und offene Gesellschaft/Individualität auf der anderen Seite. Dementsprechend definieren Sie die Freiheit bzw. Liberalismus als Überwindung der ersteren. Wenn dem so wäre, könnte man Wertvorstellungen frei nach individuellen Wünschen definieren. Das öffnet dem Totalitarismus Tür und Tor. Die Zivilisation hat das Leben einfacher gemacht, aber wir haben die Natur nie überwunden wir sind selbst Natur und auch wenn sich die Natur ständig wandelt, gibt es Entwicklungen, die über Jahrmillionen stattgefunden haben, die sich nicht per Wunschvorstellung verändern lassen. Aus diesen universellen Gegebenheiten haben sich Wertvorstellungen entwickelt, die das Zusammenleben der Menschen regeln. Auch wenn sich diese wie bei der Natur beständig wandeln, gibt es ein moralisches Grundgerüst, das Handlungen in Schaden und Nutzen einteilt.
        Wenn sich das Individuum zum Maßstab aller Dinge macht, werden Werte umdefiniert. Dann setzt sich derjenige durch, der den größten Einfluss oder die meisten Unterstützer hat. Insofern kann Individualismus nicht als absoluter Wert gelten sondern immer relativ zur Gesamtgesellschaft. Da der Mensch immer schon in Generationen gedacht hat und sich Kultur auch nur so entwickeln kann, sind die Werte von Freiheit und Eigentum auch immer mit der Familie verbunden.
        Relevant in der politischen Diskussion ist doch in erster Linie die Freiheit vor dem Zugriff des Staates. (die z.B. auch Prof. Dr. Papier in Bezug auf den Lockdown kürzlich angemahnt hatte: https://open.spotify.com/episode/5kAgueBLKEjVEIpkozNNcM)
        Alle Eingriffe des Staates in die persönlichen Angelegenheiten der Bürger, ob sie als Quoten, Rechte, Freiheiten daherkommen sind in Wirklichkeit Eingriffe in die persönliche Freiheit, die das fein austarierte Beziehungsgefüge der Gesellschaft zugunsten derjenigen verschieben, die die beste Lobby (Geld/Stimmen) haben. So ist auch eine Quote die Beschneidung der Freiheit, selbst zu wählen oder in einem Auswahlverfahren zu bestehen.
        Hier finden Sie das Mises Zitat; Mises on the family: https://mises.org/library/mises-family
        Und hier; Milton Friedman equality vs family:
        „We speak about our society as an individual society, it is not; it is a family society. The fundamental unit of our society is the family. Every dogmatic proponent of equality has been in favour of destroying the family.“ https://m.youtube.com/watch?v=rEw6Pz1vtO4

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        • Clemens Schneider
          Clemens Schneider sagte:

          Ich bin da ganz bei Hayek: Wertvorstellungen sind weder von der Natur vorgegeben, noch frei wählbar, sondern Ergebnis einer Jahrtausende langen und noch andauernden kulturellen Evolution. Das „moralische Grundgerüst“ ist keine unwandelbare metaphyische Entität, sondern trial and error unterworfen und mithin in dauernder Veränderung. Ich beziehe mich da auf die ausführlichen Abhandlungen von Hayek, insbesondere in „Law, Legislation, and Liberty“.
          Totalitarismus-Gefahr sehe ich bei den jakobinistischen Sozialingenieuren ebenso wie bei ihren Geisteverwandten auf der Rechten, die „Natur“ als Vorwand nehmen, um ihre eigenen Werte als verbindlich zu erklären.
          Werte umzudefinieren, ist die Defintion von Kultur und ein Prozess, der schon immer stattgefunden hat, sonst wären wir weder aus dem Staatstotalitarismus Babylons und Persiens, dem Elitismus Griechenlands, dem Rassismus Roms, der Kulturfeindlichkeit der Barbarenstämme, der Hexenverbrennung, religiösen Verfolgung und unzähliger anderen Übeln herausgewachsen. Werte umzudefinieren war das Mittel der Wahl von Moses und Jesus, von Thomas von Aquin und Kant ….
          Spannend ist übrigens, wenn man mal den größeren Zusammenhang des Mises-Zitates liest – nicht nur den, den Lew Rockwell (der Mises wirklich immer wieder bis zur Unkenntlichkeit entstellt) da aus dem Zusammenhang reißt:
          https://oll.libertyfund.org/titles/1060#lf0069_label_252
          Mises macht dort nämlich genau mein Argument von der Entwicklung aus den Vorgaben der „Natur“ heraus. Wie Mises ja stets ein sehr großer Freund des Fortschritts war.

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