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Deutschland ist auch ein bisschen Griechenland. Zumindest was die kollektive Verantwortungslosigkeit im deutschen Föderalismus angeht. So trägt jeder Bremer die Schuldenlast seines Landes in Höhe von 32.735 Euro. Das ist mehr als jeder Grieche für sein Land. Dort beträgt die Schuldenlast pro Einwohner 28.500 Euro. Jeder Vergleich hinkt, so auch dieser. Es ist sicherlich nicht vermessen, wenn man behauptet, dass in den aktuellen griechischen Zahlen nicht alle Verbindlichkeiten enthalten sind, aber dies gilt auch für Bremen. Die Schuldenlast des Bundes von 1.100 Milliarden Euro müsste in diesem Vergleich auch anteilig auf jeden Bremer verteilt werden.
Wie in Griechenland ist auch in Bremen die Schuldenlast erdrückend und nicht mehr durch reines Wirtschaftswachstum nennenswert zurückzuführen. Und wie in Griechenland durch die EU und die EU-Mitgliedsstaaten erhält Bremen regelmäßig Transferzahlungen vom Bund und von den übrigen Bundesländern. Vom Bund kamen 2015 563 Millionen Euro Sonderzuweisungen und im Rahmen des Länderfinanzausgleichs über 600 Millionen Euro von den Ländern. Mit letzterem ist jetzt bald Schluss. Der Länderfinanzausgleich wird abgeschafft. Darauf haben sich der Bund und die Länder geeinigt. Das ist gut und richtig so. Er war schon immer leistungsfeindlich, weil nur wenige Geberländer eine große Mehrheit von Nehmerländern gegenüberstanden. Aktuell zahlen nur noch Hamburg, Hessen, Baden-Württemberg und Bayern ein. In 2015 waren es 9,5 Milliarden Euro. Das hört sich viel an, am gesamten Steueraufkommen von 620 Milliarden Euro sind es aber lediglich 1,5 Prozent.
Daher ist die Einigung nur ein Reförmchen. Eigentlich müsste eine viel grundlegendere Veränderung des Föderalismus stattfinden. Der deutsche Föderalismus schafft falsche Anreize. Er bestraft gute Politik und belohnt schlechte. Kommen Bremen oder auch das Saarland mit ihren Ausgaben nicht zurecht und steigt daher die Verschuldung immer weiter an, dann hilft der Bund in unregelmäßigen Abständen mit Sonderzahlungen – jetzt wieder. Damit die beiden Länder der Neuordnung des Finanzausgleichs ab 2020 zustimmen, erhalten sie erneut Sanierungshilfen von 800 Millionen Euro.
Geändert hat sich in den letzten Jahrzehnten an der grundsätzlichen Finanzsituation der beiden Schuldenländer dennoch nichts. Dabei ist die Größe der Bundesländer nicht das Problem. Das sieht man schon daran, dass das kleine Hamburg in den Länderfinanzausgleich bislang eingezahlt und das große Nordrhein-Westfalen Leistungen daraus bezogen hat.
Das Problem ist, wie in Griechenland auch, das Auseinanderfallen von Risiko und Haftung. Werden falsche Strukturentscheidungen der Länder getroffen, zu viele Beamte eingestellt oder zu viele Prestigeprojekte errichtet, haften nicht das Land Bremen und seine Bürger dafür, sondern alle Bürger in Deutschland. Es gibt in Deutschland keine Insolvenz von Kommunen und Ländern. Im Zweifel muss der Bund einspringen.
Das muss nicht so sein. Ein funktionierender Wettbewerbsföderalismus lässt die Verantwortung für die Entscheidungen auf der jeweiligen politischen Ebene. Leben eine Kommune oder ein Land über ihre Verhältnisse, dann müssen sie sich selbst um eine Konsolidierung bemühen. Gelingt dies nicht, dann muss mit den Gläubigern über eine Lösung verhandelt werden. Das ist nicht ungewöhnlich. Kann der Bundesstaat Kalifornien seine Beamten nicht mehr bezahlen, dann schickt er sie in den Zwangsurlaub. Die Zentralregierung in Washington käme nicht auf die Idee einzuspringen.
Und auch in unserem Nachbarland Schweiz kennt man nicht die Kollektivhaftung für das Versagen auf kommunaler oder kantonaler Ebene. Als 1998 die Gemeinde Leukerbad im Kanton Wallis zahlungsunfähig wurde, wollten sich die Gläubiger anschließend beim Kanton und bei der Zentralregierung schadlos halten. Diese verweigerten die Zahlung. Am Ende verzichteten die Gläubiger auf 78 Prozent ihrer Forderungen. Seitdem differieren die Finanzierungskonditionen zwischen Gemeinden, Kantonen und dem Bund in der Schweiz je nach Solidität. Dieser Wettbewerbsföderalismus funktioniert in der Schweiz auch deshalb, weil die jeweilige Ebene nicht nur über die Ausgaben in einem viel größeren Ausmaß als hierzulande bestimmen kann, sondern auch über die Einnahmen. Kantone und Gemeinden haben eine umfangreiche Steuerautonomie, die 80 Prozent des Steueraufkommens bei ihnen belässt. In Deutschland sind es nur rund 50 Prozent und das eigene Steuererhebungsrecht ist, von einigen Bagatellsteuern abgesehen, nicht vorhanden. Mehr Wettbewerbsföderalismus wäre daher auch für Deutschland gut.
Erstmals erschienen am 22. Oktober 2016 in der Fuldaer Zeitung.
„Ein bisschen Griechenland“ ist m.E. sehr gepflegt ausgedrückt; so weit sind wir (mittelfristig) von griechischen Verhältnissen nicht entfernt, wenn nicht in der Wirtschafts- und Finanzpolitik wieder die Grundrechenarten (statt ideologischem Wunschdenken) beachtet werden.
Noch besser wäre eine Konsolidierung. Weg mit den Fürstentümern. Wer braucht noch Stadtstaaten. Länder sollten Minimum 5 Mio Einwohner vorweisen.