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Wie von Zauberhand hat sich die Homöopathie eine einzigartige Sonderstellung im deutschen Gesundheitswesen erschaffen. Sie muss nicht wirken und nichts beweisen und ist trotzdem Teil des Systems – ein Fehler.

Hokuspokus Fidibus!

„Hiezu fügt man 100 Tropfen guten Weingeist und giebt dann dem, mit seinem Stöpsel zugepfropften Fläschgen, 100 starke Schüttelstöße mit der Hand gegen einen harten, aber elastischen Körper geführt.“ Hokuspokus Fidibus, drei Mal schwarzer Kater – Fertig ist der Trunk! – mag man da vollenden. Doch anders als man gemeinhin annehmen könnte, handelt es sich bei diesem Rezept nicht um einen Auszug aus dem altenglischen magischen Heilbuch „Lacnunga“. Stattdessen erklärt hier der 1843 verstorbene Vater der Homöopathie, Samuel Hahnemann, ein Grundprinzip zur Herstellung homöopathischer Mittel. Durch das beschriebene „Verschütteln“ sollen sich die guten Eigenschaften eines Giftes auf die Arznei übertragen, während die schlechten durch endloses Verdünnen verschwinden.

Ja, das ist skurril, aber wäre eigentlich nicht weiter von Belang. Würde die Homöopathie nicht eine absurde Sonderstellung im deutschen Gesundheitswesen genießen.

„Regulierung? Ja bitte!“ Die Homöopathie kauft sich den Anstrich „Arzneimittel“

Im vergangenen Jahr gaben die Deutschen 670 Millionen Euro für homöopathische Arzneien aus. Davon wurden 85 % privat bezahlt. Präparate für ca. 100 Millionen Euro wurden hingegen auf Rezept ausgegeben und damit teilweise von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. An sich wäre das in Zeiten, in denen Menschen Unsummen für Dinge wie Ziegen-Yoga ausgeben, nicht weiter problematisch. Wäre da nicht die unheilvolle Verquickung der homöopathischen Industrie mit dem Staat. So besteht für die allermeisten homöopathischen Erzeugnisse eine Registrierungs- und Apothekenpflicht. Allerdings mit einer wichtigen Sonderregel. Während Hersteller konventioneller Arzneimittel umfangreiche Wirksamkeitsnachweise erbringen müssen, entfällt diese Vorgabe für homöopathische Präparate.

Das zuständige Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte prüft lediglich, ob die jeweiligen Präparate korrekt (also entsprechend der homöopathischen Vorgaben) hergestellt wurden und ob der Hersteller garantieren kann, dass die jeweilige Mischung nicht schädlich ist. Letzteres ist bei den allermeisten Präparaten dann auch nicht sonderlich schwer, schließlich enthalten Präparate schon ab der so genannten D24-Verdünnung in 50 Prozent der Fälle überhaupt kein einziges Molekül mehr des eigentlichen Wirkstoffes. Ein für die Hersteller recht aufwendiges und teures Verfahren zum Inverkehrbringen von kleinen Zuckerkügelchen. Doch trotzdem insistiert die Homöopathen-Lobby, die Registrierungspflichten beizubehalten.

Setzt sich eine ganze Industrie für mehr Bürokratie ein, sollte man auf der Stelle stutzen. Und tatsächlich helfen Apotheken- und Registrierungspflicht den homöopathischen Unternehmen nur. Denn obwohl nichts mehr drin ist, steht Arzneimittel drauf – und welcher Kunde hinterfragt das schon in einem Land, in dem alles und jedes aufs Genauste geprüft und reguliert ist. Und so verfällt neben gutgläubigen Patienten auch so mancher Schulmediziner dem Gedanken, dass da ja schon irgendwas dran sein müsse und verschreibt die kleinen Mittelchen. Man möchte ja auch kein zurückgebliebener Außenseiter sein …

Ein öffentliches Gesundheitswesen braucht allgemeinverbindliche und nachvollziehbare Regeln

Darüber hinaus schleicht sich die Homöopathie immer weiter in das öffentliche Gesundheitswesen. Universitäten bieten ihren Studenten Wahlkurse in Homöopathie an und gesetzliche Krankenkassen übernehmen freiwillig die Kosten homöopathischer Anwendungen auf Kosten der Solidargemeinschaft. Und das alles, obwohl die Studienlage eindeutig zeigt, dass homöopathische Präparate nicht besser wirken als jedes andere x-beliebige Placebo. Sicher, es gibt immer wieder Studien, die das Gegenteil behaupten. Doch sind diese fast ausschließlich tendenziös, von schlechter wissenschaftlicher Qualität und uneindeutig, wie eine große Metastudie aus dem Jahr 2005 belegt.

Ein so umfangreiches öffentliches Gesundheitswesen wie das deutsche ist vor allem eines: teuer. Da ist es umso wichtiger, dass wir dieser Institution allgemeinverbindliche und nachvollziehbare Regeln geben. Es geht dabei letztendlich um nichts anderes als die Gleichheit vor dem Gesetz. Es gibt diese umfangreichen und klar nachvollziehbaren Regeln, und sie stellen hohe Ansprüche an Anbieter medizinischer Leistungen und Präparate.

Doch die deutschen Homöopathen haben es durch geschickte Lobbyarbeit, Scheinwissenschaftlichkeit und Selbstreferenz geschafft, sich so mancher Regel zu entziehen und trotzdem Teil des Systems zu sein. Das grenzt schon fast an Zauberei und trägt wesentlich zur wachsenden Bedeutung der Homöopathie bei. Welch ein Aufschrei würde aber durchs Land gehen, würde sich Volkswagen mittels eines eigenen Paragraphens einfach dem verbindlichen Abgastest entziehen? VW könnte dafür beispielsweise einige Studien renommierter Lungenärzte im hauseigenen VW-Magazin platzieren, die behaupten, dass VW-Abgase sich durch den Kontakt mit der Mundschleimhaut auflösen und deshalb nicht schädlich seien. Weit weg ist dies von der Argumentation der Homöopathen-Lobby jedenfalls nicht.

Besen, Besen! Seids gewesen.

Das Problem ist letztlich nicht, dass viele Menschen trotz fehlender Belege von der Homöopathie überzeugt sind. So kann die Homöopathie ja erwiesenermaßen die gleichen positiven Wirkungen erzielen wie simple Placebo-Präparate. Und in Zeiten, in denen der von der Gesundheitspolitik durchs Arztzimmer gehetzte Hausarzt gerade einmal sieben Minuten pro Patient erübrigen darf, will er seine Praxis irgendwie halten, da ist es auch nicht verwunderlich, dass es wohltuend ist, wenn sich ein Homöopath einmal 90 Minuten für den Patienten nehmen kann. Das alles rechtfertigt aber nicht die Sonderstellung der Homöopathie im deutschen Gesundheitswesen.

Sicherlich sollte niemandem der Zugang zu den kleinen Zauberkügelchen verwehrt werden – so lange im Ernstfall eine richtige Behandlung zugänglich ist. Hinterfragen sollten wir allerdings wie die Homöopathie-Lobby sich ihre Welt zurecht zaubert – und wie wir unser Gesundheitssystem so organisieren können, dass wir am Ende vielleicht ganz ohne Zauberei auskommen.

7 Kommentare
  1. Georg Büchele
    Georg Büchele sagte:

    Ich dachte immer, die FDP sei liberal
    Weit gefehlt.
    Regulierung bei Impfungen
    Regulierung in der Homöopathie
    Regulierung
    Regulierung
    Usw
    FDP adieu ?

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  2. Christophe Lüttmann
    Christophe Lüttmann sagte:

    Auch mir sind keine wissenschaftlich haltbaren Studien zur Wirksamkeit der Homöopathie bekannt. Und die Theorie zur Begründung der Wirksamkeit ist zumindest merkwürdig. Und dennoch kann ich mich dem Angriff gegen die Homöopathie nicht anschließen, da ich die Wirkung am eigenen Leib erlebt habe. Aber nicht nur das, die gesamte Familie, sehr viele Bekannte sind durch Heilpraxis (inkl. Homöopathie) gegen allerlei Allergien, etc. geheilt worden. Alles eine Frage von Placebo-Effekten? Das kann ich mir nicht denken, denn jahrelang war ich extrem kritisch – ja fast ablehnend eingestellt.
    Gibt es Placebo-Effekte bei Tieren? Auch unser Hund wurde nämlich mit Erfolg behandelt.

    Solange Homöopathie Menschen (und Tieren) hilft, solange es keine schädlichen Nebenwirkungen entfaltet – was bei chemischer Pharma regelmäßig der Fall ist, solange haben Homöopathen das gleiche Recht auf Lobbyismus wie alle anderen Player.
    Übrigens ist das Zulassungsverfahren für Medikamente der Pharmaindustrie sicherlich streng – aber dennoch sehr fragwürdig. Offizielle Zahlen sprechen von 16.000 bis 25.000 Tote pro Jahr in Deutschland auf grund von Neben- und Wechselwirkungen zugelassener!! chemischer Präparate (Medikamente).
    Hingegen ist noch keiner an den „Zuckerkügelchen“ gestorben.
    Quelle: Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte

    Lobbyismus kann nur dort Wirkung entfalten, wo Entscheidungen zentralisiert sind. Je dezentraler die Entscheidungsebenen sind, desto wirkungsloser der Lobbyismus. Nicht ohne Grund gibt es die größten Lobbyverbände in Washington DC und in Brüssel.

    Die Lösung wäre daher, den Gesundheitssektor zu privatisieren.

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  3. Jan Scharwächter
    Jan Scharwächter sagte:

    Die Herren Brinkmann und Lüttmann sollten einmal „Placebo-by-proxy“ googeln. Zusätzlich sei gesagt, dass eine nach der Einnahme von Zuckerkügelchen eintretende Besserung keine hinreichende Begründung für eine Kausalität bedeutet. Kurz: „Nach“ ist etwas anderes als „Wegen“. Ich möchte diese Scharlatanerie nicht mit meinen Krankenversicherungsbeiträgen finanzieren!

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  4. Frau Meyer
    Frau Meyer sagte:

    Oben steht es werden 85% der Mittel selbst gezahlt. Daraus lese ich, dass der Kostenfaktor für die Krankenkassen hinsichtlich der Nachfrage sehr gering ist.
    Und warum ist die Nachfrage so hoch? Weil die Menschen neue Wege suchen um ihre individuellen Leiden in den Griff zu bekommen und im klassischen System keinen persönlichen Rat mehr bekommen. Viele kommen so zur Homöopathie und finden dort Besserung (s.o.), die sie durch rezeptpflichtige Medikamente nicht bekommen.
    Das Problem liegt nicht in der Homöopathie sondern am Vertrauensverlust ins aktuelle System, das weder dem Patienten noch einem studierten Arzt gerecht wird.
    Dort sammeln sich die verzweifelten Patienten und dort entstehen die riesigen Kostenpunkte. Ärzte werden für die Sprechstunde leider wenig bezahlt, haben deswegen keine Zeit für Ihre Patienten, stellen dadurch schlechte/keine Diagnosen, und schicken Patienten stattdessen durch zig ungezielte Diagnose-Verfahren (Wahnsinns Kosten für die Krankenkasse), um dann ein 0-8-15 Medikament mitzugeben. Ganz zu schweigen von Aufklärung bzgl. Wechsel- und Nebenwirkungen etc.
    LEIDER können Praxen nur so wirtschaftlich sein – fair enough. Aber das ein kritischer Verbraucher hier streikt – auch fair enough!

    Abgesehen davon, würde ein Homöopath sich nicht über Wasser halten können, würde er nur Rezepte verschreiben die nichts bringen, WEIL so viele selbstzahlende Patienten dabei sind und das keiner mitmachen würde. Wirtschaftlich gesehen, ist die Homöopathie also geprüft. Wissenschaftlich gesehen ist es natürlich ein großes Mysterium, aber ist es nicht eine Hybris zu glauben wir verstehen alles?

    Wie kann ein Haifisch im Meer einen Tropfen Blut „riechen“ – von der „materiellen“ Information kommt es der Homöopathie nahe und es ist wie es ist.

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    • Daniel Herrmann
      Daniel Herrmann sagte:

      @ Frau Meyer:
      Es ist eben nicht so einfach festzustellen, ob eine Methode hilft. Die selbstzahlenden Patienten mögen den Eindruck haben … manchmal. Und wenn nicht, dann hat der Homöopath eben noch nicht das richtige Mittel gewählt, der Patient noch nicht lang genug gewartet, oder vielleicht die falsche Zahnpasta … Ausreden gibt es genug.
      Die Popularität der Homöopathie als Beleg für ihre Wirksamkeit anzuführen ist weit von wissenschaftlicher Methodik entfernt. Man muss ja gar nicht verstehen, wie etwas wirkt um feststellen zu können, -ob- es wirkt. Dazu reichen doppelt verblindete Vergleichsstudien aus, die wiederholt keine Wirkung über den Placebo-Effekt hinaus belegen können. Da hilft auch nicht, dass der Hai gut riechen kann.

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  5. Edmund Berndt
    Edmund Berndt sagte:

    Und die Homöopathie wirkt doch! Attersee am 8.6.15 Dr. Edmund Berndt
    Wer bekennenden Homöopathen Dummheit vorwirft, verkennt die Situation. Ihre Denkleistung und Intelligenz sind überdurchschnittlich und sie sind trainiert im Argumentieren. Es wäre auch falsch und nicht ziemlich, einem Kardinal einfach Dummheit vorzuwerfen, der 300 Jahre nach dem Beginn der Aufklärung sich wieder an „wissenschaftlichen“ Gottesbeweisen versucht. Es sind die Homöopathen, die fortschrittlich und zukunftsweisend denken.
    Eine weltweite „schulmedizinische“ Verschwörung will die Homöopathie vernichten. Die medizinische Wissenschaft hat die Homöopathie gefälligst nicht zu ignorieren sondern endlich Prüfmethoden zu ersinnen, um die Wirksamkeit wissenschaftlich zu beweisen. Die Naturwissenschaften haben der Homöopathie zu dienen und nicht umgekehrt. Ihre oberste Aufgabe ist es, objektive Belege für die Wirksamkeit der Homöopathie zu finden und nicht mittels Metastudien die Homöopathie als Irrlehre oder gar als Aberglauben zu denunzieren.
    Skeptiker und Wissenschaftler denken zu kompliziert. Sie behindern die Rettung der Menschheit vor „Schulmedizin“ und allen Übeln modernen Lebens. Mit naturwissenschaftlichen oder gar theoretischen Spitzfindigkeiten kann man nicht heilen. Homöopathie ist eine praktische Angelegenheit. Erkenntnisse der modernen aufgeklärten Naturwissenschaften in Biologie und Medizin haben daher in der wahren Medizin, und das kann eben nur die Homöopathie sein, keine Bedeutung.
    Die Gegner der Homöopathie wissen grundsätzlich nichts über Homöopathie. Prof. Dr. Edzard Ernst, ausgebildeter Homöopath, bezeichnet die Homöopathie als wirkungslos. Das ist schlicht unmöglich. Der erfolgreiche Astronaut Neil Armstrong kann auch nicht behaupten, er hätte den Mond nie betreten. Einzig logisch ist, dass Prof. Dr. Edzard Ernst entweder nie richtig in Homöopathie ausgebildet wurde oder gar kein Diplom besitzt.
    Die Gegner der Homöopathie sind schlecht oder nicht in Homöopathie ausgebildete Mediziner bzw. Laien. Sie verfügen nur über persönliche subjektive Meinungen und können daher die Homöopathie nicht richtig beurteilen. Korrekt ausgebildete Homöopathinnen und Homöopathen sind hingegen objektiv, weil sie gelernt haben, alles im Lichte der Erkenntnisse von Hahnemann zu sehen. Die Homöopathie wirkt, solange an den Dogmen Simileprinzip und Potenzieren nicht gezweifelt wird. Der wirtschaftliche Erfolg tausender Homöopathen belegt diese Wirksamkeit eindrucksvoll.
    Die Homöopathie ist für Homöopathen kein ungeklärtes Phänomen sondern nur für verstockte, engstirnige Schulwissenschaftler und Lehrbuchforscher. Sie sind nämlich naturwissenschaftlich verbildet und können daher nicht mehr begreifen, wie einfach doch die Homöopathie wirkt. Erfolgreiche Homöopathieforschung ist keine Hexerei. Der moderne Zauberstab heißt Auftragsforschung. Schon mit kleinen Spenden lassen sich großartige Erfolge erzielen und in den Medien feiern.
    Es ist höchste Zeit, die skeptische Naturwissenschaft für die endgültigen Vorstellungen des Allwissers und Allheilers Hahnemann zu öffnen. Die naturwissenschaftlichen Theorien in Biologie und Medizin sind so zu korrigieren, dass ein für alle Mal Schluss ist mit den theoretischen Widersprüchen zwischen Naturwissenschaft und den heilenden Ideen Hahnemanns. Seine Lehre muss endlich in Theorie und Praxis voll integriert werden. Seit 200 Jahren werden sinnlose naturwissenschaftliche Erkenntnisse ausgetüftelt, die eigentlich zum Heilen gar nicht notwendig sind. Kein Geld und keine Zeit dürfen dafür mehr auf den medizinischen Universitäten verplempert werden. Für ein langes, glückliches, natürliches, biologisches Leben genügt das „Credo in unum Hahnemann“ Amen!

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