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Der politische Mythos der Nachkriegszeit und insbesondere der späten 1960er Jahre war das Aufstiegsversprechen. Der gesellschaftliche und ökonomische Aufstieg durch individuelle Leistung sollte für jeden möglich sein. Das Instrument dafür war unter anderem eine große Bildungsoffensive. Viele Hochschulgründungen fielen in diese Zeit. Das BAföG und die Erleichterung des Hochschulzugangs waren dafür weitere Instrumente. Diese gesellschaftliche Öffnung war verbunden mit der Zusage, dass jeder alles werden könne, dass der individuelle Erfolg von der eigenen Leistung abhängig sei.
Diese Vorstellungen orientierten sich an den Wurzeln des deutschen Liberalismus, denn dieser ist eine Bewegung von unten. Seinen historischen Ursprung hat er hierzulande im Vormärz des 19. Jahrhunderts, als die Bürger gegen Verkrustung, Standesdünkel und die Privilegien Weniger aufbegehrten. Es war ein Aufstand für breite Schichten der Bevölkerung, die bitterarm waren und deren Gesundheitsversorgung katastrophal war. Eine enorme Bevölkerungsentwicklung verschärfte die Situation. Allein zwischen 1800 und 1900 wuchs die Bevölkerung in den Grenzen des Deutschen Reiches von 24,5 Millionen auf 50,6 Millionen. Die Bauernbefreiung und die Freizügigkeit führte zu einer Sogwirkung in die Städte, die mit Hunger und Wohnungsnot einherging. Dieser enormen Bevölkerungsentwicklung standen die Privilegien der Besitzstandswahrer im Wege: Berufsverbote, Zölle und staatliche Monopole verhinderten den Aufstieg aus dem Elend. So war die Ausübung eines Gewerbes ein Konzessionsrecht, das der jeweilige Landesherr vergab. Erst mit der Reichsgründung 1871 wurde die Gewerbefreiheit deutschlandweit Gesetz und zu einer entscheidenden Basis für den gesellschaftlichen Aufstieg breiter Schichten und die sukzessive Bekämpfung der Armut. Auch das Eintreten Liberaler für den Freihandel diente der Bekämpfung der Armut. Schutzzölle verhinderten den freien Warenaustausch und machten Getreide und damit Brot teuer. Viele Menschen verhungerten in dieser Zeit. Der Abbau von Zöllen diente daher im Wesentlichen den Armen und Mittellosen.
Die Erfüllung des Aufstiegsversprechens hing eng zusammen mit dem Ideal der Selbsthilfe. Es ging nicht mehr darum, Armut zu verwalten, sondern sie zu beenden. Es etablierte sich ein „Do-it-yourself-Ethos“, der Vorschuss-, Darlehens- und Konsumvereine hervorbrachte. Der Liberale Hermann Schulze Delitzsch war der entscheidende Wegbereiter der Genossenschaftsidee. Sein politisches Engagement für die liberale Deutsche Fortschrittspartei im Reichstag führte zum ersten Genossenschaftsgesetz, dessen Grundlagen bis heute Gültigkeit haben. Die Liberalen waren der bürgerliche Teil der Arbeiterbewegung. Sie organisierten sich im Kongress deutscher Volkswirte. Ihr erster Vorsitzender Viktor Böhmert bezeichnete die Berufsfreiheit als „eines der ersten Menschenrechte – die Freiheit der Arbeit.“
Liberale, die mit der Deutschen Fortschrittspartei eng verbunden waren, gründeten damals Arbeitervereine, deren Anspruch es war, Bildung und Wissen zu vermitteln, um gesellschaftliche Unterschiede auszugleichen. Ziel und Anspruch waren der wirtschaftliche Aufstieg. Der Tüchtige könne so vom Arbeiter zum Unternehmer werden.
Der Liberalismus war schon immer eine Bewegung der Benachteiligten, der Unterdrückten und des Aufstiegs aus der Unmündigkeit. Der heutige Wohlfahrtsstaat ist dagegen neofeudalistisch. Er wirkt wie der Obrigkeitsstaat des frühen 19. Jahrhunderts: Er verhindert die Überwindung der Armut, zementiert sie und behindert den gesellschaftlichen und ökonomischen Aufstieg.
Ein wesentlicher Grund dafür: Die Belastung für die Bürger bleibt historisch hoch. Und das ist nicht nur ein Befund für Gutverdiener. Paradoxerweise belastet der Staat den Geringverdiener höher als den Gutverdiener. Während jemand mit 7.000 Euro Einkommen für eine Gehaltserhöhung eine Abgabenbelastung von 44 Prozent zu schultern hat, führt beim Mindestlohnverdiener die Gehaltserhöhung zu einer Abgabenbelastung von 47 Prozent. Von hundert Euro zusätzlich können Mindestlohnverdiener lediglich 53 Euro behalten. Der Rest geht an den Finanzminister für Lohnsteuer und Soli (27 Prozent) sowie an die Sozialversicherungen (20 Prozent).
Heute verhindert der Staat erneut den gesellschaftlichen Aufstieg. Gering- und Normalverdiener haben faktisch keine Chance voranzukommen. Sie sind gefangen im Abgabensumpf. Das ist unmoralisch. Wie soll eine Kassiererin im Supermarkt, ein Auszubildender oder ein Industriearbeiter jemals materiell vorankommen, wenn am Ende des Monats nichts übrigbleibt und man wieder angewiesen ist auf die Umverteilungsapparate des Staates, die einem huldvoll die ein oder andere Wohltat zuweisen?
Und selbst wenn etwas übrigbliebe, gibt es völlig falsche Anreize für die Vermögensbildung in Deutschland. Notwendig wäre ein Volk von Aktionären, die Eigentum an Unternehmen halten. Stattdessen sind wir ein Volk ohne Eigentum und seit einigen Jahren auch ohne Zinseinkünfte, dem massenweise Altersarmut droht. Lediglich 20 Prozent der Bürger halten Aktien und wir haben international eine der schlechtesten Quoten an Wohneigentum. Ein Volk von Eigentümern würde die Selbstverantwortung stärken, das Verständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge fördern und durch bessere Renditen das Erreichen der Wünsche und Träume jedes Einzelnen erreichbar machen. Stattdessen sind gewaltige Summen gebunden in dem Versprechen auf Rentenansprüche, die wohl kaum erfüllt werden können.
Wo ist Aufstiegsversprechen gegenüber vielen kleinen Selbständigen – ohne Stabsabteilung und Apparat? Beim türkischen Gemüsehändler der durch die „Bonpflicht“ gequält wird, die Stunden seines 450-Euro-Jobbers wöchentlich dokumentieren muss und den Müll in acht Fraktionen trennen und entsorgen soll. Beim Freelancer, der sich gerade selbständig gemacht hat und ständig auf der Hut sein muss, nicht zum „Scheinselbständigen“ zu werden, weil er aktuell nur einen Auftraggeber hat und deshalb bald in der gesetzlichen Rentenversicherung zwangsversichert wird. Und bei der selbständigen Reinigungskraft, die nachmittags nicht arbeiten kann, weil sie als alleinerziehende Mutter keine Betreuungsmöglichkeiten für ihr Kind bekommt, aber es partout allein schaffen will. Denn die öffentlich organisierte Kinderbetreuung versagt, während ihr zugleich nicht genug Geld vom Gehalt übrigbleibt, um selber einen Platz zu finanzieren.
Und wo ist das Aufstiegsversprechen in der Bildung? Kann es für Kinder aus bildungsfernen Schichten erfüllt werden? Erfüllt unser überwiegend staatlich organisiertes Bildungssystem diesen Anspruch? Wie kann es sein, dass das mit immer mehr öffentlichen Mitteln ausgestattete Schulsystem immer noch daran scheitert? Fachfremde Vertretungsregelung und Stundenausfall schaden gerade den benachteiligten Kindern. Sie haben meist keine Möglichkeit für privat finanzierte Nachhilfe. Und die Selbsthilfe im Sinne eines Schulze-Delitzsch wurde durch den staatlichen Paternalismus im Keim erstickt.
Wo ist das Versprechen, dass jeder in unserem Land werden kann, was er will, wenn er sich anstrengt? Ist es heute noch möglich, buchstäblich vom Tellerwäscher zum Millionär zu werden? Der heutige Wohlfahrtsstaat ist leistungsfeindlich und ungerecht. Es behindert den gesellschaftlichen Aufstieg derer, die es wollen, aber nicht dürfen. Dabei ist gerade dies das Lebenselixier einer offenen Gesellschaft. Das Aufstiegsversprechen, jener Kern-Ethos des Liberalismus, will eine Gesellschaft ermöglichen, in der jeder, unabhängig von seiner Herkunft, seinem Geschlecht, seinem Aussehen oder seiner Religion die Möglichkeit hat, die eigenen Lebensziele zu erreichen. Das derzeitige System in unserem Land hemmt allenthalben den unternehmerischen Geist und schränkt durch ein Umverteilungssystem aus der linken in die rechte Tasche selbstbestimmtes Leben zunehmen ein. Es zementiert den Status quo der Bürger und lähmt ihre Selbsthilfekräfte. Diesen Neofeudalismus müssen wir endlich überwinden!
Erstmals veröffentlicht in einer gekürzten Version in der Welt am Sonntag am 1. März 2020.
Schutzzölle würden den freien Warentausch verhindern.
Hierzu meine ich, dass der freie Warenverkehr als solcher natürlich eine Voraussetzung für Wohlstand ist. Aber er liefert doch bislang eben gerade nicht Wohlstand für alle.
Jedenfalls ist Geld auch kein Tauschmittel, sondern etwas Ähnliches wie ein Schuldschein.
Geld kann nicht den Wert von Gütern schlechthin abbilden.
Vielmehr stehen bei unserer vermeintlichen Marktwirtschaft wenige große Akteure der Wirtschaft im „Wettbewerb“, dass sie einfach nur immer mehr Marktmacht bekommen, was jedoch vor allem nur mit immer mehr später nicht mehr abbaubaren Schulden aller Bürger funktioniert, weil Geld doch als solches eine Schuld ist und zu einem größeren Teil durch die Schuldenaufnahme des Staates bzw. mit Bankkrediten in Umlauf gelangt.
Man könnte es also behaupten, dass unser Geld regelrecht versklavt, weil wir mit der Zeit immer mehr für fremde Profite arbeiten.
Die Abgabenbelastung entsteht dadurch, weil der Staat immer mehr den Bürgern in die Bresche springen muss, weil er mit Sozialleistungen helfen muss. Gleichzeitig kassieren die Profite vergleichsweise wenige reiche Personen, wobei es übersehen wird, dass dieses Geld doch nur als Schuld (oft aller Bürger) in Umlauf gelangen konnte.
Etwa Sahra Wagenknecht hat jetzt ihr neues Video „Coronavirus und das kaputtgesparte Gesundheitssystem“.
Sie ist in Sorge, dass der Corona-Virus sich ähnlich wie in China verbreiten könnte. Es könnte also sein, dass der Corona-Virus sich bei uns genauso stark wie dort verbreitet oder dass die Verbreitung bei uns immerhin etwas weniger als in China erfolgen wird.
Was die Finanzierung der Krankenhäuser betrifft, gab es etwa bis 2004 ein System mit Tagessätzen.
Danach kam das Abrechnungssystem der Fallpauschalen, wodurch sich der Profitwettbewerb der Krankenhäuser verschärft hat.
Die Vergütung der Krankenhäuser richtet sich seitdem hauptsächlich nach der Diagnose und nicht mehr so sehr nach der Dauer des Krankenhausaufenthalts.
Dann gab es die Privatisierung von Krankenhäusern, die zu einer regelrechten Konzernbildung geführt hat. Sie sollte zu einer wegweisenden Krankenhausversorgung führen. Doch die Privatisierung vieler Kliniken droht immer mehr im Desaster zu enden.
Dann wird bei Gesundheitsämtern immer mehr der Rotstift angesetzt:
Märkische Alltgemeine vom 04.03.2018
Gesundheitsamt muss Hygiene-Kontrollen wegen Personalnot aussetzen
Das Gesundheitswesen gehört jedenfalls nach Auffassung von Frau Wagenknecht in die Hände öffentlicher Träger.
Es fällt auf, dass Frau Wagenknecht in der Linken ist.
Die Welt am 30.11.2014:
Das undurchsichtige Stasi-Geflecht der Linken
Die Linke streitet darüber, ob die DDR ein Unrechtsstaat war – ihr Firmenvermögen hat sie aber einem Ex-Stasi-Netzwerk anvertraut.
Es gibt zudem ein Video von Vera Lengsfeld: „SED, Stasi und Die LINKE – eine Bilanz“
Welt am 19.02.2008
„Hat die Linke Vermögen in Liechtenstein?“
Der Westen am 21.11.2014
Ein wahrer Wende-Krimi – Das Geheimnis der SED-Millionen
Der Spiegel am 15.08.2019
Machtoption Rot-Rot-Grün
So viel SED steckt noch in der Linken
Dann ist doch auch die SPD eine der reichsten Parteien überhaupt, weil sie gleichzeitig ein Medienkonzern ist. Sie gönnt sich regelmäßig das höchste Wahlkampfbudget. Sigmar Gabriel ist eher jemand, der Kontakte zu Bankenlobbyorganisationen wie der Atlantik-Brücke pflegt, aber er leistet eher wenig gute Inhaltsarbeit.
Bündnis 90/ Grüne sind noch nicht ganz so wie die anderen Parteien, aber zunehmend mit der Wirtschaft verflochten.
Jedenfalls ist das globale Bankensystem völlig entgleist.
Die Geldschöpfung ist fehlerhaft bei den Banken angesiedelt.
Es gibt bei den Banken sehr viele Auswüchse wie etwa Hedge Fonds, Derivate etc..
Wenn etwa Bernie Sanders es behauptet, dass er nur ein paar Steuern erheben müsste oder ggf. auch ein kostenloses Studium ermöglichen kann, dann ist das zwar in die richtige Richtung gedacht, aber er liefert damit eben gerade noch kein funktionierendes Konzept.
Seine Ziele wie
– Eine 1 Billionen Investitionsprogramm
– Arbeiter als Unternehmenseigentümer
– Eine starke Gewerkschaftsbewegung
funktionieren so noch nicht.
Vielmehr benötigen wir eine weltweite Bankenreform. Es wird nicht der Fall sein, dass eine Tausch- oder Profitwirtschaft ein gutes Leben für alle Bürger ermöglicht. Wir müssen uns etwas ganz anderes ausdenken. Vielleicht gibt es bereits schon ein funktionierendes Wirtschaftskonzept, auf das man sich nur noch einigen muss.
Hervorragender Artikel, der mein Verständnis von Liberalismus und damit der FDP eigentlich umfassend darstellt.
Christoph Stengel