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Dieser Beitrag ist in leicht geänderter Form als Vorwort im gerade erschienen Buch von Johan Norberg „Fortschritt – Ein Motivationsbuch für Weltverbesserer“ erschienen.
Globalisierungskritik ist populär. Und gerade jetzt in der Corona-Krise erhält sie neuen Zulauf. Moralisch kann man sich leicht über schlechte Arbeitsbedingungen in Bangladesch oder Indien empören. Und sich über die Schweinehälften oder Südfrüchte echauffieren, die Tausende von Kilometern transportiert werden. Subtiler ist es schon, wenn die regionale Vermarktung von Produkten oder die Autarkie bei der Rohstoff- oder Energieversorgung oder jüngst bei Medikamenten und Atemschutzmasken gefordert wird. Dahinter steckt dann meist die Vorstellung von der Demokratisierung von Wirtschaftsprozessen. Nicht mehr der Kunde soll darüber entscheiden dürfen, ob er seinen Apfel vom Bauernhof nebenan oder als Importprodukt aus Übersee im Supermarkt kauft, sondern eine von der Regierung gestaltete Politik soll diesen Prozess ersetzen – koste es, was es wolle. Und zwar, weil es das Richtige ist. Das Gute.
Dies führt letztlich zur Aushöhlung des Eigentums und damit zum Wegfall der Grundlage unserer Wirtschaftsordnung, der Marktwirtschaft. Formal sind die Unternehmen zwar noch in privater Hand, doch faktisch lenkt der Staat das Geschehen. Dessen Vertreter in Parlament und Regierung glauben besser zu wissen, was nachhaltig ist. Nachhaltigkeit wird so, wie es Friedrich-August von Hayek einmal über den Begriff „soziale Gerechtigkeit“ formuliert hat, zum neuen „Wieselwort“. Es ist einfach nicht zu packen.
Hinter diesem Vorgehen steckt die politische Vorstellung von der Demokratisierung aller Lebensbereiche. Doch das ist höchst gefährlich. Denn individuelle Entscheidungen lassen sich nicht demokratisieren. Zumindest nicht in dem Sinne, wie es die Gesellschaftsgestalter gerne hätten, nämlich als Mehrheitsentscheidung. Geschieht es doch, dann stirbt die Freiheit. Denn das bedeutet vor allem, dass auf diese Weise Partikularinteressen Einzelner oder kleiner Gruppen als die Interessen der Allgemeinheit verkauft werden können. Dem Gruppenegoismus wird ein Wohlfühlmäntelchen übergestülpt, dessen moralischer Überbau alle rationalen Argumente verdrängt.
Diese Entwicklung und das dahinterstehende Misstrauen gegenüber dem Individuum ist nicht neu. Doch dagegen muss man eine laute Stimme erheben. Wachstum ist ein Segen, weil er die Voraussetzung für den ökonomischen Aufstieg von Milliarden Menschen auf dieser Welt ist: “Je höher der Grad der wirtschaftlichen Liberalisierung in einem Land ist, desto größer ist die Chance auf mehr Wohlstand, schnelleres Wachstum, höheren Lebensstandard und längere Lebenserwartung“, schreibt der schwedische Ökonom Johan Norberg.
Oft wird die Vergangenheit und der Zustand der Menschheit vor hunderten von Jahren verklärt. Wer heute Spielfilme schaut, die vor 100 oder 200 Jahren spielen, der bekommt häufig den Eindruck, dass das Leben damals auch seinen Reiz hatte. Doch der Wilde Westen oder die Seefahrerromantik hatten in Wirklichkeit nichts Reizvolles.
Am Ende des 18. Jahrhunderts mussten normale französische Familien ungefähr ihr halbes Einkommen nur für Getreide aufwenden. Franzosen und Engländer im 18. Jahrhundert nahmen weniger Kalorien zu sich als derzeit der durchschnittliche Mensch in Subsahara-Afrika. Katastrophale hygienische Verhältnisse, Hunger, Seuchen und Tod waren damals normal. Ein Großteil der Bevölkerung kämpfte tagtäglich buchstäblich ums nackte Überleben.
Auch damals gab es wie heute Skeptiker. Robert Malthus hatte Ende des 18. Jahrhunderts sein berühmtes Bevölkerungsgesetz aufgestellt. Darin behauptete er, dass die Bevölkerung in einer geometrischen Reihe, die Nahrungsproduktion aber lediglich in einer arithmetischen Reihe wächst. Es sei eine Frage der Zeit bis die Menschen sich nicht mehr selbst ernähren könnten. Die These war damals populär, weil die Bevölkerung durch die Industrielle Revolution wuchs und die Menschen in die Städte zogen, wo es Arbeit gab. Das Malthussche Gesetz erwies sich aber als grundfalsch. Moderne Anbaumethoden, Schädlingsbekämpfung und die Technisierung in der Landwirtschaft bewiesen das Gegenteil und ermöglichen heute die gesunde Ernährung von vielen Milliarden von Menschen.
Dennoch ist in jüngster Zeit die These immer noch populär. Der Club of Rome trat in den 1970er Jahren in die Malthusschen Fußstapfen und prognostizierte die Grenzen des Wachstums. Und noch heute glauben und verbreiten die Globalisierungsgegner von links und rechts diese. Es darf halt nicht sein, was nicht sein kann.
Zu Zeiten Robert Malthus‘ lebten 1 Milliarde Menschen auf dieser Welt. Heute sind es 7,6 Mrd. Menschen. Bis zum Jahr 2050 werden nach Prognosen der Vereinten Nationen voraussichtlich 9,8 Milliarden Menschen leben, bis zum Jahr 2100 womöglich sogar 11,2 Milliarden.
Neben der Ernährungsfrage der Menschheit kommen Umwelt- und Klimafragen hinzu. Viele dieser Untergangsapologeten meinen, ohne einen Verzicht der Menschen nicht einmal nur in den wohlhabenden Ländern und ohne eine radikale Veränderung der bisherigen Gewohnheiten in den Bereichen Ernährung, Mobilität und Lebensstandard sei die Welt nicht zu retten. Weltuntergangsstimmung macht sich breit.
Doch nicht der Verzicht hat zum weltweiten Wohlstand geführt, sondern das Vertrauen auf den Fortschritt, der Mut zur Offenheit, also die Globalisierung, und die auf dem Kapitalismus beruhende Marktwirtschaft. Die Entwicklung ist höchst beeindruckend. Im frühen 19. Jahrhundert waren die Armutsraten in den reichsten Ländern der Welt höher als in den ärmsten Ländern heute. In den USA, England und Frankreich haben in dieser Zeit zwischen 40 und 50 Prozent der Bevölkerung in extremer Armut gelebt. Eine Rate, die man heute nur noch in Subsahara-Afrika findet. Die Zahl der Menschen, die weltweit in absoluter Armut leben (also über weniger als 1,90 Dollar am Tag verfügen), hat sich von 44,4 Prozent im Jahr 1981 auf 9,6 Prozent in 2015 reduziert. Diese Entwicklung ging einher mit der Öffnung von Märkten, die weite Teile Asiens in die globale Arbeitsteilung integriert haben. Mao Zedongs „Großer Sprung nach vorn“ dagegen kostete 45 Millionen Chinesen das Leben. Bei seinem „Experiment“ verhungerten die Menschen oder wurden umgebracht. Erst die marktwirtschaftliche Öffnung unter Deng Xiaoping und die weltweite Liberalisierung der Handelsregeln Anfang der 1990er Jahre unter dem GATT-Abkommen und der WTO brachte den Aufstieg weiter Teile der Welt.
Durch die Arbeit des Agrarwissenschaftlers Norman Borlaug ist die Züchtung von Saatgut gelungen, das parasitenresistent und weniger abhängig von Sonneneinstrahlung war. Die Ernten in einer trockenen Region wie Mexiko versechsfachten sich von 1944 bis 1963, und das Land wurde beinahe über Nacht zu einem Weizenexporteur. Für seine Arbeit bekam Borlaug 1970 den Friedensnobelpreis, weil er dadurch Milliarden Menschenleben gerettet hat. Aber nicht nur das: er rettete durch seine Entwicklungen auch viele Tiere und Pflanzenarten. Millionen von Hektar Wald hätten abgeholzt werden müssen, wenn er das leistungsstärkere Saatgut nicht entdeckt hätte. Der Waldverlust hat sich seit den 1990er Jahren von 0,18 auf 0,008 Prozent verkleinert. Im Amazonas hat die jährliche Abholzungsrate seit 2005 um 70 Prozent abgenommen.
Dank besserem Waldschutz und höherer Ertragszahlen auf den Flächen der Landwirte, durch besseres Saatgut und bessere Anbaumethoden konnte dieser tatsächliche „Große Sprung nach vorn“ erreicht werden. Wachstum und Umweltschutz sind keine Widersprüche, sondern bedingen sich. Sie setzen Fortschritt und technologische Offenheit voraus. Der Irrglaube der Globalisierungskritiker besteht darin, dass sie Wachstum nur quantitativ betrachten und nicht qualitativ. Wachstum verändert sich aber mit steigendem Wohlstand, weil sich die Präferenzen der Menschen mit zunehmender Lebensqualität verändern. Nicht „immer mehr“ ist das Ziel, sondern „immer besser“. „Immer besser“ gilt auch für die Umwelt. Die technische Entwicklung von Filtern, Reinigern, effizienteren Anlagen und Motoren ist nur mit Wachstum und Wohlstand möglich. Und hinzu kommt: nur der Kapitalismus kann dies auch finanzieren. Dem Sozialismus geht dabei immer das Kapital aus. Daher gilt: Verzicht, staatliche Verhaltenslenkung der Bürger oder das Zurückdrehen der Globalisierung schafft nicht weniger Armut, nicht weniger Hunger und Elend, sondern mehr. Der Fortschritt, die Marktwirtschaft und die Globalisierung sind die Garanten dafür, dass immer mehr Menschen in Wohlstand leben können. Denn es gibt kein Ende des Wachstums, wenn die Menschen auf dieser Welt vernünftig bleiben und den Apologeten des Untergangs nicht auf den Leim gehen. Das Leben wird immer besser – heute, morgen und in der Zukunft.
Ich gebe zu, auch ich bin ein „Globaliesierungskritiker“. Aber ich stelle nicht den technischen Fortschritt an sich in Frage oder den globalen Handel, der nicht wirklich frei ist, sondern meine Kritik gilt der globalisierten Politik. Paradoxerweise sind einige „Globalisierunkskritiker“ selber an einer globalisierten Politik interessiert.
Ein weiterer Kritikpunkt: In diesem Artikel meint der Autor, dass Verzicht nicht zum Wachstum führt. Richtiger wäre es m.E. zu sagen: Der richtige Verzicht führt zum gesunden Wachstum. Reine Investitionen und Konsum auf Pump, dank des Fiat-Money-Systems weltweit, führt zu Blasenbildung und Fehlinvestitionen, auch in Technologien.
Die beschleunigte Entwicklung überfordert auch viele Menschen, weil moderne Technik wie eine Black-Box wirkt.
Soweit erstmal.
Es kann nicht darum gehen individuelle Entscheidungen zu „demokratisieren“. Es muss darum gehen, mit transparenter, demokratischer Legitimation die gesetzlichen Rahmenbedingungen für das Wirtschaften zu setzen. National, z.B. für Fleischfabriken, international durch Analyse was, wem, wo nützt und wer, direkt und indirekt, dafür bezahlt. Globalisierung muss eben auch mit Rahmenbedingungen versehen werden. Laissez-fair-Kapitalismus war vor 180 Jahren. Es ist doch nicht zu ignorieren, dass sowohl in den USA, als auch in Europa, mit unterschiedlich heftigen Auswirkungen in den europäischen Sozialstaaten, die Globalisierungs-Folgen nicht ausreichend geregelt wurden. Hayek gibt uns heute keine Antwort auf die Notwendigkeiten die Handelsbedingungen mit China zu regeln. Er würde sich möglicherweise die Augen reiben wenn er damit konfrontiert würde, dass man es heute vernünftig findet, dass ein Kilo Äpfel aus Neuseeland, oder Südafrika, ungefähr genau so viel kostet wie das vergleichbare Produkt aus Deutschland oder Südtirol. Nur, weil, verrückterweise der Transport eines Containers, bezogen auf den Warenwert, rund um die Welt fast nichts kostet – wir aber gleichzeitig unsere Automobilindustrie und die Autofahrer massiv schädigen, weil wir um Abgaswerte und CO-2-Ausstoß besorgt sind. Hayek kann uns nicht helfen Absurdistan aufzuräumen.