Photo: William Bossen from Unsplash (CC 0)

Letzte Woche  haben in der Süddeutschen Zeitung zahlreiche Künstler und Kulturschaffende eine Initiative veröffentlicht, die zur Überwindung der Lasten der Corona-Krise in EU-Europa so genannte Corona-Bonds fordert. Sie schreiben: „Die Länder der Europäischen Union müssen sich – auch im ureigenen deutschen Interesse – ökonomisch maximal gemeinsam solidarisch verhalten und sich gegenseitig absichern. Mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln, unter Einsatz der Kräfte aller einzelnen nationalen Volkswirtschaften, um eine gemeinsame Stabilität herzustellen. Die Lage verlangt konkrete, sofortige Solidarität, sprich: Corona-Bonds zu etablieren, gemeinsame, von den Euro-Staaten emittierte Anleihen.“

Corona-Bonds sind nichts Neues in der politischen Diskussion. Als noch die Euro-Schuldenkrise im Fokus stand, haben die gleichen Leute Euro-Bonds gefordert, um die Schuldenkrise zu lösen. Jetzt bekommt das Kind einen neuen Namen, doch der Inhalt ist der Gleiche. Letztlich geht es um die kollektive Haftung für gemeinsam aufgenommene Schulden. Ja es ist richtig, dass Länder wie Italien und andere ein Schuldenproblem haben. Und ja, es ist richtig, dass deshalb diese Länder in der Corona-Krise besonders belastet werden. Doch derzeit können sich Italien und auch die anderen Euro-Staaten an den Finanzmärkten ausreichend finanzieren. Das ist nicht ihr eigener Verdienst, sondern der Intervention der EZB geschuldet. Sie hat ihr Anleihenaufkaufprogramm erweitert und dadurch die günstige Refinanzierung Italiens gesichert. Heute liegt der Spread auf italienische zehnjährige Staatsanleihen gegenüber deutschen Papieren unterhalb des Niveaus von 2018/2019 während der Koalition der Fünf-Sterne-Bewegung mit der Lega.

Das gilt auch für die anderen Euro-Staaten. 2008 mussten die Euro-Staaten für Schulden im Schnitt noch 4,59 Prozent bezahlen, 2018 waren es nur 2,11 Prozent. Geldknappheit scheint in Italien nicht das Problem zu sein, denn für die Verstaatlichung der maroden Fluglinie Alitalia hat die Regierung immerhin 500 Millionen Euro bereitgestellt. Zwar bin ich kein Freund des ESM, doch sollte der Euro als Ganzes gefährdet sein, dann stünden einzelnen Staaten Kredite des ESM zur Verfügung. Zwar ist die Corona-Pandemie keine hausgemachte Sache, doch die ökonomische und fiskalische Basis eines Landes auf die die aktuelle Pandemie trifft, sehr wohl. Daher gelten auch die Konditionalitäten eines ESM-Kredits. Geld gegen Programm. Oder besser, es kann nur Mittel aus dem gemeinsamen Topf geben, wenn das Nehmerland Veränderungen seiner Haushalts- und Schuldenpolitik vornimmt.

Corona-Bonds würden den Boden des ESM verlassen und ihn nicht nur auf die Euro-Staaten, sondern auf alle EU-Staaten ausdehnen. Dass die EU-Kommission dies befürwortet, ist klar. Sie wollte den ESM immer schon aus dem intergouvernementalen Bereich in das EU-Recht überführen, um letztlich mehr Macht und Einfluss zu gewinnen. Die Kommission hat jede Krise dazu genutzt, um diesem Ziel näher zu kommen. Mit Solidarität hat dies jedoch alles nichts zu tun. Corona- oder Euro-Bonds sind das Gegenteil von Solidarität. Sie kollektivieren die öffentliche Verschuldung in EU-Europa. Solidarität sind freiwillige Handlungen unter Menschen aus Mitgefühl oder Nächstenliebe. Der Geber erwartet für sein freiwilliges Handeln keine Gegenleistung, sondern allenfalls ein Dankeschön.

Unter Staaten ist Solidarität ohnehin kein passender Begriff, denn Staaten handeln interessengeleitet. Das ist unter souveränen Staaten nicht ungewöhnlich, denn die jeweiligen Staaten haben auf die Einnahme- und Ausgabenseite der anderen Staaten gar keinen oder nur einen bedingten Einfluss.

Doch was kann die EU tun, um einzelnen Staaten zu helfen? Drei Dinge: Erstens kann sie bei Naturkatastrophen und außergewöhnlichen Ereignissen (Art. 122 ABS. 2 AEUV) Hilfe leisten. Dafür stehen ihr die Instrumente und Mittel im EU-Haushalt zur Verfügung. Zweitens muss sie sich für die Aufrechterhaltung des europäischen Binnenmarktes starkmachen. Nur wenn die Warenströme schnellstmöglich wieder grenzüberschreitend stattfinden, können die ökonomischen Folgen der Corona-Krise abgemildert werden. Grenzkontrollen innerhalb der EU sind daher Gift für die wirtschaftliche Erholung in Europa. Daher muss die EU-Kommission mit aller Macht darauf drängen, dass der grenzüberschreitende Warenverkehr schnellstmöglich ungehindert stattfinden kann. Und drittens: was für den Binnenmarkt gilt, muss erst recht für den Welthandel gelten. Die EU muss Vorreiter für eine Handelsliberalisierung in der Welt werden und mit gutem Beispiel vorangehen. Sie muss selbst Zölle und Handelsbeschränkungen abbauen. Wenn nicht gegenseitig, dann einseitig. Die Weltwirtschaftskrise ab 1929 hat insbesondere deshalb bis weit in die 1930er Jahre gedauert, weil die Industriestaaten, ausgehend von Amerika, sich eingeigelt und abgeschottet haben. Diesen Fehler sollten wir nicht erneut machen.

Erstmals erschienen bei Tichys Einblick.

1 Antwort
  1. Ralf Becker
    Ralf Becker sagte:

    Das weltweite Geld- und Bankensystem funktioniert gar nicht. Etwa der Bankeninsider Dr. Markus Krall sagt den größten Bankencrash aller Zeiten für das 3. Quartal 2020 voraus. Es gibt aber auch Ökonomen, die nicht daran glauben, dass es einen großen Crash geben wird.

    Sollte es tatsächlich keinen großen Crash geben, was man im Voraus nicht genau weiß, dann wird es uns so ergehen wie dem Frosch im heißen Wasser.

    Setzt man einen Frosch in heißes Wasser, springt er sofort aus dem Topf. Er merkt sofort, dass ihm das nicht gut tut. Setzt man denselben Frosch in einen Topf mit kaltem Wasser und erhitzt das Wasser allmählich, bleibt der Frosch drin sitzen.

    Zu den Vorschlägen, wie die EU helfen könnte:

    Erstens könne die EU bei Naturkatastrophen und außergewöhnlichen Ereignissen (Art. 122 ABS. 2 AEUV) Hilfe leisten. Dafür stünden ihr die Instrumente und Mittel im EU-Haushalt zur Verfügung.

    Hierzu meine ich:
    Die EU kann im Grunde genommen nur zum Preis von immer mehr Schulden, die niemals jemand wieder zurückzahlen kann, insofern helfen.
    Aber gegenüber wem haben wir eigentlich diese vielen Schulden?
    Bei Staatsschulden fragt man sich schon ein wenig, warum es dermaßen viele Schulden gibt, weil es doch außer uns hier niemanden gibt.

    Das Problem ist doch eigentlich die Tatsache, dass wir keine Demokratie haben. In den Parlamenten sitzen nur Lobbyisten, die sich in keiner Weise mit Inhalten beschäftigen und vor allem auch nicht unsere Interessen vertreten. Dabei wäre es durchaus nicht unmöglich, dass man sich mit Inhalten beschäftigt, weil die Funktionsweise unseres Geldes nicht völlig unbekannt ist.
    Und wem gehören eigentlich die Medien?

    Dann sind unsere Politiker meist in den Denkfabriken, die komischerweise ausschließlich von Investmentbankern wie George Soros geleitet werden.

    Die sog. „Liste der Soros“ nennt 226 Abgeordnete in Europa, die unter der vollständigen Kontrolle von George Soros stehen.

    Etwa Alexander Graf Lambsdorff ist Mitglied der Atlantik-Brücke bzw. des ECFR European Council on Foreign Relations und ähnlichen „Clubs“. Er hoffte es seinerzeit, dass Hillary Clinton US-Präsidentin würde. Aber Julian Assange deckte unter anderem auch über Frau Clinton sehr viel Unangenehmes auf und dafür sitzt er jetzt im Gefängnis.

    Dann war doch etwa auch Linda Teuteberg zum Bilderberger Treffen eingeladen. Etwa Robert Fleischer vom Exomagazin erklärt in entsprechenden YouTube Videos die Bilderberger.

    Spiegel am 03.04.19
    Die Bundestagsfraktionen haben dem Bundesrechnungshof zufolge 2013 öffentliche Mittel rechtswidrig für Parteiaufgaben eingesetzt. Im großen Stil die FDP, das ganze Ausmaß lässt sich nicht ermitteln – viele Akten wurden vernichtet.

    Ebenso war doch der Ibiza-Skandal in Österreich der Beweis dafür, dass die Politik weltweit gekauft wird.

    Etwa der Wahlkreis von Alice Weidel nahm dubiose Parteispenden, auch von Immobilienmogulen entgegen und verwendete dieses Geld für Facebook-Likes.

    Die SPD oder die Linke haben aber dermaßen viele Parteispenden auch gar nicht nötig, weil diese Parteien sehr reich sind. Wir können es uns denken, dass die vermeintlich linken Parteien zwar so tun, als würden sie sozial sein wollen, aber wenn man sich deren Inhaltsarbeit sehr genau ansieht, dann ist da wirklich gar nichts mehr sozial.

    Welt am 30.11.2014
    Die Linke streitet darüber, ob die DDR ein Unrechtsstaat war – ihr Firmenvermögen hat sie aber einem Ex-Stasi-Netzwerk anvertraut. Bis zuletzt mittendrin: Bodo Ramelow. Die Union greift ihn scharf an.

    Zweitens müsse sich die Politik für die Aufrechterhaltung des europäischen Binnenmarktes stark machen. Nur wenn die Warenströme schnellstmöglich wieder grenzüberschreitend stattfinden, können die ökonomischen Folgen der Corona-Krise abgemildert werden. Grenzkontrollen innerhalb der EU seien daher Gift für die wirtschaftliche Erholung in Europa.

    Hier bin ich abweichend der Meinung, dass unser derzeitiges Geld- und Bankensystem gar nicht funktioniert, weil sämtliches Geld nur als Schuld gegenüber den Banken entstehen kann.

    Die gesamte Logik unseres Geldes mit „Geld als Schuld“ bzw. mit der Unmöglichkeit des späteren Schuldenabbaus in vielen Bereichen unseres Geldes, die funktioniert so nicht.

    Einfach nur die Absatzchancen für Unternehmen zu verbessern, beseitigt diese schwerwiegenden Fehler unserer „Marktwirtschaft“ keineswegs.

    Und drittens: was für den Binnenmarkt gilt, müsse erst recht für den Welthandel gelten.

    Habe es jedenfalls zum Prometheus-Beitrag: „STANDORTBESTIMMUNG: 10 JAHRE „GRIECHENLAND-RETTUNG“ in einem Zusatzkommentar erklärt, wie unser Handel wirklich funktioniert.
    Unsere vermeintliche Marktwirtschaft ist in Wirklichkeit ein Schneeballsystem mit immer mehr Schulden, die niemals jemand wieder zurückzahlen kann.

    Was die Weltwirtschaftskrise ab 1929 betrifft, war diese jedoch die Folge der weltweit angestiegenen Ungleichheit. Diese Krise war durchaus nicht die Folge von zu wenig „Freihandel“.

    Etwa Gottfried Feder begann seinerzeit, sich autodidaktisch mit Fragen der Finanztheorie auseinanderzusetzen. Im November 1918 schrieb er unter dem Eindruck der deutschen Niederlage sein im folgenden Jahr veröffentlichtes „Manifest zur Brechung der Zinsknechtschaft des Geldes“, in welchem er die Idee formulierte, die Wurzel allen Übels, das über Deutschland hereingebrochen war, seien die Zinsen.

    Weitere Einzelheiten, etwa bei wikipedia.
    Aber würde man ohne den Zins bereits ein funktionierendes Geldwesen haben?

    Habe übrigens zurzeit auf der Webseite von Diem25 im Forum mit Citoyen77 (Gerhard R. aus München, jetzt auch Makroskop-Autor) die Diskussion „Vertiefung Geld Kapital und Zeit“. Dieser hatte sich wohl u.a. auch bei der Geldsystem-Gruppe des inzwischen verstorbenen Arne Pfeilsticker beteiligt.

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