Photo: Tercio Leal from Flickr (CC BY 2.0)

Es wird als großer Fortschritt verkauft: Die Einigung auf „strengere Regeln für faule Kredite“. Kommission, EU-Ministerrat und Parlament haben dies im Dezember ausgehandelt. Die Einigung soll die Gemüter beruhigen. Künftige notleidende Kredite (NPL) sollen schneller wertberichtigt werden. Unbesicherte schneller als besicherte und diese schneller als mit Immobilien unterlegte. Ansonsten müssen diese Banken Kürzungen der Eigenmittel hinnehmen. Auch soll ein Sekundärmarkt für faule Kredite geschaffen werden, um die Verwertbarkeit zu erleichtern. Daran scheint es noch zu mangeln. Wahrscheinlich ist dieser Markt aber deshalb nicht ausreichend entstanden, weil die Abschläge, die die Banken in Kauf nehmen müssten, sie zusätzlich in Schwierigkeiten bringen würde.

Die Europäische Kommission glaubt, dass durchschnittlich 4 Prozent der Kredite in der EU notleidend sind, das heißt, dass sie mehr als 90 Tage nicht oder nicht ausreichend bedient wurden. Vor einem Jahr betrugen die NPL noch 950 Mrd. Euro. Mitte des Jahres waren es „nur“ noch 820 Mrd. Euro. Griechenland führt mit 44,9 Prozent der faulen Kredite die unrühmliche Rangliste der Länder in Europa an, die den höchsten Anteil an NPLs haben. Danach folgen Zypern (28,1 %), Portugal (11,7 %) und Italien (10 %). Am besten stehen Luxemburg (0,6 %), Finnland (1,1 %), Schweden (1,3 %) und Deutschland (1,7 %) da. Soweit die offiziellen Zahlen. Doch was ist von der Einigung zu halten?

Nichts. Der Grund ist, dass die Regulierung der Kreditvergabe in der Zukunft nicht die Probleme der Vergangenheit löst. Der europäische Bankensektor ist zombifiziert. Die Zahlen sind nicht nur von den Banken selbst geschönt, sondern auch von der EZB und der Kommission. Denn alle Teilnehmer haben ein großes Interesse daran, dass die Zahl der NLPs sinkt. Sie wollen eine Europäische Einlagensicherung schaffen und deren Voraussetzung ist die Reduzierung der notleidenden Kredite auf 2,5 Prozent. So haben es die Finanzminister in der Euro-Zone vereinbart. Schon heute definieren EZB und die europäische Bankenaufsicht EBA die NPLs sehr unterschiedlich. Die EBA definiert ein Volumen von 820 Milliarden Euro (4 Prozent) als notleidend, die EZB jedoch nur 721 Mrd. Euro (3,4 Prozent). Schon daran sieht man, dass es an einer einheitlichen Definition fehlt. Im Zweifel nimmt man die Definition der NPLs, die besonders niedrig erscheint.

Der entscheidende Grund ist aber, dass die notleidenden Kredite nur deshalb so gering sind, weil die EZB ihren Leitzins auf Null hält und damit Insolvenzen von Unternehmen und Privathaushalten verhindert. Würden diese Marktteilnehmer Marktpreise für ihre Kredite bezahlen müssen, wären viele am Ende. Und viele Banken würde dann einen weiteren Anstieg der notleidenden Kredite nicht überleben. Die EZB hält alle am Leben, doch sie sind viele sind längst scheintot.

Die Gefahr ist aber nun, dass andere mit hineingezogen werden. Nicht nur durch eine Vergemeinschaftung der Einlagensicherung. Allein durch den Zinssatz für die Einlagefazilität, also das Übernachtparken von Geld bei der EZB, verlieren die Banken Milliarden Euro im Jahr. Das ist nicht unerheblich, wenn man bedenkt, dass US-Banken hierfür nicht 0,4 Prozent – wie bei der EZB – bezahlen müssen, sondern 2,5 Prozent verdienen. Allein dieser Sachverhalt macht sie europäischen Banken, die noch gesund sind, im internationalen Wettbewerb zu Nachzüglern. Soviel Geld können sie in ihrem klassischen Geschäft gar nicht verdienen, wie die US-Banken alleine durch diesen Umstand zusätzlich an Erträgen erzielen.

Was bleibt von der Einigung zu den NPLs übrig. Eigentlich nicht viel. Ohne eine Änderung der Zinspolitik der EZB wird es keine wirkliche Konsolidierung bei den NPLs geben. Im Gegenteil: durch diese Entwicklung werden auch weitere Banken zu Zombiebanken. Und ohne Reformen in den Mitgliedsstaaten, die über eine Haushaltskonsolidierung und einer Rückführung des Defizits hinausgehen, wird die Situation nicht besser. Wachstum entsteht nicht durch billiges Geld oder die Vergemeinschaftung von Risiken, sondern durch marktwirtschaftliche Reformen im eigenen Land, die die Eigentumsrechte und die Vertragsfreiheit des Einzelnen stärken.

Erstmals erschienen bei Tichys Einblick.

Photo: Dan Whale from Unsplash (CC 0)

Genug der Weihnachtsgeschichten – wir machen uns in diesem Jahr einmal Gedanken darüber, was sich ändern sollte im nächsten Jahr. Fünf politische Vorsätze für das neue Jahr:

Vor dem Ausblick kommt der Rückblick

Das Jahr 2018 dauert noch 10 Tage. 2018: das Jahr, in dem ein geistig umnachteter Berater Donald Trump verklickert, Handelskriege seien ein gutes Instrument in der internationalen Politik. Das Jahr, in dem Angela Merkel ihrem Kollegen Horst Seehofer vormacht, wie man in Würde von einem Parteiamt zurücktritt, während selbiger häufiger von Rücktritt redet als man während einer Maß Bier „Prosit!“ sagen kann. 2018, das so manche Geschichte des Scheiterns schreibt: die (ehemalige) „Mannschaft“, die bei der Weltmeisterschaft in Russland wegen des falschen Hotels gegen Südkorea verliert und in der Vorrunde ausscheidet. Oder aber die britische Premierministerin Theresa May, die daran scheitert, einen Austritts-Deal auszuhandeln, der auch nur einen einzigen Briten außer ihr selbst überzeugt. Ja, und der HSV ist in die zweite Bundesliga abgestiegen.

All dies wird wohl hinreichend in den einschlägigen TV-Jahresrückblicken von Günther Jauch und Co. betrachtet, die in den drei Wochen zwischen Weihnachten und Neujahr ausgestrahlt werden, in denen wir endlich einmal Zeit für all die aufgeschobenen Aufgaben und Bücher haben. Warum also nicht schon jetzt den Blick nach vorne richten und auf der Suche nach Inspiration „Brigitte“, „Stern“ oder aber „Zeit“ (für die Anspruchsvollen) zur Hand nehmen? Fünf politische Vorsätze für das Jahr 2019:

1) Alte Freunde in schwierigen Zeiten unterstützen

So manch guter Freund Deutschlands befindet sich auf Abwegen. Der derzeitige US-Präsident stapft wie ein Elefant, der zu viele durchgebratene Steaks hatte, durch den diplomatischen Porzellan-Laden. Und unser nächster Partner Großbritannien spielt „Blinde Kuh“ mit den 27 Noch-Partnern in der EU. Im Jahr 2019 sollten wir diesen beiden Freunden viel Verständnis und Ehrlichkeit entgegenbringen. Echte Freunde sind nicht gleich eingeschnappt und schmieden große Rachepläne. Jeder hat mal ein schlechtes Jahr (oder einen schlechten Präsidenten). All der Irritationen zum Trotz sollte sich Deutschland zu den Werten bekennen, für die diese beide Freunde lange selbst eintraten: Multilateralismus, Freihandel und Kooperation.

Denn wie Clemens Schneider kürzlich schrieb: „Eine multilaterale Gesinnung und Politik zu verfolgen, heißt im Übrigen keineswegs, dass man auf Auseinandersetzungen verzichten müsste oder keinen eigenen Standpunkt haben dürfte. Ganz im Gegenteil: gerade dadurch, dass verschiedene Akteure ihre Interessen und Überzeugungen einbringen, kann man Problemlösungen näherkommen.“

2) Endlich sparsamer sein

Die Steuereinnahmen sprudeln, die Steuerquote ist so hoch wie seit 1989 nicht mehr, Deutschland nähert sich der Vollbeschäftigung. Gute Zeiten also, um ein paar Wahlgeschenke zu verteilen? Darf es ein zukunftsweisendes Rentenpaket sein? Oder aber endlich zwei Tablets für jeden deutschen Schüler? Das Geld ist doch nun mal da! Von dieser Logik sollten wir uns endlich verabschieden. Nur weil der Steuerzahler seinen gewählten Vertretern immer mehr Geld zur Verfügung stellt, sollte das nicht zu einer Ausgabenautomatik führen. Am besten ist Steuergeld immer noch bei denen aufgehoben, die es erwirtschaften.

Oder wie Alexander Fink im Juli dieses Jahres schrieb: „Genügt eine staatliche Leistung den Ansprüchen nicht, sollte nicht der Ruf nach dem Einsatz zusätzlicher Ressourcen folgen, sondern eine kritische Betrachtung des bereits erfolgenden Ressourceneinsatzes.“

3) Weniger rauchen, ohne zuzunehmen

Die Welt raucht zu viel. Niemand sollte ernsthaft bezweifeln, dass die Verbrennung fossiler Energieträger gesundheits- und umweltschädlich ist. Das soll natürlich kein Grund für die Deindustrialisierung sein. Doch es sollte ein Grund sein, darüber nachzudenken, welche Energieträger besser dafür geeignet sind, unsere Zivilisation am Laufen zu halten und den Menschen überall auf der Welt Wohlstand zu ermöglichen. Die Antwort ist noch offen und darin liegt das politische Problem. Zwar raucht die deutsche Energiewirtschaft mittlerweile sprichwörtlich weniger, doch geht das zu Lasten des Verbrauchers, der durch die EEG-Umlage Energieträger mit exorbitanten Summen subventioniert, von denen niemand weiß ob sie tatsächlich jemals effizient betrieben werden können. Weniger rauchen, ohne zuzunehmen, oder weniger Kohle und Öl verbrennen, ohne das Geld der Verbraucher zu verbrennen. Darin liegt eine der zentralen Aufgaben der Politik in den nächsten Jahren.

Alexander Fink und Kalle Kappner haben im November eine Idee dazu vorgestellt: „Als Alternative zur teuren und inflexiblen Subventionspolitik bietet sich die Beteiligung der Bundesregierung am europäischen Emissionshandel an. Kauft die Bundesregierung Unternehmen Zertifikate ab und lässt diese anschließend ungenutzt verfallen, entspricht dies einer durch die deutschen Steuerzahler finanzierten Reduktion der weltweiten Emissionen.“

4) Abnehmen

Überregulierung ist wie Übergewicht. Ein Land, das zu viele Regulierungen auf die Waage bringt, wird träge und unflexibel. Die Regulierungswut der deutschen Parlamente und Behörden treibt viele Entrepreneure in den Wahnsinn – oder aber gleich nach Estland. Vom Handwerk, über die Digitalwirtschaft bis zu Finanzprodukten: kaum ein Lebensbereich ist mehr sicher vor dem vermeintlichen Heilsbringer Regulierung. Deutschland muss auf Regulierungsdiät. Denn Regulierung sollte in begründeten Einzelfällen lediglich allzu krasse Informationsungleichgewichte oder wettbewerbsgefährdendes Marktverhalten verhindern. Wenn die Kosten für eine Regulierung aber weit höher als der Nutzen für den Bürger sind, dann müsste auch die Regulierung obsolet sein.

Denn wie Frank Schäffler im Oktober dieses Jahres schrieb: „Heute verlieren die Marktwirtschaft und ihre Orientierung am Konsumenten leider ebenfalls zunehmend an Bedeutung. Das liegt daran, dass diejenigen, die wahrscheinlich auf der Strecke bleiben, das Prinzip der Marktwirtschaft umgehen wollen. Sie nehmen auf die Regulierer und den Gesetzgeber Einfluss.“

5) Offen für Neues sein

Zuletzt ein Blick weit in die Zukunft. Sicher, ein gesundes Maß an Skepsis kann vernünftig sein, doch Zukunftsangst und Planungsgier dürfen nicht Überhand nehmen. Man kann nicht alles im Leben planen und Innovation entsteht am Ende meist aus Unordnung. Es ist der Kerngedanke der offenen Gesellschaft, einander zu respektieren und voneinander zu lernen. Eine offene Gesellschaft funktioniert dezentral und ermöglicht einen bottom-up Innovationsprozess, der auf den individuellen Erfahrungen aller Menschen beruht. Für die Politik bedeutet das ganz konkret, nicht das selbst favorisierte Lebensmodell auf Teufel komm raus durchzusetzen, sondern möglichst viel Selbstverantwortung zu ermöglichen. Egal ob im Bereich Migration, Digitalisierung oder Mobilität: der zentrale staatliche Plan kann hier nur durch Zufall Probleme lösen, viel besser geeignet ist der Wettbewerb der Ideen.

Oder wie ich selbst zu Beginn des Jahres feststellte: „Gerade junge Menschen begeistert oft die Vision einer geplanten und mithin geschlossenen Gesellschaft, die mit alternativen Wirtschaftsformen all unsere Probleme löst. Der Kapitalismus sollte eine Gegenbewegung begründen. Nicht (nur), weil er zu mehr Wohlstand führt und ökonomisch Sinn ergibt. Sondern weil er als Projekt der offenen Gesellschaft, geprägt von Toleranz und Pluralismus, die Herzen erobern kann.“

Photo: Juliane Liebermann from Unsplash (CC 0) 

Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues und Fabian Kurz, Doktorand der Volkswirtschaftslehre. 

Die gute Nachricht ist, dass Armutsbekämpfung und Klimaschutz langfristig keine Gegensätze sind. Eine zügige Verbesserung der Lebensumstände der Ärmsten wird in der kurzen Frist zu einer Steigerung der Umweltbelastung führen, sie aber langfristig dadurch senken, dass zukünftige Generationen kleiner ausfallen werden.

Entwicklung der Weltbevölkerung: Gute Nachrichten für Mensch und Planet

Ein maßgeblicher Einflussfaktor auf das Ausmaß des menschengemachten Klimawandels ist die Größe der Weltbevölkerung. Für sich genommen erhöht eine größere Bevölkerung die Nutzung von Ressourcen und es werden mehr Treibhausgase emittiert. Die Annahme, das Bevölkerungswachstum der vergangenen Jahrzehnte werde sich fortsetzen, ist weit verbreitet. Doch das Bevölkerungswachstum hat bereits deutlich abgenommen und wird weiter zurückgehen. Hans Rosling analysiert in seinem posthum veröffentlichten Buch „Factfulness“ unter anderem die verbreitete Furcht vor einer Bevölkerungsexplosion und räumt mit einem Missverständnis auf: Das Leben von Kindern in armen Ländern zu retten, erhöht das Bevölkerungswachstum nicht, sondern verringert es. Armutsbekämpfung und Klimaschutz sind langfristig keine Gegensätze.

Prognosen geben Entwarnung

Die Vereinten Nationen rechnen in den nächsten Jahrzehnten nicht mit einer explodierenden Bevölkerungszahl. Das Bevölkerungswachstum schwächt sich bereits heute ab. Laut aktueller Prognosen der Vereinten Nationen wird die Gesamtbevölkerung ab 2100 nahezu stagnieren.

Lag das Wachstum in den 1970ern noch bei über 2 Prozent pro Jahr, wuchs die Bevölkerung im Jahr 2015 noch um 1,14 Prozent. Im Jahr 2100 wird die Weltbevölkerung von heute etwa 7,4 Milliarden laut Prognose auf 11,2 Milliarden angestiegen sein und jährlich fast gar nicht mehr wachsen (0,09 Prozent).

Massiver Geburtenrückgang

Warum gehen die UN-Experten davon aus, dass sich das Bevölkerungswachstum weiter abschwächen wird? Eine der wichtigsten Größen für die Prognose der Bevölkerungsentwicklung ist die Geburtenrate. Die Anzahl der Geburten pro Frau ist in den vergangenen 50 Jahren erheblich gesunken. Im Jahr 1800 bekamen Frauen weltweit im Durchschnitt sechs Kinder. Die Geburten pro Frau lagen 1965 immer noch weltweit im Durchschnitt bei 5 Kindern. Heute liegt der weltweite Durchschnitt bei 2,5.

Die Prognosen der UN stützen sich jedoch nicht auf die Annahme, dass die Geburtenrate weiter sinken wird, sondern vor allem auf die bereits gesunkene Geburtenrate. Dieser Rückgang trägt erheblich dazu bei, dass die Bevölkerungsprognosen moderat ausfallen.

Mehr Erwachsene

Die UN-Experten erwarten angesichts der gesunkenen Geburtenraten, dass es im Jahr 2100 etwa so viele Kinder gibt wie derzeit. Das prognostizierte Bevölkerungswachstum wird also nicht aufgrund einer Steigerung der Geburtenrate erwartet.

Vielmehr wird das Bevölkerungswachstum bis zum Jahr 2100 vor allem durch einen Anstieg der Anzahl erwachsener Menschen getrieben. Hans Rosling bezeichnet dies als „Fill-up“-Effekt. Bereits geborene Kinder und deren Eltern werden älter und ersetzen kleinere ältere Generationen. Die nachstehende Grafik verdeutlicht diesen Effekt in vereinfachter Form. Innerhalb von drei Generationen ist der „Fill-up“-Effekt beendet und das Bevölkerungswachstum stagniert bei einer Geburtenrate von etwa zwei Kindern pro Frau.

Arme Familien haben mehr Kinder

Familien in armen Gesellschaften haben auf der ganzen Welt mehr Nachwuchs als Familien in wohlhabenden Gesellschaften. Familien in extremer Armut sind auf Kinderarbeit auf dem Feld angewiesen. Das war auch in Deutschland und Polen um 1800 der Fall und ist es bedauerlicherweise heute noch in armen Ländern.

Dieser Trend ist über alle Regionen, Religionen und Kulturen beobachtbar – ob in Deutschland, dem katholischen Polen oder dem islamischen Iran. Sobald Menschen extremer Armut entfliehen, sinken die Geburtenziffern. Hohe Geburtenraten sind die mittelbare Folge von Armut und mit ihr einhergehender hoher Kindersterblichkeit.

Paradoxer Effekt

Der Armut zu entrinnen bedeutet auch, dass Kinder die Geburt und die ersten Lebensjahre überleben. Für sich allein betrachtet führt eine geringere Kindersterblichkeit durch weniger Armut zu schnellerem Bevölkerungswachstum. Doch dies ist nicht der einzige Effekt. Die niedrigere Kindersterblichkeit führt auch dazu, dass Eltern weniger Kinder bekommen. Dieser zweite Effekt verlangsamt das Bevölkerungswachstum.

Armut kann überwunden werden

Die institutionellen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Überwindung von Armut sind bekannt: Marktwirtschaftlich organisierte Demokratien geprägt von sicheren Eingentums- und anderen Persönlichkeitsrechten, in denen die Allokation von Gütern und Eigentumsrechten über Märkte erfolgt und der Zugang zu politischer Macht für alle offen ist.

Unter welchen Voraussetzungen Gesellschaften florieren, wissen wir. Darüber, wie die notwendigen Voraussetzungen geschaffen werden können, wissen wir nur wenig. Dennoch stimmt die Entwicklung in den letzten Jahrzehnten optimistisch. In den vergangenen 20 Jahren hat sich der Anteil der in extremer Armut lebender Menschen halbiert. So vielen Menschen sind noch nie zuvor in einer solch kurzen Zeitspanne der extremen Armut entflohen.

Gute Nachrichten für Mensch und Planet

Je mehr Generationen in Armut aufwachsen, desto mehr noch größere Generationen folgen diesen armen Generationen. Deshalb werden die Umweltprobleme durch einen Bevölkerungsanstieg umso schwerwiegender, je weiter die Ausmerzung absoluter Armut in der Zukunft liegt. Denn die Zahl derer, die den Schritt von einem Leben in absoluter Armut mit wenigen Pro-Kopf-Emissionen zu einem Leben in moderatem Wohlstand mit deutlich höheren Emissionen nehmen, fällt umso höher aus, je länger Menschen in absoluter Armut leben und in ihrer Not relativ viele Kinder bekommen.

Die gute Nachricht ist, dass Armutsbekämpfung und Klimaschutz langfristig keine Gegensätze sind. Eine zügige Verbesserung der Lebensumstände der Ärmsten wird in der kurzen Frist zu einer Steigerung der Umweltbelastung führen, sie aber langfristig dadurch senken, dass zukünftige Generationen kleiner ausfallen werden. Der Einsatz für das bekannte Wohlstandsrezept, bestehend aus der Kombination von Marktwirtschaft und Demokratie, ist also nicht nur geboten, um Menschen ein sicheres Leben mit weniger materialistischen Sorgen zu ermöglichen, sondern auch umweltpolitisch.

Erstmals veröffentlicht bei IREF.

Photo: Eli DeFaria from Flickr (CC 0)

Aktuell wird viel über disruptive Technologien und ihre Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft gesprochen. Disruptiv sind allerdings nicht technologische Neuerungen. Selbst das Internet setzte sich nicht über Nacht durch, sondern über Jahre. Wirklich disruptiv sind politische Entscheidungen. Sie können von heute auf morgen Chaos produzieren. In diese Kategorie gehört die Brexit-Entscheidung in Großbritannien. Vertrauensabstimmungen werden angesetzt, die Abstimmung über das Brexit-Abkommen kurzfristig verschoben und vielleicht kommt es sogar zu Neuwahlen. Selbst eine erneute Abstimmung der Briten kann nicht mehr ausgeschlossen werden. In diesem Umfeld sind Investitionen von Unternehmen unkalkulierbar und die Gefahr für ökonomische Verwerfungen groß. Der Brexit ist das größte ökonomische Risiko im kommenden Jahr.

Es ist daher schon erstaunlich, dass die EU, die Bundesregierung und selbst viele Wirtschaftsverbände für eine harte Position gegenüber Großbritannien eintreten. Denn die Risiken sind nicht nur auf das Vereinigte Königreich beschränkt, sondern sind auf beiden Seiten des Kanals enorm. Für 320 Milliarden Euro exportieren europäische Unternehmen Waren und Dienstleistungen auf die Insel und umgekehrt britische Unternehmen für 196 Milliarden Euro auf den Kontinent.

In dieser Diskussion geht völlig verloren, welche Lehren die Europäische Union aus der Brexit-Entscheidung zieht. Bislang war die Strategie der Kommission und der großen EU-Staaten an Großbritannien ein Exempel zu statuieren, damit nicht weitere Staaten die Union verlassen. Daher durften die Zugeständnisse in Richtung britischer Regierung auch nicht zu groß sein. Jetzt fällt diese Strategie in sich zusammen. Wahrscheinlich wird das Abkommen keine Mehrheit im Unterhaus finden, und es droht der harte Brexit. Doch ein harter Brexit ist ein zu hoher Preis für diese Strategie. Es ist sogar eine ziemlich armselige Strategie. Wenn ein politisches Projekt wie die Europäische Union nur durch Druck und Zwang zusammengehalten werden kann, dann machen die verbleibenden 27 Mitgliedsstaaten einen schweren Fehler.

Wo ist eigentlich die Diskussion um eine Reformagenda der Europäischen Union an Haupt und Gliedern? Auch das Weißbuch, das Jean Claude Juncker im März 2017 vorgestellt hat, blieb nur geduldiges Papier. Seitdem ist wenig passiert. Insbesondere konkrete legislative Vorschläge fehlen. Das liegt in erster Linie daran, dass die Staats- und Regierungschefs und die Kommission Angst vor der eigenen Bevölkerung haben. Sie trauen sich keinen großen Wurf zu, weil sie befürchten, dass die Bevölkerung ihn wie 2004 bei der Abstimmung über den Verfassungsvertrag stoppt. Dieses Trauma wirkt immer noch nach.

Die Veränderungsfähigkeit ist aber eine notwendige Bedingung für die Zukunft der Europäischen Union. Zu Beginn dieser Debatte muss eine Stärke-/Schwäche-Analyse stehen. Zu den Stärken gehört zweifellos der gemeinsame Markt. Er ist mit 500 Millionen Menschen einer der größten der Welt. Die Osterweiterung der EU hat nicht nur in den ehemaligen Ostblockstaaten zu Wohlstand geführt, sondern auch bei uns. Viele Unternehmen konnten ihre Produktion verlagern und so Kostenvorteile nutzen, um damit ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern.  Sicherlich hätte auch das eine oder andere Land den Aufstieg alleine geschafft, aber nicht in dieser Breite. Doch schon hier zerstören einige Mitgliedsstaaten und die Kommission diese Vorteile. Aktuelles Beispiel ist die Verschärfung der Entsenderichtlinie, die ausländische Anbieter verpflichtet, den ortsüblichen Tariflohn des Landes zu bezahlen, wo die Dienstleistung erbracht wird. Damit wird der Dienstleistungsmarkt kaputt gemacht, weil der administrative Aufwand so groß ist, dass der grenzüberschreitende Dienstleistungsmarkt dadurch zum Erliegen kommt.

Zu den Schwächen der Europäischen Union gehört, dass sie statisch auf eine immer engere Union setzt. Der ehemalige britische Premier David Cameron hatte beim Europäischen Rat im Frühjahr 2016 durchgesetzt, dass Mitgliedsstaaten vom Grundsatz der „ever closer union“ abweichen dürfen. Cameron hat die Brexit-Abstimmung anschließend dennoch verloren.

Eigentlich müsste jetzt die Abkehr von der immer engeren Union eingeleitet werden. Nicht jedes Mitgliedsland muss jede Entwicklung mitmachen. Und nicht jede Entscheidung für eine engere Zusammenarbeit ist auf Dauer in Stein gemeißelt. Ein Irrtum oder eine veränderte Sichtweise muss auch wieder korrigierbar sein. Kurz: die Europäische Union muss atmen. Nicht nur aus der EU muss man geordnet aussteigen können, sondern auch aus dem Euro. Immer dann, wenn es um die Abgabe von staatlicher Souveränität auf die europäische Ebene geht, muss es ein Rückholrecht der Mitgliedsstaaten geben. Alleine die vier Grundfreiheiten aus Waren- und Dienstleistungsfreiheit, Kapitalverkehrsfreiheit und Personenfreizügigkeit sollten alle verbinden. Dies würde auch die Zentralisierungstendenz in der EU mildern. Die Übereinkunft zur Abkehr von der immer engeren Union, die Cameron 2016 ausgehandelt hatte, wurde seitdem in den Giftschrank gesperrt.

Es darf einen nicht wundern, wenn die Fliehkräfte innerhalb der Europäischen Union daher immer größer werden. Wenn selbst solche Änderungen gleich zur Grundsatzfrage erklärt werden, dann ist die Europäische Union nicht groß, sondern ganz klein.

Dieser Artikel ist erstmals erschienen in der WirtschaftsWoche.

Photo: Anita Jankovic from Unsplash (CC 0)

Weil Bildung eine so zentrale Rolle im Leben des Menschen spielt, ist der Wunsch weit verbreitet, sie für alle möglichst gut zu organisieren. Das Problem ist, dass es sich dabei um höchst individuelle und persönliche Prozesse handelt, bei denen zentrale Fernsteuerung oft mehr schadet als nutzt.

Die Statistik-Illusion

Anna geht auf ein Gymnasium in NRW und Alex auf eines in Thüringen. Unter Berücksichtigung aller Statistiken müsste Anna sehr viel schlechter dran sein als Alex: NRW belegte 2015 den letzten Platz bei Bildungsausgaben und den vorletzten beim Bildungsmonitor, Thüringen hingegen belegt in beiden Kategorien den zweiten Platz. Freilich kommt in diesen Zahlen nicht zum Ausdruck, dass Annas Akademiker-Eltern genug verdienen, um ihr hervorragende Nachhilfe zu bezahlen; dass sie auf einem der ältesten Gymnasien des Landes ist, wo die Lehrer hochmotiviert sind; dass sie zweisprachig aufgewachsen ist und ihre Großmutter früher Physiklehrerin war. Genauso wenig ist in der Statistik zu sehen, dass Alex der erste in seiner Familie ist, der aufs Gymnasium geht; dass viele seiner Lehrer ein Problem mit ihm haben, weil er etliche Piercings im Gesicht hat; dass er sich nachmittags noch um seine Geschwister kümmern muss und dass er Basketball aufgeben musste, seit seine Mutter das Auto verkauft hat.

Das Problem mit Zahlen und Statistiken ist, dass sie nicht einmal ansatzweise konkrete Situationen darzustellen vermögen. Sie dienen natürlich der Orientierung, aber gerade an der so gern beschworenen Chancengleichheit vermögen sie nicht das Geringste zu ändern. Und die wie ein Totem verehrte Vergleichbarkeit wird dadurch erst recht nicht erfasst. Die Noten, die am Ende bei Anna und Alex auf dem Zeugnis stehen werden, hängen nur in sehr geringem Maße von der Ausgestaltung und finanziellen Ausstattung des jeweiligen Schulsystems ab. Schon die Noten von zwei Schülern aus unterschiedlichen Klassen an derselben Schule sind oft alles andere als vergleichbar – keineswegs nur in Fächern wie Deutsch oder Geschichte. Wenn die eine Mathelehrerin ihrem Beruf mit Herzblut nachgeht, während der andere sich vor allem wegen der attraktiven Arbeitszeiten für den Job entschieden hat, kann man nicht im Entferntesten davon reden, dass die Noten der 10a und der 10b vergleichbar seien.

Bildungspolitischer Budenzauber

Was macht eine gute Schule aus? Heerscharen von Politikern, Bildungsforschern, Pädagogen und Eltern haben sich den Kopf darüber zerbrochen. Das Ergebnis war eine Fülle an Experimenten, die hoch angepriesen wurden, von einer Nachfolge-Regierung dann wieder verschämt verscharrt wurden, nur um wenige Jahre später wieder als Innovation ausgebuddelt zu werden: Gesamtschulen, Kollegstufe, Ganztagsschulen, G8, G9, G8, G9, G8,5 … Der etwas undramatischere Lösungsansatz heißt in der Regel Geld. In die Richtung zielt ja auch die projektierte Grundgesetzänderung. Angestrebt wird eine „Investitionsoffensive für Schulen in Deutschland“, deshalb will man „die Möglichkeiten des Bundes zu einer aufgabenbezogenen Mitfinanzierung der Aufgabenwahrnehmung durch die Länder … erweitern“.

Quellen: INSM Bildungsmonitor; Statistisches Bundesamt

Wie das Totem der Vergleichbarkeit umgibt das Versprechen von mehr Investitionen auch eine magische Aura. Oder etwas banaler formuliert: wenn wieder mehr Geld für Bildung versprochen wird, erinnert das manchmal an den Besuch in einer Spielhölle. Und nochmal einen Euro eingeworfen – diesmal muss es klappen. Aber es klimpert nicht, und die Münze ist einfach weg. Man muss nur einmal die Bildungsausgaben der Bundesländer mit ihrem Abschneiden beim Bildungsmonitor vergleichen. Geld scheint weder positive noch negative Effekte zu haben. (So viel zum Thema Mess- und Vergleichbarkeit). Keiner wird sich gegen mehr Geld, neue Tablets oder eine Aufstockung des Betreuungsangebots sträuben. Die Frage ist nur: erreicht man so das erwünschte Ziel? Und daraus ergibt sich automatisch die davor liegende Frage: Was ist denn überhaupt das Ziel?

Nicht Dienst nach Vorschrift, sondern Dienst nach Begeisterung

Das Ziel müsste sein, dass Anna und Alex in ihrer jeweiligen Situation das Beste aus ihrem Leben machen können. Nun sind die beiden ebenso wie die anderen 11 Millionen Schüler in unserem Land sehr unterschiedliche Persönlichkeiten in sehr verschiedenen Umständen. Was sie brauchen, wie man sie am besten fördert, in welchem System sie sich am besten entfalten, kann kein Abgeordneter, kein Kultusminister und kein Schulamt beurteilen. Am ehesten können das noch diejenigen einschätzen, die sie wirklich kennen, also ihre Eltern, und diejenigen, die sie nicht nur kennen, sondern jahrelang dafür ausgebildet wurden, also ihre Lehrer und Schulleiter. An diesen Stellen entscheidet sich, wo die Reise für die jungen Leute hingeht. Die neuesten Tabletts nutzen nichts in der Hand schlechter Lehrer und die besten Turnhallen bringen nichts, wenn sich Pädagogen nicht für ihre Schüler interessieren.

Die Antwort auf die Herausforderung, die jungen Menschen unseres Landes so gut wie möglich für ihr Leben vorzubereiten, ist leider nicht so einfach zu geben. Es ist nicht einfach getan mit Investitionen und Systemveränderungen, auch wenn beides nicht grundsätzlich falsch sein muss. Aber die Fixierung darauf lenkt ab vom Kernproblem. Der entscheidende Punkt muss sein, dass Lehrer und Pädagogen ihre Verantwortung erkennen und wahrnehmen. Je mehr sie dabei durch Politik und Bürokratie gegängelt werden, desto mehr verschwindet auch das persönliche Verantwortungsbewusstsein. Gerade diese Menschen sollten (und wollen oft) nicht Dienst nach Vorschrift machen, sondern Dienst nach Begeisterung.

Verantwortung, wo sie hingehört

Wenn man Bildung, anstatt sie noch mehr zu zentralisieren, viel stärker dezentral gestalten würde, könnte man die Möglichkeiten, jeder Schülerin individuell gerecht zu werden, deutlich erhöhen – und das ist die wahre Chancengleichheit. Schulen müssen möglichst viel Autonomie haben, um sich auf ihre Schüler einstellen zu können und im Zusammenwirken von Pädagogen, Eltern und Schülern die richtigen Methoden zu finden. Es muss Freiraum geben für Experimente und Innovation, Schulleitungen müssen selbst entscheiden können, wie sie finanzielle und personelle Ressourcen am besten einsetzen. Warum sollten wir bildungspolitischen Sprechern und Ministerialbürokraten mehr vertrauen als den Lehrern unserer Kinder?

Es ist auch an der Zeit, sich vom Vergleichbarkeits-Totem zu lösen. Der Wechsel innerhalb derselben Schule in eine Parallelklasse kann dramatischer ablaufen als der zwischen zwei Bundesländern. Nicht nur Pädagogen sollten wir mehr zutrauen, sondern auch den Kindern und Jugendlichen – sie sind oft klüger und auch flexibler als wir meinen. Wir dürfen Bildung nicht als einen schematischen Vorgang denken, wo es nur darauf ankommt, die richtige Schablone zu finden, und sie mit viel Geld festzukleben. Bildung ist ein dynamischer Prozess, der besonders gut in der Kombination aus Freiheit und Verantwortung gedeiht. Die wenigen freien Schulen, die es gibt, zeigen in der Regel eindrucksvoll: dies ist das Umfeld, in dem Schüler und Lehrer gleichermaßen die erstaunlichsten Ergebnisse zeitigen können.