Photo: National Portrait Gallery from Wikimedia Commons (CC 0)

Neulich war ich mal wieder in London. Was bei einem Besuch in dieser grandiosen Stadt für mich nie fehlen darf, ist ein Besuch in der National Portrait Gallery. Sie ist eine Art besonders gut aussehendes Geschichtsmuseum, weil sie Bilder von allen möglichen bedeutenden Gestalten britischer Geschichte vereint. Man blickt diesen Leuten direkt ins Auge und kann so Geschichte für einen selbst lebendig werden. Natürlich finden sich dort die Monarchen und ihre Familien, Premierminister und Generäle, aber auch prägende Persönlichkeiten aus anderen Bereichen wie

Kunst und Wissenschaft. Für mich ist es immer auch ein Wiedersehen mit einigen meiner größten Vorbilder und besonderen Freunde wie etwa mit den Philosophen Adam Smith und David Hume, dem Abolitionisten William Wilberforce, der Anti-Slavery Society Convention, den Schriftstellerinnen Mary Wollstonecraft und Harriet Martineau, dem Freihandelsaktivisten Richard Cobden und dem Politiker William Ewart Gladstone.

Photo: International Catholic Migration Commission from Flickr (CC BY-ND 2.0)

Das Geschäftsvolumen der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit betrug im Jahr 2011 2.032 Milliarden Euro, inflationsbereinigt sind das 2.868 Milliarden. Laut dem Geschäftsbericht von 2023 sind wir inzwischen bei 3.968 Milliarden angekommen. Angesichts des Kahlschlags bei USAID sollte man meinen, dass hier noch lange nicht das Ende der Fahnenstange erreicht ist. Muss da nicht Deutschland auch einspringen, um die westliche Präsenz aufrecht zu erhalten? Schließlich war die US-Behörde einst von Kennedy auch zu dem Zweck ins Leben gerufen worden, den sowjetischen Lockungen im sich entkolonialisierenden Süden die prallen Portemonnaies kapitalistischer Soft Power entgegenzusetzen.

Das Problem ist allerdings, dass Bürokratien wie die GIZ Brutstätten für Ineffizienzen und Privilegienwirtschaft sind. Wenn man deren Budget weiter erhöht, wird das womöglich weit überproportional in Personalausbau gehen, um Absolventen des Studiums internationale Beziehungen einen diplomatischen Lebensstil zu finanzieren (der das mit der soft power auch gerne mal entwertet). Wer zum Beispiel in Sambia an einer Bewässerungsinfrastruktur mitarbeitet oder in Malaysia ein Projekt zur Ausweitung von Mädchenbildung betreut und mithin länger als neun Stunden von Deutschland aus fliegt, kann es sich unterwegs auch in der Business Class gemütlich machen. Aus einer Perspektive kommen dafür die deutschen Steuerzahler auf. Man könnte aber auch so darauf blicken, dass mit dem Geld sonst auch neue Rohre gekauft oder Lehrer ausgebildet werden können.

Dass Entwicklungshilfe ein gigantisches Potential hat, einen erheblichen Teil der Ziele zu verfehlen, ist hinlänglich bekannt und nicht zuletzt von Aktivisten aus dem Globalen Süden immer wieder herausgestellt worden. Womöglich wären also sogar Effizienzgewinne denkbar, wenn man einen erheblichen Teil der GIZ zurückbaut. Stattdessen könnte man einfach die frei werdende Summe nach einem vordefinierten Schlüssel an Wohltätigkeitsorganisationen aushändigen – von globalen Impfinitiativen bis zu lokal organisierten Projekten. Ja, dann fehlen die vielen Zertifikate, Prüfungen und Berichte. Aber man kann ja auch einfach mal einen Vertrauensvorschuss gewähren. Netto kommt womöglich für die Menschen mehr raus. Und wenn lokale Kräfte nicht auch noch miterleben müssen, wie ihre Ansprechpartner im besten Haus am Ort unterkommen und sie mit Formularen traktieren, ist das vielleicht auch für die soft power des Westens kein Verlust.

Photo: Rob Bogaerts / Anefo from Wikimedia Commons (CC 0)

Am 17. Februar ist der niederländische Politiker Frits Bolkestein verstorben. Er ist in Deutschland vor allem bekannt für die nach ihm benannte „Bolkestein-Richtlinie“, die das grenzübergreifende Angebot von Dienstleistungen innerhalb der EU ermöglichte und damit einen wesentlichen Pfeiler des EU-Binnenmarktes errichtete. Als EU-Kommissar brach Bolkestein bürokratische Hürden, stärkte die Niederlassungsfreiheit und öffnete Märkte, die zuvor von nationalen Protektionismen abgeschottet waren. Trotz heftiger Widerstände von Gewerkschaften und den Regierungen in Paris und Berlin setzte er sich für eine Union ein, deren Kern der grenzüberschreitende Wettbewerb ist. Diese EU der vier Grundfreiheiten bleibt eines der beeindruckendsten politischen Projekte, die Europa nach Jahrhunderten nachhaltigen Frieden und einen der größten Binnenmärkte der Welt brachte.

Wohl keine menschliche Erfindung verdeutlicht die Kluft zwischen Mächtigen und Beherrschten so stark wie der Krieg. Das zeigt der grausame Überfall des russischen Despoten Wladimir Putin auf die Ukraine. Dies ist nicht der Krieg der Hunderttausenden russischen Soldaten, die sinnlos in den Tod geschickt werden, sondern der eines wahnhaften Autokraten, der vom sowjetischen Imperialismus träumt.

Wie sehr Kriege vom Willen Einzelner abhängen, zeigt auch der Dreißigjährige Krieg. Was als lokale Auseinandersetzung begann, eskalierte durch Machtstreben, religiöse Gegensätze und dynastische Ambitionen zu einem verheerenden Konflikt. Der Podcast „Plus Ultra – Der Weg in den Dreißigjährigen Krieg“ beleuchtet das Ringen zwischen Kaiser Ferdinand II. und seinem Gegenspieler, dem Pfalzgrafen und bei Rhein und „Winterkönig“ Friedrich V., sowie dessen höher geborener Frau Elisabeth Stuart. Dieser Podcast ist gerade deshalb faszinierend, weil er sich nicht nur an den zahllosen Schlachten entlang hangelt, sondern persönliche Motive zugänglich macht.

Von Marius Drozdzewski und Florian A. Hartjen.

Einen Euro für Verteidigung, drei Euro für das, was man immer mal machen wollte. So planen Union und SPD ihre neuen Schulden. Über die nächsten zehn Jahre könnten so bis zu 1.800 Milliarden Euro neu aufgenommen werden. Der Schuldenpakt soll es Deutschland ermöglichen, seinen Beitrag zur Verteidigung des Westens zu leisten. Doch das Ergebnis lässt vermuten: Vor allem soll die geplante Koalition damit leichter werden. Ein Kompromiss, der den vergleichsweise soliden deutschen Staatshaushalt auf Verschuldungsquoten von der Art Portugals, Frankreichs und Spaniens katapultieren könnte. Dieser Preis ist zu hoch, denn das 3%-Ziel ist hier nur Feigenblatt für eine Koalition ohne Finanzierungsschwierigkeiten. Schlimmer noch: So verschreibt sich die Bundesrepublik vollkommen dem Modell des Schuldenstaates. Die Union entfernt sich damit weiter von den Werten und Prinzipien, die sie zu verteidigen vorgibt.

Der Großteil hat mit Verteidigung nichts zu tun

Das Merz-Klingbeil-Paket sieht vor, alle Verteidigungsausgaben über 1% des Bruttoinlandsproduktes (BIP) mit Schulden zu finanzieren ohne jede Beschränkung durch die Schuldenbremse. 1% des BIPs sind etwa 45 Milliarden Euro, knapp 9 Milliarden Euro weniger als das, was wir aktuell bereits ohne Schulden im Bundeshaushalt finanzieren. Statt nur den notwendigen Sprung zur Verteidigungsfähigkeit mit Schulden zu bezahlen, macht die angehende Koalition so fast 10 Milliarden frei für andere Vorhaben.

Obendrauf kommt ein „Sondervermögen“, also neue Schulden außerhalb der Schuldenbremse, von 500 Milliarden Euro für die „Infrastruktur“ von Bund und Ländern. Eine Idee, mit der Saskia Esken vor ein paar Jahren das Rennen um die SPD-Führung gewonnen hat. Und wer bei Infrastruktur nur an Straßen und Schienen dachte, wurde gleich von Lars Klingbeil eines Besseren belehrt: Auch gute KiTas können so natürlich schuldenfinanziert werden. Und weil die 100 Milliarden Euro, die in diesem Sondervermögen für die Länder und Kommunen reserviert sind, natürlich nicht ausreichen könnten, spendieren Union und SPD den Ländern gleich noch einen eigenen Verschuldungsspielraum von 0,35% in der Schuldenbremse – ungefähr 16 Milliarden jährlich.

Es ist offensichtlich: Der Großteil der neuen Schulden hat mit Verteidigung nichts zu tun. Nicht nur das – das neue Sondervermögen für Infrastruktur ermöglicht auch einen Verschiebebahnhof weitere Wahlgeschenke von Union und SPD. Rund 80 Milliarden Euro Investitionen stehen, Verteidigung ausgenommen, aktuell im Haushaltsentwurf für 2025. Diese 80 Milliarden könnten jetzt aus dem Sondervermögen finanziert werden. Statt neuer Infrastrukturausgaben, die, wie in den letzten Jahren, vermutlich an Bürokratie, Fachkräftemangel und fehlenden Ressourcen scheitern dürften, werden so im Kernhaushalt weitere bis zu 80 Milliarden für alles Mögliche frei.

Der Schuldenstaat läuft den Idealen des Westens zuwider

Nun hört man auch aus fiskalisch konservativ eingestellten Kreisen, dass dies in diesem Fall gerechtfertigt sei. Der Zweck, die Verteidigung des Westens, würde die Mittel heiligen. Die Bedrohung unserer Lebensweise sei so akut, dass kein Platz für Schuldenbremsenanbetung bleibe. Und genau das meint vermutlich auch der künftige Bundeskanzler Friedrich Merz, wenn er sagt: „Whatever it takes.“ Doch damit geraten genau die grundlegenden Werte des Westens unter die Räder, die hier eigentlich verteidigt werden sollten.

Denn das westliche Gesellschaftsmodell ist unvereinbar mit „Whatever it takes.“ Stattdessen heißt es bei uns: „Only within reason.“ Über Jahrhunderte hinweg hat unsere Zivilisation unter großen Opfern erkämpft, dass den Mächtigen Fesseln angelegt werden. Im Gegensatz zu Putin und Jinping rechtfertigt die Staatsräson eben nicht jedes Mittel. In einer liberalen Gesellschaft ist es nicht akzeptabel, hunderttausende Menschenleben für den eigenen Imperialismusdrang zu opfern. Es dürfen nicht Milliarden überwacht und gegängelt werden, nur um das System zu erhalten. Deshalb sollte es gerade denjenigen, die die Fahne des Westens hochhalten, eiskalt den Rücken herunterlaufen, wenn Regierungen anfangen, ihre Politik zu einem höheren Gut zu erklären, das keiner Beschränkung bedarf.

Nun ist der Westen unbestreitbar in einer Krise. Doch gerade in Krisenzeiten gilt es, die eigenen Prinzipien hochzuhalten. Die gerade erst durchlebte Corona-Pandemie mit ihren teils aberwitzigen Auswüchsen an staatlicher Übergriffigkeit sollte eigentlich noch als mahnendes Beispiel in den Köpfen präsent sein. Warum das Aufrechterhalten regelgeleiteter Politik gerade in Krisenzeiten wichtig ist, begründet der österreichische Ökonom und Philosoph Friedrich August von Hayek mit dem Wesen staatlichen Handelns: „Immer musste ‚Notstand‘ als Vorwand herhalten, wenn die Sicherungen individueller Freiheit abgebaut wurden – und sobald sie aufgehoben sind, ist es für einen, der solche Notstandsbefugnisse erhalten hat, nicht schwer, dafür zu sorgen, dass der Notstand fortdauert.“

Die Schuldenbremse, so profan und technisch sie anmuten mag, war eines der effektivsten Mittel zur Beschränkung staatlicher Auswüchse. Ohne sie wäre es der kleinen FDP vermutlich nicht einmal ansatzweise gelungen, den grenzenlosen Schuldenfantasien des scheidenden Bundeskanzlers einen Riegel vorzuschieben. Sie zwingt den Gesetzgeber zur Prioritätensetzung mit dem Geld, das ihm vom Steuerzahler und Wähler nur zur Verwaltung anvertraut wurde. Und genau hier lag die riesige Chance, die Friedrich Merz bereits jetzt vertan hat. Er hätte der Bevölkerung erklären müssen, dass die Verteidigung unseres Lebensmodells zumindest mittelfristig Opfer verlangt. Dass der überbordende Mittelschichts-Sozialstaat – von Mütterrente bis Elterngeld – reformiert werden muss, um die wirtschaftliche Stärke zu erlangen, die den Westen schon einmal im Systemwettbewerb gewinnen ließ. Wenn nicht im Angesicht der Bedrohung unserer Lebensweise – wann wären denn dann Reformen opportun? Stattdessen wird die bröckelnde Fassade des deutschen Wirtschaftsmodells wieder einmal schuldenfinanziert überstrichen.

Wie man Aufrüstung mit nachhaltiger Haushaltsführung übereinbringen könnte

Dabei wäre beides möglich gewesen: Die Erreichung des 3-Prozent-Ziels und das Festhalten an einer prinzipien- und regelbasierten Politik. Um das kurzfristig zu ermöglichen, ist es durchaus legitim, Schulden aufzunehmen. Bis zur Pressekonferenz von Merz und Klingbeil wurde dafür ein möglicher Weg diskutiert: ein zweites Sondervermögen für die Bundeswehr, das uns ermöglicht, kurzfristig die 3%-NATO-Quote zu erfüllen. Dafür würden rund 200 Milliarden Euro für die neue Legislaturperiode reichen. Wollen wir das 3-Prozent-Ziel für 10 Jahre absichern, wären dies rund 700 Milliarden Euro – ganze Größenordnungen entfernt vom Merz-Klingbeil-Paket.

Jetzt mag man bezweifeln, dass SPD und Grüne das mitgetragen hätten – doch das erste Sondervermögen ging ganz ohne Infrastruktur-Milliarden. Zudem hat der neue starke Mann der SPD, Boris Pistorius, seit Monaten nichts anderes gefordert als Milliarden für die Bundeswehr. Wenn diese über Schulden finanziert werden, so hätte der öffentliche Druck wohl gereicht, um die SPD zur Mitarbeit zu bringen. Eine solche Lösung hätte nach eigener Aussage auch die FDP im alten Bundestag mitgetragen – für eine Zweidrittelmehrheit reicht das.

Kurzfristig würden auch hier Verteidigungsausgaben schuldenfinanziert; langfristig aber, und hier liegt der Unterschied, hätte diese Lösung die Politik nicht aus der Verantwortung entlassen, Prioritäten zu setzen und dauerhafte Ausgaben im Rahmen der Schuldenbremse zu finanzieren. Statt für Wahlgeschenke und Reformvermeidung wären diese Schulden wirklich nur für die Verteidigungsfähigkeit genutzt worden. Und es hätte weiterhin eine Schuldenbremse gegeben, die staatliche Mehrausgaben im Allgemeinen begrenzt. Selbst wenn man die Idee eines Solis zur Verteidigungsfähigkeit nach Jahrzehnten Friedensdividende ganz vom Tisch nimmt, wäre es also anders gegangen.

Diesen Weg ist Merz nicht gegangen; stattdessen wirft er alle Begrenzungen für Staatsverschuldung über den Haufen. Das zeigt, dass es ihm nicht um eine ausgewogene Reaktion auf eine außenpolitische Krise geht – im Rahmen der Regeln und Prinzipien, die uns leiten –, sondern um eine bequeme und beliebtheitsförderliche Regierungszeit mit neuen Ausgabe-Programmen. Für die Verteidiger eines begrenzten und liberalen Staates ein harter Schlag.