Den Negativ-Preis „Goldener Engel der Scheinheiligkeit“ erhält in diesem Jahr die Organisation Oxfam Deutschland. Die Organisation erhält den zum zweiten Mal verliehenen Preis für ihre irreführende, auf Negativität und Neid basierende Kommunikation. Frank Schäffler dazu: „Man darf sich nicht auf die Logik Oxfams einlassen. Sie malen alles dunkel und schlecht.“

Prometheus legt wert darauf, dass sie die im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit und insbesondere der Nothilfe stattfindende Arbeit Oxfams ausdrücklich von dem Preis ausnehmen.

Aus der Begründung:

Sie setzen auf Neid anstatt auf Motivation. Anstatt den Blick darauf zu richten, wie arme Menschen nachhaltig aus ihrer Situation herauskommen können, konzentrieren Sie sich in Ihrer Kommunikation auf Vorschläge, wie man „den Reichen“ etwas wegnehmen könnte.

„Diese Kommunikation ist in Zeiten von Fake News und wachsendem Populismus besonders gefährlich“, sagt Schäffler.

Ihre populistische Rhetorik gefährdet den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Durch Ihre zugespitzten und zum Teil unsinnigen Vergleiche und plakativen Formulierungen tragen sie dazu bei, dass innergesellschaftliche Debatten an Schärfe gewinnen und unterschiedliche Gruppen gegeneinander in Stellung gebracht werden. Diese Klassenkampfrhetorik löst bestehende Probleme nicht, produziert aber neue.

Ihre Kommunikation ist unglaubwürdig. Wenn man Ihre eigenen Maßstäbe auf Ihre Organisation in Deutschland anwendet, wird klar, dass Sie selber auch nicht an diese Maximen glauben. Folgt man dieser Logik im Blick auf die Gehälter von Oxfam Deutschland, wird die Absurdität der Vergleiche deutlich:

Die Geschäftsführerin verdient an einem Tag das, was jemand in Burundi in einem Jahr verdient. Oder: Um so viel zu verdienen wie ein Bereichsleiter im Monat bekommt, müssen Menschen, die in Bangladesch zum Mindestlohn arbeiten, fünf bis sechs Jahre lang schuften. Oder: Was eine Fachliche Koordinatorin in einer Woche verdient, entspricht dem Gesamtvermögen von vier Äthiopierinnen oder 22 Malawiern. Oder: Die vier leitenden Angestellten verdienen im Jahr so viel wie 173 Haitianer. Oder: Das jährliche Personalbudget für 92 Hauptamtliche, 13 Studenten und 1 geringfügig Beschäftigten (4.462.278,60 €) ist so viel wie 11.668 ugandische Kaffeebauern-Familien in einem Jahr an Einkommen generieren.


Hier finden Sie den Brief mit der ausführlichen Begründung zur Preisverleihung:

Sehr geehrte Frau Lieser, sehr geehrte Damen und Herren,

es ist uns eine Freude, Ihnen mitteilen zu können, dass Sie als zweiter Preisträger für den „Goldenen Engel der Scheinheiligkeit“ ausgewählt wurden.

Als Kandidaten qualifizieren sich Organisationen, bei denen Anspruch, Auftreten und Ansehen in einem Missverhältnis zur dahinterliegenden Wirklichkeit stehen.

Eine wichtige Sache gleich vorweg: In Ihrer Organisation und den Oxfam Shops engagieren sich über 5.000 Menschen ehrenamtlich. Viele der von Ihnen koordinierten und finanzierten Projekte sind wichtige Beiträge dafür, dass sich das Leben von Menschen verbessert: der Einsatz für Frauenrechte in Mali, die Verbesserung der Wasserversorgung in Syrien, die Sicherung von Landrechten in Sri Lanka oder die Förderung von Kleinunternehmern in Burundi. Diese konkreten Projekte sind mitunter viel effizienter und nachhaltiger als große staatliche Projekte.

Es ist bewundernswert, wie viel Einsatzbereitschaft die Freiwilligen und all Ihre Helfer rund um den Globus aufbringen – ein Zeichen der Hoffnung und eine echte Verbesserung der Lebensbedingungen. Warum sollte man Ihnen denn nun den „Goldenen Engel der Scheinheiligkeit“ verleihen?

Sie erhalten den Preis für Ihre Kommunikation. Immer wieder stehen Sie an vorderster medialer Stelle, wenn auf die wachsende Ungleichheit in der Welt hingewiesen wird. Mit dramatischen Worten klagen Vertreter von Oxfam an. Dabei richtet sich der Fokus besonders auf die zunehmende Zahl an Milliardären und die arithmetischen Verhältnisse zwischen Arm und Reich. Kritikwürdig sind in dem Zusammenhang aus unserer Sicht vor allem drei Aspekte:

1. Sie setzen auf Neid anstatt auf Motivation. Anstatt den Blick darauf zu richten, wie arme Menschen nachhaltig aus ihrer Situation herauskommen können, konzentrieren Sie sich in Ihrer Kommunikation auf Vorschläge, wie man „den Reichen“ etwas wegnehmen könnte. Damit stehen Sie in direktem Gegensatz zu der Arbeit, die Ihre Mitarbeiter vor Ort leisten.

2. Ihre populistische Rhetorik gefährdet den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Durch Ihre zugespitzten und zum Teil unsinnigen Vergleiche und plakativen Formulierungen tragen sie dazu bei, dass innergesellschaftliche Debatten an Schärfe gewinnen und unterschiedliche Gruppen gegeneinander in Stellung gebracht werden. Diese Klassenkampfrhetorik löst bestehende Probleme nicht, produziert aber neue.

3. Ihre Kommunikation ist unglaubwürdig. Wenn man Ihre eigenen Maßstäbe auf Ihre Organisation in Deutschland anwendet, wird klar, dass Sie selber auch nicht an diese Maximen glauben. So bekommt etwa Ihre Geschäftsführerin in Ihrer Logik drei Mal so viel Gehalt wie der durchschnittliche deutsche Arbeitnehmer oder 20 Mal so viel wie Arbeitslosengeld II-Empfänger.
Zum ersten Punkt:

Fragen Sie mal bei Ihren Mitarbeitern vor Ort nach, woran es den Menschen im Kongo, in Pakistan und Ecuador besonders fehlt. Allein ein Blick auf die von Ihnen geförderten Projekte zeigt doch: „Stärkung der sozialen und beruflichen Eigenständigkeit“, „Reintegration von Ex-Kombattanten“, „Humanitärer Schutz“, „Förderung der gewerkschaftlichen Organisation“ … Der Knackpunkt ist in vielen Fällen nicht das Geld, sondern an erster Stelle politische Macht und dann auch häufig kulturelle und institutionelle Faktoren, die der Entwicklung von Menschen und Gesellschaften im Wege stehen.

Keiner südafrikanischen Sexarbeiterin und keinem sri-lankischen Bauern ist geholfen, wenn die reichsten 500 Menschen der Welt einfach pauschal höher besteuert würden. Am ehesten werden die Politiker der entwickelten Länder die Mehreinnahmen verwenden, um Wahlgeschenke an die eigene Bevölkerung zu verteilen. Geld löst nicht alle Probleme – ja, oft schafft Geld erst Probleme.

So schreiben sie sehr treuherzig in Ihrem jüngsten Jahresbericht: „Armen Ländern entgeht durch die Steuervermeidung von Konzernen und reichen Einzelpersonen mehr an Steuereinnahmen pro Jahr, als die gesamte weltweite Entwicklungshilfe beträgt. … Dieses Geld fehlt den Regierungen für dringende Investitionen in Bildung, Gesundheitsversorgung und soziale Sicherung, um Armut zu lindern und soziale Ungleichheit zu verringern.“ Noch einmal: fragen Sie Ihre Mitarbeiter vor Ort! Glauben Sie tatsächlich, dass die Regierungen in Äthiopien, Jemen, Simbabwe und Tschad die Mehreinnahmen in solche Maßnahmen investieren würden? Vermutlich würde das zusätzliche Geld in Waffen, Korruption, Polizeistaat, pompöse Bauwerke und Staatsunternehmen fließen.

Ihr Lösungsvorschlag, reichen Menschen etwas wegzunehmen, würde zwar rein rechnerisch die Ungleichheit verringern. Dass sich dadurch die Situation der Armen, Entrechteten und Unterdrückten auch nur marginal verändern würde, darf man jedoch bezweifeln. Insofern handelt es sich bei solchen Forderungen um reinen Populismus. Wünschenswert wäre hingegen ein konstruktives Arbeiten an Verbesserungen – genau so, wie es die von Ihnen unterstützten Sozialarbeiter in Benin und Tansania tun.

Zum zweiten Punkt:

Klar, sie meinen es nur gut, wenn sie nach drastischen Bildern suchen, um die Menschen in der westlichen Welt wach zu rütteln. Aber wenn man sich dafür entscheidet, eine bestimmte Strategie zu wählen, sollte man auch immer mitbedenken, welche Folgen diese Strategie über den gewünschten Nutzen hinaus haben kann: wenn z. B. Biokraftstoffe gefördert werden, kann damit die Zerstörung des Regenwalds beschleunigt werden. Wir denken: Sie übersehen die unbeabsichtigten Folgen Ihrer Kommunikationsstrategie.

Während sie natürlich auch auf absolute Armut und absolute Probleme wie Kindersterblichkeit, keinen Bildungszugang oder religiöse Verfolgung hinweisen, stehen im Zentrum Ihrer Kommunikationsstrategie relative Vergleiche. Etwa in Ihrem letzten Jahresbericht: „In nur vier Tagen verdient ein Vorstandsvorsitzender eines der fünf größten Modekonzerne so viel wie eine Näherin in Bangladesch in ihrem ganzen Leben.“ Sie suggerieren damit, dass es möglich wäre, Carol Meyrowitz, der Vorstandsvorsitzenden von TJX, etwas von Ihrem Jahresgehalt von 9 Millionen Dollar wegzunehmen, um es denjenigen zu geben, die die Produkte von TJX herstellen. Würden Sie das als persönlichen Appell an die entsprechenden Personen richten, könnte daraus etwas werden. Frau Meyrowitz könnte sich schlau machen, wer so alles für ihre Firma arbeitet, und den Leuten dann etwas von ihrem Gehalt abgeben.
Wenn Sie die Aussage aber einfach so in den Raum stellen, verändert sich deren Charakter. Sie wirkt nicht mehr wie eine moralische Forderung an ein Individuum, sondern wie ein politischer Anspruch, der mit emotionalen Bildern untermauert wird. Wer so etwas hört, muss sich empören über die Ungerechtigkeit. Und das erzeugt nicht etwa positive Energien, sondern vor allem Wut gegenüber denjenigen, die mehr haben. Anstatt etwa das eigene Konsumverhalten zu überdenken, beruhigt man sein Gewissen, indem man auf die Reichen „da oben“ schimpft. Es wäre absurd, zu behaupten, dass alle Reichen der Welt wohlwollende Menschen mit höchsten moralischen Standards sind. Aber sie in Klassenkampfmanier zum Hauptgegner zu machen, geht an dem eigentlichen Anliegen komplett vorbei.

Stattdessen rufen Sie in unserer Gesellschaft dadurch negative Emotionen hervor. Sie bringen Menschengruppen gegeneinander in Stellung, anstatt sie an einen Tisch zu bringen. Sie wollen den Armen helfen, tragen aber vor allem Zwist in unser Miteinander. Es ist wie mit dem berühmten Zauberlehrling von Goethe: die Geister, die sie mit einer solchen Kommunikation rufen, werden ganz andere Dinge bewirken als sie beabsichtigt haben. Keiner Näherin ist geholfen, wenn sich Menschen an Stammtischen darüber aufregen, dass manche Menschen mehr Geld verdienen als andere. Am Ende gehen gerade enttäuschte Menschen den politischen Akteuren auf den Leim, die mit einfachen Parolen an dieses Wutgefühl appellieren.

Die Fixierung auf den monetären Bereich geht auch an der Wirklichkeit vorbei und verzerrt die Wahrnehmung. Sie schreiben, dass „82 Prozent des weltweiten Vermögens, das im vergangenen Jahr angehäuft wurde, in die Taschen des reichsten Prozents der Bevölkerung geflossen sind. Die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung hat dagegen überhaupt nicht vom Vermögenswachstum profitiert.“ Das ist ein statistisches Zahlenspiel mit geringer Aussagekraft. Völlig außer Acht gelassen werden Faktoren wie Bildung und Gesundheit, die sich – auch aufgrund der Arbeit Ihrer Partner – substantiell verbessern können, ohne dass man persönlich einen Cent mehr einnimmt. Nicht berücksichtigt ist darin, dass Rechtssicherheit und politische Stabilität nicht monetär ausgedrückt werden können: von persönlicher Lebenszufriedenheit ganz zu schweigen.

Zum dritten Punkt:

In einem marktwirtschaftlichen System wird mit Preisen gearbeitet. Verantwortung hat einen Preis – und wer Verantwortung übernimmt, kann diesen Preis einfordern. Dieter Zetsche bekam zuletzt 5,9 Millionen Euro pro Jahr. So viel war es dem Daimler-Konzern wert, dass sein Vorstandsvorsitzender Verantwortung übernimmt. Auch Ihre Mitarbeiter sind Ihnen etwas wert. Sie zahlen eine bestimmte Summe, weil sie für einen niedrigeren Preis mitunter nur schlechter qualifizierte Personen für den Job bekommen würden. Ihre Geschäftsführerin ist Ihnen 105.134 € im Jahr wert.

Auch Ihre sonstigen Gehälter sind durchaus großzügig – ein schönes Zeichen der Wertschätzung. Aus unserer Sicht ist das völlig in Ordnung: wenn ein Gehalt unter fairen Marktbedingungen erzielt wird, kann es so hoch sein, wie man will – Neid oder Missgunst haben da nichts verloren. Ihre zahlreichen Mitarbeiter und Ihre Geschäftsführerin haben ja auch niemandem unrechtmäßig etwas weggenommen. Alles in bester Ordnung. Alles? Nun ja, alles wäre in bester Ordnung, wenn Sie nicht immer diese statistischen Vergleiche machen würden, die keine vernünftige Schlussfolgerung zulassen, aber immer sehr dramatisch klingen und letztlich an menschliche Missgunst appellieren. Deklinieren wir doch einmal die Gehälter von Oxfam Deutschland nach Ihrer Logik durch:

Die Geschäftsführerin verdient an einem Tag das, was jemand in Burundi in einem Jahr verdient. Oder: Um so viel zu verdienen wie ein Bereichsleiter im Monat bekommt, müssen Menschen, die in Bangladesch zum Mindestlohn arbeiten, fünf bis sechs Jahre lang schuften. Oder: Was eine Fachliche Koordinatorin in einer Woche verdient, entspricht dem Gesamtvermögen von vier Äthiopierinnen oder 22 Malawiern. Oder: Die vier leitenden Angestellten verdienen im Jahr so viel wie 173 Haitianer. Oder: Das jährliche Personalbudget für 92 Hauptamtliche, 13 Studenten und 1 geringfügig Beschäftigten (4.462.278,60 €) ist so viel wie 11.668 ugandische Kaffeebauern-Familien in einem Jahr an Einkommen generieren. Sie merken vielleicht: mit Zahlen kann man alles machen … Ja, mit Zahlen könnte man Sie sogar arm rechnen, denn Ihre Geschäftsführerin müsste halt auch 56 Jahre lang den Buckel krumm machen, um so viel zu verdienen wir Dieter Zetsche in einem Jahr.

Durch die Zahlenspiele, die Sie durchführen, vermitteln Sie den Eindruck, mit knallharten Fakten zu arbeiten – gerade in Zeiten wie diesen, die vor fake news nur so triefen, ein wirkmächtiges Argument. Was will man denn dagegen einwenden: Sie präsentieren blanke Zahlen, und Zahlen lügen nicht! Tatsächlich aber erreichen Sie mit solchen Zahlenspielen (vermutlich ohne das zu beabsichtigen) nicht etwa Mitgefühl und Spendenbereitschaft, von Aufklärung ganz zu schweigen, sondern wecken nur weitere Neid-Gefühle.

Wie verträgt es sich miteinander, immer und immer wieder die Reichen anzuprangern und dann der Geschäftsführerin ein Gehalt von 105.000 Euro auszubezahlen? Die Kollegen von Campact, die sich ja auch stark gegen globale Ungerechtigkeiten einsetzen, sind da mit 74.000 € schon erheblich zurückhaltender. Noch einmal: jeder einzelne Cent ist Ihnen gegönnt. Im Vergleich zu anderen Geschäftsführern mit einer solchen Personal- und Budgetverantwortung ist das nicht einmal sonderlich viel. Allerdings werden hier auch Marktwert und getragene Verantwortung zum Maßstab und nicht größtmögliche Gleichheit. Die doppelte Moral, die damit hinter Ihrer Kommunikationsstrategie steckt, sollten Sie dringend überdenken!

Ihre Anliegen sind großartig. Eine Welt ohne Armut, Hunger und Leid; eine Welt voller strahlender Kinderaugen, selbstbewusster Frauen und zufriedener Greise – diese Welt wollen auch wir! Wir können uns sicherlich vortrefflich streiten, wenn es darum geht, wie dieses Ziel erreicht werden kann. Wo Sie „Finanztransaktionssteuer“ rufen, schallt es aus unserer Ecke wahrscheinlich eher „Handelshürden abbauen“. Und während Sie den Entwicklungshilfe-Etat vergrößern wollen, würden wir am liebsten staatliche Stellen komplett von Zahlungen ausnehmen.

Diesen Preis erhalten Sie aber nicht, weil wir Differenzen haben im Blick auf die Methoden. Sie erhalten ihn für Ihre Kommunikation, weil wir den Eindruck haben, dass für Sie bisweilen der Zweck die Mittel heiligt. Die Folgeschäden dieser Einstellung sind aus unserer Sicht fatal: eine bereits zerrissene Gesellschaft wird noch weiter hineingezogen in das „Wir-gegen-die“-Denken, das den zivilisierten Diskurs in freiheitlichen und offenen Gesellschaften nachhaltig bedroht und beschädigt.

Wir wünschen Ihrer Kommunikationsstrategie gute Besserung, auf dass sie dazu beitrage, in unserer Gesellschaft Verantwortungsgefühl zu wecken und die weltweite Armut weiter verringert wird!

Mit freundlichen Grüßen,

Frank Schäffler
Clemens Schneider

Photo: Wikimedia Commons (CC0)

Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues und Dilara Wiemann.

Die Ergebnisse ökonomischer Forschung legen nahe, dass ein Ausbau des Finanzsektors dem Wachstum nicht zwangsläufig zuträglich ist. Ganz im Gegenteil: Ab einem gewissen Grad verlangsamt eine zusätzliche “Finanzialisierung” das Wirtschaftswachstum eher.

Der kürzlich abgewählte Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Volker Kauder machte dieses Jahr mit der Forderung nach einer deutschen Superbank von sich Reden. Damit es im Finanzsektor wieder einen deutschen Global Player geben kann, rief Kauder dazu auf, „zwei kräftige Großbanken“ aufzubauen und forderte mehr staatliches Zutun im Finanzsektor – zum Wohle deutscher, global agierender Unternehmen. Diese Forderung ist zunächst problematisch, weil es nicht Aufgabe des Staates ist, ausgewählte Unternehmen zu unterstützen. Sie ist aber auch problematisch, weil sie die staatliche Förderung des deutschen Finanzsektors impliziert. Die Ergebnisse ökonomischer Forschung legen nahe, dass ein Ausbau des Finanzsektors dem Wachstum nicht zwangsläufig zuträglich ist. Ganz im Gegenteil: Ab einem gewissen Grad verlangsamt eine zusätzliche „Finanzialisierung“ das Wirtschaftswachstum eher. Deutschland fährt daher mit seinem nicht übermäßig ausgebauten Finanzsektor recht gut.

Kreditvergabe ist nicht gleich Wachstum

Die von Kauder aufgegriffene Idee, eine „aktive Industriepolitik“ umzusetzen und sich im Zuge dessen für eine politisch gesteuerte Neustrukturierung der Bankenwelt auszusprechen, ist keinesfalls neu oder allein konservativer Jagdgrund. Schon der damalige sozialdemokratische Bundeskanzlers Gerhard Schröder forderte 2004 die Installation eines deutschen „National Champion“ im Bankensektor. Angesichts der gesellschaftlichen Debatte um die Folgen und Lehren der Finanzkrise 2008 verwundert allerdings die politische Forderung nach großen deutschen Banken, da insbesondere Großbanken, auch und vor allem die der Länder, durch ihr risikofreudiges Verhalten zu den jüngsten Finanzkrisen beitrugen. Doch kann entgegen dem Tenor der laufenden Debatte ein stärkerer Bankensektor zu mehr Wohlstand führen?

Empirische Ergebnisse zeigen, dass sich die Größe des Finanzsektors positiv auf das Wirtschaftswachstum auswirkt, aber nur bis zu einem gewissen Grad. Mehrere Papiere untersuchen den Zusammenhang zwischen Finance und Wachstum. Bei der Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Finance und Wachstum stellt „Finance“ in der Regel auf den Grad der Verschuldung des privaten Sektors ab. Gemessen wird das Verhältnis der Kreditvergabe an private Haushalte und Nicht-Finanzunternehmen zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) eines Landes. Die Größe und die Zusammensetzung des Finanzsektors ergeben sich durch den Marktprozess. Eine fixe optimale Größe des Finanzsektors (oder eines anderen Sektors) gibt es nicht. Dennoch gibt es Hinweise darauf, dass sich bis zu einer Verschuldung von 100 Prozent des BIP ein Anstieg der Kreditvergabe positiv auf das Wirtschaftswachstum auswirkt. Der Aufbau und Ausbau der Finanzmärkte, die Gläubiger und Schuldner zusammenbringen, ist wünschenswert. Erreicht die Verschuldung privater Haushalte und Nicht-Finanzunternehmen etwa 100 Prozent des BIP, kehrt sich diese Beziehung jedoch um. Zusätzliche Kredite verlangsamen das Wirtschaftswachstum tendenziell. Im internationalen Vergleich haben derzeit 11 der G20-Länder diese Schwelle bereits überschritten.

Wie hemmt „zu viel Finanzialisierung“ Wachstum?

Wie kommt es zu einem negativen Einfluss durch einen zusätzlichen Ausbau des Finanzsektors? In der Literatur werden Faktoren wie eine exzessive Kreditvergabe an private Haushalte, staatlich in die Höhe getriebene Löhne im Finanzsektor und unproduktive Investments als Gründe für den negativen Zusammenhang angeführt.

Erstens kann die exzessive Kreditvergabe an Privathaushalte, beispielsweise zum Immobilienkauf, die Entwicklung von Boom-and-Bust-Zyklen befördern. Zu einer übermäßigen Kreditvergabe an private Haushalte kann es insbesondere dann kommen, wenn ein ausgeprägter Optimismus der Haushalte begleitet wird durch implizite staatliche Garantien für Banken und andere Finanzinstitute. Können die Banken und ihre Gläubiger davon ausgehen, im Falle einer Insolvenz durch den Staat gerettet zu werden, sind sie eher geneigt, übermäßig viele Kredite zu vergeben und damit einhergehend hohe Risiken einzugehen. Kommt es zu einem nicht nachhaltigem kreditinduzierten Boom, führen die Fehlallokation von Ressourcen während des Booms und die schmerzliche Reallokation von Ressourcen während der Rezession zu weniger Wachstum.

Zweitens kann die staatliche Unterstützung der Finanzbranche dazu führen, dass dort überdurchschnittlich hohe Löhne gezahlt werden. Es werden im Finanzsektor dann nicht nur insgesamt mehr Personen beschäftigt, sondern auch mehr hochqualifizierte Arbeitskräfte, wie Physiker oder Ingenieure, die in der Realwirtschaft mit Forschungs- und Entwicklungsarbeit das Wachstum besonders stark positiv beeinflussen könnten. Stattdessen locken die höheren Löhne sie in den Finanzsektor, wo sie vor allem dafür eingesetzt werden, neue Finanzinstrumente zu entwickeln, deren gesamtgesellschaftlicher Nutzen überschaubar ist. Sind die Löhne für hochqualifiziertes Personal im Finanzsektor aufgrund staatlicher Einflussnahme künstlich hoch, ist ihr Arbeitseinsatz dort aus gesellschaftlicher Perspektive eine reine Verschwendung.

Drittens kann der Ausbau des Finanzssektors zur Umsetzung von vor allem relativ unproduktiven Projekten führen und so Wachstum bremsen. Angenommen eine Unternehmerin muss sich zwischen zwei Projekten entscheiden, wovon eines ein konventionelles ist. Das andere Projekt ist ein risikoreiches und würde zur Entwicklung eines neuen Produktes führen. Die potentiellen Einnahmen aus dem risikoreichen Projekt wären zwar höher, allerdings ist auch das Risiko zu scheitern höher. Das risikoarme Projekt lässt sich einfacher finanzieren, weil es den Gläubigern Zugriff auf handfeste Sicherheiten gibt, sollte das Projekt scheitern. Erwartet die Unternehmerin, dass das Wachstum des Finanzsektors dazu führen wird, dass Banken in der Zukunft zusätzliche Kredite vergeben können, steigt die relative Attraktivität des risikoarmen Projekts. Denn es eignet sich besser als Sicherheit für aufzunehmende Kredite und dieser Vorteil ist umso relevanter, je eher Banken grundsätzlich willens sind, Kredite zu vergeben. Die Erwartung eines wachsenden Finanzsektors treibt Unternehmen in riskoärmere aber weniger produktive Projekte und schwächt so das Wachstum.

Kreditvolumen in Deutschland wünschenswert niedrig

Es ist deshalb positiv zu bewerten, dass die Verschuldung privater Haushalte und Unternehmen in Deutschland verhältnismäßig schwach ausgeprägt ist. Im zweiten Quartal 2018 belief sich das Volumen ausstehender Kredite der Haushalte auf 52,5 Prozent des BIP. Dieser Wert ist in den letzten fünf Jahren sogar um knapp 3 Prozentpunkte gesunken. In den ebenfalls hochentwickelten Ländern Australien oder Dänemark ist die Verschuldung der privaten Haushalte mit 121,3 Prozent bzw. 117 Prozent des BIP mehr als doppelt so hoch.

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Auch die deutschen Unternehmen sind ein Hort der Zurückhaltung. Ein näherer Blick in die Bilanzen von Nicht-Finanzunternehmen offenbart, dass im zweiten Quartal 2018 die Verschuldung mit 55,5 Prozent des BIP vergleichsweise gering ausfiel.

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In Summe belief sich das Kreditvolumen von privaten Haushalten und Nicht-Finanzunternehmen in Deutschland mit 107,5 Prozent auf einen Wert, der dem groben Richtwert von 100 Prozent recht nahe kommt. Während der Wert von über 195 Prozent für Australien auf einen zu weit ausgebauten Finanzsektor hindeutet, sind die 23,6 Prozent für Argentinien ein Hinweis darauf, dass der Finanzsektor dort unterentwickelt ist.

Statt den Finanzsektor oder gar einzelne Banken in Deutschland zu fördern und so die Kreditvergabe künstlich anzuregen, sollte die Politik darauf bedacht sein, durch einen verlässlichen gesetzlichen Rahmen Planungssicherheit für private Haushalte und Unternehmen zu gewährleisten. Für die Bedienung der sich ergebenden Kreditnachfrage bedarf es dabei gewiss keiner „deutschen Superbank“.

Erstmals erschienen bei IREF.

Photo: JULIAN MANSON from Flickr (CC BY 2.0)

Wer die Debatten im britischen Unterhaus aktuell verfolgt, erlebt in diesen Tagen ein Hochfest des Parlamentarismus. Im Ernst! Sie sind großartig und im wahrsten Sinne parlamentarisch. Die Berichterstattung hierzulande ist dagegen respektlos. Von Chaos und Peinlichkeit ist da die Rede.

Theresa May wird dargestellt wie Don Quijote, die gegen Windmühlen kämpft. Schnell könnte man sich über die Zurückweisung Theresa Mays vor dem Parlament lustig machen. Immer wieder rennt sie vor die Wand. Bei der ersten Abstimmung am 15. Januar über das Brexit-Abkommen überzeugte die Premierministerin nicht einmal ein Drittel der Abgeordneten. Bei der zweiten Abstimmung am 12. März erreichte sie auch nur eine Zustimmung von 38 Prozent. Eine weitere Abstimmung, die sie anstrebte, lehnte Parlamentspräsident John Bercow mit dem Verweis auf eine Regelung aus dem frühen 17. Jahrhundert (!) ab, dass gleiche Sachverhalte nicht beliebig oft zur Abstimmung gestellt werden können.

Damit nimmt Bercow auf die große parlamentarische Tradition des Landes und ihre Wegmarken für den Rechtsstaat Bezug und klärt damit schnell mal die Frage, wer im Abstimmungsprozess im Unterhaus Koch und Kellner ist. Das würde man sich eigentlich auch mal im Deutschen Bundestag wünschen.

Die „Magna Charta“ und die „Bill of Rights“ sind jahrhundertealte Leuchttürme des Parlamentarismus und der Unterwerfung des Königs unter das Recht. Unser Hochmut sollte sich bescheiden. Die deutsche Tradition reicht gerade 150 Jahre zurück. Die Paulskirchen-Versammlung verabschiedete fast auf den Tag genau vor 150 Jahren die erste deutsche Verfassung. Die Vertreter lehnten sich dabei an die englische und britische Tradition der Jahrhunderte davor an. Der damalige preußische König Friedrich Wilhelm IV. hat diese Verfassung wenige Tage später abgelehnt. Die Nationalversammlung sah ihn als neuen Kaiser vor, doch als Romantiker hielt er an dem Prinzip des Gottesgnadentums fest.

Parlamentspräsident Bercow zeigt dagegen mit seinem Vorgehen die ganze Kraft und Tradition des britischen Parlamentarismus. Auch wenn er seine voluminöse Stimme erhebt und den Abgeordneten das Wort erteilt, dann beeindruckt das. Es drückt ein Selbstbewusstsein aus, das deutlich macht, wer die gesetzgebende Versammlung ist. Dies ist Ausdruck einer wirklichen Machtverteilung zwischen Parlament und Regierung. Theresa May ist dabei nicht mehr Herrin des weiteren Prozesses, sondern das Parlament.

Der deutsche Parlamentarismus ist dagegen viel schwächer ausgeprägt. Die Machtverteilung zwischen Regierung und Parlament geht klar zugunsten der Regierung aus. Die Regierung schreibt die Gesetze, bringt sie meist ein und die Regierungsfraktion folgen der Regierung lammfromm ohne eigenes Selbstvertrauen. Das ist mitunter bitter. Denn das Parlament und seine Parlamentarier reduzieren sich dadurch zu einfachen Erfüllungsgehilfen. Oft kommt es vor, dass die Anträge der Regierungsfraktionen aus den Ministerien stammen und dort formuliert wurden. Das ist besonders pikant, wenn es um Europafragen geht. Hier kann das Parlament der Regierung einen Verhandlungsauftrag geben, an dem sich die Minister und die Kanzlerin im Ministerrat und im Europäischen Rat halten müssen. Wenn jedoch die Anträge der Regierungsfraktionen im Kanzleramt geschrieben werden, dann wird das „Verhandlungsmandat“ des Bundestages gegenüber der Regierung zur Farce. Es ist eigentlich eine Perversion des Parlamentarismus.

Der Deutsche Bundestag braucht daher eine Reform, die das Parlament gegenüber der Regierung stärkt. Das setzt nicht nur Veränderungen im Ablauf einer Sitzungswoche voraus. Wer einmal die Regierungsbefragung im Unterhaus und die Regierungsbefragung im Deutschen Bundestag mitverfolgt hat, der weiß, was den Unterschied macht. Auf der Insel ist sie lebendig, spontan und daher spannend. Im Bundestag ist sie emotionslos, einstudiert und daher meist langweilig. Und auch die Debattenkultur im Parlament braucht Reformen. Wenn im Halbstundentakt die Tagesordnung von der Ferkelkastration bis zum Plastiktütenverbot durchgeboxt wird, dann fehlt die Zeit für grundsätzliche Debatten. Wer das ändern will, muss sich als Parlamentarier selbst fragen, wie dieser Zustand verändert werden kann. Dafür braucht es aus meiner Sicht in erster Linie selbstbewusste Abgeordnete und Parlamentspräsidenten wie John Bercow. Dann ändert sich auch etwas.

Erstmals erschienen bei Tichys Einblick.

Von Norbert Häring, Journalist.
Am Mittwoch den 27.3. hat das Bundesverwaltungsgericht über meine Klage auf Barzahlung des Rundfunkbeitrags beraten. Das Gericht hat entschieden, den Fall dem Europäischen Gerichtshof zur Klärung vorzulegen und das Verfahren bis dahin auszusetzen. Dabei machte das Gericht deutlich, dass es in meinem Sinne und entgegen dem zweitinstanzlichen Urteil des hessischen Verwaltungsgerichtshofs aus Paragraph 14 Bundesbankgesetz einen Zwang zur Annahme von Bargeld für öffentliche Stellen ableitet.

Der EuGH soll nun klären, ob §14 Bundesbankgesetz, der Euro-Banknoten zum alleinigen unbeschränkten gesetzlichen Zahlungsmittel in Deutschland erklärt, gilt und anzuwenden ist, falls er sich in seinen Rechtsfolgen irgendwie vom entsprechenden Artikel 128 AEUV (EU-Vertrag) unterscheidet, oder ob nur letzter gilt. Falls nur Artikel 128 AEUV anwendbar ist, soll der EuGH klären, was genau aus diesem Artikel für einen etwaigen Annahmezwang für Euro-Bargeld folgt.

Artikel 128 Abs 1 Satz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU (AEUV) lautet:

„Die von der Europäischen Zentralbank und den nationalen Zentralbanken ausgegebenen Banknoten sind die einzigen Banknoten, die in der Union als gesetzliches Zahlungsmittel gelten.“

§ 14 Abs 1 Satz 2 des Bundesbankgesetzes lautet:

 „Auf Euro lautende Banknoten sind das einzige unbeschränkte gesetzliche Zahlungsmittel.“

Dabei stellt das Bundesverwaltungsgericht klar, dass die Beitragssatzungen der Rundfunkanstalten, die die Annahme von Bargeld ausschließen, §14 Bundesbankgesetz widersprechen und ungültig sind – jedenfalls dann, wenn §14 selbst gültig ist.

Damit die Rundfunkanstalten weiter die Annahme von Bargeld verweigern können, müsste nach meinem Verständnis folgendes passieren: Der EuGH müsste entscheiden, dass aus Artikel 128 AEUV keine Bargeld-Annahmepflicht für hoheitliche Stellen im Euro-Währungsraum folgt, und außerdem, dass der ganz ähnlich formulierte $14 Bundesbankgesetz nicht anzuwenden ist, weil er wegen Kompetenzvorrang der EU ungültig ist.

Alternativ könnte der EuGH natürlich entscheiden, dass auch aus Artikel 128 AEUV ein Annahmezwang für öffentliche Stellen folgt. Oder aber, er könnte einen Widerspruch zum Bundesbankgesetz feststellen, aber urteilen, dass das Bundesbankgesetz gilt, bis es im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens geändert wird.

Mir scheint am naheliegendsten, dass der EuGH – wie das Bundesverwaltungsgericht aus dem Bundesbankgesetz – aus Artikel 128 AEUV einen Bargeldannahmezwang ableitet. Das hätte sehr weitreichende Konsequenzen. Es würde bedeuten, dass auch Finanzämter und andere Behörden die Annahme von Bargeld nicht länger verweigern dürfen. Über der Rechtmäßigkeit der  in einigen Ländern der EU eingeführten Barzahlungsobergrenzen würde ein sehr großes Fragezeichen auftauchen. Als das würde der Kampagne zur Abschaffung des Bargelds einen schweren Rückschlag versetzen.

Noch ist nichts entschieden. Bis zur Beschlussfassung des EuGH ist das Verfahren ausgesetzt.

Die Schlüsselsätze aus der Pressemitteilung des Gerichts lauten:

„Die Entscheidung über die Revisionen der Kläger setzt die Klärung der Frage voraus, ob die Festlegung der Euro-Banknoten als gesetzliches Zahlungsmittel in Art. 128 Abs. 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union – AEUV – und weiteren Vorschriften des Unionsrechts ein Verbot für öffentliche Stellen eines Mitgliedstaats enthält, die Erfüllung einer hoheitlich auferlegten Geldleistungspflicht mit solchen Banknoten abzulehnen, oder das Unionsrecht Raum für Regelungen lässt, die für bestimmte hoheitlich auferlegte Geldleistungspflichten eine Zahlung mit Euro-Banknoten ausschließen.“

Und

„Weiter soll der EuGH klären, ob die ausschließliche Zuständigkeit, die die Union im Bereich der Währungspolitik für die Mitgliedstaaten hat, deren Währung der Euro ist (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 Buchst. c AEUV), einem Rechtsakt eines dieser Mitgliedstaaten entgegensteht, der eine Verpflichtung öffentlicher Stellen des Mitgliedstaats zur Annahme von Euro-Banknoten bei der Erfüllung hoheitlich auferlegter Geldleistungspflichten vorsieht. Einen solchen Annahmezwang regelt nach der – von den Vorinstanzen abweichenden – Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts die Vorschrift des § 14 Abs. 1 Satz 2 BBankG, wonach auf Euro lautende Banknoten das einzige unbeschränkte gesetzliche Zahlungsmittel sind. Zur Rechtswidrigkeit des Ausschlusses der Barzahlungsmöglichkeit in der Beitragssatzung des Beklagten führt diese bundesrechtliche Regelung jedoch nur dann, wenn die ausschließliche Zuständigkeit der Union im Bereich der Währungspolitik den Mitgliedstaaten noch eine Gesetzgebungskompetenz für die Bestimmung von Rechtsfolgen der Qualifizierung der Euro-Banknoten als gesetzliches Zahlungsmittel lässt.“

Allen, die sich am Kampf für den Erahlt des Rechts auf die Nutzung von Bargeld und damit eines Rests von Privatsphäre beteiligen möchten, sei aus diesem Anlass das Mitmachen bei der #BargeldChallenge ans Herz gelegt. Knapp 70.000 Menschen haben die Seite bereits aufgerufen. Das nächste Ziel sind 100.000.

Ich danke Prometheus – Das Freiheitsinstitut für die finanzielle Unterstützung meines Gangs durch die Gerichtsinstanzen und meinem Anwalt Carlos A. Gebauer für seine hervorragende Arbeit.

Erstmals erschienen bei norberthaering.de.

Photo: OTFW, Berlin from Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)

Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues und Kalle Kappner, Promotionsstudent an der Humboldt-Universität zu Berlin, Research Fellow bei IREF, Fackelträger von Prometheus.

Hinsichtlich der Entscheidung über den öffentlichen Infrastrukturbau üben die Kommunen in Deutschland bereits einen relativ starken Einfluss. Maßgeblich ist allerdings, dass nicht nur die Bereitstellung, sondern auch die Finanzierungsgrundlagen dezentralisiert werden. Der gegenwärtige Fiskalföderalismus mit seiner stark auf Mischfinanzierung setzenden Kompetenzverwischung erweist sich als Hürde für effiziente öffentliche Investitionsentscheidungen.

Trotz des seit Jahren anhaltenden Konjunkturhochs vermuten viele Politiker, Journalisten und Kommentatoren, dass mit dem deutschen Wachstumsmodell etwas fundamental nicht stimmt: „Deutschland lebt von der Substanz!“, lautet eine über das gesamte politische Spektrum geteilte Befürchtung. Es mangele an Investitionen, insbesondere staatlicherseits. Brücken verfallen, das Internet ist zu langsam, es wird zu wenig in die Bildung des Nachwuchses investiert. Entsprechend beliebt sind Rufe nach „Mehr Investitionen!“ im Wahlkampf.

Ein Blick auf die langfristige Entwicklung der öffentlichen Nettoinvestitionen legt nahe, dass der öffentliche Kapitalstock seit der Jahrtausendwende kaum wächst und in einigen Jahren sogar geschrumpft ist. Aus einer niedrigen oder gar negativen öffentlichen Nettoinvestitionsquote kann allerdings nicht ohne weiteres abgeleitet werden, dass etwas im Argen läge. Statt die Steigerung der öffentlichen Investitionen zum obersten Ziel zu erklären, sollte der Abbau verbleibender politischer Investitionshemmnisse vorangetrieben, Investitionsentscheidungen und deren Finanzierung dezentralisiert und ein stärkerer Fokus auf die Rentabilitätsbewertung einzelner Investitionsvorhaben gelegt werden.

Investitionen ermöglichen Wachstum

Für den Wohlstand einer Gesellschaft sind Investitionen in den Kapitalstock entscheidend. Da Maschinen und Gebäude sowie Wissen und Fähigkeiten im Laufe der Zeit verschleißen bzw. veralten und folglich abgeschrieben werden müssen, dient ein Teil der Investitionen lediglich dem Erhalt des Kapitalstocks. Die in einer Periode stattfindenden Investitionen abzüglich des Kapitalverlusts werden als Nettoinvestitionen bezeichnet. Werden nur sogenannte Anlageinvestitionen betrachtet – also die lediglich der Vorratshaltung dienenden Investitionen ausgeklammert – so spricht man von Nettoanlageinvestitionen. Sind diese negativ, so geht mehr Kapital verloren als durch Investitionen geschaffen wird – eine Gesellschaft „lebt von der Substanz“.

Die Höhe der Nettoanlageinvestitionen ist kein unproblematischer Indikator. So weist das Bundesfinanzministerium darauf hin, dass rechnerische Abschreibungen als buchhalterische Größe nur bedingt dem Verschleiß von physischem Kapital und der Entwertung von Wissen entsprechen. Darüber hinaus wandelt sich die Definition von „Investition“ im Laufe der Zeit. Einen praktikableren Indikator für die Investitionstätigkeit gibt es jedoch nicht. In mittel- und langfristiger Perspektive nähern sich rechnerische Abschreibungen und tatsächlicher Kapitalverlust konzeptionell an.

Investitionsquote in Deutschland niedrig aber positiv

Um die Höhe der Nettoanlageinvestitionen über die Zeit und Länder hinweg einordnen zu können, werden sie gewöhnlich ins Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt gesetzt. Langfristig ist die Nettoanlageinvestitionsquote in Deutschland seit dem Zweiten Weltkrieg deutlich gesunken. Daran hat auch ein kurzlebiger Anstieg im Zuge der Wiedervereinigung in den 90er Jahren nichts geändert. Hinsichtlich dieses Trends unterscheidet sich Deutschland nicht von vergleichbaren Ländern. Direkt nach der Jahrtausendwende sank die Quote zwar stärker als in vergleichbaren Ländern, unter anderem, da viele Länder in der Eurozone einen nicht nachhaltigen Bauinvestitionsboom erlebten. Diese Lücke wurde jedoch in den Jahren der Eurokrise geschlossen. Der weiterhin Jahr für Jahr wachsenden Kapitalstocks relativiert die Befürchtung, man „lebe von der Substanz“.

Dass die Investitionstätigkeit in entwickelten Volkswirtschaften mit geringem Bevölkerungswachstum abnimmt, überrascht nicht. Denn die „low hanging fruits“ der Investitionen in den Kapitalstock mit sehr hoher Rendite wurden bereits geerntet.

Darüber hinaus gibt es Hinweise darauf, dass der langfristige Fall der Investitionsquote den Bedeutungsverlust kapitalintensiver Industrieproduktion zugunsten humankapitalintensiver Dienstleistungsproduktion widerspiegelt. Investitionen in das Wissen und die Fertigkeiten der Menschen werden relativ zum physischen Kapitalstock immer wichtiger, doch deren statistische Erfassung ist komplizierter. Wenngleich die Politik bessere Rahmenbedingungen für private Investitionstätigkeit schaffen könnte, geht ein Teil der „Investitionsschwäche“ möglicherweise auf die wünschenswerte Anpassung der deutschen Volkswirtschaft an sich verändernde Produktionsbedingungen zurück.

Staatliche Investitionen netto negativ

Anders als die Gesamtanlageinvestitionen fallen die Anlageinvestitionen des öffentlichen Sektors seit der Jahrtausendwende netto negativ aus – wenn auch nicht die ganze Volkswirtschaft, so lebt der deutsche Staat möglicherweise von der Substanz. Zwar ist ein Vergleich mit den 90er Jahren aufgrund der hohen öffentlichen Investitionen im Zuge der Wiedervereinigung problematisch, doch auch im internationalen Vergleich fallen die öffentlichen Investitionen Deutschlands auffällig niedrig aus.

Getrieben wird der Abbau des öffentlichen Kapitalstocks durch den Verlust von Anlagekapital in Form von Nichtwohnbauten – darunter fällt hauptsächlich die öffentliche Verkehrsinfrastruktur. Der öffentliche Kapitalstock an Ausrüstungen (etwa Maschinen und Fahrzeuge), geistigem Eigentum und Wohnbauten wächst dagegen Jahr für Jahr, wenn auch langsam.

Ein Teil der sinkenden öffentlichen Investitionen spiegelt lediglich den langfristigen Wandel der Wirtschaftsstruktur wider, der auch den Privatsektor betrifft, und ist daher nicht per se problematisch. Darüber hinaus sinkt die staatliche Anlageinvestitionsquote aufgrund der Ausgliederung staatlich bereitgestellter Angebote an öffentliche Träger und Einrichtungen, die formal dem Privatsektor zugerechnet werden. Weiterhin ist ein Teil der sinkenden öffentlichen Investitionen vermutlich dem Rückzug des Staates aus einigen Bereichen geschuldet, die heute durch Private bzw. öffentlich-private Partnerschaften bedient werden. In dem Maße, in dem Privatisierungen sinnvollerweise Investitionstätigkeit aus dem öffentlichen in den Privatsektor übertragen, ist der Rückgang der öffentlichen Investitionsquote begrüßenswert.

Die negative Nettoanlageinvestitionsquote des Staates der letzten Jahre wird durch geringe Investitionen in die kommunale physische Infrastruktur getrieben. Bund und Länder investieren mehr als ihnen verlustig geht. Aber der Stock an kommunal gehaltenem Kapital wird abgebaut. Der technische Fortschritt fällt im Bereich der physischen Infrastruktur seit Jahrzehnten deutlich geringer aus als in Branchen, die vordringlich von privaten Investitionen geprägt werden, etwa im IT-Bereich. Das lässt eine relative niedrige Investitionstätigkeit des Staates wünschenswert erscheinen.

Sind die öffentlichen Investitionen zu niedrig?

Da der öffentliche Sektor nie für einen Großteil der Investitionen verantwortlich war, ist die Diagnose eines grundsätzlichen Lebens von der Substanz hinsichtlich der Gesamtwirtschaft übertrieben. Dennoch veranlassen die niedrigen öffentlichen Investitionen viele Beobachter zur Sorge. Sie fürchten nicht nur die abnehmende Qualität öffentlich bereitgestellter Angebote, sondern negative Auswirkungen auf die private Investitionstätigkeit. Tatsächlich stellen öffentliche Investitionen in einigen Branchen wie der Bildung, dem Schienennetz oder der Gesundheitsinfrastruktur eine Voraussetzung für anschließende private Investitionen dar – entweder, weil der Staat einen komparativen Vorteil in der Bereitstellung der betreffenden Kapitalgüter besitzt oder weil er die Bereitstellung durch Private verbietet bzw. erschwert.

Öffentliche Investitionen dezentralisieren

Wenig sinnvoll erscheint angesichts der zahlreichen auf die Investitionstätigkeit der öffentlichen Hand einwirkenden Faktoren eine hauptsächlich an der Höhe der Investitionsquote orientierte Diskussion. Weder lässt sich eine „optimale“ öffentliche Investitionsquote theoretisch bestimmen, noch sind historische oder internationale Vergleiche besonders informativ. Zielführender ist eine Diskussion über die Frage, inwiefern sich die staatliche Investitionstätigkeit tatsächlich an den Präferenzen der Bürger orientiert. Auf freien Märkten stehen die Anbieter von Gütern und Dienstleistungen im Wettbewerb miteinander, sodass sich jene durchsetzen, die knappe Ressourcen am effizientesten nutzen – auch hinsichtlich ihrer Investitionsentscheidungen.

Politiker haben dagegen nur einen schwachen Anreiz, ihre Investitionstätigkeit zu optimieren, da öffentliche Angebote in der Regel monopolistisch bereitgestellt werden und die Bürger nur begrenzte Möglichkeiten haben, ihre Präferenzen durch Wahlen oder den Umzug in einen anderen Staat kundzutun. Wo immer möglich, sollte die Verantwortung für Investitionsentscheidungen daher untergeordneten Gebietskörperschaften übertragen werden um die Feedbackmöglichkeiten der Bürger zu erweitern.

Hinsichtlich der Entscheidung über den öffentlichen Infrastrukturbau üben die Kommunen in Deutschland bereits einen relativ starken Einfluss. Maßgeblich ist allerdings, dass nicht nur die Bereitstellung, sondern auch die Finanzierungsgrundlagen dezentralisiert werden. Der gegenwärtige Fiskalföderalismus mit seiner stark auf Mischfinanzierung setzenden Kompetenzverwischung erweist sich als Hürde für effiziente öffentliche Investitionsentscheidungen. Hinsichtlich schwer zu dezentralisierender öffentlicher Angebote, etwa der Fernstraßen, wäre ein stärkerer Fokus auf die Rentabilität einzelner Vorhaben wünschenswert, statt auf das gesamte Investitionsvolumen.

Erstmals erschienen bei IREF