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Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues, und Kalle Kappner, Promotionsstudent an der Humboldt-Universität zu Berlin, Research Fellow bei IREF, Fackelträger von Prometheus.

Hinsichtlich des globalen Lebensstandards waren die letzten drei Jahrzehnte überaus erfolgreich: Zu keiner Zeit ist es mehr Menschen gelungen, der absoluten Armut zu entkommen, also ein Einkommen über dem Subsistenzniveau zu erwirtschaften. Projektionen der Weltbank gehen davon aus, dass die Anzahl absolut Armer weiter sinken und bis 2030 außerhalb Subsahara-Afrikas auf wenige Millionen schrumpfen wird.

Wenngleich diese Entwicklung optimistisch stimmen sollte, sind viele Menschen davon überzeugt, dass die Armut in den letzten Jahrzehnten weltweit zunahm und weiter zunimmt. Angesichts einer Medien- und Bildungslandschaft, die negative Ereignisse in den Vordergrund rückt, überrascht dieser Befund nicht. Bedauerlich ist er dennoch. Die gravierende Unterschätzung der aus der Ausbreitung marktwirtschaftlicher und demokratischer Institutionen resultierenden Entwicklungserfolge untergräbt die Zustimmung zu eben jenen Institutionen.

Absolute Armut weltweit auf dem Rückzug

Als absolut arm gelten nach der aktuellen Definition der Weltbank Menschen, die täglich kaufkraftbereinigt weniger als 1,90 US-Dollar zur Verfügung haben. Die Armutsquote bezeichnet den Anteil absolut Armer an der Bevölkerung und ist aufgrund der Berücksichtigung von Kaufkraftunterschieden sowohl international als auch über die Zeit hinweg vergleichbar. Zu unterscheiden ist absolute Armut von relativer Armut, die in Bezug zum Durchschnitts- oder Medianeinkommen definiert wird und daher selbst dann zunehmen kann, wenn alle Mitglieder einer Gesellschaft absolut wohlhabender werden.

Spätestens seit Beginn der Industriellen Revolution Mitte des 18. Jahrhunderts ist die absolute Armut global auf dem Rückzug. Lebten 1820 noch rund 80 % der Weltbevölkerung in absoluter Armut, so beträgt die globale Armutsquote heute etwa 8,5 %. In unterschiedlichen Weltregionen fiel der Rückgang absoluter Armut dabei unterschiedlich stark aus. So ist absolute Armut in Europa und Amerika nahezu unbekannt, während die Armutsquote in Subsahara-Afrika bei 40 % liegt.

Weltweit konnte ein besonders starker Rückgang absoluter Armut in den letzten 30 Jahren verzeichnet werden – von rund 35 % Mitte der 1980er auf heute 8,5 %. Die wichtigste Triebfeder dieses Prozesses war die Ausbreitung marktwirtschaftlicher Strukturen, etwa in China und anderen südostasiatischen Ländern. Konventionelle Entwicklungshilfe spielte hingegen keine schwerwiegende Rolle.

Wahrnehmung globaler Armut: Weitverbreiteter Pessimismus

Trotz des deutlichen Armutsrückgangs der letzten Jahrzehnte sind viele Menschen überzeugt, dass die Anzahl der absolut Armen weltweit zunahm – nicht nur in absoluten Zahlen, sondern auch in Relation zur wachsenden Weltbevölkerung. 2016 wurden in einer repräsentativen Befragung 26.000 Menschen in 24 Ländern nach ihrer Einschätzung der Entwicklung absoluter Armut über die letzten 20 Jahre interviewt, wobei die bis 2015 übliche Definition von 1,25 kaufkraftparitätischen US-Dollar zugrunde gelegt wurde. Nur 13 % der Befragten gaben an, die Armutsquote sei gesunken. 1 % kam zur korrekten Einschätzung, dass diese halbiert wurde. 70 % glaubten hingegen, die Armutsquote habe zugenommen.

Besonders stark fiel die Fehlwahrnehmung in Industrieländern aus. In Deutschland etwa gaben nur 8 % an, dass der Anteil absolut Armer an der Weltbevölkerung gesunken sei. In Entwicklungs- und Schwellenländern fiel die Einschätzung weitaus positiver aus, etwa in China, wo 50 % der Befragten äußerten, die Armut habe abgenommen. Eine 2017 durch Ipsos durchgeführte Studie kam zu ähnlichen Ergebnissen. Demnach glaubten in Deutschland 11 % der Befragten, die absolute Armut habe weltweit abgenommen, während in China 49 % eine Abnahme sahen.

Menschen in reicheren Ländern schätzen im Vergleich zu Menschen in Entwicklungs- und Schwellenländern nicht nur die vergangene Entwicklung negativer ein. Auch hinsichtlich der Erwartungen für die Zukunft sind sie deutlich pessimistischer. 2015 gaben in einer YouGov-Umfrage 4 % der befragten Deutschen und 41 % der Chinesen an, dass „die Welt ein besserer Ort wird“. Eine ähnliche Disparität förderte Ipsos mit der Frage nach der Entwicklung des globalen Lebensstandards in den nächsten 15 Jahren zu Tage. Nur 18 % der Deutschen gaben an, dieser würde zunehmen, während es in China 58 % glaubten.

Extremereignisse überschatten langfristige Trends

Konzeptionelle Missverständnisse, etwa aufgrund einer Verwechslung von absoluter und relativer Armut, können die stark von den Fakten abweichenden Einschätzungen globaler Armutstrends nur bedingt erklären. Zumal kommen selbst die nach eigener Aussage Wohlinformierten zu gravierenden Fehleinschätzungen. Derartige Fehleinschätzungen drücken daher nicht schlichtes Desinteresse und Unwissen aus. Woher kommt der tiefverankerte Pessimismus bezüglich globaler Armutstrends?

Der 2017 verstorbene Entwicklungsforscher und Betreiber des „Gapminder“-Projekts Hans Rosling führt den weitverbreiteten Pessimismus auf die Anwendung von Daumenregeln zurück, die unsere Einschätzung globaler Entwicklungen systematisch ins Negative verzerren. Beispielsweise zeigt die Forschung zum Phänomen des „sozialen Pessimismus“, dass viele Menschen dazu tendieren, ihre Einschätzung langfristiger Trends anhand eines Durchschnitts auffälliger Extremereignisse zu prägen – die sogenannte Verfügbarkeitsheuristik. In einem Medien- und Bildungsumfeld, das negativen Extremereignissen weitaus mehr Raum gibt als langfristigen, stetig positiven Trends, führt die Verfügbarkeitsheuristik zur Herausbildung übermäßig pessimistischer Überzeugungen.

Wie stark der Zusammenhang zwischen dem täglichen Nachrichtenkonsum und unseren Überzeugungen ist, verdeutlicht der Ökonom Max Roser anhand eines Gedankenexperiments: Eine Zeitung, die jeden Tag wahrheitsgetreu verkündet, dass seit gestern weitere 137.000 Menschen der absoluten Armut entkommen sind, würde ihre Leser zu einer realistischeren Einschätzung globaler Armutstrends bewegen – und sich vermutlich nur mäßig verkaufen.

Armutsentwicklung: Pessimismus hat negative Konsequenzen

In der arbeits- und wissensteiligen Gesellschaft stellt mangelnde Kenntnis über langfristige Trends und Fakten, die den eigenen Alltag nicht betreffen, oft kein grundsätzliches Problem dar. Wer sich seines eigenen Unwissens bewusst ist, kann Entscheidungen an besser Informierte delegieren oder die Kosten uninformierter Entscheidungen selbst tragen. Doch der in den Industrieländern weitverbreitete Pessimismus hinsichtlich globaler Armutstrends hat in dem Maße weitreichendere negative Konsequenzen, in dem er die Zustimmung zu eben jenen marktwirtschaftlich-demokratischen Institutionen untergräbt, die die Grundlage für weiteres Wachstum bilden.

Sowohl im Rahmen offizieller Entwicklungspolitik, als auch über informelle Kanäle haben die in den Industrieländern vorherrschenden Ansichten hinsichtlich der Auswirkung marktwirtschaftlich-demokratischer Institutionen einen bedeutenden Einfluss auf Reformanstrengungen in Entwicklungsländern. Die Ausbreitung dieser Institutionen ist das Erfolgsrezept des Westens und hat in den letzten Jahrzehnten viele Bewohner südostasiatischer Länder aus der Armut befreit. Jene hilfreichen Institutionen für Armut verantwortlich zu machen, heißt nicht nur, die Fakten zu ignorieren, sondern die Grundlagen für die weitere Verbesserung der Welt zu untergraben.

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Im parlamentarischen Alltag passieren auch Pannen. In der letzten Sitzungswoche habe ich versehentlich einem Antrag der Linksfraktion in namentlicher Abstimmung zugestimmt. Anders als ich vermutet hatte, wurde nicht über die Beschlussempfehlung des Parlamentsausschusses abgestimmt, was eine Zustimmung bedeutet hätte, sondern über den Antrag der Linksfraktion selbst. Meine Ja-Karte bei der namentlichen Abstimmung war daher nicht eine Ablehnung des Antrages, sondern dadurch eine Zustimmung. So ging es auch anderen Kollegen meiner Fraktion, die das Abstimmungsverfahren ebenfalls falsch beurteilt haben. Das ist ärgerlich, aber nicht mehr zu ändern.

Doch unabhängig davon, beschäftigt mich der Inhalt des Antrages seit geraumer Zeit. Denn der Antrag der Linksfraktion will den „Klimanotstand anerkennen“. Das Ausrufen des Klimanotstandes wird von den Grünen und Linken inzwischen in vielen Stadt- und Gemeinderäten beantragt. Von Kiel über Münster bis nach Konstanz haben ihn Stadträte schon ausgerufen. Viele Nachahmer springen jetzt auf diesen Zug.

Man kann über die Dramatik der Klimaveränderung und ihrer Konsequenzen unterschiedlicher Meinung sein, doch die Begrifflichkeit „Notstand“ weckt, vielleicht nicht nur bei mir, innerlich einen Widerstand. Denn ruft der Staat den Notstand aus, dann geht dies einher mit der Einschränkung der Demokratie und der individuellen Grundrechte. Die Freiheit wird in Notstandszeiten beschränkt, weil es äußere oder innere Gefahren gibt, die dies rechtfertigen sollen.

In Deutschland sind die Grundlagen dafür eng mit der ersten großen Koalition von 1966 bis 1969 unter Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger verbunden. Allgemein gilt die Abstimmung über die Notstandsgesetze am 30. Mai 1968 auch als Geburtsstunde der Studentenproteste der 68-Bewegung. Zwar hat die FDP seinerzeit geschlossen gegen die Notstandsgesetze von Union und SPD gestimmt, die außerparlamentarische Protestbewegung war aber bekanntlich eine linke Bewegung. Beim „Sternmarsch auf Bonn“ demonstrierten am 11. Mai 1968 Zehntausende gegen die Notstandsgesetze. Dennoch beschlossen Bundestag und Bundesrat mit Zwei-Drittel-Mehrheit das Gesetz und die Grundgesetzänderungen. Der damalige Bundesinnenminister Gerhard Schröder sprach zur Notwendigkeit des Gesetzes von der „Stunde der Exekutive“. Seitdem lässt das Grundgesetz bei einem „inneren Notstand“, der als die Abwehr drohender Gefahren für die freiheitlich demokratische Grundordnung definiert wird, die Einschränkung der Freizügigkeit (Art. 11 GG) oder des Post- und Fernmeldegeheimnisses (Art. 10 GG) zu. Um den „inneren Notstand“ abzuwehren, kann der Bund im Krisenfall sogar die Bundeswehr im Inneren einsetzen (Art. 91 GG).

Aus dieser historischen Betrachtung ist die Begriffswahl „Klimanotstand“ eigentlich beängstigend. Was wollen die Befürworter? Wollen sie für höhere Ziele, hier den Klimaschutz, die Freiheit des Einzelnen einschränken? Soll das Parlament entmachtet werden, damit die Exekutive besser „durchregieren“ kann? Soll die Freizügigkeit nur noch auf drei Flugreisen im Jahr beschränkt werden? Soll dies im Zweifel die Bundeswehr im Inneren durchsetzen? Was unterscheidet eigentlich die damalige Regierung Kiesinger von Linken und Grünen? Eigentlich nur das Ziel, denn die Sprache und die zur Verfügung stehenden Mittel sind dann wohl die gleichen.

Denn, wie soll man das verstehen, wenn es im Antrag der Linken heißt, „der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, den Klimanotstand anzuerkennen und damit den Klimaschutz bei politischen Entscheidungen prioritär zu behandeln“? Um welchen Preis? Auch um den Preis der Freiheit? Der Deutsch-Brite Ralf Dahrendorf hat dazu einmal gesagt: „Wer die Freiheit einzuschränken beginnt, hat sie aufgegeben und verloren.“ Wehret den Anfängen.

Erstmals veröffentlicht auf Tichys Einblick. 

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Gestern war „World Population Day“. Wachstumskritiker nutzen solche Tage, um ihre Thesen zu verbreiten. Sie haben prominente Vorbilder. Robert Malthus hatte Ende des 18. Jahrhunderts sein berühmtes Bevölkerungsgesetz aufgestellt. Darin nahm er an, dass die Bevölkerung in einer geometrischen Reihe, die Nahrungsproduktion aber lediglich in einer arithmetischen Reihe wächst. Es sei eine Frage der Zeit bis die Menschen sich nicht mehr selbst ernähren könnten. Die These war damals populär, weil die Bevölkerung durch die industrielle Revolution wuchs und die Menschen in die Städte zogen, wo es Arbeit gab. Das Malthussche Gesetz erwies sich aber als falsch. Moderne Anbaumethoden, moderne Schädlingsbekämpfung und die Technisierung in der Landwirtschaft bewiesen das Gegenteil.

Dennoch ist in jüngster Zeit die These immer noch populär. Der Club of Rome trat in den 1970er Jahren in die malthusschen Fußstapfen und prognostizierte die Grenzen des Wachstums. Und heute sind es die Globalisierungsgegner von links und rechts, die die These immer noch glauben und hochhalten. Es darf halt nicht sein, was nicht sein kann.

Zu Zeiten Robert Malthus lebten 1 Milliarde Menschen auf dieser Welt. Heute sind es 7,6 Mrd. Menschen. ­Bis zum Jahr ­2050­ werden­ nach ­Prognosen der ­Vereinten ­Nationen voraussichtlich ­ 9,8 ­Milliarden ­Menschen ­ ­leben, ­bis­ zum­ Jahr­ 2100 vermutlich sogar 11,2 Milliarden.

Neben der Ernährungsfrage der Menschheit kommen Umwelt- und Klimafragen hinzu. Viele dieser Untergangsapologeten meinen, ohne einen Verzicht der Menschen in den wohlhabenden Ländern und ohne eine radikale Veränderung der bisherigen Gewohnheiten an Ernährung, an Mobilität und Lebensstandard, sei die Welt nicht zu retten. Weltuntergangsstimmung macht sich breit.

Doch nicht der Verzicht hat zum weltweiten Wohlstand geführt, sondern das Vertrauen auf den Fortschritt, der Mut zur Offenheit, also die Globalisierung, und die auf dem Kapitalismus beruhende Marktwirtschaft. Die Entwicklung ist höchst beeindruckend. Im frühen 19. Jahrhundert waren die Armutsraten in den reichsten Ländern der Welt höher als in den ärmsten Ländern heute. In den USA, England und Frankreich haben in dieser Zeit zwischen 40 und 50 Prozent der Bevölkerung in extremer Armut gelebt. Eine Rate, die man heute nur noch in der Subsahara in Afrika findet. Menschen, die weltweit in absoluter Armut leben (weniger als 1,90 Dollar am Tag) hat sich von 1981 von 44,4 Prozent auf 9,6 Prozent in 2015 reduziert. Diese Entwicklung ging einher mit offenen Märkten, die weite Teile Asiens in die globale Arbeitsteilung integriert haben. Mao Zedongs „großer Sprung nach vorn“ kostete 45 Millionen Chinesen das Leben. Bei seinem „Experiment“ verhungerten die Menschen oder wurden umgebracht. Erst die marktwirtschaftliche Öffnung unter Deng Xiaoping und die weltweite Liberalisierung der Handelsregeln Anfang der 1990er Jahre unter dem GATT-Abkommen und der WTO brachte den Aufstieg weiter Teile der Welt.

Der Schwede Johan Norberg weist in seinem aktuellen Buch „Progress“ darauf hin, dass durch die Arbeit des Agrarwissenschaftlers Norman Borlaug die Züchtung von Saatgut, das parasitenresistent und weniger abhängig von Sonnenstrahlen war, die Ernten in einer trockenen Region wie Mexiko von 1944 bis 1963 versechsfacht und das Land über Nacht zu einem Weizenexporteur gemacht hat. Für seine Arbeit bekam er 1970 den Friedensnobelpreis, weil er dadurch Milliarden Menschenleben gerettet hat. Aber nicht nur das: er rettete durch seine Entwicklungen auch viele Tiere und Pflanzenarten. Millionen von Hektar Wald hätten geholzt werden müssen, wenn er das leistungsstärkere Saatgut nicht entdeckt hätte. Der Waldverlust hat sich seit den 1990er Jahren von 0,18 auf 0,008 Prozent verkleinert. Im Amazonas hat die jährliche Abholzungsrate seit 2005 um 70 Prozent abgenommen.

Dank besserem Waldschutz und höheren Ertragszahlen auf den Flächen der Landwirte, durch besseres Saatgut und bessere Anbaumethoden konnte dieser tatsächliche „Große Sprung nach vorn“ erreicht werden. Wachstum und Umweltschutz sind keine Widersprüche, sondern bedingen sich. Sie setzen Fortschritt und technologische Offenheit voraus. Der Irrglaube der Globalisierungskritiker besteht darin, dass sie Wachstum nur quantitativ betrachten und nicht qualitativ. Wachstum verändert sich aber mit steigendem Wohlstand, weil sich die Präferenzen der Menschen mit zunehmender Lebensqualität verändern. Nicht „immer mehr“ ist das Ziel, sondern „immer besser“. „Immer besser“ gilt auch für die Umwelt. Die technische Entwicklung von Filtern, Reinigern, effizienteren Anlagen und Motoren ist nur mit Wachstum und Wohlstand möglich. Und hinzukommt: nur der Kapitalismus kann dies auch finanzieren. Dem Sozialismus geht dabei immer das Kapital aus. Daher gilt: der Verzicht, die staatliche Verhaltenslenkung der Bürger oder das Zurückdrehen der Globalisierung schafft nicht weniger Armut, nicht weniger Hunger und Elend, sondern mehr. Der Fortschritt, die Marktwirtschaft und die Globalisierung sind die Garanten dafür, dass immer mehr Menschen in Wohlstand leben können. Denn es gibt kein Ende des Wachstums, wenn die Menschen auf dieser Welt vernünftig bleiben und den Apologeten des Untergangs nicht auf den Leim gehen. Das Leben wird immer besser.

Photo: Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)

Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues, Alexander Mengden und Fabian Kurz, Doktorand der Volkswirtschaftslehre.

Dieses Jahr feiern wir den 30. Jahrestag der friedlichen Revolution in der DDR. Eine ganze Generation junger Erwachsener – in Ost und West – kennt den realexistierenden Sozialismus in Deutschland nur noch aus Erzählungen. Das Jubiläum ist für uns Anlass, die Lebenssituation der DDR-Bürger in vielen Bereichen in Erinnerung zu rufen. Hier widmen wir uns dem Wohnen.

Seit Honeckers Amtsantritt im Jahr 1971 hatte der Wohnungsbau für die Sozialpolitik der DDR höchsten Stellenwert. Trotz der hohen Priorität der DDR-Oberen waren die Resultate ernüchternd. Das Auseinanderklaffen zwischen Anspruch und Wirklichkeit veranschaulicht der innerdeutsche Vergleich: Die DDR-Wohnungen waren nicht nur kleiner, schlechter ausgestattet und hoch renovierungsbedürftig, sondern oft auch fehlbelegt. Die gute Nachricht: Seit der Wende hat sich die Wohnsituation für Menschen in den neuen Ländern deutlich verbessert.

DDR: Kleinere Wohnungen

Den Bürgern der Bundesrepublik standen 1987 mit durchschnittlich 36,8 Quadratmetern etwa 10 Quadratmeter, oder 38 Prozent, mehr Wohnfläche pro Einwohner zur Verfügung als den Bürgern der DDR.

Der Abstand bezüglich der Wohnfläche zwischen Ost und West verringerte sich nach der Wiedervereinigung bis zum Jahr 2017 auf nur noch 8,5 Prozent. Während in dieser Zeit auch in den alten Bundesländern die Wohnfläche pro Einwohner stieg, fiel der Anstieg für die neuen Bundesländer deutlich stärker aus.

Miese Qualität

Wohnungen in der DDR waren nicht nur deutlich kleiner als in Westdeutschland, sondern auch schlechter ausgestattet. Im Jahr 1990 waren nur etwa 83 Prozent aller Wohnungen mit einem Badezimmer ausgestattet. In 84 Prozent der Wohnungen war ein WC vorzufinden und bloß die Hälfte der Wohnungen wurde zentral beheizt. Im Westen befand sich in nahezu jeder Wohnung ein Badezimmer und 90 Prozent der Wohnungen waren an eine Zentralheizung angeschlossen.

Daten des Sozioökonomischen Panels (SOEP) offenbaren neben der vergleichsweise dürftigen Ausstattung den schlechten Zustand der Wohnungen. Das SOEP erfasst die Einschätzung des Gebäudezustands durch den Haushaltsvorstand. Im Jahr 1990 bewerteten 28 Prozent der Haushalte in Ostdeutschland ihr Wohngebäude als „ganz renovierungsbedürftig oder abbruchreif“. In Westdeutschland waren es 4 Prozent. Die nach der Wende zunächst deutliche Lücke schloss sich bereits in den 2000er Jahren fast vollständig.

DDR-Bürger mit der eigenen Wohnung weniger zufrieden

Die unterschiedlichen Wohnverhältnisse in Ost und West spiegeln sich auch in der subjektiven Bewertung der Bürger wider. Umfrageergebnisse des Wohlfahrtssurveys offenbaren, dass Bewohner auf dem Gebiet der ehemaligen DDR 1990 ihre Wohnsituation mit 6,6 von 10 möglichen Punkten bewerteten, deutlich schlechter als bereits zwei Jahre zuvor in Westdeutschland mit 8,2. Dass die Zufriedenheit bezüglich der Wohnsituation 1990 noch niedrig war, ist angesichts der damals noch nicht erfolgten Renovierung des alten DDR-Bestandes keine Überraschung.

In den Jahren nach dem Mauerfall erhöhte sich die Zufriedenheit der Menschen mit ihrer Wohnsituation in den neuen Bundesländern. Daten des SOEP zufolge waren die Bewohner der neuen Bundesländer 2008 etwa genauso zufrieden mit ihrer Wohnsituation wie die Bewohner in den alten Bundesländern – im Falle von Mietern etwas zufriedener, im Falle von Selbstnutzern etwas weniger zufrieden.

Platte hui, Altbau pfui

Im Jahr 1990 befanden sich 59 Prozent aller Wohnungen in der DDR in „Volkseigentum“, also in Besitz volkseigener Betriebe oder Genossenschaften. Etwa 24 Prozent der Wohnungen gehörten privaten Personen, die diese selbst nutzten. Weitere 17 Prozent der Wohnungen waren im privaten Besitz und vermietet. Die Rechte der privaten Vermieter waren jedoch stark beschränkt. Weder hatten die Eigentümer einen Einfluss darauf, wer in die Mietwohnungen einzog, noch wie hoch die Miete ausfiel.

Während in der Bundesrepublik der Mietpreisstopp ab 1960 abgebaut und 1971 das in seinen Grundzügen bis zur Einführung der Mietpreisbremse 2015 fortbestehende Regelwerk eingeführt wurde, blieben die Mieten für Bestandsgebäude in der DDR, die vor dem Krieg erbaut worden waren auf dem Preisniveau von 1936 eingefroren. Das betraf rund die Hälfte des DDR-Wohnungsbestands. In Modernisierung und Instandhaltung investierten die privaten Vermieter angesichts der niedrigen Mieten und der schlechten Verfügbarkeit von Baumaterial kaum. Es passt ins Bild, dass bis 1989/90 der Verfall gut eine halbe Million ältere Wohnungen unbewohnbar gemacht hatte.

Wenn man heute die schönen Innenstädte in den ostdeutschen Bundesländern sieht, ist es nur schwer vorstellbar, dass die berühmten „Platten“ der DDR begehrter Wohnraum waren. Obwohl trotz der umfangreichen Subventionen auch die junge Bausubstanz unter der mangelnden Modernisierung und Instandhaltung litt, waren Wohnungen in der Platte attraktiv. Mieter hatten hier für DDR-Verhältnisse Zugang zu relativ hochwertigen Wohnungen zu niedrigen Mieten – Kaltmieten für Neubauten waren bis zur Wiedervereinigung auf durchschnittlich 90 Pfennig pro Quadratmeter festgelegt.

Staatliche Zuteilung von Wohnraum

Anders als in der BRD kam in der DDR nicht der Preismechanismus als Instrument für die Verteilung von Wohnraum zum Einsatz. Die SED-Regierung setzte auf die staatliche Zuweisung von Wohnungen. Entscheidend war somit nicht, ob ein Interessent in der Lage und bereit war, für die seinen Vorstellungen entsprechende Wohnung eine den Vermieter überzeugende Miete zu entrichten.

Stattdessen teilten die kommunalen Wohnungsbehörden den verfügbaren Wohnraum an Interessenten nach den Kriterien von sozialer Dringlichkeit, Arbeitskräftesicherung und „gesellschaftlichen Verdiensten“ zu, deren Auslegung durchaus Freiräume ließ. Nach der sozialen Dringlichkeit wurden vor allem junge Ehepaare und Familien bevorzugt. Mit Priorität im Rahmen der Arbeitskräftesicherung wurden Mitarbeiter zentraler staatlicher Institutionen sowie Facharbeiter und Hochschulabsolventen behandelt. Nach dem Kriterium „gesellschaftlicher Verdienste“ wurden Wohnungen vor allem unter politischen Gesichtspunkten wie Parteimitgliedschaft und Engagement im Sinne der SED-Regierung vergeben.

So hatte nicht jeder das Glück oder die gewünschte politische Gesinnung, um eine für ihn wünschenswerte Wohnung von den Behörden zugeteilt zu bekommen. Für die Zuteilung einer Wohnung mussten DDR-Bürger Ende der 1980er Jahre zudem Wartezeiten von 4 bis 6 Jahren in Kauf nehmen.

Wer einmal eine Wohnung zugeteilt bekommen hatte, versuchte sie zu behalten, vor allem wenn sie komfortabel groß war. So gab es kaum einen finanziellen Anreiz, in eine kleinere Wohnung zu ziehen, wenn die Kinder auszogen, ein Ehepartner die gemeinsame Wohnung verließ oder die Eltern verstarben. Verbreitet war auch, dass Paare nach dem Zusammenzug ihre zweite Wohnung behielten, um im Falle einer Trennung gewappnet zu sein oder sie im Tausch für etwas anderes Erstrebenswertes einsetzen zu können. Ähnlich wie Bestandsmieter in Zeiten schnell steigender Neuvertragsmieten heute, verschärfte dieses Verhalten der „Insider“ die Wohnungsknappheit in der DDR.

Einige Menschen umgingen die unbefriedigende Wohnraumlenkung, indem sie „schwarz“ wohnten. Der Historiker Prof. Udo Grashoff schätzt, dass sich in der gesamten DDR mehr als zehntausend zumeist jüngere Einwohner abseits der staatlichen Wohnraumlenkung in heruntergekommen Altbauten einquartiert hatten.

Grund für Optimismus

Obwohl der Wohnungsbau eine hohe Priorität in der DDR hatte, waren die Ergebnisse ernüchternd. Das 30-jährige Jubiläum des Mauerfalls ist aber auch Anlass zur Erinnerung, wie stark sich die Wohnungssituation auf dem Gebiet der ehemaligen DDR zum Positiven gewandelt hat. So profitieren die Menschen in den neuen Bundesländern heute von geräumigeren und höherwertigen Wohnungen und einer breiteren Palette an Wahlmöglichkeiten.

Das ist insbesondere der Etablierung marktwirtschaftlicher Strukturen in den neuen Bundesländern zu verdanken, die Investitionen in Instandhaltung, Modernisierung und Ausweitung des Wohnraums nicht nur grundsätzlich ermöglichen, sondern auch die finanziellen Anreize zu ihrer Umsetzung bieten.

Erstmals erschienen bei IREF

Photo: British Library from Flickr (CC 0)

Als vor 13 Jahren das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz in Deutschland in Kraft trat, war dies ein Paradigmenwechsel. Denn bis dahin war ein Diskriminierungsverbot weitestgehend auf staatliches Handeln beschränkt. Das ist historisch begründet. War doch der Kampf seit dem Mittelalter ein Kampf gegen die Willkür der Herrschenden. Adlige wurden vor dem Gesetz anders behandelt als Bürgerliche. Bürgerliche anders als Unfreie. Die Gleichheit vor dem Gesetz und deren Einklagbarkeit vor unabhängigen Gerichten waren Meilensteine unserer Rechtsordnung.

Wenn von der Herrschaft des Gesetzes die Rede ist, dann ist dabei eine Begrenzung staatlicher Macht gemeint. Friedrich August von Hayek brachte dies in seiner „Verfassung der Freiheit“ so auf den Punkt: „Es war früher der Stolz des freien Mannes, dass er, solange er sich innerhalb der Grenzen des bekannten Rechts hielt, um niemandes Erlaubnis zu bitten und niemandes Befehl zu gehorchen brauchte. Es ist zu bezweifeln, ob einer von uns das heute von sich behaupten kann.“

Das Diskriminierungsverbot des Grundgesetzes folgt dem Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz. Niemand sollte aufgrund bestimmter Merkmale, wie Geschlecht, Herkunft oder sexueller Orientierung vor Gericht, in Ämtern oder bei Verwaltungsakten diskriminiert werden dürfen. Gegen Ungleichbehandlung, also staatlicher Willkür, wollten die Väter und Mütter des Grundgesetzes ein einklagbares, verfassungsrechtliches Recht schaffen. Sie gingen sogar so weit, dass sie das Diskriminierungsverbot des Artikels 3 in die Ewigkeitsklausel des Grundgesetzes aufnahmen. Es kann daher nicht aufgehoben oder verändert werden.

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), beziehungsweise umgangssprachlich auch Antidiskriminierungsgesetz genannt, betrifft nicht das öffentliche Recht, sondern das Privatrecht. Es regelt also nicht das Verhältnis von Staat zu Bürgern, sondern greift in das Verhältnis von Privaten untereinander ein. Es sind also keine Abwehrrechte der Bürger gegenüber staatlicher Willkür, sondern „Befehle“ des Staates, beziehungsweise seiner Behörden, an seine Bürger. Diese müssen sich daran halten, sonst können sie verklagt werden und bekommen Probleme. Sich daran zu halten, ist jedoch nicht ganz einfach. Wer für sein Friseurgeschäft eine ältere Friseurin sucht, diskriminiert jetzt alle Jüngeren, alle Männer und Transsexuellen. Wer einen jungen, dynamischen Vertriebsmitarbeiter sucht, diskriminiert alle Älteren, alle Frauen und Transsexuellen. Das geht so nicht mehr. Stellenanzeigen müssen den staatlichen „Befehlen“ angepasst und Absagen diskriminierungsfrei im Sinne des Gesetzes formuliert werden. Zwar ändert sich für die Inhaber des Friseurgeschäftes nichts an der Situation, immer noch wird eine ältere Friseurin gesucht, aber das Handwerksunternehmen unterliegt jetzt immer einer rechtlichen Grauzone. Ist die Anzeige tatsächlich konform mit dem Antidiskriminierungsgesetz? Drohen Schadenersatzklagen wegen Formfehlern? Das kostet viel Geld: Eine Studie, die von der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) beauftragt wurde, kam zu dem Ergebnis, dass die entstandenen Kosten für die deutschen Unternehmen bei  1,73 Mrd. € liegen. Mitarbeiterschulungen und andere bürokratische Maßnahmen inbegriffen.

Diese Entwicklung ist nicht vom Himmel gefallen. Ganz im Gegenteil, sie ist das Ergebnis einer langfristigen Entwicklung. Sie folgt einem gesellschaftlichen Trend, der den alten liberalen Begriff der Zivilgesellschaft in sein genaues Gegenteil verkehrt hat. Politisches Ziel dieser Begriffsumwertung war die von Wolfgang Abendroth in den 1950er Jahren geforderte „Transformation des liberalen Rechtsstaates in den Sozialstaat“. Die Institutionen wie Privateigentum, Vertragsfreiheit, Gewerbefreiheit, aber auch die Autonomie der Familie sowie die Religions- und Gewissensfreiheit vor der Herrschaft durch andere Menschen sollen nicht mehr geschützt werden, sondern durch eine sozialdemokratische Scheinmoderne ersetzt werden.

Das Antidiskriminierungsgesetz folgt dieser Scheinmoderne. Es ist ein Angriff auf den liberalen Rechtsstaat. Auf den ersten Blick sind die Merkmale ethnische Herkunft, Geschlecht, Religion, Behinderung, Alter oder sexuelle Identität immer schützenswert. Wer möchte schon, dass jemand wegen seines Geschlechts oder seiner Herkunft diskriminiert wird? Doch so einfach ist es meist nicht. Heiratet ein Mann eine Frau, dann diskriminiert er alle anderen Frauen, die er nicht heiratet. Das gilt natürlich auch umgekehrt oder bei gleichgeschlechtlichen Paaren. Gehen wir abends zum Griechen essen, dann diskriminieren wir die Eigentümer aller anderen Restaurants. Seien es Spanier, Türken, Chinesen oder Deutsche.

Die Merkmale des Antidiskriminierungsgesetzes sind willkürlich gewählt. Warum nur die oben genannten sechs Kriterien? Warum nicht andere? Man könnte auch auf die Idee kommen, das Einkommen als Merkmal aufzunehmen. Warum wird jemand im Einkommensteuerrecht diskriminiert, nur weil er mehr Einkommen erzielt als ein anderer? Also warum muss dieser einen höheren Steuersatz an den Fiskus abführen, als jemand der weniger Einkommen bezieht. Und warum erhält ein Geringverdiener relativ zu seinen Einzahlungen eine höhere Rente, als jemand der sein Leben lang Höchstbeiträge einbezahlt hat? Ist die Mütterrente nicht diskriminierend für die vielen Männer im Lande? Und sind die Vätermonate nicht diskriminierend für diejenigen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht Väter werden können?

Das Antidiskriminierungsgesetz folgt einem Gesellschaftsbild, das zutiefst freiheitsfeindlich ist. Es will die Demokratisierung aller Lebensbereiche erreichen. Nicht mehr nur das Parlament und die Regierung sollen demokratisch gewählt werden, sondern die Regeln der Wirtschaft, der Familie, und aller Individuen unterliegen dem Primat der Politik und seinen Befehlen.

Für die Väter und Mütter des Grundgesetzes war das Diskriminierungsverbot ein Abwehrrecht der Minderheit gegenüber der Mehrheit. Das Antidiskriminierungsgesetz dreht aber dieses Abwehrrecht in ein Angriffsrecht um. Die Mehrheit definiert gegenüber der Minderheit, wie weit die Privatautonomie noch gilt. Sie schränkt das Minderheitenrecht so ein, wie es ihr beliebt. Es wird zur leeren Hülle.

Die Kritik am Antidiskriminierungsgesetz ist jedoch keine Absage an Werte und Moral. Es ist nach unseren gesellschaftlichen Normen nicht akzeptabel, wenn jemand nur wegen des „falschen“ Geschlechts einen Job nicht bekommt, oder jemand wegen seines Aussehens oder seines Glaubens im Restaurant nicht bedient wird. Zur Lösung dieses Problems setzt eine freiheitliche Gesellschaft aber auf Freiwilligkeit statt Zwang. Nicht nur weil der Zwang generell nicht die beste Wahl ist, sondern weil das Überschreiten von freiwilligen Regeln, den Druck auf diejenigen erhöht, die sich dem Vorwurf derer aussetzen müssen, die diese Regeln einhalten. Dieser soziale Druck ist nicht statisch wie ein staatlicher Befehl per Gesetz, sondern passt sich der gesellschaftlichen Entwicklung flexibel an. Ein Versuch-und-Irrtum-Prozess ist bei freiwilligen Regeln möglich. Daher sind freiwillige Regeln starren Gesetzen überlegen. Letztere können meist nur für alle gleichzeitig geändert werden. Voraussetzung dieser freiwilligen Regeln ist, dass sie nicht erzwungen oder willkürlich sind, sondern einer gesellschaftlichen Entwicklung und Tradition entspringen. Sie sind also kein konstruktivistischer Plan, sondern  ein evolutorischer Prozess.

Hayek hat diesen Zusammenhang zwischen Freiheit des Individuums und der Moral stets betont: „Es ist eine Tatsache, die all die großen Vorkämpfer der Freiheit, …, nicht müde wurden zu betonen, dass Freiheit ohne tief eingewurzelte moralische Überzeugungen niemals Bestand gehabt hat und das Zwang nur dort auf ein Mindestmaß herabgesetzt werden kann, wo zu erwarten ist, dass die Individuen sich in der Regel freiwillig nach gewissen Grundsätzen richten.“ Wer die Scheinmoderne bekämpfen will, muss hier ansetzen.

Erstmals erschienen in der Sonderveröffentlichung „Wohlstand für alle – 70 Jahre Grundgesetz“ der Ludwig-Erhard-Stiftung.