Politik bietet gerne Lösungen an. In unserem demokratischen System sind Lösungen das Kapital, mit dem Politiker arbeiten, um sich ihre Wahl zu sichern. Deshalb ist das Nachdenken über politische Fragen meist geprägt von der Suche nach Lösungen. Anders als Konservative und Sozialisten haben Liberale aber keine konkreten Lösungen zu bieten.

Das erschwert das Verhältnis zwischen Politik und Liberalismus nachhaltig. Der Liberalismus kann die vom politischen Geschäft an ihn gerichteten Erwartungen nicht erfüllen, ohne sich selbst aufzugeben. Das zeigt besonders deutlich die Geschichte der FDP. Aber hier soll es nicht um die FDP gehen, sondern um den Liberalismus.

Liberale sind Skeptiker

In einem sehr freundlichen Artikel begrüßt Christopher Gohl, einer der wichtigen Vordenker der FDP in den letzten Jahren – und ein Freund -, die Gründung von „Prometheus – Das Freiheitsinstitut“ durch den ehemaligen BundestagsabgeordnetenFrank Schäffler und mich.

Er ruft zum Gespräch auf zwischen den „liberalen Pragmatikern“ und den „liberalen Lehrmeistern“ und beklagt die Trennung zwischen Theorie und Praxis. In diese Klage kann ich in gewissem Maße mit einstimmen. Es gibt eine große Versuchung, sich aus der frustrierenden Realität einer illiberalen Politik und Gesellschaft in die Nestwärme der reinen Lehre zu flüchten. Die liebevolle Pflege dieser reinen Lehre, die bisweilen auch ihre zelotische Verteidigung gegen Verwässerungen von außen umfassen kann, ist jedoch nicht nur fruchtlos. Sie hat auch wenig mit dem zu tun, was den Liberalismus im Kern ausmacht. Ja, sie steht sogar in einem Gegensatz dazu.

Die Wurzeln des liberalen Weltbildes liegen in der Skepsis: Die Warnung davor, den eigenen Verstand zu überschätzen – insbesondere wenn man ihn nutzt, um für andere Menschen Entscheidungen zu treffen. Diese Skepsis hat zwei Folgen:

Ein Liberaler kann sich nicht auf Seiten der Wächter über die Bewahrung der reinen Lehre wiederfinden. Sein Ziel ist nicht Selbstbestätigung, sondern Lernen. Kaum jemand hat das so brillant formuliert wie die großen Denker der Freiheit Friedrich August von Hayek und Karl R. Popper.

Wer sich auf diese Denker beruft, kann sich nicht gleichzeitig zum Großinquisitor des Liberalismus aufschwingen. Die Menschheitsgeschichte wie das Leben jedes Einzelnen sind beständige Lernprozesse. Fortschritt und Verbesserung erreicht man nicht, indem man Recht behält, sondern indem man lernt. Soviel zu den „Idealisten“.

Bei den „Realisten“ sieht es jedoch nicht besser aus. Wenn es mit dem eigenen Verstand vielleicht doch nicht so weit her ist, dann wird es eben auch viel schwieriger, Lösungen für andere anzubieten. Das schränkt den Spielraum der Realisten natürlich stark ein.

Während Konservative und Sozialisten vielerlei Lösungen anzubieten haben, bleibt dem Liberalen dann meist nur die Rolle des Spielverderbers, der nicht viel mehr anzubieten hat als die unbequeme Aufforderung, Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen. Oder er verabschiedet sich von seiner Haltung der Skepsis und wird zu einem Konservativen oder Sozialisten mit liberaler Rhetorik.

Nicht „negative Freiheit“ sondern Respekt

Weder Idealismus noch Realismus sind Optionen für den Liberalen. Was aber ist der Liberalismus, wenn er weder Gralshüter noch Straßenkämpfer ist? Der Liberalismus ist eine Haltung. Er ist die Haltung der Demut und Selbstbescheidung. Der Begriff der „negativen Freiheit“ ist etwas irreführend: er klingt – eben – negativ.

Dabei ist die Haltung, sich zurückzunehmen und dem anderen Raum zu bieten, alles andere als negativ. Christopher Gohl erwähnt in seinem Artikel, dass neben „erwartbaren Namen wie Hayek, Popper und Buchanan“ auch Denker wie Martin Buber und Emmanuel Lévinas zu meinen intellektuellen Leitpersönlichkeiten gehören.

Was diese beiden Denker besonders auszeichnet, ist die philosophische Begründung des Respekts vor dem Anderen. Sie passen mithin besser zu Denkern wie Popper und Hayek, als man auf den ersten Blick meinen möchte. Die intellektuelle Demut, die jene fordern, formulieren diese im existentialistischen und ethischen Bereich.

Letztlich lässt sich diese Haltung zusammenfassen mit den Worten: „Nimm Dich selber nicht zu wichtig.“ Oder in Variation für den Idealisten: „Du hast die Weisheit auch nicht mit Löffeln gefressen“; und für den Realisten: „Misch Dich nicht immer in anderer Leute Angelegenheiten ein.“

Würde durch Selbstverantwortung

Wenn wir mit Prometheus für eine Veränderung in unserer Gesellschaft werben, dann wollen wir nicht wirklich viel mehr als dies: Grenzen aufzeigen und zu Zurückhaltung aufrufen. Der Nährboden der Freiheit ist der Respekt, den wir anderen entgegenbringen.

Der Respekt, der daher rührt, dass man jedem Menschen etwas zutraut. Die Würde des Menschen liegt ganz wesentlich darin begründet, dass er für sein eigenes Leben Verantwortung übernehmen kann. Um diese Würde geht es uns. Die Geschichte unseres „Namenspatrons“ Prometheus steht dafür: Er hat den Göttern das Feuer entrissen, um es den Menschen zu geben, damit sie selbst für ihre Leben sorgen können.

Wir richten uns gegen die Götter, die die Menschen in Abhängigkeit bewahren wollen. Anders als sie bieten wir nicht Lösungen, sondern fordern Respekt ein. Und wir wollen werben für eine Tugend, die in Zeiten der Macher und Fürsorger unpopulär geworden ist: die Demut.

Ich freue mich und bin gespannt auf den Dialog mit Christopher Gohl! Ich freue mich auf gemeinsames Lernen und gemeinsames Fortschreiten – denn dieses Lernen ist das Herz des Liberalismus.

Photo by David Robert Bliwas on Flickr

Heute erscheint mein neues Buch „Nicht mit unserem Geld – Die Krise des Geldsystems und die Folgen für uns alle„. Ich glaube es kommt gerade zur rechten Zeit. 3 Jahre habe ich mir Zeit gelassen, um das aufzuschreiben, was mich in der Finanzkrise antreibt, was mich bewegt und wofür ich streite.

Viele meinen, wir seien heute besser aufgestellt, besser vorbereitet und wachsamer als 2007 als die jüngste Bankenkrise in Europa ihren Anfang nahm. Diese Illusion möchte ich Ihnen nehmen. Es ist nicht besser, sondern um ein Vielfaches schlimmer als damals.

Die weltweite Verschuldung hat inzwischen massiv zugenommen. Das Volumen aller Anleihen von Staaten, Banken und Unternehmen hat sich nach Angaben der „Bank für Internationalen Zahlungsausgleich“ (BIZ) seitdem um 30 Billionen Dollar auf 100 Billionen Dollar erhöht. Das ist ein Anstieg der Verschuldung um 43 Prozent innerhalb von 7 Jahren. Die Schuldenlast kletterte in dieser Zeit auf 137 Prozent im Verhältnis zur weltweiten Wirtschaftsleistung.

Einher geht dies mit einer Aufblähung der Notenbankbilanzen aller großen Volkswirtschaften. Die Notenbanken pumpen immer mehr Zentralbankgeld ins System.

Auch wenn die amerikanische Notenbank FED die Zügel vorübergehend etwas anzieht, so wird an anderer Stelle auf dem Globus, in Europa bei der EZB, jetzt das nachgeholt, was die FED, die Bank of England und die Bank of Japan längst gemacht haben: Einen massiven Ankauf von Kreditverbriefungen aller Art.

Dies hat für die EZB eine neue Qualität. Denn sie kauft nicht die besten Äpfel vom Markt, sondern die Notenbanker der EZB wollen die verdorbene Ernte der Vorjahre beseitigen, damit wieder Platz für die neue Ernte ist und die Banken ihre Lust an der neuen Apfelernte nicht verlieren. Doch der Apfelsaft, der aus den Äpfeln gemacht wird, verliert von Jahr zu Jahr an Qualität. Immer mehr verdorbenes Obst wird von der EZB in die Obstpresse geschmissen.

Unten kommt nur noch eine dunkle schimmelige Brühe heraus, die keiner mehr trinken mag. So ist es auch mit dem Euro. Immer mehr schlechtes Geld schmeißt die EZB über die Banken ins System und die Qualität und das Vertrauen nehmen ab.

Die Symptome der Qualitätsverschlechterung des Geldes sind überall auf der Welt sichtbar. Alle sind überschuldet und dennoch feiert die ganze Welt Party, als wenn nichts wäre. Und ganz viele wollen diese Party weiter feiern. Die Banken: Sie sind die Hauptprofiteure des Papiergeldsystems. Sie erhalten das gepanschte Geld aus dem Nichts zuerst und können es risikolos investieren.

Industrie und Handel glauben an das gefakte Wachstum und hoffen, dass ein Teil des billigen Geldes auch bei ihnen ankommt, damit sie ihre fremdfinanzierten Investitionen bedienen können. Deren Vorstände hoffen ebenfalls darauf, hängt ein großer Teil ihres variablen Vergütung doch davon ab.

Die Gewerkschaften: Ihre Aussichten auf bessere Lohnabschlüsse steigen ebenfalls mit der Hoffnung auf leichter zu erzielende Unternehmensgewinne.
Und zu guter Letzt der Staat: Er steht über allem. Er kann nicht nur alles versprechen, sondern sich dadurch auch alles leisten.

Doch genauso, wie keiner den gepanschten und schimmeligen Apfelsaft trinken will, genauso schwindet das Vertrauten in das gepanschte Geld. Denn dann traut man der Qualität des Geldes nicht. Dann wollen die Menschen das Geld, das sie erhalten, so schnell wie möglich wieder los werden. Das bedeute die Umlaufgeschwindigkeit der Geldmenge steigt.

Dann haben sie es geschafft, die Draghis dieser Welt. Die Inflation ist da. Inflation ist die Wirkung gepanschten Geldes. Die Preise steigen auf breiter Front. Die Normalsparer werden enteignet und den Transferbeziehern schmilzt die Kaufkraft in den Händen weg.

Es ist nicht zu spät für eine Umkehr dieser Politik. Es gibt immer einen Weg zurück zu solidem Wirtschaften und zu gutem Geld. Und diese Umkehr ist immer besser als einfach verantwortungslos weiterzumachen wie bisher. Der Kampf dafür fängt jetzt erst richtig an.

Dieser Beitrag erschien zuerst im Newsletter von Frank Schäffler, der hier abonniert werden kann.

 

Meinung statt Meinstream: Frank Schäffler schickt sich an mit einer liberalen Ideenschmiede die deutsche Think-Tank-Szene aufzumischen. Sein Mitstreiter Clemens Schneider erklärt, was es mit dem Prometheus-Institut auf sich hat.

Clemens, letzte Woche haben Frank Schäffler, Thomas Mayer und Du die liberale Szene mit der Gründung von “Prometheus” überrascht, einer dezidiert liberalen Denkfabrik. Erzähle doch mal ein bisschen über die Hintergründe. Warum jetzt? Was hat Euch inspiriert? Und natürlich: Warum der Namen “Prometheus”?

Wirtschaftlich wird der Bürger in unserem Land durch Steuern und Regulierungen stranguliert. In seiner Persönlichkeitsentfaltung wird er drangsaliert durch einen Nanny-State, der ihn gängelt und überwacht. Eine Stimme, die sich wirkungsvoll dafür einsetzt, den Menschen wieder etwas zuzutrauen, ist aber weit und breit nicht zu vernehmen. Frank Schäffler, ein paar Freunde und ich haben diese drängende Notwendigkeit gesehen und beschlossen, darauf zu reagieren.

Gleichzeitig gibt es in Deutschland eine wachsende Zahl an vielversprechenden und beeindruckenden jungen Menschen, die ihr Leben wieder in die eigene Hand nehmen wollen. Das kann man zum Beispiel bei den Students for Liberty beobachten. Dort sammeln sich sehr begabte junge Menschen. Wir sehen da ein großes Potential für eine breite gesellschaftliche Bewegung. An diesem sozialen Wandel wollen wir aktiv und federführend mitwirken. Dabei werden wir inspiriert von Think Tanks in anderen Teilen der Welt, wie zum Beispiel dem Institute of Economic Affairs in Großbritannien, dem Cato Institute in den USA oder dem Lithuanian Free Market Institute in Litauen.

Frank Schäffler und ich durften im Januar auf Einladung des Atlas Networks eine Woche in Washington verbringen. Wir haben die dortige Think-Tank-Szene kennengelernt und viele Inspirationen mitgenommen. Im Augenblick sind wir jetzt hauptsächlich mit Fundraising beschäftigt. Das ist manchmal mühselig, aber einige großzügige Spenden konnten wir bereits einsammeln. Ein paar Euro mehr wären aber auch nicht schlecht. Viele Leute, gerade aus der jüngeren Generation, setzen sich derzeit ehrenamtlich für die Freiheit ein. Wir sehen auch unsere Verpflichtung, die Arbeit dieser Leute zu entlohnen und mithin zu professionalisieren.

Die antike Sagengestalt des Prometheus ist ein idealer Namensgeber! Übersetzt heißt der Name „der Vordenker“ – genau das wollen wir sein: eine Ideen-Avantgarde! Außerdem passt die Prometheus-Sage sehr gut zu unserem Vorhaben: Er hat die Menschen aus der Abhängigkeit von den Göttern befreit, indem er ihnen das Feuer gebracht hat. Wir sehen unsere Aufgabe darin, auch heute Menschen aus der Abhängigkeit der neuen Götter – der Politiker, Behörden und Meinungsmacher – zu befreien. Sie sollen wie die Menschen im Prometheus-Mythos ihr eigenes Leben in die Hand nehmen können. Sie sollen wieder die Fähigkeit erlangen und die Möglichkeit bekommen, Selbstverantwortung zu übernehmen.

Frank Schäffler ist als Eurokritiker berühmt geworden, aber es gibt noch viele andere Politikfelder, die liberaler Impulse bedürfen. Welche Schwerpunkte wollt ihr setzen?

Mit der Euro-Kritik hat sich Frank Schäffler einen Namen gemacht. Aber er hat schon immer viele andere Themen angesprochen. Er steht ganz klar für eine umfassende Idee des Liberalismus. Ebenso wie ich und unsere anderen Mitstreiter. Wir werden weder als die ausschließlichen Eurokritiker in Erscheinung treten noch als Dauernörgler. Schäffler wird natürlich seine Kompetenz in Finanzfragen einbringen, aber für uns war immer schon ganz klar: Bei Prometheus handelt es sich nicht um eine „wirtschaftsliberale“ Denkfabrik. Wir stehen für den Primat der Freiheit in allen unterschiedlichen Lebensbereichen.

Welche Schwerpunkte man wählt, hängt natürlich immer auch an der aktuellen politischen Diskussion und auch an uns und unseren Mitarbeitern. Ein wichtiges aktuelles Thema ist zum Beispiel der Freihandel. Da sehen wir uns in der Tradition der Manchesterliberalen natürlich in der Pflicht, deutlich zu machen, dass Freihandel gerade für die ökonomisch benachteiligten Menschen ein wichtiges Mittel zum Weg aus Armut und Not ist. Ich habe mit einigen anderen zusammen am Anfang des Jahres das Blogprojekt „Offene Grenzen“ begründet – Migration wäre auch ein wichtiges Thema. Schon länger beschäftigt mich auch die Frage, wie man staatliche Interventionen durch freiwillige zivilgesellschaftliche Initiativen ersetzen kann. Auch Schäffler hat sich dazu bereits geäußert.

Grundsätzlich ist aber auch klar, dass wir immer zweigleisig fahren werden. Einerseits kommentieren und kritisieren wir aktuelle politische Debatten und Entscheidungen und bringen Gegenvorschläge ein. Mindestens genauso wichtig ist aber der langfristige Bildungsauftrag, den wir haben. Wir wollen ja nicht nur im Hier und Heute ein paar Schräubchen verstellen, sondern zu einem langfristigen Wandel beitragen. Wir sprechen hier von Zeiträumen, die sich vielleicht über Jahrzehnte hinziehen. Auch die 68er haben lange gebraucht, bis sie unsere Gesellschaft – im Guten wie im Schlechten – nachhaltig so umgeformt haben, wie wir sie heute kennen. Dafür müssen wir, wie schon Friedrich August von Hayek in den 40er Jahren schrieb, daran arbeiten, die Intellektuellen für uns zu gewinnen. Erst wenn auch Journalisten, Professoren, Lehrer, Künstler – Hayek nennt diese Menschen „secondhand dealers in ideas“ – unsere Ideen weitertragen, kann ein dauerhaftes Umdenken stattfinden. Diese Multiplikatoren von Ideen zu finden, zu informieren, zu befähigen, zu vernetzen – das ist auch ein Kernelement unserer Arbeit.

Man kann Euch entgegenhalten, dass es doch schon liberale Think Tanks gibt. Die Friedrich-Naumann-Stiftung, die INSM, das Liberale-Institut, Open Europe usw. Was ist der Mehrwert von Prometheus?

Wir schätzen unsere Mitstreiter auf dem Markt der Ideen sehr und haben zum Teil auch enge Kontakte zu den von Dir genannten Institutionen. So ist zum Beispiel Frank Schäffler Mitglied in der Ludwig-Erhard-Stiftung und ich war drei Jahre lang (sehr leidenschaftlich) Stipendiat der Friedrich-Naumann-Stiftung. Wir haben mit Prometheus jedoch ein anderes Format. Von der Friedrich-Naumann-Stiftung unterscheidet uns zum Beispiel, dass wir unabhängig von einer Partei sind und dass wir uns nur durch private Zuwendungen finanzieren. Anders als die INSM oder Open Europe wollen wir uns auch nicht nur einem bestimmten Themengebiet zuwenden, sondern einen breiteren Ansatz wählen. Das Institute of Economic Affairs und das Cato Institute sind da definitiv Vorbilder. Und ein „deutsches Cato“ gibt es eben noch nicht … Anders als eine Reihe altehrwürdiger Organisationen, die noch aus der Ursprungszeit der Sozialen Marktwirtschaft stammen, stehen wir auch für einen modernen, zeitgemäßen Ansatz. Die vielen jungen Menschen, mit denen wir in regem Austausch stehen, sind ein Garant dafür, dass wir am Puls der Zeit bleiben und nicht die Kämpfe von gestern mit den Waffen von vorgestern ausfechten.

Als wir im Januar in Washington waren, haben wir die dortige Think Tank-Szene etwas kennengelernt. Dort gibt es auch verschiedene Herangehensweisen und die Zusammenarbeit dieser unterschiedlichen Akteure funktioniert sehr gut. Man ergänzt sich und steht in einem positiven Wettbewerb. So etwas kann man als Liberaler doch nur begrüßen! Wir sind uns auf jeden Fall sicher, dass Prometheus mit den bestehenden Institutionen sehr gut zusammenarbeiten wird.

Was habt ihr in nächster Zeit konkret vor? Worauf dürfen wir uns freuen?

Da kann und will ich natürlich noch nicht zu viel verraten. Vorerst bleibt die Katze noch im Sack. Aber so viel sei doch schon mal gesagt: Unsere erste Kampagne wird wohl ein Thema adressieren, das für sehr viele Menschen relevant ist. Wir wollen ja nicht nur Lobbyarbeit für eine kleine Gruppe machen, sondern alle Menschen erreichen. Wir konnten für diese Kampagne auch bereits einen sehr hochkarätigen Wissenschaftler gewinnen, der uns ein Gutachten schreiben wird.

Neben der Planung dieser Kampagne steht natürlich zunächst auch noch weiteres Fundraising an. Außerdem wollen viele organisatorische Dinge geklärt werden. Und dann hoffen wir, dass wir in nicht allzu ferner Zukunft auch schon weitere Mitarbeiter einstellen und Praktikantenstellen vergeben können. Da stehen tatsächlich schon einige Schlange! Ganz offensichtlich stoßen wir mit Prometheus in eine Nachfragelücke. Das macht uns Mut und Freude!

Erstmals veröffentlicht bei Freunde der offenen Gesellschaft.

Politiker und Behörden scheitern regelmäßig. Der Berliner Flughafen oder die Elbphilharmonie stehen dafür beispielhaft. Dabei gibt es sehr viele Aufgaben, die Menschen vor Ort in Eigenverantwortung viel effizienter, kostengünstiger und verständiger meistern können. Denn vor Ort wissen die Menschen meist viel besser, was richtig und nötig ist. Wir brauchen in Deutschland und Europa eine neue Kultur der Zivilgesellschaft. Wie das geht, kann man zum Beispiel in Berlin beobachten.

In Berlin läuft es …

Zum neuen Schuljahr eröffnet im Berliner Bezirk Wedding eine Privatschule: Quinoa. Zielgruppe sind aber mitnichten die Kinder wohlhabender Eltern, sondern die Kinder, die häufig durch das Netz fallen: Die Kinder von Migranten und Hartz-IV-Empfängern. Innerhalb kurzer Zeit ist dieses Projekt beeindruckend gestartet und hat gezeigt, dass man weder Politiker braucht, die etwas anstoßen, noch Behörden, die etwas organisieren.

Ausgerechnet in der Stadt, in der sich der Flughafenbau exponentiell hinauszögert, soll so etwas funktionieren? Ja, vielleicht ist das gerade der Ort, um deutlich erkennbar zu demonstrieren, dass etwas funktionieren kann. Dort wo staatliche Institutionen noch halbwegs ihren Aufgaben gerecht werden, geben sich viele Menschen mit einem lauten Stoßseufzer zufrieden, wenn sie mit dem Versagen von Behörden und Politik konfrontiert sind. Wo aber das Versagen zu groß wird, nehmen zum Glück viele Menschen selber die Problemlösung in die Hand. Dort lebt die Zivilgesellschaft auf.

Zivilgesellschaftliche Selbstorganisation

Im Jahr 1996 wurde der katholische Geistliche Leo Penta aus New York als Professor an die Katholische Hochschule für Sozialwesen Berlin berufen. Seitdem leitet er nicht nur das Deutsche Institut für Community Organizing, sondern hilft auch in Berlin mit beim Aufbau von sogenannten Bürgerplattformen.

„Organizing zielt darauf, Menschen zu befähigen, ihr eigenes Leben, das gesellschaftliche Zusammenleben und damit das öffentliche Leben (wieder) gemeinsam mit anderen zu gestalten, gegebenenfalls zu verändern, zu entwickeln, d.h. persönlich und öffentlich politisch handlungsfähig zu werden.“

Das Prinzip des Community Organizing wird in den USA schon seit längerem als erfolgreiches Konzept zur Lösung akuter Probleme eingesetzt. Anders als bei der staatlich organisierten Sozialarbeit sollen den Menschen ihre Probleme gerade nicht abgenommen werden. Staatlich organisierte Sozialarbeit, so war Saul Alinsky, der Vater des Community Organizing, überzeugt, würde Menschen in Abhängigkeit und Unmündigkeit führen. Dagegen setzte er seine Idee, den einzelnen Bürger dazu zu befähigen, für seine Interessen nicht nur einzutreten, sondern selbst ihre Realisierung in die Hand zu nehmen.

Genossenschaften – die „Kriegskassen der Demokratie“

Eine solche Tradition gab es schon einmal in Deutschland. Der deutsche Politiker und Sozialreformer Hermann Schulze-Delitzsch hatte im Laufe der 50er und 60er Jahre des 19. Jahrhunderts mit einigen Mitstreitern das Genossenschaftswesen als Organisationsform der Selbstverwaltung in Deutschland etabliert.

Ebenso wie heute bei der Quinoa-Schule in Berlin taten sich damals Menschen zusammen, um sich eigenverantwortlich den Herausforderungen zu stellen. Sie haben sich nicht auf Politik oder Staat verlassen. Solch eine Haltung war seinem Zeitgenossen Otto von Bismarck ein Dorn im Auge: Er bezeichnete Genossenschaften als „Kriegskassen der Demokratie“. Und darum hat Bismarck, der unseren Staat nach wie vor in hohem Maße prägt, alles dafür getan, das Genossenschaftswesen klein zu halten. Auch heutige Politiker schätzen die großen, staatsnahen Konzerne weit mehr als die Formen der Selbstorganisation.

Das Rentensystem am Abgrund, das konzeptlose Herumstolpern durch die Euro-Krise, die marode Infrastruktur – angesichts des eklatanten Versagens des Staates auf den unterschiedlichsten Gebieten wird es höchste Zeit für einen Sinneswandel! Unser freiheitlich-demokratischer Rechtsstaat lebt von der Bereitschaft der Bürger, Verantwortung zu übernehmen. Wer sich auf den Staat verlässt, trägt schleichend zur Unterhöhlung von Demokratie und Freiheit bei. Wer sich auf den Staat verlässt, gibt aber auch ein bedeutendes Stück seiner Würde freiwillig ab, weil er die Verantwortung für sein eigenes Leben jemand anderem überlässt.

Mündige, freie, stolze Bürger

Es ist an der Zeit, die „Kriegskassen der Demokratie“ wieder zu füllen mit unserem eigenen Einsatz. Das mag mühsam sein, ungemütlich und frustrierend. Aber es verleiht unserem Leben einen viel größeren Wert und schenkt ihm ganz neue Dimensionen. Es wäre ein bedeutender Schritt für uns in Deutschland und Europa, wenn sich in Zukunft viel mehr Privatschulen, Bürgerplattformen und viele andere Spielarten der organisierten Selbstverantwortung etablieren würden. Es wäre ein Schritt aus der „selbstverschuldeten Unmündigkeit“ hin zum mündigen, freien und stolzen Bürger.

 

Photo: John Morgan from Flickr

Was unterscheidet den ADAC von ARD und ZDF? Ganz einfach: jeder kann die Mitgliedschaft im ADAC kündigen. Wird das Vertrauen verspielt, indem Zahlen manipuliert, frisiert und Mitglieder und Öffentlichkeit getäuscht werden, kann man austreten.

Das haben im Frühjahr 2014 nach Bekanntwerden der Manipulation bei der Wahl des Autopreises „Gelber Engel“ und weiterer Skandale rund 250 000 ADAC-Mitglieder getan. Dennoch hat der größte Automobilclub der Welt immer noch rund 19 Millionen Mitglieder.

Etwas mehr Mitglieder haben ARD und ZDF. Mitglied ist irgendwie jeder von uns – mal mehr, mal weniger. Doch eines können wir alle nicht: austreten. Dabei sind die öffentlich-rechtlichen Medien genauso skandalbefrachtet wie der besagte Automobilclub.

Nachdem das ZDF die Manipulation des Ergebnisses in der Sendung „Deutschlands Beste!“ zugeben musste, zogen jetzt HR, WDR und RBB aus der ARD-Familie nach. Nach interner Prüfung, so berichtet der WDR, seien bei zehn Ranking-Sendungen der Jahre 2008 bis 2014 „redaktionelle Eingriffe“ festgestellt worden. Der RBB hat ebenfalls bei zwei Sendungen manipuliert und auch der Hessische Rundfunk hat bei drei Sendungen das Voting verändert.

Da wir jedoch alle nicht austreten können, verhalten sich ARD und ZDF anders als der ADAC. Während dieser externe Prüfer durch seine Organisation schickte, machen ARD und ZDF alles lieber selbst.

Ein kurzes Bedauern, ein paar Umbesetzungen und anschließend zieht die Karawane weiter. Wirtschaftliche Konsequenzen oder Mitgliederschwund müssen die öffentlich-rechtlichen Sender nicht fürchten. Sie sind sakrosankt. Sie stehen nicht im Wettbewerb. Sie bekommen ihre Kosten ersetzt durch den Zwangsbeitragszahler.

Und Kosten lassen sich für die 34 öffentlich-rechtlichen Fernsehprogramme und 58 öffentlich-rechtlichen Radioprogramme von ARD, ZDF, arte und Deutschlandradio schnell und beliebig produzieren. Diese müssen dann von einer „unabhängigen“ Behörde mit Namen „KEF“ genehmigt und von Ministerpräsidenten und Landtagen abgesegnet werden. Dies ist seit der 2013 erfolgten Umstellung auf einen geräteunabhängigen Beitrag noch leichter möglich. Denn die Gelder sprudeln wie nie.

Alleine bis 2016 erhalten die Staatssender Einnahmen von 30,8 Milliarden Euro. Gegenüber den ursprünglichen Annahmen ist dies ein sattes Plus von 1,1 Milliarden Euro. Nicht schlecht! Zum 1. Januar soll der Beitrag um 73 Cent auf 17,25 Euro pro Haushalt oder Betriebsstätte gesenkt werden. Das entspricht nur einem Teil der Mehreinnahmen, der Rest soll „gehamstert“ und für schlechtere Zeiten zurückgelegt werden.

Doch die eigentliche Frage ist, bedarf es eines öffentlichen-rechtlichen Rundfunks? Ich meine: nein. Zumindest nicht in dieser Form. Der skandalauslösende Moment waren ja nicht Falschmeldungen in investigative Reportagen oder Nachrichtensendungen. Nein, es waren nachgemachte Unterhaltungssendungen. Erfunden hat diese Rankingshows RTL Mitte der 2000er Jahre. Sie waren günstig zu produzieren und konnten, da sie zeitlos waren, einfach wiederholt werden. Das musste man sich nicht anschauen.

Man musste es aber vor allem nicht bezahlen. Schauen musste man die Sendungen in ARD und ZDF auch nicht, aber finanzieren. Das ist der eigentliche Skandal hinter dem Manipulationsskandal. Beim HR führte dieser Ideenfriedhof zu so „innovativen Formaten“ wie „die beliebtesten Klassiker des Kinderfernsehens“, beim RBB „21 Dinge, die man in Berlin erlebt haben muss“ und beim WDR „Die beliebtesten Wanderwege in NRW“. Blöder geht’s nimmer.

Entlassen wir ARD und ZDF doch in die Freiheit und lassen wir den Zuschauer entscheiden, ob diese Formate eine Zukunft haben oder nicht. ARD und ZDF sollen sich am Markt mit ihrem Angebot und ihren Kostenstrukturen bewähren müssen. Mal schauen was rauskommt. Gibt es anschließend noch einen Informationsauftrag, dann reicht allemal der Sender Phoenix aus.

Doch dafür braucht es keine Zwangsbeiträge, sondern dieser kann über eine Stiftung von Bund und Länder finanziert werden. Ob zur Dotierung der Stiftung ein möglicher Privatisierungserlös der ARD-Anstalten und des ZDF herangezogen werden kann, wird sich zeigen.

Die Höhe des Privatisierungserlöses wäre jedoch ein interessantes Indiz dafür, ob die Investoren an die Wettbewerbsfähigkeit und die Qualität von ARD und ZDF glauben oder nicht.
Der Wirtschaftsnobelpreisträger Friedrich August von Hayek hat es einmal so formuliert: „Es ist eine Hauptaufgabe des Wettbewerbes zu zeigen, welche Pläne falsch sind.“

Dieser Beitrag erschien zuerst in der Fuldaer Zeitung

Photo: R Barraez D´Lucca from Flickr