Die Geschichte des gesetzlichen Mindestlohns war eigentlich ein großes Ablenkungsmanöver. Nicht so sehr der jetzigen großen Koalition in Berlin, die den Mindestlohn von 8,50 Euro zum 1.1.2015 einführte, sondern von Franz Müntefering bereits im Sommer 2004. Ein dreiviertel Jahr vor der wichtigen Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen wollte „Münte“ in die Offensive gehen, um die SPD aus dem Umfragetief zu holen, in das sie die Agenda 2010 gebracht hatte.

In dieser Schlussphase der rot-grünen Koalition stand die SPD mit dem Rücken zur Wand. Der Widerstand gegen die Kappung des Arbeitslosengeldes auf 12 Monaten und die Verschärfung der Zumutbarkeitsregelungen brachte die Gewerkschaften auf die Barrikaden. Im Sommer kamen bei Demonstrationen unter dem Motto: „Reformen Ja. Sozialabbau nein danke!“ 90.000 Gewerkschafter zusammen. Ver.di-Chef Frank Bsirske sagte damals, was als Reformpolitik verkauft werde, sei blanker Sozialabbau. Er rechnete vor, dass die rot-grünen Arbeitsmarktreformen rund 100.000 Arbeitsplätze kosten würden. Das Gegenteil war die Folge. Heute sind in Deutschland noch nie so viele sozialversicherungspflichtige Beschäftigte in Lohn und Brot.

Doch „Münte“, der mit „Volksschule Sauerland“ seinen eigenen Sozialaufstieg charakterisierte, galt nicht ohne Grund als gewiefter Taktiker. Sein offizielles Argument war, dass der Staat ein Lohnuntergrenze gegen Lohndumping einziehen müsse. Doch die Nachteile eines Mindestlohnes waren ihm dennoch bewusst. Deshalb formulierte er zur Höhe auch: „Ob dieser bei 4 oder bei 7 Euro je Stunde liegt, entscheidet darüber, ob bestimmte Tätigkeiten legal oder in Schwarzarbeit oder überhaupt nicht mehr in Deutschland verrichtet werden“. Seitdem begann der Aufstieg der Mindeslohn-Idee in Deutschland. Von 4 Euro war seitdem nie wieder die Rede. Schon in der letzten Legislaturperiode war der gesellschaftliche Druck so groß, dass selbst die Freien Demokraten – zu meinem Unwillen – ein Mindeslohn-Light-Modell beschlossen. Sie nannten es differenzierte Lohnuntergrenze.

Doch die Zurückhaltung, die Müntefering nunmehr vor über 10 Jahre an den Tag legte, wird heute von der Wissenschaft bestätigt. So hat jetzt die Universität Linz und das Tübinger Institut für angewandte Wirtschaftsforschung festgestellt, dass erstmalig seit vielen Jahren die Schwarzarbeit in Deutschland wieder zunimmt – insgesamt um 1,5 Milliarden Euro. Sie führen dies auf die aktuelle Einführung des Mindestlohnes zurück.

Meine persönlichen Erfahrungen bestätigen die negativen Wirkungen ebenfalls. Anfang des Jahres war ich zu einem Vortrag im mittelsächsischen Döbeln, einer Stadt mit 20.000 Einwohner. Als ich am Bahnhof nach einem Taxi Ausschau hielt, sagte mir der Kioskbetreiber, es gäbe hier keine mehr. Die wenigen würden nur noch zum 80 Kilometer entfernten Flughafen Leipzig fahren. Die Kurzstrecken würden sich nicht mehr lohnen. Den Weg zum Hotel musste ich zu Fuß gehen. Mit ein wenig Schadenfreude kann man vielleicht anmerken, dass dies meiner Fitness und Figur sicherlich gut getan hat. Geschenkt! Doch wenn die Taxiversorgung auf dem Land zusammenbricht, dann betrifft dies auch viele alte und kranke Bürger, die bei Behördengängen oder Arztbesuchen auf das Taxi angewiesen sind.

Und wer heute einen Mitarbeiter einstellt, steht mit dem neuen Mindestlohngesetz mit einem Bein im Gefängnis. Arbeitszeiten müssen wöchentlich – gerade bei geringfügig Beschäftigten – minutiös dokumentiert und zwei Jahre archiviert werden, sonst kommt der gerade um 1600 Stellen aufgestockte Zoll, der eigentlich anderes zu tun hat, und verfolgt die Arbeitgeber, als wären Sie potentielle Verbrecher.

Das ist die Wirklichkeit im Deutschland des Franz Münteferings mehr als 10 Jahre später. Eigentlich ist die Mindestlohnidee nicht falsch. Jeder Beschäftigte sollte einen Lohn erhalten, der ihm ein auskömmliches Leben ermöglicht. Doch was ist auskömmlich? Wo fängt es an und wo hört es auf? Wer in München wohnt, zahlt 15 Euro und mehr pro Quadratmeter Wohnfläche, in Fulda 6 Euro und in Frankfurt/Oder unter 5 Euro. Wer in Bayern beschäftigt ist, hat im Durchschnitt ein Nettoeinkommen von 3.009 Euro, im Saarland von 2.548 Euro und in Mecklenburg-Vorpommern von 2.140 Euro. Selbst innerhalb eines Bundeslandes gibt es extreme Unterschiede. So ist das Lohngefüge in Frankfurt oder Darmstadt höher als in im tiefsten Nordhessen. Und selbst innerhalb einer Stadt gibt es diese Unterschiede. Wer bei einem Automobilhersteller arbeitet, hat eine andere Verdienstmöglichkeit als im Friseurgewerbe.

Doch wieso akzeptiert es der Gesetzgeber eigentlich, dass die Waren und Dienstleistungen die im Ausland hergestellt und nach Deutschland exportiert werden, nicht auch nach deutschem Mindestlohn vergütet werden müssen. Lohndumping findet doch auch aus dem Ausland heraus statt? Keine Angst, ich werde jetzt nicht gleich zum Sozialisten.

Doch so weit ist der Gedanke von der Wirklichkeit nicht weg. Denn die neue Regelung gilt auch für Spediteure im Ausland, die Waren nach Deutschland bringen. Auch Sie müssen Ihren Fahrern künftig den deutschen Mindestlohn zahlen. Für viele ehemalige Ostblockstaaten ein schwieriges Unterfangen, denn der um die Kaufkraft bereinigte Bruttomonatsverdienst beträgt in Bulgarien 644, in Litauen 960 und in Lettland 968 Euro, das entspricht einem Stundenlohn zwischen 4 und 6 Euro.

Münteferings Idee von 2004 ist fatal. Der Mindestlohn fördert die Schwarzarbeit, führt zu noch mehr Bürokratie und macht den Staat noch größer und mächtiger. Und er schadet der europäischen Idee. Die Idee des Binnenmarktes war es nicht, mit einseitigen Handelsbeschränkungen oder Restriktionen eines einzelnen Landes in die Vertragsfreiheit von Individuen einzugreifen. Nein, der gemeinsame Markt fußt auf der Idee der Freiheit, in dem Menschen grenzüberschreitend Waren und Dienstleistungen austauschen können. Und übrigens hat sie selbst Müntefering und seiner SPD nicht geholfen. 2005 war die Koalition trotzdem am Ende.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der Fuldaer Zeitung am 7. Februar 2015.

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Die beängstigenden Bilder der vermummten Attentäter von Paris sind uns noch ebenso präsent wie die Demonstrationen in Ferguson nach der Erschießung Michael Browns. Mit Grauen hören wir die Berichte über Gruppenvergewaltigungen in Indien, die Folterberichte aus den USA, die Hinrichtungszahlen in China oder die Schicksale der Kriegsopfer von der Ukraine bis Nigeria. In den USA ist die Zahl der Menschen, die durch Schusswaffen ums Leben kommen, inzwischen fast genauso hoch wie die Zahl der Verkehrstoten.

Wie kommt es dazu, dass Menschen einander solche Dinge antun?

Nicht Waffen töten, sondern Menschen

Vor allem wenn es um die Gewalt in den USA geht, taucht wie ein Mantra immer wieder das Argument auf, dass die dortige lockere Waffengesetzgebung eine der Hauptursachen dafür wäre. Diese Argumentation ist einfach, weil sie sofort einen Schuldigen ausmacht. Außerdem passt sie gut in das Bild, das viele Menschen hierzulande von den Vereinigten Staaten haben. Allerdings bröckelt diese Argumentation ganz schnell, wenn man sich ansieht, welche Länder ähnlich lockere Waffengesetzgebungen haben: die Schweiz und Kanada etwa sind nicht bekannt für übermäßigen Waffengebrauch.

Eine Waffe tötet nicht, solange keiner der Abzug drückt. Auf diesen Zusammenhang kann man gar nicht oft genug hinweisen in einer Zeit, in der Menschen immer mehr Verantwortung abgesprochen und abgenommen wird. Zigaretten verursachen keinen Lungenkrebs, wenn sie keiner raucht. Zucker macht nicht fett, wenn er maßvoll eingesetzt wird. Und am Alkoholismus ist nicht der Schnaps Schuld, sondern derjenige, der zu viel von ihm konsumiert. Darum werden Waffengesetze auch kaum eine signifikante Rolle spielen im Blick auf die Gewaltbereitschaft in einer Gesellschaft. Entscheidend ist zunächst das Verhalten des einzelnen Menschen. Und darüber hinaus gesellschaftliche Traditionen, Entwicklungen und Umstände.

Das Problem der Gewalt hängt zusammen mit dem Menschen, der sie ausübt. Und da zeigt der Blick in die Welt durchaus signifikante Unterschiede. Es gibt ganz offensichtlich Gegenden, die gewaltsamer sind als andere. Während Skandinavien oder Neuseeland am unteren Ende der Skala stehen, stechen der Nahe und Mittlere Osten, Afrika, die USA oder einige Länder Lateinamerikas besonders hervor. Sehen wir uns zwei besonders gewalttätige Regionen etwas näher an: die USA und den Nahen Osten.

USA: Gewalt als Mittel der Politik

In den USA treffen wir allenthalben auf Gewalt: ob in den Ghettos, bei Polizisten oder in den ordentlichen Vorstädten. Ein Grund für die niedrige Hemmschwelle ist sicher die Tradition der Einzelkämpfer, die wir unter dem Begriff „Wilder Westen“ zusammenfassen. Doch spielt auch die starke soziale Spaltung der Gesellschaft eine Rolle, die ganz wesentlich mit dem System der Rassentrennung zusammenhängt. Wenn man über Jahrhunderte Rassen gegeneinander in Stellung gebracht hat, braucht es sehr lange, um diese Wunden zu heilen. Auch die hohe Zahl an Amokläufen lässt sich wohl wesentlich darauf zurückführen, dass Gewalt als etwas Alltägliches angesehen wird. Die Hemmschwelle zur Gewalt sinkt, wenn sie zum Alltag gehört.

Dass aber nicht nur vom Straßenkriminellen oder Mafiaboss Gewalt als Lösung angesehen wird, zeigen viele politische Entscheidungen in den USA. Seit Jahrzehnten wird ein sinnloser und aberwitziger „Krieg gegen die Drogen“ geführt. Die Polizei in den Vereinigten Staaten ist bis an die Zähne bewaffnet und hat im Jahr 2013 mehr als vierzehn Mal so viele Menschen getötet wie die deutsche Polizei. Länder wie Afghanistan oder der Irak sollten mit Gewalt zu Demokratien umgewandelt werden. Dass in den USA eine Kultur der Gewalt herrscht, liegt ganz wesentlich auch an politischen Entscheidungsträgern und deren Vordenkern in Medien und Wissenschaft.

Gewaltspiralen im Nahen Osten

Der Islam sei eine besonders gewaltanfällige Religion – so hört man häufig. Dabei werden allerdings selten Länder wie Marokko oder Indonesien, das Land mit der größten muslimischen Bevölkerung der Welt, angeführt. Vielleicht liegt es doch weniger an der Religion selbst als am Kontext, in dem sie interpretiert und gelebt wird. Die meisten Länder des Nahen Ostens waren über Jahrhunderte hinweg durch das Osmanische Reich besetzt. Dieser Zentralstaat konnte sich nur mit Hilfe eines gewaltsamen Militärapparats und mit hohen Steuerlasten erhalten und seine Kriege führen. Gewalt und der Kampf um das Überleben prägten die Untertanen dieses Imperiums weit mehr als etwa die Bewohner der Niederlande, Polens oder – eben – Indonesiens in derselben Zeit.

Zudem ist in dieser Gegend, auch aufgrund der Jahrtausende alten Nomadentradition, nie ein breites sesshaftes Bürgertum entstanden, das Wohlstand im großen Maßstab hätte hervorbringen können. Eine solche Gesellschaftsstruktur kann eine enorm befriedigende Wirkung erzielen. In Abwandlung eines alten Sinnspruchs könnte man sagen: „Wenn Güter Grenzen überqueren, werden das keine Soldaten tun.“ Zaghafte Ansätze, ein solches Bürgertum zu entwickeln, fielen in den letzten Jahrzehnten immer wieder politischen Ränkespielen zum Opfer. Sie wurden zerstört von Hamas und Hisbollah, von den USA im Irak und von Assad in Syrien, sie werden gar nicht erst zugelassen von den Herrschern auf der Arabischen Halbinsel. Armut und Entbehrungen in dieser Gegend unserer Welt produzieren auch dort eine Kultur der Gewalt, die sich wie eine abwärts führende Spirale immer tiefer eingräbt. So werden immer wieder neue Generationen an Gewalttätern produziert.

Die gute Nachricht: Menschen lernen

Der amerikanische Psychologe Steven Pinker hat in einem umfassenden Forschungsprojekt herausgearbeitet, dass der Eindruck täuscht, Gewalt nehme weltweit zu. In seinem Buch „Gewalt: Eine neues Geschichte der Menschheit“ („The Better Angels of Our Nature: Why Violence Has Declined“) legt er ausführlich dar, dass genau das Gegenteil der Fall ist. In einer Zeit als es um die Verteilung des Mammuts ging, war Gewalt noch ein relativ leicht einsetzbares Mittel. In einer Zeit hingegen, die zunehmend von Handel, dem Entstehen von Städten und der fortschreitenden Globalisierung bestimmt ist, wird Gewaltbereitschaft immer mehr zu einem Nachteil. Friedfertigkeit und Verlässlichkeit machen das Leben in dieser Welt der Zivilisation einfacher.

Wir Menschen sind lernfähige Lebewesen, sonst hätten wir es nie so weit gebracht als Gattung. Und mit dem Fortschritt von Zivilisation verbessern wir nicht nur unsere Fähigkeit zu lernen, sondern auch die Möglichkeiten, das Gelernte aufzubewahren, damit nicht jede Generation aufs Neue lernen muss. Zu diesen Möglichkeiten zählen Gesetze, Verfassungen und überstaatliche Konventionen. Aber zuvorderst zählen dazu unsere Moralvorstellungen, die sich durchaus auch wandeln – und zwar hin zu mehr Friedfertigkeit.

An der Kultur des Friedens mitbauen

Dass Gewalt keine Lösung von Problemen ist und dass Frieden ein unschätzbar hohes Gut ist – das sind die Überzeugungen, die das Leben für Menschen besser macht. Es gilt, die Kultur der Gewalt zu durchbrechen und einer Kultur des friedlichen Miteinanders Raum zu geben. Das erreicht man nicht durch das Verbot von Waffen. Und das erreicht man auch nicht durch die Stigmatisierung einzelner Religionen oder Bevölkerungsgruppen. Das erreicht man durch den Abbau von Ressentiments, durch den Rückbau von staatlichen Interventionen (in der Außen- wie in der Innenpolitik) und das erreicht man, indem man Möglichkeit zum Wohlstand für alle schafft.

Und schließlich erreicht man das auch, indem man klare Signale sendet, dass Gewalt nicht hingenommen wird: Wer Menschen unterdrückt, foltert und tötet, das befiehlt oder zulässt, hat nicht das geringste Verständnis verdient, ob er nun islamischer Terrorist ist oder russischer, ägyptischer oder amerikanischer Präsident. Frieden entsteht da, wo eine Kultur des Friedens herrscht. Und dass diese Kultur herrscht, liegt vor allem an uns.

Einen aktuellen Artikel von Steven Pinker finden Sie hier.

Und das lesenswerte Buch „Peace, Love, & Liberty“ der Students for Liberty zu demselben Thema finden Sie hier.

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Im Januar lag die offiziell ausgewiesene Inflationsrate bei minus 0,3 Prozent. Schon warnen die Ersten vor einem andauernden Rückgang des Preisniveaus der Waren und Dienstleistungen. Das Gespenst der Deflation wird an die Wand gemalt. Erinnerungen an 1929 werden wach, als während der Weltwirtschaftskrise die Preise auf breiter Front gesunken sind, Unternehmen zusammenbrachen und Arbeitslosigkeit zum Massenphänomen wurde. Bis heute wird diese Geschichte immer wieder erzählt. EZB-Präsident Mario Draghi greift sie dankbar auf. Denn seine Politik des Gelddruckens kann er nur aufrechterhalten, wenn er diese Geschichte wieder und wieder erzählt.

Doch wie so häufig sind Draghis Erzählungen nur ein Teil der Wahrheit. In Wirklichkeit ging der Depression 1929 eine lange Phase der Inflation voraus und die Weltwirtschaftskrise war Höhepunkt und Korrektur zugleich. Nicht ohne Grund spricht man von den „Goldenen Zwanzigern“. Die Zwanziger Jahre des vorangegangen Jahrhunderts waren nicht „golden“ deshalb, weil die Menschen so zufrieden waren, sondern weil sie wegen der hohen Inflation ihr Geld sofort wieder ausgeben mussten und deshalb dem Konsumrausch frönten. Die Preise stiegen auf breiter Front. Erst 1929 war die Party am Ende.

Die Ursache der Geld- und Vermögensvernichtung war, wie der amerikanische Ökonom Robert Murphy herausfand, die Geldpolitik der amerikanischen Notenbank Fed. 1924 stellte die Fed dem Banksystem nach einem Wirtschaftseinbruch 500 Millionen Dollar an neuen Krediten zur Verfügung, was zu einer Kreditexpansion von vier Milliarden Dollar führte. Zwischen 1924 und 1929 stieg die umlaufende Geldmenge in Amerika von 44,5 auf über 55 Milliarden Dollar. Nicht nur die Kosumgüterpreise galoppierten, sondern auch die Aktien- und Immobilienwerte stiegen und stiegen. Erst als die Investoren nicht mehr an immer weiter steigende Preise an den Vermögensgütermärkten glaubten, platzte die Blase am schwarzen Freitag 1929 und die Depression als besonders schlimme Form der Deflation vernichtete diese ganzen Scheinvermögen.

Heute haben wir in Teilen die gleiche Ursache und die gleichen Symptome. Zwischen 1998 und bis zum Ausbruch der Bankenkrise 2007 wuchs die Geldmenge im Euroraum um 130 Prozent und die Kreditmenge sogar um 160 Prozent. Lediglich ein Wachstum von 20 Prozent war das bescheidene Ergebnis. Diese von der EZB initiierte Ausweitung der Geld- und Kreditmenge führte zu einem Anstieg der Vermögensgüterpreise. Insbesondere die Immobilienpreise in Südeuropa explodierten. Als die Blase platze, saßen die Banken auf den faulen Immobilienkrediten, da die Häuslebauer sie nicht mehr finanzieren konnten. Jetzt belasten diese Kredite die Banken-Bilanzen und hindern sie, neue Kredite zu vergeben.

Deshalb geht Mario Draghi in den Keller und schmeißt die Druckerpresse an, um Inflation zu produzieren. Das wird ihm auch gelingen. Denn er kann so viel Geld „drucken“, wie er will. Und irgendwann kommt die Inflation wie der Ketchup aus der Flasche.

Draghi will verhindern, dass die Korrektur stattfindet. Doch eigentlich ist sie notwendig, denn sie ist eine Entwicklung zum Gesunden. Die Übertreibung durch die Geldexpansion an den Immobilien- und Aktienmärkten ist der ungesunde Zustand. Wer die Krankheit verlängert oder das Fieber erhöht, löst das Problem nicht, sondern verschlimmert die Grippe solange, bis sie zur Lungenentzündung ausartet. Diese Lungenentzündung ist gleichzeitig auch noch ansteckend. Denn andere Notenbanken werden es der EZB nachmachen, weil sie Wettbewerbsnachteile für ihre Industrie befürchten. Auch sie werden krank.

Doch der geringe Preisanstieg hat noch eine andere Ursache. Der Ölpreis fällt und fällt – Fracking sei dank. Eigentlich sollten wir uns darüber freuen. Denn letztlich heißt es nur, dass wir mehr Waren und Dienstleistungen für unser Geld bekommen. Wieso soll das schlecht sein? Der niedrige Ölpreis ermöglicht Bürgern und Unternehmen ihr Geld für andere Zwecke einzusetzen. Es ist ein Konjunkturprogramm für uns alle – quasi die nötige Entlastung, die uns die jetzige Bundesregierung bei der Kalten Progression vorenthält.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der Fuldaer Zeitung am 31. Januar 2015.

„Wir müssen ein neues liberales Programm anbieten, das sich an die Vorstellungskraft wendet. Wir müssen den Aufbau einer freien Gesellschaft wieder zu einem intellektuellen Abenteuer machen, zu einem Akt des Mutes. Was uns fehlt, ist eine liberale Utopie, ein Programm, das weder eine bloße Verteidigung bestehender Verhältnisse ist noch ein verwässerter Sozialismus, sondern ein wirklich liberaler Radikalismus, der die Mächtigen nicht schont, der nicht allzu pragmatisch ist, und der sich nicht auf das beschränkt, was heute politisch durchsetzbar erscheint. Wir brauchen intellektuelle Führungspersönlichkeiten, die bereit sind, sich für ein Ideal einzusetzen, mögen die Aussichten auf ihre baldige Umsetzung auch noch so gering sein. Es müssen Menschen sein, die bereit sind, an ihren Prinzipien festzuhalten und für deren volle Verwirklichung zu kämpfen, mag der Weg auch noch so lang erscheinen.
Die Aussichten für die Freiheit sind in der Tat dunkel, wenn es uns nicht gelingt, die philosophischen Begründungen einer freien Gesellschaft wieder in den intellektuellen Diskurs einzubringen; wenn es uns nicht gelingt, die Einrichtung einer freien Gesellschaft zu einer Aufgabe zu machen, die die Genialität und Vorstellungskraft unserer fähigsten Köpfe herausfordert. Wenn es uns aber gelingt, jenen Glauben an die Kraft der Ideen wiederzuerlangen, der das Kennzeichen des Liberalismus zu seinen Glanzzeiten war, dann ist der Kampf nicht verloren.“

Friedrich A. von Hayek, The Intellectuals and Socialism

„Was uns fehlt, ist eine liberale Utopie“

Uns treibt eine Vision an und um. Die Vision einer freien Gesellschaft. Wir verfolgen, wie Hayek es so wunderbar beschreibt, eine „liberale Utopie“. In seinen oben zitierten Worten ist genau das beschrieben, was wir mit „Prometheus“ sein und machen wollen: Vordenker sein; einen liberalen Radikalismus vertreten; uns für ein Ideal einsetzen; und Mut und Geduld aufbringen, die dafür erforderlich sein werden.

Eine Utopie ist eine Vorstellung von etwas, das noch nicht existiert. Nicht, wie manche meinen, von etwas, das nicht existieren kann. Menschen wie William Wilberforce, Richard Cobden oder Louise Otto-Peters haben maßgeblich dazu beigetragen, dass ihre Utopien zur Realität wurden. Es ist durchaus sinnvoll, sich Utopien zu verschreiben, die realistischer Weise auch verwirklicht werden können. Eine Gesellschaft, in der Selbstverantwortung und Freiheit einen höheren Stellenwert einnehmen, ist derzeit eine Utopie – aber eben eine, die man verwirklichen kann.

„Weder eine bloße Verteidigung bestehender Verhältnisse noch ein verwässerter Sozialismus“

Die Gegner und Feinde einer offenen Gesellschaft sitzen an beiden Enden des politischen Spektrums. Es sind die Sozialingenieure jeder Couleur. Es sind diejenigen, die am Reißbrett eine schöne neue Welt erschaffen wollen, die sich natürlich komplett nach ihren Idealen ausrichtet. Und genauso sind es diejenigen, die der Entwicklungsfähigkeit des Menschen zutiefst misstrauen und einen vergangenen Zustand mit Macht erhalten oder wiederherstellen wollen.

Wir hingegen wollen nicht einstimmen in den ängstlichen Chor derer, die befürchten, die Dinge und vor allem die Menschen nicht mehr unter Kontrolle zu haben. Wir wollen uns aufmachen zu dem „intellektuellen Abenteuer“, von dem Hayek schreibt. Wir sind bereit, wie Karl Popper es so treffend formulierte, „ins Unbekannte, ins Ungewisse und ins Unsichere weiterzuschreiten.“ Diese Bereitschaft war schon immer der Nährboden der Freiheit.

„Die Einrichtung einer freien Gesellschaft zu einer Aufgabe zu machen“

Marktwirtschaft ist zweifellos eine wesentliche Säule des freiheitlichen Denkens. Ganz besonders deshalb, weil sie Ausdruck eines Prinzips menschlicher Interaktion ist, das weit über den Handel hinausgeht. Dennoch ist der Liberalismus meistens schlecht gefahren, wenn er sich als „crony liberalism“ ausschließlich zum Interessenvertreter derjenigen gemacht hat, die von Linken gemeinhin als Kapitalisten bezeichnet werden. Das Universum der Freiheit hat noch so viel mehr zu bieten!

Es gilt, den Rechtsstaat gegen diejenigen zu verteidigen, die Staat und Politik über das Prinzip des Rechts stellen wollen. Wir müssen werben für das eigentliche Wesen der Demokratie, das – so Lord Acton – darin besteht, dass jeder Bürger Wächter seiner eigenen Interessen sein kann. Wir sollten uns einsetzen für eine Gesellschaft, in der Menschen ihren eigenen Wertvorstellungen entsprechend leben können – nicht unter der Fuchtel der linken und rechten Sozialingenieure. Wir setzen uns nicht nur für die Freiheit des Marktes ein, sondern für eine freie Gesellschaft.

„Jenen Glauben an die Kraft der Ideen wiedererlangen“

Wir dürfen freilich nicht den Fehler machen, von vornherein die Fragen zu verwerfen, die unsere linken und rechten Gegner stellen, nur weil uns ihre Lösungsvorschläge nicht gefallen. Stattdessen müssen wir nach freiheitlichen Antworten suchen auf die Fragen, die oft genug sehr legitim sind. Der Schutz unserer Umwelt, die faire Behandlung von allen Menschen, ein friedliches Zusammenleben in unserem Land und darüber hinaus, Wohlstand für alle – das sind alles Ziele, die wir auch mit unseren politischen Gegnern teilen. Und es sind richtige Ziele. Arbeiten wir daran, Lösungen zu finden, die uns tatsächlich diesen Zielen näher bringen und nicht auf Kosten der Freiheit gehen!

Wir möchten uns auch dafür einsetzen, die Kraft der Freiheit erlebbar zu machen. Nur zu verkünden, dass Staat und Politik sich zu Unrecht Aufgaben anmaßen, reicht nicht aus. Es muss anschauliche Gegenkonzepte geben – „Freiheitsinseln“, wie sie Frank Schäffler so schön nennt. Ziel ist es nicht, den Staat zu zerstören – Ziel ist es, den Staat überflüssig zu machen.

„Ein neues liberales Programm anbieten, das sich an die Vorstellungskraft wendet“

Schon Ludwig von Mises hat in seiner Schrift „Liberalismus“ vor einer lethargischen und letztlich denkfaulen Nostalgie gewarnt: „Ebenso wenig kann es heute genügen, den Liberalismus aus den Schiften seiner großen Begründer zu studieren. Der Liberalismus ist keine abgeschlossene Lehre, er ist kein starres Dogma; er ist das Gegenteil von all dem.“ Die Arbeit von Prometheus wird auch ein Lernprozess sein. Wir werden nicht von Anfang an alles richtig machen. Der Markt ist ein Entdeckungsverfahren und wir lassen uns im Wettbewerb der Ideen auf diesen Markt ein, in der Hoffnung uns zu verbessern.

Ganz wesentlich gehört dazu, die richtige Sprache zu finden. Wir dürfen nicht stehenbleiben bei Adam Smith und John Locke oder bei Mises oder Hayek – so wichtig diese alle für unser Denken sind. Ihre Gedanken müssen in einer Sprache und in Bildern formuliert werden, die heute Menschen ansprechen. Und natürlich müssen wir sie auch weiterdenken, so wie sie selber weitergedacht haben. Die Macht von Bildern kann kaum überschätzt werden. Und es gibt sehr viele Bilder, die uns unsere Gegner entrissen haben. Wir sollten sie zurückholen: Der Kampf der Kleinen gegen die Großen und der Schwachen gegen die Mächtigen; der Wert menschlicher Solidarität; die Vision einer besseren Zukunft – das sind alles Bilder, die wir nutzen können und sollten!

„… dann ist der Kampf nicht verloren“

Die Lage des Liberalismus krankt auch daran, dass es eine gewisse Tendenz zur Lethargie gibt. Viele Freunde der Freiheit glauben, dass sie ohnehin nichts ausrichten können. Geradezu schädlich wird es, wenn man sich nur noch ständig selbst bestätigt, wie sehr man doch Recht hat und sich in der Folge zum Richter über andere aufschwingt – über Gegner wie über Mitstreiter. Veränderung ereignet sich nur, wenn Menschen handeln. Die Freiheit braucht Zupacker, nicht Nörgler. Wir wollen mit Prometheus unseren Beitrag dazu leisten, dass sich wirklich etwas tut in unserer Gesellschaft. Wir müssen aufhören, uns nur um uns selbst zu drehen und müssen unsere Ideale auf die Straßen und Plätze tragen, damit auch andere Menschen sie kennenlernen und sich dafür begeistern können.

Die freiheitliche Bewegung muss wieder zur Avantgarde werden. Sie muss neue Ideen liefern, die an Hirn und Herz der Menschen appellieren. Wie die großen Helden der Freiheit müssen wir die Herzen der Menschen gewinnen, indem wir attraktive Alternativen im Denken und Handeln anbieten. Schon 1927 stellte Ludwig von Mises fest: „Aller Fortschritt der Menschheit vollzog sich stets in der Weise, dass eine kleine Minderheit von den Ideen und Gebräuchen der Mehrheit abzuweichen begann, bis schließlich ihr Beispiel die anderen zur Übernahme der Neuerung bewog.“

All das schaffen wir nicht alleine – selbst dann nicht, wenn Prometheus größer geworden sein wird. Wir setzen auf alle, denen die Freiheit ein Herzensanliegen ist. Wir setzen auf Euch! Zusammen lässt sich ein gesellschaftlicher Wandel durchsetzen und das Tor der Freiheit aufstoßen. Was Hayek schon im Jahr 1949 schrieb, gilt auch heute noch: Wenn wir Mut, Geduld und Idealismus aufbringen, dann ist der Kampf nicht verloren!

Der Sage nach brachte der Titan Prometheus den Menschen das Feuer, das ihnen der Göttervater Zeus als letzte Gabe zu einem guten Leben versagen wollte. Ab heute wollen wir mit „Prometheus – Das Freiheitsinstitut“ bei Ihnen das Feuer der Freiheit entfachen, um den vergötterten Vater Staat in seine Schranken zu weisen.

Wir leben in einer Zeit der geistigen Monokultur, wo der Wert der individuellen Freiheit vergessen scheint. Die Saat der staatlichen Willkür hat überall ihre Wurzeln geschlagen. Heraus kommt immer das gleiche Gestrüpp: Paragraphen und Vorschriften. Doch wenn immer das gleiche Saatgut in den Köpfen der Menschen gepflanzt wird, verkümmert die Bereitschaft, neue, andere Wege zu gehen. Freiheit schwindet und wird vergessen.

Prometheus – Das Freiheitsinstitut“ will Freiheitskeime pflanzen. Diese Freiheitskeime sollen sprießen und sich entwickeln – überall. Wir wollen sie gießen, düngen, hegen und pflegen, so dass sie irgendwann zu großen und starken Pflanzen der Freiheit werden. Diese Pflanzen heißen individuelle Freiheit, Recht und Marktwirtschaft. Sie gedeihen besonders gut auf dem Feld der offenen Gesellschaft. Wir wollen die geistige Monokultur durch eine vielfältige Fruchtfolge bekämpfen. Die verschieden Früchte heißen Freihandel, Non-Zentrismus, Selbstverantwortung, Bürgergesellschaft und offene Grenzen.

Unseren ersten Freiheitskeim pflanzt Dr. Thomas Mayer, der Gründungsdirektor des Flossbach von Storch Research Institute und Kuratoriumsvorsitzender von „Prometheus – Das Freiheitsinstitut“.

Wir freuen uns auf den Austausch mit Ihnen über unsere neue Homepage, auf Facebook, Twitter oder bei einer persönlichen Begegnung.

Helfen Sie uns, Freiheitskeime in Deutschland zu pflanzen. Nur wer pflanzt, kann auch die Früchte der Freiheit ernten.

Photo: Gene Selkov from Flickr