Wo sind sie, die beiden mächtigsten Verbände in Deutschland? Was machen die „Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände“ (BDA) und der „Bundesverband der Deutschen Industrie“ (BDI) eigentlich, um die Rechte ihrer Mitglieder zu sichern? Eigentlich wäre ihre Aufgabe, die sie finanzierenden Mitglieder vor den willkürlichen Eingriffen des Staates in deren Eigentum zu schützen und zu bewahren. Doch sie arrangieren sich mit den Mächtigen im Kanzleramt und betonen vorauseilend, was sie nicht schon alles gemacht haben, um den Frauenanteil in ihren Mitgliedsunternehmen zu erhöhen. Es ist ein Trauerspiel. Denn seit der Einführung der paritätischen Mitbestimmung in Aufsichtsräten 1976 ist die verbindliche Frauenquote in Aufsichtsräten wohl der größte Eingriff in das Eigentumsrecht des Einzelnen in der jüngeren deutschen Geschichte.

Doch so willenlos, wie sich die Dinos unter den Verbänden verhalten, so resigniert kapitulieren viele vor dem vermeintlichen Zeitgeist. Es wird als Fortschritt angesehen, dass die Gesellschaft bestimmt, was der Einzelne zu tun oder zu lassen hat. Wie Altkommunist Lenin es einst formulierte: „Ich bin nichts, die Gesellschaft ist alles.“

Doch die Frauenquote in Aufsichtsräten ist erst der Beginn. Sie folgt einem langfristigen Trend, der fast alle gesellschaftlichen Bereiche erfasst und das Ziel hat, den alten Freiheitsbegriff „Zivilgesellschaft“ in sein genaues Gegenteil zu verkehren. Politisches Ziel dieser Begriffsumwertung war die von Wolfgang Abendroth in den 1950er Jahren geforderte „Transformation des freiheitlichen Rechtsstaats in den Sozialstaat“, an der wir heute alle leiden und gegen den sich erkennbar niemand entgegenstellen mag.

Selbst diejenigen, die von Hause aus einen weiteren Eingriff in das Eigentumsrecht des Einzelnen ablehnen, nehmen es inzwischen als Teil einer notwendigen gesellschaftlichen Entwicklung hin, setzen sich sogar populär auf den Trend oder resignieren schlicht.

Doch alles hat seine Geschichte, auch die Frauenquote. Jenes, was in den 1950er und 1960er Jahren von einer kleinen linken Gruppe vorbereitet wurde, fand in den 1970er und 1980er Jahren ihren politischen Nukleus bei den Grünen. Als die Grünen 1983 in den Deutschen Bundestag einzogen, wählten sie bereits eine Frau und einen Mann paritätisch an die Spitze ihrer Bundestagsfraktion. 1986 beschlossen sie eine verbindliche Mindestquotierung in ihrer Satzung. Dagegen ist erstmal nichts zu sagen. Denn jeder Verein oder Organisation darf sich die Regeln geben, die er oder sie für richtig erachten. Problematisch wird es, wenn anderen diese Regeln per Gesetz aufgezwungen werden sollen. Das Ziel ist und war es, „Gleichberechtigung und paritätische Beteiligung von Frauen und Männern in allen gesellschaftlichen Breichen zu verwirklichen“. Für deren Durchsetzung wollen die Grünen per Gesetz, dass „zur Erfüllung echter Parität Frauen bevorzugt werden“.

Das zeigt, es ist erst der Anfang. Was heute die Eigentümer großer börsennotierter Unternehmen betrifft, wird morgen in alle Gesellschaftsbereiche ausgeweitet. Warum soll etwas nur für große börsennotierte Unternehmen gelten, aber nicht für Familienunternehmen oder Handwerksbetriebe. Und warum soll dies nur für eine kleine Elite in den Aufsichtsräten gelten? Warum nicht in Führungspositionen? Warum nicht in klassischen Männerdomänen? Und wieso nur bei Frauen und Männern? Wieso nicht bei Christen und Muslimen, großen und kleinen Menschen oder Dicken und Dünnen? Es ließen sich zahlreiche Argumente finden, wieso eine einzelne Gruppe diskriminiert wird und dies deshalb per Gesetz verändert werden muss. Denn Diskriminierung bedeutet nichts anderes als unterscheiden durch entscheiden. Jeder von uns diskriminiert jeden Tag. Beim Besuch eines griechischen Restaurants diskriminieren wir alle spanischen, türkischen, chinesischen und deutschen Restaurants und natürlich deren Betreiber. Kaufen wir bei Amazon im Internet ein, diskriminieren wir den Einzelhandel in der Fußgängerzone. Und selbst die eigene Partnerwahl ist eine Hochform der Diskriminierung aller anderen potentiellen Partner, die verschmäht wurden.

Frauenquoten und andere Eingriffe in die individuelle Freiheit sind letztlich eine „Tyrannei der Minderheiten“, wie es der Philosoph Kenneth Minogue in seinem lesenswerten Buch „Die demokratische Sklavenmentalität – Wie der Überstaat die Alltagsmoral zerstört“ beschrieben hat, die hier konsequent umgesetzt wird. Diese haben das Ziel einer „Demokratisierung in allen Lebensbereichen“. Das Kollektiv mit dem heutigen Decknamen „Zivilgesellschaft“ weist den einzelnen Individuen nicht nur Freiräume und Eigentumsrecht zu. Das Kollektiv entscheidet nach öffentlicher Beratschlagung im angeblichen herrschaftsfreien Diskurs sogar über die künftige Entwicklung aller Individuen einer Gesellschaft, was dann als die Umsetzung emanzipatorischer gesellschaftlicher Projekte und als kollektiver Sebstbefreiungsprozess gefeiert wird.

Und ihre Erfolgsaussichten sind nicht schlecht. Denn es ist die Überlegenheit der kleinen Gruppe gegenüber der großen und damit heterogenen Gruppe, die es möglich macht, eine ursprüngliche Minderheitenposition gegen eine Mehrheit in der Gesellschaft durchzusetzen. Sie führt sogar, wie es der Ökonom Mancur Olson einmal ausführte, zu einer „überraschenden Tendenz zur „Ausbeutung“ der Großen durch die Kleinen“.

Demokratie ist die Herrschaft des Volkes. Und wenn ein Volk per Mehrheit Politiker wählt, die dem Druck der kleinen Gruppe nachgeben, dann muss das wohl akzeptiert werden. Doch die Herrschaft des Volkes darf nicht alles, sondern auch die Demokratie kennt Grenzen. Nicht nur die Pressefreiheit oder die Unverletzlichkeit der Wohnung gehören dazu, sondern auch der Schutz des Eigentums ist ein unveräußerliches Grundrecht. Diese Grundrechte begrenzen die Macht der Mehrheit gegenüber dem Individuum. Doch im Rahmen der „Demokratisierung aller Lebensbereiche“ spielen die Grundrechte fast keine Rolle mehr.

Doch wie kann dieser unheilvolle Trend
gestoppt und umgekehrt werden?

Es braucht den Widerstand aller Freiheitsfreunde, die den Weg zur Knechtschaft nicht länger hinnehmen wollen. Und das Instrument dieses Widerstandes wäre der Streik! Was Gewerkschaften recht und billig ist, darf doch anderen nicht verwehrt werden. Wenn Gewerkschaftsmitglieder ihre vertraglichen Pflichten aus dem Arbeitsvertrag einseitig aussetzen dürfen, dann müssen doch auch Gründer, Selbständige, Freiberufler, Unternehmer, Frauen und Männer, die das Eigentum und die individuelle Freiheit lieben,  ihre „Pflichten“, Steuern und Hilfsdienste an den Staat zu entrichten, aussetzen können. Lasst doch die Sozialisten in allen Winkeln und Gassen der Gesellschaft ihre ideale Welt vollenden. Mal schauen was passiert.

Ayn Rand hat in ihrem berühmten Roman Atlas Shrugged (in Deutschland: Der Streik, Verlag Kai M. John, München) bereits zum Boykott aufgerufen. Am Ende ihres Romans wandern Unternehmer, Künstler und Erfinder aus und gründen in einem fernen Tal ihre eigene Gemeinschaft und lassen die anderen in ihrem fortschreitenden Sozialismus zurück. John Galt, Ayn Rands Held im Roman, kündigt den Abschied in einer Radioansprache an: „Da für euch Tugendhaftigkeit gleichbedeutend ist mit Opferbereitschaft, habt ihr die Gerechtigkeit der Barmherzigkeit geopfert. Ihr habt die Unabhängigkeit der Einigkeit geopfert. Ihr habt die Vernunft dem Glauben geopfert. Ihr habt den Wohlstand dem Mangel geopfert. Ihr habt die Selbstachtung der Selbstverleugnung geopfert. Ihr habt das Glück der Pflicht geopfert. Ihr habt alles zerstört, was ihr für böse, und alles erreicht, was ihr für gut hieltet. Weshalb schreckt ihr also voll Grauen vor dem Anblick der Welt, die euch umgibt zurück? Diese Welt ist nicht etwa das Produkt eurer Sünden, sondern das Produkt und Spiegelbild eurer Tugend. Sie ist die Verwirklichung und Vollendung eures moralischen Ideals. Ihr habt dafür gekämpft, davon geträumt, sie herbeigesehnt, und ich – ich bin der Mensch, der euch euren Wunsch erfüllt hat.“

Photo: David Leo Veksle from Flickr

Wer für eine freie Marktwirtschaft ist, behauptet nicht, dass diese ideal, gut oder frei von Verwerfungen wäre. Wer für eine marktwirtschaftliche Ordnung eintritt, behauptet auch nicht, dass jeder Staatseingriff einer Minderung der Wirtschaftskraft gleichkommt und deshalb abzulehnen sei. Die Kritik bezieht sich lediglich darauf, dass mit den „Eingriffen“ jene Ziele, die ihre Urheber und Helfershelfer durch sie erreichen wollen, nicht erreicht werden können. Stattdessen werden durch die Eingriffe Wirkungen erzielt, die auch ihre Urheber und insbesondere deren Unterstützer nicht wollen. Sie laufen sogar ihren Absichten zuwider.

Die fortwährenden staatlichen Eingriffe in die Marktwirtschaft verändern alles: die Zinsen, die Preise, das Angebot, die Nachfrage, den Konsum und die Investitionen. Genau dies ist gewollt, da Regierungen einen Mangel im Jetzt feststellen und diesen durch staatliche Intervention beheben wollen.

Es ist wie beim Monopoly-Spiel. Werden die Rahmenbedingungen durch eine „Ereigniskarte“ zugunsten eines Spielers verändert und kommt er gleichzeitig über „Los“, dann hat er plötzlich einen Vorteil und kann aus dem Vollen schöpfen. Er kann Straßen in bester Lage kaufen, Häuser und Hotels darauf bauen und anschließend die Mieten erhöhen. Seine Investitionen stammen also nicht aus einem vorangegangenen Sparprozess, der die Basis der Investition in Straßen, Häuser und Hotels wäre, sondern es ist ein Zufallsprodukt, ein Willkürakt des Regelsetzers in der Spielanleitung. Es ist gleichbedeutend mit einem Wohlstand ohne Anstrengung, der Einzelnen in den Schoß fällt und anderen nicht. Den drohenden Bankrott der anderen verhindert der Regelsetzer dadurch, dass er alle Mitspieler vorerst am Leben lässt. Er schenkt allen frisches Geld, wenn sie über „Los“ gehen. Doch auch hier gilt, die die zuerst über „Los“ gehen, profitieren als Erste vom neuen Geld und können es zuerst ausgeben. Dann können sie die überhöhten Mieten bezahlen, selbst noch Häuser und Hotels bauen und erhalten dadurch einen einseitigen Vorteil gegenüber ihren Mitspielern. Dieser Schein-Wohlstand, verbunden mit den Marktverzerrungen, geht durch die Intervention noch einige Runden weiter, bis der Spielbetrieb durch noch so willkürliche Akte des Regelsetzers nicht mehr gerettet werden kann. Dann ist das Spiel aus.

Wie in der Monopoly-Welt verändern auch in der realen Welt staatliche Interventionen das Wirtschaftssystem. Sie verbreiten sich wie ein Virus in der Marktwirtschaft, verseuchen und zerstören sie. Die marktwirtschaftliche Ordnung ist anschließend nicht mehr frei und deshalb kann auch nicht mehr von einer solchen gesprochen werden. Besser wäre es, von einer Schein-Wirtschaft zu sprechen. Denn sie wird nur noch zum Schein aufrechterhalten, um den Marktteilnehmern etwas vorzugaukeln, was es nicht mehr gibt.

Und das Instrument dieses Scheins sind Scheine – Geldscheine überwiegend aus Papier. Das heutige Papiergeld-System ist der Nukleus der Intervention in die Marktwirtschaft. Es ist gekennzeichnet durch die Geldschöpfung aus dem Nichts, also die Schaffung von Kreditgeld über die Banken, die durch die Geldpolitik der Notenbanken gesteuert werden. Dieser Geldschöpfung durch die Kreditvergabe steht kein Sparvorgang gegenüber. Es ist wie beim Monopoly-Spiel der Gang über „Los“ oder das Ziehen der richtigen „Ereigniskarte“. Die Geldmenge und deren Verteilung wird lediglich über die Regulierungsvorschriften der Regelsetzer bestimmt. Doch wer die Menge und den Preis des Geldes bestimmt, verändert alles. Deshalb ist unsere Wirtschaftsordnung nur noch eine Schein-Wirtschaft.

Welche „Blüten“ diese Schein-Wirtschaft treibt, zeigt die Diskussion über die anstehende quantitative Lockerung der Geldpolitik durch die Europäische Zentralbank. Wahrscheinlich wird der EZB-Rat in seiner Sitzung am 22. Januar die Entscheidung treffen, Schulden der Euro-Staaten mit neu gedrucktem Geld der EZB zu kaufen. Das Ziel, die Bilanz der Währungshüter um 50 Prozent durch das Drucken von 1.000 Mrd. Euro auszuweiten, ist ein beispielloser Akt in der jungen Euro-Geschichte. Die Diskussion über das „wie“ ist dabei unter den „Hohepriestern des Geldes“ und ihren Jüngern heftig umstritten. Jedoch zeigt die Diskussion darüber das ganze Dilemma der Schein-Wirtschaft. Welche Schulden soll die EZB ankaufen? Nach dem Anteil der jeweiligen Notenbanken an der EZB-Bilanz; nach dem Anteil der ausstehenden Schulden der jeweiligen Euro-Staaten; oder doch nur die Staatsanleihen mit der höchsten Bonität; vielleicht sollte nicht die EZB, sondern die jeweiligen Notenbanken auf eigenes Risiko die Anleihen kaufen? Fragen über Fragen, die in den Gazetten rauf und runter diskutiert werden. Welche Vor- und welche Nachteile hat die jeweilige Intervention? Hilft es? Und wenn ja, wem? Bei dieser Auseinandersetzung um die nächste Interventionsstufe geht es längst nicht mehr um das ursprüngliche Ziel der Überwindung der Wachstumsschwäche im Euro-Club, sondern nur um den kleinen „Geländegewinn“ des einen oder anderen. Doch selbst wenn, was ist das für ein armseliges Wachstum, das anschließend wieder auf der Kreditexpansion aus dem Nichts beruht?

Letztlich soll der Eindruck einer funktionierenden Marktwirtschaft vorgespielt werden, die der Staat durch das Drehen der einen oder anderen Schraube wieder ins Lot bringen kann. Es soll die Fiktion aufrechterhalten bleiben, dass der Staat als Hüter der marktwirtschaftlichen Ordnung den Rahmen setzt, aber dennoch die Marktkräfte wirken lässt. Doch es ist das Gegenteil dessen. In einer Marktwirtschaft ist die Rolle des Staates abstrakte, allgemeine Regeln zu schaffen, die für alle gleich sind. Die aktuelle Geldpolitik, die Mutter aller Interventionen, schafft Regeln, die Einzelne willkürlich bevorteilt, andere nach Gutdünken benachteiligt und wieder andere in Investition und Risiken treibt, die sie unter normalen Umständen nie eingegangen wären.

Zu Weihnachten haben mir Freunde eine Ergänzung zum klassischen Monopoly-Spiel geschenkt. Mit neuen Ereignis- und Gemeinschaftskarten kommt damit neue Fahrt ins Spiel. Der Regelsetzer kann plötzlich eine Währungsreform verordnen und alles umlaufende Geld verliert seinen Wert. Dann muss erst wieder jeder peu à peu über „Los“ und neues frisches Geld erhalten und der ganze Wahnsinn beginnt von vorne.

Ich hätte auch schon eine eigene „Erweiterungsidee“: Freies Geld, das jeder Teilnehmer in Umlauf bringen kann. Die Solidität und das Vertrauen in das jeweilige freie Geld schafft eine dezentral verteilte Sicherheit, die kein staatlicher Geldmonopolist jemals dauerhaft gewährleisten kann. Na gut, das Spiel dauert jetzt länger, Straßen, Häuser und Hotels werden nicht so schnell gebaut. Es gibt auch nicht ständig neues Geld aus dem Nichts, wenn man über „Los“ kommt, aber eines ist gewiss: es wäre eine freie Marktwirtschaft.

Photo: Jason Devaun from Flickr

Die Abendlandsretter von Pegida haben zwei zentrale Punkte der Geschichte des Abendlandes nicht verstanden:

  • Vermischung, Wandel, Entwicklung, Veränderung sind Grundkonstanten dessen, was man heute als Abendland bezeichnet.
  • Und: Bedrohungen bekommt man nicht durch Angst in den Griff, sondern durch Mut.

Das Abendland ist Ergebnis von Offenheit

Schon die alten griechischen Philosophen und Wissenschaftler entwickelten ihre Theorien auch im beständigen Austausch mit Ägyptern, Persern und Kulturen Mesopotamiens. Das Judentum und das Christentum (die „christlich-jüdische Kultur“, die so gern beschworen wird) hat die unterschiedlichsten religiösen und kulturellen Einflüsse in sich vereinigt.

So geht es dann weiter durch die lange Geschichte des Abendlandes. Unsere Kultur hat sich aus den verschiedensten Quellen entwickelt. Gerade im Mittelalter war zum Beispiel der Einfluss der islamischen Kultur und Wissenschaft enorm.

Der spanische Philosoph José Ortega y Gasset stellte schon 1953 in einer Rede fest:

„Es gehört eben zur europäischen Kultur als ihr vielleicht charakteristischster Zug, dass sie periodisch eine Krise durchmacht. Gerade das bedeutet aber, dass sie nicht, wie andere große geschichtliche Kulturen, eine verschlossene, auf immer kristallisierte Kultur ist. Es wäre daher ein Irrtum, die europäische Kultur nach bestimmten Merkmalen zu definieren.

Ihr Ruhm und ihre Kraft bestehen darin, dass sie stets bereit ist, über das, was sie war, hinauszugreifen, immer über sich selbst hinauszuwachsen. Die europäische Kultur ist eine immer fortdauernde Schöpfung. Sie ist keine Herberge, sondern ein Weg, der immer zum Gehen nötigt.“

Die abendländische Kultur lebt von dieser Offenheit, von der Bereitschaft, sich fremden Einflüssen nicht zu verschließen. Sie ist gewachsen an der fruchtbaren Begegnung mit anderen Kulturen. Niemals hätte sie überlebt oder gar eine solche Anziehungskraft entwickelt, wenn sie sich ängstlich in einem starren Kokon eingeschlossen hätte. Das Abendland, das viele der Pegida-Sympathisanten verteidigen, ist eine Fiktion, die nur in ihren Köpfen existiert.

Zuversicht statt Panik

Obwohl viele der sorgenvollen „patriotischen Europäer“ zweifellos von der Überlegenheit ihrer eigenen Kultur überzeugt sind, glauben sie offenbar nicht, dass diese Kultur für andere als für sie selbst überzeugend sein könnte. Vielleicht, weil sie nicht anerkennen wollen, dass die Offenheit der abendländischen Kultur ihre größte Stärke ist.

Wir haben im Abendland grausame Ideologien der Unterdrückung und des Hasses überwunden: Feudalherrschaft, Absolutismus, Nationalismus, Antisemitismus, Rassismus, Kommunismus, Faschismus … Die Liste der Sünden des Abendlands ist lang. Die Grausamkeiten, die in unserem kulturellen Kontext verübt wurden, stehen dem Islamismus in nichts nach.

Wir haben diese Ideologien überwunden, weil das Modell der toleranten und offenen Gesellschaft letztlich immer attraktiver war und sich durchgesetzt hat. Wer das Abendland für ein so erfolgreiches Konzept hält, sollte nicht daran zweifeln, dass es auch diejenigen überzeugen wird, die heute vielleicht noch dem Islamismus anhängen.

Von abendländischen Werten überzeugen wird man nicht, indem man Angst und Panik verbreitet und sehnsuchtsvoll nach Putin als Retter ruft. Überzeugen kann man heutige und künftige Islamisten nicht, indem man das Abendland zur Festung ausbaut, sondern indem man es wie ein Zelt öffnet. Wenn wir Europa zu einem Ort der Gastfreundschaft machen, können sich Menschen von der Attraktivität unserer Kultur überzeugen. Ein altes Sprichwort hat sich noch immer bewährt: „Wie man in den Wald ruft, so schallt es hinaus.“ Wer diese Zuversicht teilt, steht in der Tradition dessen, was am Abendland das Beste ist.

Pluralismus statt Kulturkampf

Mehr als hundert Jahre bevor Samuel Huntington sein berühmtes Buch „Kampf der Kulturen“ veröffentlichte gab es in Deutschland einen „Kulturkampf„.

Getragen vom sich aufgeklärt und fortschrittlich wähnenden Bürgertum versuchte Bismarck, die Macht der als rückständig angesehenen katholischen Kirche im Deutschen Reich zu brechen. Gebracht hat das außer einer gewissen Radikalisierung der Katholiken überhaupt nichts. Verordnete Toleranz hilft eben nicht, sondern führt sich vielmehr nur selbst ad absurdum.

Das Erfolgsrezept des Abendlandes, der jüdisch-christlichen Kultur, der Aufklärung ist und bleibt der Pluralismus. Toleranz und Offenheit zu leben, ist die beste Werbung für diese Werte. Natürlich müssen Toleranz und Offenheit auch gegen ihre Feinde verteidigt werden. Aber das funktioniert nur mit den Waffen der Überzeugung und der Glaubwürdigkeit.

Der Philosoph Karl Popper sagte 1958 in einem sehr lesenswerten Vortrag zum Thema „Woran glaubt der Westen?“:

„Unser Stolz sollte es sein, dass wir nicht eine Idee haben, sondern viele Ideen; dass wir nicht einen Glauben haben, nicht eine Religion, sondern viele, gute und schlechte. Es ist ein Zeichen der überragenden Kraft des Westens, dass wir uns das leisten können. Die Einigung des Westens auf eine Idee, auf einen Glauben, auf eine Religion, wäre das Ende des Westens, unsere Kapitulation, unsere bedingungslose Unterwerfung unter die totalitäre Idee.“

Photo: Nathan from Flickr

Wer heute 30, 40 oder 50 ist, gehört zur belogenen Generation. Niemals in der jüngeren Geschichte dieses Landes war die Rente so unsicher wie heute. Es sind zwei Betrugsfälle des Staates und seiner Institutionen, die diese belogene Generation wegzustecken hat.

Der erste Betrug: Bislang war das Wissen um die demographische Entwicklung und ihre Folgen für ein umlagefinanziertes Rentensystem Allgemeingut in der politischen Auseinandersetzung. Wenn immer weniger Kinder geboren werden und gleichzeitig die Menschen immer älter werden, dann gibt es eigentlich nur vier Möglichkeiten das Finanzierungsproblem künftiger Renten in den Griff zu bekommen. 1. Beitragssatzsteigerung, 2. Verschiebung des Renteneintrittsalters, 3. Rentenkürzung oder 4. einen höheren Steuerzuschuss für die Rentenkasse. An den Gesetzmäßigkeiten der Demographie konnte deshalb auch Norbert Blüm nichts ändern als er 1986 plakatierte: „denn eins ist sicher: Die Rente“

Für die Pragmatiker in der Politik, also die übergroße Mehrheit, ist klar, dass es sehr wahrscheinlich auf eine Kombination verschiedener Maßnahmen hinauslaufen wird. Zwischen den politischen Strömungen in diesem Land geht es bestenfalls um eine unterschiedliche Gewichtung. Sozialisten, Grüne und SPD wollen einen höheren Steueranteil, Union und FDP wollen den Schein der beitragsbezogenen Rente möglichst lange aufrecht erhalten.

Und da sind wir schon beim zweiten Betrug: Die bürgerlichen Kräfte in diesem Land setzen seit langem auf die zweite und dritte Säule der Altersvorsorge. Für sie war und ist die Stärkung der betrieblichen und privaten Altersvorsorge die Antwort auf den demographischen Wandel.

Sie glauben an die Kraft der Marktwirtschaft und damit an die Kapitaldeckung. Diese sei viel besser geeignet, in einer schrumpfenden Gesellschaft die Probleme zu lösen. Denn wenn sich Einzahlungen über sehr lange Zeit, also über 30, 40 oder sogar 50 Jahre verzinsen, dann führt dies am Ende zu einer Verdoppelung oder Verdreifachung des daraus gebildeten Kapitalstocks. Der Zinseszins ist der Turbo für die private Altersvorsorge und gleichzeitig ihre Erfolgsgeschichte. Das ist die Story, die die Befürworter der Marktwirtschaft immer postulieren. Sie berufen sich dabei auf Ludwig Erhard, der 1956 schon sagte: „Die totale Zwangsversicherung und der Versorgungsstaat sind naturgemäß besonders geeignet, den Wagemut, das Leistungsstreben, die Bereitschaft zu freier Spartätigkeit, die persönliche Initiative und das Verantwortungsbewusstsein mehr und mehr zu lähmen, ohne die eine freiheitliche Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung nicht existieren kann.“

Es ist also mehr als nur das Bekenntnis zur individuellen Vorsorge. Es ist ein Gesellschaftsbild, das hier zum Ausdruck kommt. Es ist das Bild eines Staates, der nicht als Nannystaat auftritt, sondern einen Ordnungsrahmen schafft, in dem sich jeder Einzelne nach eigenen Präferenzen entscheiden kann oder auch nicht. Eine dieser Grundannahmen dieses Ordnungsprinzips ist es, dass derjenige der spart am Ende seines Berufslebens mehr in der Tasche hat, als derjenige der dies nicht tut.

Dabei geht es nicht so sehr um die Gruppen in der Gesellschaft, die dies traditionell eh können. Es geht also nicht um Millionäre, bekannte Fußballspieler oder Formel-1-Fahrer. Nein, es geht um die Mitte der Gesellschaft, also diejenigen, die angestellt sind oder einer selbständigen Tätigkeit nachgehen, ein gutes Auskommen haben, das ihnen erlaubt, einen Teil des Arbeitseinkommens wegzulegen und zu sparen. Ökonomisch gesprochen, verzichten sie heute auf den Konsum, indem sie sparen, damit sie im Alter diesen Konsum nachholen können.

Anders als zu Blüms Zeiten wird die belogene Generation jetzt doppelt getäuscht. Sie weiß, dass die gesetzliche Rente weniger und dennoch teurer für sie wird. Deshalb flüchtet sie sich in die Kapitaldeckung. Es ist also die Mitte der Gesellschaft, die maßgeblich von der Niedrigzinspolitik der EZB und der finanziellen Repression der Regierung betroffen ist. 800 Mrd. Euro stecken allein in den 90 Millionen Lebensversicherungsverträgen. Und 89 Prozent davon sind in festverzinslichen Wertpapieren angelegt, deren Verzinsung durch die Geldpolitik der EZB vernichtet wird. Dabei garantieren heimische Lebensversicherungen ihren Kunden noch Garantiezinsen von bis zu 4 Prozent, obwohl eine zehnjährige Bundesanleihe nur noch eine Rendite von 0,72 Prozent abwirft. Selbst wenn sie es wollten, könnten die Versicherer nicht wesentlich anders ihre Beitragseinnahmen anlegen, die Anlagevorschriften der Regierung zwingen sie in vermeintlich sichere Zinspapiere.

Ihnen allen drohen japanische Verhältnisse. Dort hat die lang andauernde Niedrigzinspolitik der japanischen Zentralbank nicht nur die Staatsverschuldung auf über 240 Prozent zur Wirtschaftsleistung hochgetrieben, sondern auch in den 2000er Jahren zum Zusammenbruch von fünf Lebensversicherern geführt. Hohe garantierte Verzinsungen für Lebensversicherungsverträge konnten am Markt für festverzinsliche Wertpapiere nicht mehr erwirtschaftet werden. Die Folge war, dass der Gesetzgeber den Lebensversicherungen gestattete, ihre Garantieverzinsung für bestehende Lebensversicherungsverträge rückwirkend zu reduzieren. Damit ist die Frage beantwortet, wer am Ende die Politik des billigen Geldes bezahlt.

Was private und staatliche Schuldner gleichermaßen freut, wird für die Anleger in deren Schulden, also die Lebensversicherungshalter, zu einer Katastrophe. Seit dem Ausbruch der Staatsschuldenkrise 2010 in Europa haben deutsche Anleger rund 23 Milliarden Euro an Zinseinnahmen verloren, allein 2014 werden es 5,4 Mrd. Euro sein. Dagegen ist das Rentengeschenk der Regierung für die Mütter und die Frührentner mit 3 Milliarden Euro in 2015 geradezu ein Schnäppchen.

Den privaten Krankenversicherungen geht es auf Sicht nicht anders. Auch sie müssen ihre Alterungsrückstellungen überwiegend in festverzinslichen Wertpapieren anlegen und müssen dies zwangsläufig durch Beitragserhöhungen kompensieren. Und auch die Unternehmen schieben eine riesige Finanzanzierungslücke ihrer betrieblichen Altersvorsorge vor sich her. Sie sind oft durch Lebensversicherungen rückgedeckt oder haben bei der Ausarbeitung der Tarifverträge mit 6 oder 7 Prozent kalkuliert.

Sie mögen denken, vielleicht kommt es nicht so schlimm. Vielleicht setzt Mario Draghi seine Ankündigung aus 2012 doch nicht um, als er sagte, die EZB werde „alles Notwendige tun“, um den Euro zu erhalten. „Und glauben Sie mir, es wird genug sein.“ Oder vielleicht war die Aussage von Mario Draghi Mitte November dieses Jahres auch nur ein großer Bluff, als er die Börse zu neuen Höhenflügen mit wenigen Worten animierte: „Ohne Verzögerung“ müsse man die Inflationsrate wieder an die Zielmarke der Notenbank von 2 Prozent heranführen.

Aber vielleicht geht es dem deutschen Michel auch so wie in Max Frischs Drama „Biedermann und die Brandstifter“, als die Brandstifter in der Nacht schon die Benzinfässer ins Haus brachten und Biedermann sie fragte: „… ist wirklich Benzin in den Fässern?“ … Brandstifter Eisenring: „Wofür halten Sie uns, Herr Biedermann, offen gesprochen: wofür eigentlich?“ Biedermann: „Sie müssen nicht denken, mein Freund, dass ich keinen Humor habe, aber ihr habt eine Art zu scherzen, ich muss schon sagen.“ Brandstifter Eisenring: „Wir lernen das.“ Biedermann: „Was?“ Brandstifter Eisenring: „Scherz ist die drittbeste Tarnung. Die zweitbeste Sentimentalität … Aber die beste und sicherste Tarnung … ist immer noch, die blanke und nackte Wahrheit. Komischerweise. Die glaubt niemand.“ – Am Ende brannte Biedermanns Haus lichterloh.

Für eine neue Freiheitsagenda!

Der Beginn des 21. Jahrhunderts scheint als paternalistisches Jahrhundert in die Geschichte einzugehen. Die Marktwirtschaft wird für die Exzesse in der Finanzwelt verantwortlich gemacht und das Eigentum unter staatliche Kuratel gestellt. Kein noch so kleines Sparbuch kann heute eröffnet werden, ohne vorher bibeldicke Verbraucherinformationen zur Kenntnis zu nehmen. Kein Normalverdiener kann heute ausreichend Vorsorge für sein Alter betreiben, weil die Notenbanken den Zins marginalisieren. Jedes private Problem wird vom fürsorgenden Wohlfahrtsstaat „abgeholt“, der Nachwuchs von morgens bis abends betreut, der Erziehungsauftrag verstaatlicht. Das Gesundheitsamt überwacht die Kindervorsorgeuntersuchung, das Schulamt sorgt für ein ökologisch vollwertiges Mittagessen in der verpflichtenden Ganztagsschule und das Jugendamt bespaßt in den Schulferien die daheimgebliebenen Kinder. Mit der „Klimareligion“ gewinnt eine neue okkulte Ersatzreligion die Oberhand. Kein Haus, kein Auto und keine Urlaubsreise kann heute erworben oder angetreten werden, ohne mit einem oktroyierten schlechten Gewissen den eigenen Beitrag zur Rettung des Weltklimas zu leisten und damit dem menschgemachten Fegefeuer zu entgehen.

Es sind aktuell drei Grundlinien, die die Politik in Deutschland bestimmen: Es ist erstens die Furcht vor Veränderung gegenüber der Zuversicht auf Neues und Unbekanntes.

Es ist zweitens der Vorrang der „richtigen“ Autoritäten gegenüber klaren Ordnungsprinzipien. Dabei unterscheiden sich die konservativen Vorstellungen von Union bis AfD nur insofern von der Linken, als dass die Konservativen eine andere Art der Bevormundung des Einzelnen anstreben.

Und es ist drittens der  starke und mächtige Staat, den Linke – heißen sie Gabriel, Gysi oder Hofreiter – und Konservative –  heißen sie Schäuble oder Lucke – gemeinsam anstreben. Dies auch um den Preis, dass der Zweck die Mittel heiligt. Sie wollen das Gleiche – den fürsorgenden Sozialstaat. Nur die Handelnden sind andere.

Die Freiheitsidee des 19. Jahrhunderts war eine andere. Die klassischen Liberalen wollten die Macht vom König auf das Parlament und den Einzelnen übertragen. Sie waren für Freihandel und gegen den Schutz der Industrie und Landwirtschaft durch Zölle und Subventionen. Sie waren gegen den aufkommenden Wohlfahrtsstaat und für Hilfe zur Selbsthilfe. Das von ihnen mitbegründete Genossenschaftswesen hat seither alle Staatsformen, Regierungen und selbst Weltkriege überstanden und ist heute noch als Idee im Bankwesen, im Mittelstand und in der Landwirtschaft aktuell. Diese damals als Linksliberale bezeichneten Vorreiter waren gegen die Kolonialpolitik mit ihrem Militarismus – und für ein Selbstbestimmungsrecht aller Völker.

Auf die heutige Zeit übertragen müsste sich eine neue freiheitliche Agenda an festen und unerschütterlichen Grundsätzen orientieren.

Erstens: Machtteilung durch Gegenmacht in Parlament und Gesellschaft. Zweitens: Ein Primat von Recht und Freiheit statt eines Primats der Politik. Drittens: Marktwirtschaft und Freihandel statt einer Willkür und Abschottung durch den Staat.

Und Viertens: Einen Non-Zentralismus als Wettbewerb der Ideen.

Im Deutschland des 19. Jahrhunderts war das Ideal der Fortschrittspartei und später der Freisinnigenpartei, dessen wortgewaltiger Kopf Eugen Richter war,  die Gleichheit vor dem Recht. Später verwässerten Liberale diesen Grundsatz, indem sie Gerechtigkeit nicht mehr als „Gleichheit vor dem Recht“ interpretierten, sondern in „Chancengerechtigkeit“ umdeuteten und damit den Weg in den Wohlfahrtsstaat, dessen Allzuständigkeit und Verschuldung bereiteten. Es sollte zur Versöhnung des Liberalismus mit dem Sozialismus führen, der „Chancengerechtigkeit“ stets als Chance zur Umverteilung verstanden hat, um damit „bessere Ergebnisse“ zu erzielen. Dieser Liberalismus wird in Deutschland, aber auch darüber hinaus nicht mehr gebraucht und ist für die aktuelle „Schwächephase“ der FDP verantwortlich. Was es braucht, ist eine neue liberale Agenda im Eugen Richterschen Sinne: Eine Rückbesinnung auf die große Tradition der Fortschrittspartei und des Freisinns in Deutschland.

Aus den oben genannten Grundsätzen ließe sich eine Freiheitsagenda formulieren, die für Freihandel, offene Grenzen und ein Sezessionsrecht steht. Dabei entscheidet der Einzelne selbst, wo und wie er lebt, arbeitet, konsumiert oder investiert – und nicht der Staat.

Die Vielheit ist das Ziel, nicht deren Abschaffung. Im modernen Staat geht es um eine Begrenzung von Macht durch Teilung derselben. „Dezentral vor zentral“, „klein statt groß“, „Vielfalt statt Einfalt“ und „Privat kommt vor Staat“ sind die Maximen der Machtbegrenzung. Und es ist die direkte Demokratie als Gegenmacht zur Machtkonzentration bei Wenigen im Parlament und Regierung.

Dies gilt auch für die Bildungsfreiheit. Der Einzelne oder seine ihm Nächsten entscheiden über Bildungsinhalt, -zeitpunkt, -ort und –finanzierung – nicht der Staat.

Sie ist auch die Grundlage für eine wirklich Religionsfreiheit. Denn dort entscheidet der Einzelne, ob und wie er seinen Glauben lebt und wie er seine Kirchen, Moscheen oder Tempel  finanziert und unterstützt. Das Eigentum, die Versammlungsfreiheit und die Religionsausübung sind geschützt. Die Finanzierung der Religionsgemeinschaften erfolgt ohne den Staat und seine Mithilfe.

Und dieser konsequente Individualismus muss auch in der digitalen Welt durchgesetzt werden. Der Staat sammelt keine Daten seiner Bürger und es geht ihn auch nichts an, wer über die Autobahnen der digitalen Welt fährt.

Die Liberalen müssen an die Wurzel der immer wiederkehrenden Finanzkrisen heran und dürfen sich nicht mit einer mangelnden oder falschen Regulierung der Finanzmärkte zufrieden geben. Die Verwerfungen sind eine Krise des staatlichen Geldmonopols, das dem Staat über die Banken erlaubt, beliebig billiges Geld in Umlauf zu bringen. Die Folge dieser Alchemie des Geldes sind die immer größeren und schneller wiederkehrenden Blasen an den Immobilien- und Aktienmärkten. Das Platzen dieser Blasen nutzen die Banken, um den Staat und die Steuerzahler fortwährend zu erpressen. Die Antwort darauf muss das Zulassen von Insolvenzen von Staaten und Banken sein, verbunden mit einem Wettbewerb um gutes Geld, das die EZB überflüssig macht und private Geldemittenten nicht diskriminiert.

Und was für das Geld gilt, muss auch in der übrigen Wirtschaft durchgesetzt werden. Eine Marktwirtschaft beruht auf Freiwilligkeit und verträgt sich nicht mit Kammerzwang in Industrie, Handwerk und freien Berufen. Und eine freiheitliche Gesellschaft verträgt sich erst recht nicht mit Zwangsbeiträgen für öffentliche Rundfunkanstalten.

Ebenso muss eine Freiheitsagenda Schluss machen mit einer auf der Klimareligion basierenden Energiewende. Sie ist reine Ideologie, führt zur Zwangsbeglückung der Bürger und zerstört Natur, Umwelt und die Arbeitsgrundlage von Millionen Menschen. Alle diese Eingriffe sind letztlich Verstöße gegen das Recht und den Schutz des Eigentums. Es wird in den Einzelfall eingegriffen und damit das Eigentum beschränkt anstatt allgemeine, abstrakte und für alle gleiche Regeln zu schaffen.

Diese wenigen Leitsätze wären eine Freiheitsagenda für eine neue liberale Partei, die unverwechselbar wäre. Sie wäre eine wirkliche Gegenmacht zu den Sozialisten in allen Parteien – die Herz-Jesu-Sozialisten, die Ökosozialisten, sozialen Zentralisten, die nationalen Sozialisten, die andauernden Steuererhöher, die Subventionsgrabscher, die Ober-Planer, die konservativen Beckenrandschwimmer, die ewigen Geldausgeber und die nimmersatten Umverteiler. Der Kampf für diese Ideen fängt jetzt erst richtig an.

Dieses Essay erschien zuerst in der Samstagsausgabe der Zeitung “Die Welt” am 11.10.2014

Photo: Archana Jarajapu from Flickr