Photo: Initiative D21 from Flickr (CC BY-SA 2.0)
Angela Merkel hat es heute beim 70. Geburtstag der CDU gerade nochmals gesagt: „Scheitert der Euro, dann scheitert Europa.“ Sie hat in den letzten Tagen und Wochen lange zugewartet. Keiner sollte ihr vorwerfen, das Euro-Projekt würde an ihr oder Deutschland scheitern. Deshalb haben sie und Schäuble die Rollen intern verteilt. Schäuble, der harte Hund, sollte öffentlich Druck machen und sie wollte generös die Scherben, die Schäuble zurückgelassen hat, wieder einsammeln.
Das schien auch fast zu klappen. Erst letzte Woche hatte sie den Gipfel der Staats- und Regierungschefs am zurückliegenden Samstag als entscheidendes Datum genannt. Zwischenzeitlich wurde der griechischen Regierung nochmals eine halbjährige Verlängerung des Programms angeboten. Das war perfekt inszeniert. Die Königin im Schachspiel um den Euro wollte erst ganz am Schluss den entscheidenden Zug machen.
Doch er misslang. Tsipras reagierte mit einer Rochade und wechselte einfach den Platz, indem er eine Volksabstimmung für kommenden Sonntag ankündigte. Jetzt ziehen die EZB und die Staatengemeinschaft die Daumenschrauben weiter an. Bankferien, Kapitalverkehrskontrollen und das Einfrieren der Ela-Kredite sollen Tsipras und Co. weidwund schießen.
Die taktische Überlegung dahinter ist: wenn erstmal einige Tage lang die Bargeldversorgung zusammenbricht, werden die Griechen schon aufstehen und ihre Regierung in die Wüste schicken. Nach dem Motto: das Hemd ist uns näher als der Rock.
Dass Merkel ihren berühmten Satz heute nochmals wiederholt hat, zeigt, dass sie doch nicht so visionsfrei ist, wie man ihr gemeinhin unterstellt. Der Vorwurf lautet: Kohl und Schäuble seien überzeugte Europäer, die die politische Einigung Europas immer als ihre Vision verstanden hätten. Dagegen ginge es Merkel nur um die Macht im Jetzt.
Diese Analyse über Merkel ist zu kurz gesprungen. Auch für sie ist der Euro nicht nur ein Zahlungsmittel, eine Währung oder eine ökonomische Größe. Auch für sie ist der Euro ein politisches Projekt, die Krönung der europäischen Idee und der Garant für den Frieden in Europa. Darin unterscheidet sie sich weder von Schäuble noch von Kohl. Im Gegenteil, sie vollzieht diesen Kurs der Unumkehrbarkeit noch entschiedener und noch konsequenter.
Doch dieser Kurs hat seine Tücken und verursacht unweigerlich Kollateralschäden, die der Bundeskanzlerin noch schwer zu schaffen machen werden. Auf der einen Seite will sie das Heft über den von ihr und Francois Hollande dominierten Europäischen Rat der Staats- und Regierungschefs in der Hand behalten, auf der anderen Seite führt ihr Kurs aber zu einer immer größeren Verlagerung von Kompetenzen hin zur Europäischen Kommission und zum Parlament. Auf die Politik von Kommission und EU-Parlament hat sie jedoch nur mittelbar Einfluss.
Deshalb führt ihre Politik des „Scheitert der Euro, dann scheitert Europa“ unweigerlich zu einer schleichenden Kompetenzverlagerung hin zu Juncker und Schulz und deren Institutionen. Doch beiden institutionellen Ebenen fehlt die Kongruenz von Entscheidung und Verantwortung. Deren Entscheidungen und ihre finanziellen Auswirkungen tragen nicht die EU-Kommission und das EU-Parlament, sondern die nationalen Regierungen und Parlamente.
Die Konsequenz der Merkelschen Politik ist ein immer größeres Auseinanderfallen dieser Entscheidungsebenen. Wenn jedoch Entscheidungen zentralistisch getroffen werden, aber dezentral verantwortet werden müssen, führt dies unweigerlich zu Widersprüchen.
Das Beispiel Griechenland ist das jüngste. Es mag einige Zeit noch funktionieren. Doch der Preis ist die mangelnde Akzeptanz in der Bevölkerung der übrigen Euro-Staaten. Sie werden radikalisiert und die politischen Ränder werden gestärkt. Der europäischen Idee, die Merkel eigentlich voranbringen will, wird dadurch ein Bärendienst erwiesen. Deshalb wäre der Weg des Austritts Griechenlands aus dem Euro-Club der ehrlichere und aufrichtigere – auch um der europäischen Idee noch eine Chance zu geben.