Photo: Greg Neate from flickr (CC BY 2.0)

Unverantwortliche Finanzberatung steht zur Recht in der Kritik. Dass es andere Möglichkeiten gibt, dagegen vorzugehen als nur noch mehr Regulierung und noch ausführlichere Beratungsprotokolle, zeigt das Beispiel Australien.

Anlegen statt umverteilen

Wie in Neuseeland, Skandinavien und selbst in Deutschland waren es vor dreißig Jahren in Australien Sozialdemokraten, die die Notwendigkeit von Reformen erkannten und den Mut und die Energie aufbrachten, diese auch durchzuführen. Im Fall des Landes am entgegengesetzten Ende der Welt, war insbesondere das Rentensystem auf der Reformagenda. Aus Sicht der damaligen Regierung Hawke war es langfristig nicht mehr finanzierbar. Ein neues sollte her, das weiterhin jedem Australier ein Auskommen im Alter ermöglichen sollte, allerdings ohne dazu einen gewaltigen Umverteilungsapparat in Betrieb zu halten.

Auf drei Säulen sollte das neue System solide ruhen: Eine minimale staatliche Grundsicherung bei nachgewiesener Bedürftigkeit. Eine allgemeine Pflichtabgabe aller Arbeitnehmer an einen Rentenfonds. Und natürlich noch weitere Möglichkeiten zur freiwilligen Zusatzversicherung. Interessant ist vor allem die zweite Säule: Die Pflichtabgabe, die derzeit 9,5 % des Lohns beträgt, wird an unterschiedliche Anbieter zur Fondsverwaltung entrichtet. Der Arbeitnehmer hat die Möglichkeit, zu wählen, welchem Anbieter er seine Rentenrückstellungen anvertraut. Eine Mehrheit der Arbeitnehmer macht von diesem Recht jedoch keinen Gebrauch, so dass in diesen Fällen der Arbeitgeber entscheidet, in welchen Fonds die Abgabe eingezahlt wird. Im Gegensatz zum Arbeitnehmer muss er allerdings aus einer Reihe von staatlich zertifizierten Anbietern auswählen.

Der höhere ökonomische Bildungsstand

Weil die Rentensicherheit in Australien von klugen Finanzberatern abhängt, gibt es – wenig überraschend – eine erheblich größere und ausdifferenziertere Beratungsbranche in Australien als in vielen anderen Ländern. So hat das 23-Millionen-Land Australien mit 20.000 Finanzberatern ebenso viele wie das fast drei Mal so große Großbritannien. 2015 betrug das Gesamtvolumen der unterschiedlichen Fonds etwas über 2 Billionen Australische Dollar (ca. 1,4 Billionen Euro). Dabei gibt es eine Bandbreite von unterschiedlichen Investitionsmöglichkeiten. Die fundamentalste Unterscheidung ist die zwischen selbstverwalteten und treuhänderisch verwalteten.

Eine ganze Reihe von Australiern trauen sich offenbar zu – natürlich meist mit der Unterstützung von Finanzberatern –, selber über die Anlage ihrer Rückstellungen zu entscheiden. Fast 30 % des Gesamtvolumens steckt in kleinen, selbstverwalteten Fonds mit weniger als vier Mitgliedern. Das bedeutet natürlich, dass in Australien ein erheblich größerer Anteil der Bevölkerung darum bemüht ist, sich zumindest ein gewisses Grundverständnis für Finanzgeschäfte anzueignen, als in vielen anderen Ländern. Unter den treuhänderisch verwalteten sind die von Banken und Versicherern aufgelegten Fonds mit 26 % des Gesamtvolumens die beliebtesten; gefolgt von Industriefonds, die von Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften gemeinsam aufgelegt werden (22 %); Fonds für Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes (17 %); und schließlich Unternehmensfonds von einigen der größeren Firmen im Land (3 %).

Durch Marktdruck disziplinieren

Klar, wenn fast das gesamte Rentenvermögen eines Landes investiert wird, ist das nicht ganz ohne Risiko. Die Finanzkrise 2008 traf auch australische Rentner durchaus empfindlich. Es gibt aber auch genügend Beispiele von Staaten, die durch Misswirtschaft die Rentensicherheit aufs Spiel setzen. Und im Gegensatz zu Staaten können Fonds erheblich schneller wieder aus einer Schwächephase herauskommen. Zumindest wenn sie verantwortlich und klug verwaltet werden …

Um diese verantwortliche Verwaltung sicherzustellen, wird immer rasch nach dem Staat gerufen. Der Staat ist mit dieser Aufgabe aber notorisch überfordert. In der Regel reguliert er nur hinterher, nicht voraus. Eine wesentlich bessere Methode, um Solidität bei der Finanzberatung zu garantieren, ist der Druck des Marktes. Wenn wie in Australien der größte Teil des Rentenvermögens in Fonds steckt, dann lastet natürlich ein massiver Druck auf deren Managern, klug und verantwortlich, nachhaltig und langfristig zu investieren. Diejenigen die ihre Rentenfonds selbst verwalten, sind sich ohnehin bewusst, wie viel von ihrem verantwortlichen Handeln abhängt. Und die Treuhandverwalter werden viel mehr darauf achten müssen, nicht in Misskredit zu geraten als dort, wo der Staat die Renten garantiert. Natürlich ist eine ganz klare Haftungsregelung die Grundvoraussetzung für das Funktionieren eines solchen Systems.

Eine Kultur der Verantwortlichkeit

Wenn alle – Verbraucher, Anbieter und auch staatliche Stellen – stärker auf Solidität achten, entsteht über die Zeit eine Kultur der höheren Verantwortlichkeit. Die Casino-Kultur, die manche Exzesse der modernen Finanzwirtschaft hervorgebracht hat, gründet sich ja gerade darauf, dass der Staat explizit oder zumindest implizit versprochen hat, viele Risiken aufzufangen. Wer sich hingegen auf dem Markt bewähren muss ohne die staatlichen Garantien im Hintergrund, der wird schon erheblich vorsichtiger agieren. Gerade, wenn es um so essentielle Dinge wie Renten geht. Auch im Finanzsektor gilt, was der Ökonom Milton Friedman über Unternehmen schrieb:

„Es liegt im Eigeninteresse von General Electric oder General Motors oder Westinghouse oder Rolls Royce, dass sie einen Ruf als Produzenten dauerhafter und verlässlicher Güter besitzen. Das ist die Quelle ihres ‚goodwill‘ und trägt wahrscheinlich mehr zu ihrem Wert bei als alle Fabriken und Werke, die ihnen gehören.“

 

 

Photo: Pete Markham from Flickr (CC BY-SA 2.0)

Immer dann, wenn Mario Draghi mit seinen Mannen im Zentralbankrat zusammentritt, erinnert nicht nur der Name des Gremiums an das Zentralkomitee in der Kommandowirtschaft. Auch das Handeln der EZB und ihrer Stakeholder im Vorfeld dieser Sitzung erinnert an die öffentliche Erwartungshaltung im Vorfeld des aktuell tagenden Nationalen Volkskongresses der Kommunistischen Partei Chinas. Wie im Zentralbankrat wird auch bei der Kommunistischen Partei Chinas das Wachstumsziel verkündet. Bei der EZB sollen es 2 Prozent Inflation sein, bei der Kommunistischen Partei Chinas 6,5 Prozent Wirtschaftswachstum. Die Eurozone ist inzwischen mit fast 100 Prozent verschuldet, China wird in wenigen Jahren mit über 280 Prozent zur Wirtschaftsleistung verschuldet sein.

Am kommenden Donnerstag treffen sich die Zentralbanker zur aktuellen Planbesprechung. Ihr Plan ging bislang nicht auf. Die offizielle Inflationsrate lag im Februar bei –0,2 Prozent, weit weg vom ursprünglichen 5-Jahres-Plan. Jetzt muss nachgebessert und korrigiert werden. Draghis Hauptproblem: Die Pferde saufen nicht. Die Kreditvergabe stagniert. Die Konjunktur im Euroraum springt deshalb nicht an. Dabei spielt Draghi derzeit schon auf der kompletten geldpolitischen Klaviatur: Der Notenbankzins ist bei faktisch Null, der Einlagenzins der Banken bei der EZB bei -0,3 Prozent, die Mindestreserve liegt bei 1 Prozent, Banken können sich unbeschränkt bei der EZB refinanzieren und die EZB kauft monatlich für 60 Milliarden Euro Schulden auf.

Draghi pumpt ständig neu gedrucktes Geld ins Wirtschaftssystem, doch es hat nicht die gewünschte Wirkung. Was ist daher zu erwarten? Eine radikale Kurskorrektur? Der Rücktritt Mario Draghis wegen seiner schlechten Performance? Wohl kaum. Vielmehr wird das Gegenteil eintreten. Mario Draghi legt noch eine Schippe drauf. Er wird nicht nur 60 Milliarden Euro monatlich an Schulden von Staaten und Banken aufkaufen, sondern mehr, viel mehr.

In seiner planwirtschaftlichen Logik ergibt das auch Sinn. Denn das Hauptproblem der derzeitigen Konjunkturschwäche im Euro-Club sind die Banken. Sie haben den jahrelangen Scheinboom in den Krisenstaaten mit Hilfe der billigen Zinsen der EZB finanziert. Dies hat Überkapazitäten aufgebaut, die sich seit 2007 korrigieren wollen. Diese Bereinigung wollten weder die Regierungen noch die EZB in ausreichendem Maße zulassen und haben darum die Banken mit ihren faulen Kreditportfolien geschont. Teilweise wurden die faulen Kredite, wie aktuell in Italien, aber zuvor auch in Spanien, Portugal und Irland, in staatlich garantierte Bad Banks ausgelagert. Doch dies war nicht ausreichend.

Hier wird der neue 5-Jahres-Plan des Zentralbankrates wohl ansetzen. Die EZB wird sich mit ihrem Ankaufprogramm künftig stärker auf den Bankensektor konzentrieren, aber gleichzeitig die Finanzierungsfähigkeit der überschuldeten Staaten durch den Ankauf von Staatsanleihen sicherstellen. Draghi wird die Bilanzen der Banken entlasten und bereinigen. Dies wird perverse Anreize setzen. Es ist zu befürchten, dass die EZB bald sogar alte Fahrräder kauft, um dafür frisches Geld an die Banken auszureichen. Ob die Pferde dann saufen? Vielleicht tritt auch ein ganz anderer Effekt ein. Vielleicht horten die Banken das billige Geld, weil die Hinterlegung bei der EZB zu teuer wird. Schon jetzt prüfen einige Sparkassen diesen Weg, weil es günstiger ist, das überschüssige Geld in den Tresoren zu legen, anstatt es bei der EZB teuer zu parken. Und sollten die Zentralbanker auf die Idee kommen, die Banken noch stärker zum Saufen zu nötigen, dann kann es passieren, dass diese ihre erhöhten Aufwendungen einfach an ihre Kunden weitergeben. Viele verspüren dies heute schon durch höhere Gebühren, vielleicht bald auch bei den Zinsen. Das ist die Tragik der Planwirtschaft: man sieht meist zu spät, welche Pläne falsch sind. Die Lehre daraus? Nicht jede vermeintliche Medizin hilft. Man hat auch schon Pferde vor der Apotheke kotzen sehen.

Erstmals erschienen bei Tichys Einblick.

 

Photo: JeanbaptisteM from Flickr (CC BY 2.0)

Es sind schon skurrile Debatten, die derzeit rund um das Geld geführt werden. Erst verlangt die EZB die Abschaffung des 500-Euro-Scheins und dann kommt der Vorstoß der Bundesregierung, Barzahlungen auf 5.000 Euro zu begrenzen. All dies wird mit der Verbrechensbekämpfung begründet. Das ist so zutreffend wie „nachts ist es kälter als draußen.“

Letztlich ist die Maßnahme Teil der Interventionsspirale der EZB. Sie muss immer unkonventionellere, andere würden sagen verrücktere, Maßnahmen einleiten, damit die Niedrigzinspolitik gerechtfertigt werden kann. Doch jede Intervention zieht Reaktionen des Marktes nach sich. Verrückte Angriffe der Notenbankklempner auf den Markt werden mit verrückten Verteidigungsmaßnahmen des Marktes beantwortet.

Die Sparkassen überlegen jetzt, ob sie Bargeld horten, anstatt es zu Negativzinsen bei der EZB einzulagern. Es sei billiger dieses Bargeld zu versichern, anstatt es zu 0,3 Prozent Strafzins der EZB zu geben. Inklusiv Versicherungssteuer würde dies nur 0,1785 Euro kosten. Also ein gutes Geschäft. Doch wenn das Schule machen würde, hätte dies ungeahnte Folgen.

Denn die Sparkassen rücken damit etwas in den Blick, was vielen nicht klar ist. Viele wissen gar nicht, was in unserer heutigen Zeit Geld ist, oder besser: was das gesetzliche Zahlungsmittel ist. Hier hilft ein Blick ins Gesetz. In Paragraph 14 Bundesbankgesetz heißt es in Satz 2: „Auf Euro lautende Banknoten sind das einzige unbeschränkte gesetzliche Zahlungsmittel.“

Unbeschränkt gesetzliches Zahlungsmittel ist also nicht das Buchgeld, das auf den Konten herumliegt, sondern nur die Euro-Banknote, das Bargeld. An der gesamten Euro-Geldmenge macht das Bargeld weniger als 10 Prozent aus. Wollte man die gesamte Geldmenge zu Bargeld machen, müsste die EZB 9 Billionen Euro drucken.

Vielleicht wird sie nicht 9 Billionen Euro drucken müssen, doch wenn der Plan der Sparkassen Nachahmer findet, dann steigt sehr schnell der Bargeldanteil an der gesamten Geldmenge. Denn wenn Sparkassen das Horten von Geldbeständen in den eigenen Tresoren als Geschäftsmodell erkennen, werden Commerzbank, Deutsche Bank und Volksbanken sehr schnell diesem Modell folgen. Und wenn die Banken insgesamt hohe Geldbestände auf ihren Konten ebenfalls mit Strafzinsen belasten, werden auch Unternehmen, Versicherungen, staatliche Institutionen wie die Renten- und Arbeitslosenversicherung, aber auch Bürger auf die Idee kommen, ihr Geld lieber im Schließfach, Tresor oder unter dem Kopfkissen aufzubewahren. Auch dies würde die Bargeldmenge massiv erhöhen. Die EZB und die Regierung haben daran kein Interesse. Je höher der Bargeldumlauf ist, desto weniger kann ein Negativzins allen Marktteilnehmern aufgedrückt werden. Gerade deshalb findet ja die derzeitige Einschränkung des Bargeldverkehres statt.

Natürlich könnte der Gesetzgeber dazu übergehen, das „gesetzliche Zahlungsmittel“ auch auf das Buchgeld auszuweiten. Doch so einfach ist es nicht. Heute ist das Bargeld gesetzliches Zahlungsmittel auch deshalb, weil die EZB bzw. die Bundesbank ihre Menge exakt festlegen kann. Dies ist beim Buchgeld nicht möglich. Hier versucht sie über ihre Geldpolitik die Menge zu steuern, was ihr offensichtlich nicht gelingen mag.

Deshalb werden Regierung, Bundesbank und EZB einen anderen Weg gehen: den Weg der Intervention. Auf die Intervention und die Reaktion des Marktes folgt die nächste Intervention, die von einer neuen Reaktion des Marktes begleitet wird. Die Spirale dreht sich immer schneller. Das zeigt: die EZB-Politik des billigen Geldes ist gescheitert. Mario Draghi ist gescheitert. Immer mehr billiges Geld führt nicht zu einer größeren Kreditvergabe an die lahmende Wirtschaft in Südeuropa, sondern die Banken horten dieses Geld. Sie wollen in ein fallendes Beil nicht die Hand halten. Wohin führen die Interventionen von Mario Draghi mittelfristig? Wahrscheinlich zu einer Verstaatlichung des Kredits. Denn, die EZB geht davon aus, zu wissen wo Geld und Kredit fehlt. Das eigentliche Problem sind in diesem Verständnis die Banken, die den Vorgaben der EZB partout nicht folgen wollen. Deshalb werden sie entweder gezwungen, Kredite an die Wirtschaft auszureichen oder aber die EZB vergibt Kredite selbst an die Wirtschaft.

Letztlich zielt diese Art der Politik auf eine Globalsteuerung der Wirtschaft ab. Es geht um die Frage „Markt oder Befehl?“. Mario Draghi hat sich bereits seit langem gegen den „Markt“ und für „Befehl“ entschieden. Damit folgt er einer Vorstellung, die der Ökonom Ludwig von Mises schon vor über 75 Jahren als „altes Vorurteil“ bezeichnete: „Man hält den Zins für ein Hindernis menschlicher Wohlfahrt, man glaubt, dass es Pflicht der Obrigkeit sei, auf Senkung der Zinshöhe hinzuarbeiten.“

 

Die Bundesregierung hat in dieser Woche ein „nationales Programm für nachhaltigen Konsum“ beschlossen. Jetzt ist Vorsicht geboten. Denn sie meint damit nicht, dass Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel oder Kanzleramtsminister Peter Altmaier mehr Maß halten und mehr vom täglichen Kalorienkuchen an Dritte abgeben sollen. Sondern es geht im vom Kabinett beschlossenen Programm um nicht mehr und nicht weniger als um den hehren Anspruch, „heute so zu konsumieren, dass die Bedürfnisbefriedigung heutiger und zukünftiger Generationen unter Beachtung der Belastbarkeitsgrenzen der Erde nicht gefährdet wird.“ Mehr Pathos geht nicht!

Es bedeutet „auch eine kritische Auseinandersetzung mit unseren Lebensstilen und unserem Wohlstandskonzept“. Nichts gegen Selbstreflexion, aber wen meint die Bundesregierung mit „unseren Lebensstilen“ und „unserem Wohlstandskonzept“? Den Lebensstil der Kanzlerin, die gerne wandert? Oder meint sie Heiko Maas, der uns gerne überwacht? Oder ist es doch der Lebensstil von Frank-Walter Steinmeier, der schon berufsbedingt permanent durch die Welt jetten muss? Mit welchem dieser Lebensstile sollen wir uns gründlich auseinandersetzen? Und was ist mit der Auseinandersetzung mit „unserem Wohlstandskonzept“ gemeint? Soll der Staat seinen Wohlstand zurückfahren – Schwimmbäder, Theater und Museen schließen? Oder geht es doch um etwas anderes? Geht es darum, dass die Regierung uns mehr an die Hand nehmen will. Vater Staat sagt, was die kleinen Bürger zu tun und zu lassen haben. Und wer nicht brav ist und folgt, darf abends nicht fernsehen.

Also geht es doch um all das, was die neuen Jakobiner uns aufs Auge drücken wollen: Weniger Fleisch essen, weniger Autofahren, die Hauswand begrünen und damit die Welt vor dem sonst sicheren Untergang retten? Eine freie Gesellschaft hat eine andere Philosophie: Dort hat kein Mensch, keine Gruppe, keine noch so demokratisch gewählte Mehrheit und kein Staat das Recht, Menschen zu zwingen, auf eine bestimmte Art und Weise glücklich zu sein.

Doch diese Regierung geht einen anderen Weg. Sie will uns zwangsbeglücken. Schon bald werden Forschungsgelder verteilt, Personal eingestellt, Programme aufgelegt, Gesetze und Verordnungen erfunden oder einfach nur in die richtige Richtung „gestupst“ (neudeutsch: Nudging), um den „nachhaltigen Konsum“ schwarz-roter Prägung umzusetzen. Die Grundlage für all das, liegt jetzt auf dem Tisch. Man könnte zum Schluß kommen und meinen, das Land und seine Menschen hätten aktuell andere Probleme – Flüchtlinge, Euro und so weiter, doch weit gefehlt. So will die Regierung ein Projekt „Slow Fashion“ fördern, welches „auf eine freiwillige Entschleunigung und damit einhergehende Einschränkung des Bekleidungskonsums durch eine Verlängerung der Nutzungsphase von Kleidung abzielt“. Vielleicht kann man dann auch noch erreichen, dass der Waschzyklus dieser Bekleidung verlängert wird. Das riecht dann etwas strenger, aber spart Wasser. Und bei der Kleidersammlung will sich die Regierung künftig auch beteiligen. Sie will die „Erhöhung des Einsatzes von Recyclingfasern, zum Beispiel durch das öffentliche Beschaffungswesen“ verbessern. Konsequenterweise sollen auch „klimafreundliche Urlaubsreisen“ gefördert werden. Dazu passt dann auch die Forderung nach einer Intensivierung der „Unterstützung des Fußverkehrs“ „z.B. durch Entwicklung einer Fußverkehrsstrategie für Deutschland“. Was folgt daraus? Am Besten Sie stornieren Ihre Urlaubsreise nach Mallorca und bleiben im Sommer zu Hause, da ist es eh am Schönsten!

Photo: Petra B. Fritz from Flickr

Photo: Universität Salzburg from Flickr (CC BY 2.0)

Umverteilung findet oft nicht von Reich zu Arm statt. Meist sind die Umverteilungsströme undurchsichtig und kommen am Ende doch nicht den Bedürftigen zugute. Zum Beispiel beim Thema Bildungsfinanzierung. Da lässt sich noch einiges ändern.

Akademiker sind teuer

Etwa 2,75 Millionen junge Menschen studieren derzeit in Deutschland. 1,35 Millionen befinden sich in der Ausbildung. Die Zukunftsaussichten beider Gruppen sind natürlich so unterschiedlich wie die Individuen selbst. Dennoch kann man relativ sicher sagen, dass die Mehrheit der Studierenden nicht hinter dem Steuer eines Taxis landen werden. Genauso wie die Mehrzahl der Auszubildenden wohl nicht in 25 Jahren selbständige Unternehmer mit saftigen Renditen sein werden. Akademiker, so eine OECD-Studie aus dem Jahr 2014, verdienen in Deutschland im Schnitt 74 Prozent mehr als Berufstätige, die weder Uni noch Fachhochschule oder Meisterschule besucht haben.

Akademiker verdienen aber nicht nur oft sehr ordentlich – sie kosten auch erstmal eine Zeit lang ordentlich Geld. Am billigsten sind, ausweislich des Statistischen Bundesamtes, übrigens Juristen, BWLer, Volkswirte und Sozialwissenschaftler, die pro Jahr mit etwa 3.600 Euro zu Buche schlagen. Verhältnismäßig günstig sind auch noch Sprach- und Kulturwissenschaftler (5.000 €), Ingenieure (6.580 €) oder Naturwissenschaftler und Mathematiker (8.670 €). Spitzenreiter sind mit großem Abstand die Humanmediziner, die Jahr für Jahr rund 31.000 € kosten. Das sind jetzt freilich nur die Kosten für das laufende Studium. Noch nicht mit eingerechnet sind zusätzliche Förderungen, Zuschüsse, Stipendien und Steuererleichterungen. Kurzum: Wir lassen uns Bildung etwas kosten.

Wir besuchen die Universität nicht, um der Gesellschaft zu nutzen

Bildung – so lassen uns Politiker und Meinungsmacher von Sonntagsrede zu Sonntagsrede immer wieder wissen –, Bildung ist eine Investition in die Zukunft. Stimmt ja auch irgendwie: der Ingenieur, der heute die Unibank drückt, wird morgen vielleicht den Automarkt revolutionieren. Die gut ausgebildete Juristin wird ihren Mitbürgern als Richterin oder Anwältin einen Dienst erweisen. Und der Kulturwissenschaftler wird als Literaturnobelpreisträger von morgen das deutschsprachige Kulturgut substantiell bereichern. Aber zunächst einmal investiert jeder Student nicht in die Zukunft eines Staatskollektivs, sondern in seine ganz eigene persönliche Zukunft.

Und es ist mitnichten verwerflich, dass er diese Investition nicht zuletzt auch im Blick auf bessere Verdienstmöglichkeiten tätigt (wobei Verdienst hier durchaus sehr viel mehr bedeuten kann als nur monetäres Einkommen – dazu gehören auch Reputation, Einfluss und persönliche Zufriedenheit). Der Student muss keineswegs beständig auch seinen möglichen gesellschaftlichen Nutzen im Auge haben. Der Haken an der Sache ist allerdings: er selbst investiert in der Regel wenig anderes als seine Zeit. Neben dem Semesterbeitrag entstehen meist keine finanziellen Kosten für ihn. Die werden nämlich umgelegt auf alle Steuerzahler.

Die Kindergärtnerin und die Patentanwältin

Das heißt konkret: Der Automechaniker-Azubi und dessen Mutter, die im Kindergarten arbeitet, finanzieren durch Einkommenssteuer, Mehrwertsteuer, Energiesteuer und Co. das Studium für die künftige Patentanwältin oder den künftigen Chefarzt. Wenn man sich den Mechanismus einmal so bildlich vor Augen führt, wird besonders anschaulich, wie aberwitzig das derzeitige System eigentlich ist. Bei dieser Umverteilung (wie auch bei vielen anderen) handelt es sich mitnichten um eine Maßnahme, um die Härten des Lebens für schlechter Gestellte abzufedern. Vielmehr werden Menschen, die niemals das Verdienstniveau von Akademikern erreichen werden, dazu genötigt, deren Ausbildung mitzufinanzieren.

Eine kurze Zeit lang, zu Beginn der 2000er Jahre, gab es in einigen deutschen Bundesländern ja schon einmal Studiengebühren, wenn auch in einem erheblich harmloseren Umfang als das etwa in Großbritannien oder gar in den USA der Fall ist. Im Zuge der Debatten um deren baldige Abschaffung war ein häufig vorgebrachtes Argument, man halte mit Studiengebühren gerade diejenigen vom Studium ab, für die Hürden ohnehin schon ziemlich hoch sind. Vor allem Kinder aus Nicht-Akademiker-Familien, deren Eltern es sich nicht leisten können, diese Gebühren zu übernehmen oder vorzustrecken, seien somit benachteiligt. Der Einwand ist durchaus valide – der Schluss, das Studium wieder kostenlos zu machen, nicht.

Wer bestellt, sollte auch zahlen

Für einen Großteil der Studenten ist ihr Studium der Schlüssel zu einem späteren finanziellen Erfolg. Diesen Schlüssel sollten ihnen nicht andere zur Verfügung stellen müssen. Es gibt inzwischen zum Glück intelligentere Optionen zur Studienfinanzierung als einen Großkredit aufnehmen zu müssen. Die privaten Unis haben es vorgemacht: Seit 1995 hat die Universität Witten/Herdecke das Modell des „Umgekehrten Generationenvertrags“ – inzwischen wurde es auch von anderen privaten Universitäten und Hochschulen in Deutschland aufgegriffen. Studierende zahlen hier erst nach dem Studium, und zwar einen gewissen Prozentsatz ihres Einkommens.

In Großbritannien wurde auch zeitweise darüber debattiert, eine entsprechende Akademiker-Steuer einzuführen. Die nächste Steuer einzuführen, ist sicherlich keine gute Idee. Aber eine einkommensabhängige „Akademiker-Gebühr“, die auch ohne Umwege über den Steuersäckel direkt den Universitäten zufließt, wäre durchaus eine Erwägung wert. Mit der Kirchensteuer gibt es ja auch bereits ein bewährtes Verfahren, das man übernehmen könnte.

Das wäre übrigens auch eine gute Gelegenheit, um insgesamt darüber nachzudenken, wo man Steuern durch Beiträge ersetzen kann. Viel zu viele Bereiche in unserem Staat, gerade auf dem Gebiet der Infrastruktur im weiteren Sinne, werden unabhängig von ihrer Nutzung aus dem großen Steuertopf bezahlt. Das beste Mittel gegen eine Umverteilung, die beständig Ungerechtigkeiten produziert, ist es, denjenigen für eine Leistung zahlen zu lassen, der sie auch in Anspruch nimmt. Wer bestellt, sollte auch zahlen.