Photo: GH Cheng from Flickr (CC BY-ND 2.0)

Durchschnittlich verabschiedet der Bundestag jeden Monat über zehn Gesetze. Wo ein Problem auftaucht, wird sofort der Ruf nach einem Gesetz laut. Dabei sind Gesetze, Verordnungen und Steuern oft selbst Quelle des Problems.

Terror-Komplize Raucher

„Wir rauchen für das organisierte Verbrechen“. Mit dem Bild eines freundlichen älteren Ehepaares und unter diesem charmanten Motto wirbt Philip Morris gerade dafür, keine geschmuggelten oder gefälschten Zigaretten zu kaufen. Klar, die preiswertere Schmuggelware verdirbt massiv das Geschäft. Insofern ist es verständlich, dass Philip Morris diesen Schwarzmarkt unterbinden möchte. Auch die Begründungen sind zum Teil sehr plausibel: Die Zigaretten sind oft minderwertig. Vom Erlös profitieren kriminelle Vereinigungen, Mafia, Terroristen. Nicht ganz so plausibel, aber im Notfall noch vertretbar, ist ihre Argumentation: „Dadurch entgehen dem deutschen Staat jedes Jahr etwa 1,5 Milliarden Euro an Einnahmen für öffentliche Sicherheit und Gesundheit.“

Aber haben sich die Damen und Herren von Philip Morris wirklich den richtigen Gegner ausgewählt? Ist das Problem tatsächlich der Konsument, der einen geringeren Preis zahlen möchte? Vielleicht sollte man den Blick einmal in die andere Richtung lenken: 2 Euro, so die Website zu der Kampagne, würde eine Schachtel „illegaler“ Zigaretten kosten. Zwischen 1,35 € und 1,50 € Umsatz einer „legalen“ Schachtel gehen laut der Website statista.com an die Zigarettenhersteller. Qualitativ hochwertige Markenzigaretten könnten also offenbar günstiger als Schmuggelware verkauft werden, ohne dass Philip Morris irgendwelche Einbußen hinnehmen müsste.

Wenn Steuern wie Gesetze wirken

Könnten günstiger verkauft werden … Der hohe Preis, der Mafia, Terroristen und andere finstere Gestalten dazu motiviert, ihre billigen Zigaretten auf den Schwarzmarkt zu werfen, entsteht nämlich vor allem durch den hohen Steueranteil von derzeit ungefähr 72 % des Preises pro Schachtel. Ohne Tabaksteuer, nur mit Mehrwertsteuer, würde die Packung momentan 1,78 € kosten. Mit einer Abschaffung der Tabaksteuer wäre der Schwarzmarkt wohl binnen kürzester Zeit verschwunden. Ein Preis von 5,40 € pro Schachtel hingegen ist wie ein Konjunkturprogramm für Kriminelle. Anstatt „Wir rauchen für das organisierte Verbrechen“ sollte es heißen: „Wir besteuern für das organisierte Verbrechen“.

Die Tabaksteuer ist ein klassisches Beispiel für eine Lenkungssteuer oder auch Strafsteuer. Sie wird nicht erhoben, um allgemein Staatsaufgaben zu finanzieren, sondern um die Bürger zu einem bestimmten wünschenswerten Verhalten zu motivieren bzw. sie für vermeintlich schädliches Verhalten zu bestrafen. Damit ist diese Steuer mithin ein in Abgabenleistungen ausgedrücktes Gesetz. Die Tabaksteuer ist nun leider nur eines von hunderten von Beispielen, bei denen staatliche Stellen durch Gesetze und Steuern Probleme eher verschärfen als sie in den Griff zu bekommen. Der französische Ökonom Frédéric Bastiat machte bereits vor über 150 Jahren die scharfsichtige Beobachtung:

„Im Bereich der Ökonomie ruft eine Handlung, eine Gewohnheit, eine Einrichtung, ein Gesetz nicht nur eine einzige Wirkung hervor sondern eine Reihe von Wirkungen. Von diesen Wirkungen ist nur die erste direkt, sie zeigt sich gleichzeitig mit ihrer Ursache, man sieht sie. Die anderen entwickeln sich erst nach und nach, man sieht sie nicht… Dies ist der ganze Unterschied zwischen einem guten und einem schlechten Ökonomen: Der eine klebt an der sichtbaren Wirkung, der andere berücksichtigt sowohl die Wirkung, die man sieht, als auch diejenige, die man vorhersehen muss. Aber dieser Unterschied ist enorm, denn es ist fast immer so, dass die unmittelbare Folge günstig ist und die letztendlichen Folgen unheilvoll und umgekehrt.“

Strafsteuern abschaffen!

Philip Morris hat Recht mit seinem Anliegen: Konsumenten sollten nicht minderwertige Produkte kaufen. Ganz besonders nicht, wenn sich dadurch Verbrecher finanzieren. Aber solange Steuern den eigentlichen Preis so in die Höhe treiben, ist die Versuchung für den Konsumenten doch sehr hoch, moralische und gesundheitliche Bedenken beiseite zu schieben. Wenn Philip Morris sowohl Verluste durch „illegale“ Zigaretten vermeiden will als auch noch den Sumpf dieses Schwarzmarktes trockenlegen möchte, sollten sie sich lieber für die Abschaffung der Tabaksteuer einsetzen.

Das Problem: mit einer Kampagne gegen die Tabaksteuer macht man sich wohl eher weniger Freunde. Und genau das ist die Wurzel des Übels. Teure Zigaretten, so die weitverbreitete Vorstellung, bedeuten weniger Raucher. Würde mit der Abschaffung der Tabaksteuer der Schachtelpreis von 5,40 € um zwei Drittel auf 1,80 € sinken, so die Horrorvorstellung, dürfte auch der Anteil der Raucher proportional steigen. Unabhängig davon, ob das eintrifft, muss in einem Rechtsstaat aber doch eigentlich ein anderes Prinzip gelten: das der Selbstverantwortung. Menschen sollten sich genau überlegen, ob sie rauchen – nicht, weil es teuer ist, sondern weil es ungesund sein kann. Strafsteuern sind nie ein angemessenes Mittel: Zum einen bewirken sie selten das Ziel, unter dem sie erlassen werden. Vor allem aber sind sie unzulässige Eingriffe in die Autonomie der Individuen.

Photo: Len Matthews (CC BY-ND 2.0)

Der CDU-Fraktionsvorsitzende ist lange im Geschäft. Wenn er im Welt am Sonntag-Interview den Abweichlern seiner Fraktion mit Abberufung aus wichtigen Ausschüssen im Deutschen Bundestag droht, dann weiß er selbst, dass das für eine Fraktionsführung in der Mitte der Legislaturperiode nicht so einfach durchzusetzen ist und wohl nur das letzte Mittel in einer Reihe zahlreicher anderer „Folterinstrumente“ ist. Was beabsichtigt er damit?

Kauder wollte damit nicht die Bosbachs und Willschs in seiner Fraktion überzeugen. Er weiß auch, dass dies nicht gelingen kann, dazu haben diese Abgeordneten ihre Position in der Vergangenheit zu klar und dezidiert geäußert.

Nicht um Abweichler geht es – um die Fraktion

Sein Vorstoß sollte die Masse in der Unions-Fraktion disziplinieren und einschüchtern. Er galt den vielen neuen und jungen Abgeordneten, die am 17. Juli gegen ein neues Verhandlungsmandat für ein weiteres Griechenland-Paket gestimmt haben. Es galt aber auch denjenigen, die auf der Kippe stehen, die überlegen und mit sich ringen, ob sie in der bald kommenden Sondersitzung dem Verhandlungsergebnis zustimmen können. Sie sollten die Konsequenzen für ihr Handeln frühzeitig aufgezeigt bekommen. Wer künftig in den Europa- oder Haushaltsausschuss von der Fraktion entsandt werden will, darf nicht ausbüchsen.

Im Kern zeigt die Äußerung die Schwäche des parlamentarischen Systems in Deutschland. Es fußt in der Praxis nicht auf dem einzelnen Abgeordneten, sondern auf Fraktionen. Die Fraktionen bestimmen die Meinungsbildung, personell und inhaltlich. Wer also in welchen Gremien und Ausschüssen sitzt, welchen Ausschussvorsitz bekommt, wer im Plenum wann und wie lange reden darf, bestimmt die Fraktion unter der Vorgabe des Fraktionsvorstandes. Daher wird im Plenum des Bundestages meist nur das vorgetragen, was die eigene Regierungsmehrheit stützt oder andersherum die Oppositionsrolle unterstreicht. Dazwischen gibt es nichts.

Ein Fenster für andere Meinungen

In der Euro-Krise hatte Parlamentspräsident Lammert jedoch ein kleines Fenster für Abgeordnete, die eine abweichende Meinung zur Fraktion einnehmen, geöffnet. Bei der Debatte zur „Ertüchtigung“ des vorübergehenden Rettungsschirmes EFSF erteilte Lammert meinem damaligen Kollegen Willsch und mir eine jeweils fünfminütige Redezeit in der laufenden Parlamentsdebatte. Dieser mutige Schritt Lammerts war ein Novum. Bis dahin konnten Abgeordnete nur im Rahmen von kurzen persönlichen Erklärungen nach der Debatte oder durch Kurzinterventionen vom Platz aus ihre abweichende Meinung vortragen. Lammert vertrat bereits im Vorfeld öffentlich die Auffassung, dass im Parlament auch die abweichenden Meinungen zu Wort kommen müssten. Danach brach ein Sturm der Entrüstung aus. Schon damals ließ sich Kauder mit den Worten zitieren: „Wenn alle reden, die eine von der Fraktion abweichende Meinung haben, dann bricht das System zusammen.“

Anschließend wollten die Fraktionsspitzen sogar die Geschäftsordnung des Bundestages ändern, damit so etwas nie wieder vorkommt. Lammert bezog sich damals auf ein internes Gutachten der Bundestagsverwaltung, das zum Schluss kam, dass der Parlamentspräsident Abgeordnete unabhängig davon, ob sie als Redner von ihren eigenen Fraktionen gemeldet wurden, „mit Rücksicht auf ihr verfassungsrechtlich garantiertes Rederecht das Wort erteilen kann“. Doch nur der öffentliche Druck hat am Ende die Fraktionsspitzen von einer Änderung der Geschäftsordnung abgehalten.

Entscheidungsfindung ohne Transparenz

Doch die Debattenkultur hat sich seitdem im Deutschen Bundestag nicht verbessert – im Gegenteil. Das Fraktionsdisziplinierungssystem verhindert dies. Es verlagert das Ringen um die bessere Idee in die Hinterzimmer und Fraktionsräume. Dort wird das Ringen nicht mit offenem Visier geführt, sondern erfolgt intransparent. Den Regierungsfraktionen geht es dabei nur um die Frage, wie ihre Minister und ihre Ministerien dargestellt und präsentiert werden. Den Oppositionsfraktionen geht es dabei nicht wesentlich anders. Deren Spitzen bringen ihre Leute auf Linie, dass ihnen in der Zukunft eine Regierungszeit in Aussicht gestellt wird, wo Milch und Honig fließt und sie mit dabei sind. Die wichtigste Funktion des Parlaments geht durch diese Mechanismen verloren – die Kontrollfunktion.

Warum wird in wesentlichen Debatten nicht die Verteilung der Redner dem Parlamentspräsidenten übertragen, der in der Weisheit seiner Amtsführung für eine ausgewogene Debatte sorgt.

Die Abgeordneten bilden das Parlament

Wer das parlamentarische System reformieren will, muss die Macht der Fraktionen beschneiden und die Rechte und Möglichkeiten der einzelnen Abgeordneten verbessern. Dafür braucht es nicht noch detailliertere Geschäftsordnungen oder Verfahrensregeln, sondern allgemeine Regeln, die von der „Natur der Sache“ als richtig empfunden werden. Die Abgeordneten sind die Basis des Parlamentarismus. Sie sollten im Ideal den Volkswillen wiederspiegeln und nicht die Fraktionen. Wer das Vertrauen in die parlamentarische Demokratie und den Rechtsstaat stärken will, muss dem Versuch widerstehen, eine „gerechte“ Verteilung von Redezeit, Redereihenfolge, Ausschussbesetzung und parlamentarischem Kleinklein zu erreichen. Dieser Versuch wird auch weiterhin scheitern und die Macht der Fraktionen gegenüber den Abgeordneten weiter stärken. Diese vermeintlich gerechte Verteilung führt nämlich zu einer Zielhierarchie, die entsprechend dem autoritär gesetzten Aktionsplan einer Partei, Regierung oder Fraktionsspitze notwendig ist oder erscheint.

Es ist vielleicht so, wie Papst Benedikt in seiner großen Rede vor dem Deutschen Bundestag 2011 es dargestellt hat. Damals trug er in einem beeindruckenden Plädoyer vor, dass eine ideale Ordnung eines freiheitlichen Rechtsstaats, den einzelnen Abgeordneten in die Lage versetzt „das Gute vom Bösen zu unterscheiden und so wahres Recht zu setzen“. Es ist das Vertrauen in die Vernunft des Menschen und nicht in das Funktionieren eines Systems um jeden Preis. Das Gegenteil ist ein Konstruktivismus, der dem Grundsatz folgt: Not bricht jedes Gebot. Letzteres ist gleichzeitig das Fallbeil für den freiheitlichen Rechtsstaat. Papst Benedikt zitierte dazu den heiligen Augustinus mit den Worten: „Nimm das Recht weg, was ist der Staat dann noch anderes als eine große Räuberbande“.

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Das derzeitige System des öffentlich-rechtlichen Rundfunks macht jeden Bewohner Deutschlands zum Zwangsabonnenten. Wie lange wird sich dieses Prinzip noch halten können? Sind es viele von uns nicht langsam leid?

Gesundheitsbeitrag für die Pizza

Stellen Sie sich einmal vor, es gäbe neben den vielen Pizza-Lieferdiensten in unserer Republik auch noch einen großen staatlichen Pizza-Liefergiganten Diese Riesenpizzeria hat Außenstellen im ganzen Land, tausende von Mitarbeitern sorgen dafür, dass auch noch im kleinsten Dorf Pizza geliefert werden kann. Nun haben sich die Betreiber dieses Pizza-Dienstes darauf geeinigt, dass jeder Haushalt zwei Mal im Monat Pizza geliefert bekommen soll. Warum? Nun, das ist – so einer der Meisterpizzabäcker – einfach gesund. Und die Menschen sollen doch gesund werden!

Gesundheit ist etwas Wichtiges. Und darum ist es durchaus auch richtig, dass Menschen dafür etwas bezahlen. Nicht nur diejenigen, die das wollen, sondern alle. Gesundheit ist schließlich für alle gut. Darum haben die Pizza-Dienst-Betreiber einen Gesundheitsbeitrag festgelegt. Für nur 17,50 € im Monat gibt es zwei Pizzen nach Hause geliefert. Sie mögen prinzipiell keine Pizza, finden Pizza ungesund oder haben eine Glutenunverträglichkeit? Die Pizza kommt. Sie finden Pizza Hawaii und Pizza Tonno nicht ganz so lecker? Die Pizza kommt. Sie hätten lieber eine Pizza vom anderen Lieferanten, weil die wesentlich besser schmeckt? Die Pizza kommt.

Nicht bestellt, nicht gegessen – trotzdem gezahlt

So ähnlich ist es mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Er ist wie eine Pizza, die man nie bestellt hat, auf die man vielleicht auch gar keine Lust hat, und die man auch nicht isst. Würde ein Pizza-Lieferant nach diesem Prinzip vorgehen, könnte man ihn wegen Betrugs anzeigen. Die Aufforderung, etwas zu bezahlen, dass man weder bestellt hat, noch nutzt oder konsumiert, ist dort, wo sie nicht von staatlichen Stellen kommt, definitiv ein Fall für die Staatsanwaltschaft.

Nicht so beim Rundfunkbeitrag, unserer Demokratieabgabe. Wir werden gezwungen, für Rundfunk und Fernsehen zu bezahlen, selbst wenn wir selber gar keinen Fernseher und kein Radio besitzen. Selbst wenn wir das Programm in keiner Weise ansprechend finden, vielleicht sogar der Ansicht sind, dass Traumschiff und Musikantenstadl weniger zum kritischen Denken beitragen als es auszuschalten. Quartal für Quartal flattert uns die Rechnung über 52,50 € ins Haus ohne dass jemals auch nur einer von uns das Produkt bestellt hätte.

So wehren wir uns gegen die Zwangs-Pizza

Eigentlich wäre es an der Zeit, dieses aberwitzige System zu beenden. Sollen doch nur noch diejenigen die Pizza bezahlen, die sie auch bestellt haben und zu essen gedenken. Doch wie geht das? Den Staatsanwalt kann man ja leider nicht anrufen. Ganz im Gegenteil: wenn man nicht bezahlt, ist man selber stets in Gefahr, sich strafbar zu machen. Es bleiben uns nicht mehr viele Mittel … Hier mal ein paar Methoden, mit denen wir hoffen, etwas Bewegung in die Debatte zu bringen:

– Wir gehen dem Beitragsservice so gut wie möglich auf die Nerven. Wir legen Einspruch ein, rufen mal an, verlangen die Barzahlung. Schon heute kommen die Damen und Herren kaum mehr hinterher mit Mahnungen und Antwortschreiben. Wir versuchen, sie weiter auf Trab zu halten.

– Wir werben dafür, diesem System ein Ende zu machen. Schauen Sie sich doch einmal auf der Homepage von „Zwangsbeitrag? Nein Danke“ um und bestellen Sie vielleicht ein paar Werbematerialen: Aufkleber und Postkarten schicken wir Ihnen gerne zu! Erzählen Sie beim gemütlichen Grillen, bei Onkel Jochens Geburtstag oder in der Mittagspause im Büro davon.

– Wir haben einen konstruktiven Gegenvorschlag. Sie können uns dabei unterstützen: Mit Ihrer Unterschrift unter unserer Online-Petition können Sie dokumentieren, dass Sie den Vorschlag aus dem Gutachten von Prof. Justus Haucap mittragen, das System des öffentlich-rechtlichen Rundfunks von Grund auf zu überdenken und zu reformieren.

Wenn sich nur genug Menschen dem System des öffentlich-rechtlichen Rundfunks entgegenstellen, dann wird eines Tages auch dessen Verteidigern die Puste ausgehen. Gegen einen deutlich geäußerten Ruf nach Reformen ist nur schwer anzukommen. Wir arbeiten jedenfalls weiter daran, dass wir uns eines, hoffentlich nicht allzu fernen, Tages nicht nur frei aussuchen können, ob wir eine Pizza bestellen und welche wir bestellen, sondern auch ob wir einen Fernsehsender nutzen wollen und welchen.

Photo: Chris Parker from Flickr (CC BY-ND 2.0)

Wenn Finanzminister Wolfgang Schäuble in diesen Tagen eine eigene Euro-Steuer für den Währungs-Club und einen eigenen Finanzminister vorschlägt, dann verfolgt er konsequent seine bisherige Politik. In den vergangenen Wochen konnte man eigentlich einen anderen Eindruck gewinnen. Schäuble schien an Griechenland und seiner sozialistischen und rechtsnationalen Regierung zu verzweifeln. Insbesondere das Hü und Hott der Regierung und deren mangelnde Verlässlichkeit nagte an seiner störrischen Geduld. Er und seine Emissäre brachten sogar das Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro-Club ins Gespräch. Rechtzeitig vor dem Gipfel in Brüssel spielte er sogar Vorschläge zur Änderung der EU-Verträge in die Öffentlichkeit, die den Ausschluss von Mitgliedern bei fortgesetzter Vertragsverletzung ermöglichen sollte. Als früherer Kritiker des bisherigen Eurokurses könnte man jetzt eigentlich Hosianna rufen.

Doch wirklich ernst gemeint, war dieses Vorschlag Schäubles nie. Er war ein taktisches Manöver des alten Politikfuchses. Bei näherer Betrachtung spielten Kanzlerin Angela Merkel und ihr Finanzminister nur ein taktisches Spiel. Schäuble sollte im Vorfeld den Druck auf die Staatengemeinschaft und Griechenland erhöhen, bis hin zur Möglichkeit, dass Hellas aus dem Euro geschmissen wird. Merkel sollte beim entscheidenden Gipfel den Kompromiss suchen und finden, um ihre Führungsrolle in Europa zu untermauern. Dieses taktische Spiel ist gelungen. Taktik können beide. Nicht ohne Grund sind Merkel und Schäuble so lange im Geschäft. Alexis Tsipras ist erst einmal eingeknickt. Er muss jetzt seine Regierung, seine Partei und seine Wähler zusammenhalten.

Schäuble selbst hat jedoch von Anbeginn an seine Politik der stärkeren europäischen Integration verfolgt. Alle seine Maßnahmen zielten und zielen darauf ab, dem europäischen Bundesstaat einen weiteren entscheidenden Schritt näherzukommen und diesen unumkehrbar zu machen. Schon zu Beginn der Krise 2010 schlug er einen Europäischen Währungsfonds vor, der in Anlehnung an den Internationalen Währungsfonds Krisenstaaten zu Reformen zwingen sollte. Zuckerbrot und Peitsche sollte die Regierungen in den Hauptstädten Europas disziplinieren. Die Schaffung des ESM 2012 ist die konsequente Umsetzung dieser Idee. Die dann geschaffene Bankenunion nimmt die Mitgliedstaaten noch stärker an die Kandare, indem das stärkste Insolvenzrisiko von Staaten, deren Banken, vergemeinschaftet werden. Solange aber die Kongruenz von Einnahmen durch eine eigene Steuer und Ausgaben im Euro-Club nicht gegeben ist, ist der entscheidende Schritt zum europäischen Superstaat nicht vollendet. Das weiß Schäuble und schlägt deshalb jetzt den entscheidenden Integrationsschritt vor. Als Fiskalist weiß Schäuble, dass ein Staat ohne Steuern wie ein Kaiser ohne Kleider ist. Doch eine eigene Steuer braucht eine eigene demokratische Kontrolle. Wer soll das sein? Ein eigenes Parlament des Euro-Clubs? Das Parlament der Europäischen Union? Wo ist deren demokratische Legitimation, wenn Dänen, Schweden und Briten über die Euro-Steuer entscheiden? Es ist schon heute grenzwertig, wenn im EU-Parlament die Stimmen des Maltesers oder Luxemburgers anders gewichtet werden als die eines Deutschen oder Franzosen.

Nein, wenn Schäuble den europäischen Superstaat will, dann muss er die Bürger in Deutschland fragen. Deutschland in eine neue Staatlichkeit zu führen, bedarf nach unserem Grundgesetz einer Volksbefragung. Nicht mehr und nicht weniger. Doch die Illusion vieler, die den europäischen Bundesstaat anstreben, ist, dass sie glauben, dafür gebe es eine Akzeptanz bei den Bürgern. Es ist aber nicht nur die mangelnde Akzeptanz, die der Zentralisierung widerspricht. Es ist auch die Vernunft, dass das Wesen Europas in seiner Vielheit liegt. Nicht die Zentralregierung, nicht zentral erhobene Steuern, nicht die Entscheidung im fernen Brüssel oder Straßburg schafft Akzeptanz, sondern das glatte Gegenteil. Es ist die Entscheidung vor Ort, in der Familie, in der Kommune, vielleicht im Landesparlament und dann auch noch im Bundestag. Was dort nicht geregelt werden kann oder soll, kann dann in Brüssel entschieden werden. Doch diese Reihenfolge wird sukzessive umgedreht.

Die Alternative zu dieser Politik ist die Übernahme von Verantwortung. Verantwortung all jener, die über ihre Verhältnisse leben, seien es Unternehmen, Banken oder Staaten.
Erstmals erschienen in der Fuldaer Zeitung am 1.8.2015.

Photo: Wikimedia Commons

Nie wieder eine Finanzkrise! Das hatten sich Politiker auf die Fahnen geschrieben, als sie nach Reaktionen auf die Banken- und Finanzkrise von 2007/08 suchten. Dass sie dabei den Weg der Regulierung beschritten haben, war allerdings ein Fehler.

Schuld und Sühne

Banken kollabierten, Vermögen wurden vernichtet, ganze Staaten standen am Abgrund einer Pleite. Angst und Empörung machten sich breit – bei Verantwortlichen in der Politik nicht weniger als unter den Bürgern, die zum Teil sehr schmerzhaft die Folgen der weltweiten Krise zu spüren bekamen. Ganz offensichtlich hatten Banken in weitaus höherem Umfang spekuliert als das angesichts ihrer finanziellen Möglichkeiten vernünftig gewesen wäre. Da brach die Sächsische Landesbank innerhalb von Tagen in sich zusammen, weil sie entgegen ihrem eigentlichen Auftrag auf dem US-Hypothekenmarkt hatte mitspielen wollen. Da wurden mal eben 18 Milliarden zur Verfügung gestellt, um zu verhindern, dass Commerzbank und Dresdner Bank von ausländischen Banken übernommen würden.

Kein Wunder, dass viele Menschen von Banken erst einmal nichts mehr wissen wollten. Zumal die Rechnung für deren „Rettung“ natürlich wieder der Steuerzahler präsentiert bekam – und bekommt. In dieser Lage war klar: Das darf uns nicht noch einmal passieren! Verständlicherweise hegte manch einer auch noch entsprechende Rachegelüste. Die Initiativen zur Begrenzung der Boni für Investmentbanker etwa entsprangen sicher auch einem Bedürfnis, Täter zu bestrafen. (Wer tatsächlich Haupttäter war, und ob die Banker nicht vielleicht eher so etwas waren wie Plünderer in einem bereits zerstörten Laden, ist noch ein anderes Thema.) Doch nicht nur die Einzelpersonen sollten an die Leinen gelegt werden, sondern insbesondere auch die Institutionen.

Bankenregulierung als Ordnungspolitik?

Die Macht der Banken sollte beschränkt werden. Klingt fast so, als ob Erhard, Eucken oder Röpke das gefordert hätten. Ordoliberalismus nun endlich nicht mehr nur für die Stahlwerke und Bierproduzenten, sondern auch für die Finanzindustrie! Nicht ohne Häme wurden solche Forderungen im Gefolge der Krise besonders von belesenen und geschickten Politikern wie Sarah Wagenknecht oder dem Grünen Gerhard Schick erhoben – mit Verweis auf die Tradition der Sozialen Marktwirtschaft. Aber nicht nur die deutschen Politiker wollten ihrem Ruf als Freunde und Hüter der Ordnung wieder gerecht werden. Weltweit sahen Staatsmänner die Notwendigkeit neuer und schärferer Regeln für die Banken. Im November 2010 einigten sich die Regierungschefs auf dem G20-Gipfel in Seoul darauf, eine Verschärfung der bisherigen Bankenregulierung „Basel II“ durchzusetzen.

„Basel III“ war geboren. „Das Herzstück der Finanzsektorreform“ befand damals Finanzminister Schäuble. In Deutschland gewann die BaFin, die Aufsichtsbehörde für Finanzdienstleister, an Aufmerksamkeit und in der Folge an Kompetenzen. Seit letztem November gibt es innerhalb der EZB auch noch eine mächtige Aufsichtsabteilung für die etwa 120 größten europäischen Kreditinstitute. Eingehegt in diese Sicherheitsmaßnahmen aus schärferen Gesetzen und schlagkräftiger Aufsicht soll eine Krise wie 2007/08 ein für alle Mal unmöglich gemacht werden. Wird das klappen?

Wer sind eigentlich die Regulierer?

Schauen wir einmal hinter das, was uns die Gesetzgeber versprechen. Wer erarbeitet eigentlich die neuen Regulierungen und Richtlinien? Das Bankenwesen ist mittlerweile so komplex geworden, dass es schwer wird, Experten zu finden, die sich hinreichend auskennen und gleichzeitig keinerlei berufliche Verbindungen mit den Banken haben. Sprich: Leute, die weder selber in Banken arbeiten, noch in Beratungs- oder Prüfungsfirmen; weder Mitglieder von Großkanzleien sind, die Banken beraten, noch Wissenschaftler, die von Banken für Gutachten bezahlt werden. Im Grunde genommen fast ein Ding der Unmöglichkeit. Interessenskonflikte sind also unausweichlich. Die echten Kenner des Geschäfts sind in den meisten Fällen auch diejenigen, die Teil des Geschäfts sind. Regulierern bleibt in der Regel keine Alternative dazu, den Rat derjenigen einzuholen, die auch für die Banken selber arbeiten.

Gleichzeitig gibt es noch das zeitliche Problem. Eines der Anliegen der strengeren Regulierung ist es auch, die perversen Finanzprodukte aus dem Markt zu nehmen, die zu der großen Finanzkrise geführt haben: gehebelte Risiken, versteckte und mehrfach umgeleitete Derivate, Konstrukte, die nicht einmal die Konstrukteure mehr richtig verstanden haben. Der ehemalige Vorstandssprecher der Deutschen Bank, Hilmar Kopper, sagte selbst 2008 in einer Talkshow, er hätte nie solche Produkte gekauft, die er nicht verstanden hat. Dennoch hat die Deutsche Bank, ebenso wie die allermeisten anderen Banken – von den großen bis zu den kleinen Sparkassen – genau solche Produkte munter unters Volk gebracht.

Erarbeitet wurden die Regulierungen von Basel III seit 2008, beschlossen wurden sie im November 2010, im Januar 2014 traten die Regulierungen in Kraft, die Übergangsfristen für die Einführung sind inzwischen bis 2019 ausgedehnt worden. Mit anderen Worten: Die Banken hatten mindestens drei Jahre Zeit, um sich auf die Regulierungen einzustellen, in manchen Fragen noch viele Jahre mehr. Was wird in dieser Übergangszeit geschehen? Werden die Banken daran arbeiten, sich komplett zu konsolidieren? Oder werden sie zumindest einen Teil ihrer Energie darauf verwenden, Finanzprodukte zu ersinnen, die von den neuen Regulierungen nicht erfasst werden? Letzteres ist durchaus wahrscheinlich. Geht es doch darum, möglichst rasch große Mengen Geld zu verschieben, um mit der internationalen Konkurrenz Schritt zu halten. Solange die Politik die unausgesprochene Rettungs-Garantie aufrechterhält, können die Banken mit dieser komfortablen Rückfall-Option munter weiter spekulieren. Noch 2012-13 wurden spanische Banken gerettet. Und europäische Banken würden auch wieder gerettet, wenn es Probleme geben würde. Kein Politiker will für eine eventuell folgenschwere Bankenpleite die Verantwortung übernehmen.

Regulierung löst die Probleme nicht

Ein wesentliches Merkmal von Regulierung ist, dass sie immer erst dann entworfen wird, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist. Letztlich können Regulierer nichts anderes tun, als nur beständig hinter Katastrophen her zu laufen. Sie sind wie der Hase aus dem Märchen: so eifrig sie auch rennen – immer ist da schon wieder ein neuer Igel vor Ihnen da. Wenn japanische Ingenieure nach einer Erdbeben-Katastrophe neue Bauweisen ersinnen, die die Häuser erdbebensicher machen, dann haben sie mit dem Faktor Erdbeben einen relativ gut berechenbaren Faktor, auf den sie sich einstellen können. Das ist bei Regulierungen anders: Während Erdbeben weder den Anlass noch gar die Fähigkeit haben, sich an die neuen Bauweisen anzupassen, haben Banken sehr, sehr gute Gründe dafür und auf jeden Fall auch das nötige Knowhow, um den Regulierungen auszuweichen. Während Regulierer die Probleme von gestern zu verhindern versuchen, sind die Banken schon längst einen Schritt weiter.

Mit Regulierung wird den Problemen im Finanzwesen nie beizukommen sein. Was die Bankenwelt braucht, ist eigentlich nur eine klare Ansage: Wenn Ihr fallt, dann fallt Ihr nicht auf ein weiches Trampolin, das Euch wieder nach oben befördert, sondern dann ist höchstwahrscheinlich der Ofen aus. Das klare Signal, dass Banken grundsätzlich nicht mehr gerettet werden, ist die einzig wirklich effektive Art und Weise, wie Bankenpleiten verhindert werden können. Regulierung ist dagegen nur Augenwischerei. Stabilisieren kann sich ein solches System nicht durch äußere Einmischung, sondern nur durch intrinsische Anreize.