Von Klaus-Peter Willsch, Mitglied des Deutschen Bundestages (CDU)

Im Mai 2010 drohte der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy offen damit, dass Frankreich die Eurozone verlässt, wenn sich Deutschland nicht am ersten Griechenland-Hilfspaket und dem (damals noch temporären) Euro-Rettungsschirm beteiligen würde. Gleichzeitig begab sich die Europäische Zentralbank außerhalb ihres Mandats und begann massiv Staatsanleihen von Schuldenstaaten aufzukaufen.

Drei entschlossene Franzosen in Schlüsselpositionen – EZB-Präsident Jean-Claude Trichet, IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn und Sarkozy – hatten im Handstreich die Stabilitätsarchitektur der Währungsunion hinweggefegt. Die damalige französische Finanzministerin und heutige IWF-Chefin Christine Lagarde, gab offen zu: „Wir haben alle Regeln gebrochen, weil wir zusammenhalten und die Eurozone retten wollten.“ Nachdem die Euro-Retter kollektiv europäisches Recht gebrochen hatten, gab es zwar viele Kläger, aber keinen Richter. In dieses rechtsstaatliche Vakuum stößt Frankreich nun erneut vor, um die de facto bereits erfolgte Umwandlung der Europäischen Union in eine Transferunion auch rechtlich abzusichern.

Unverhohlen forderte nun der „begeisterte Europäer“ und französische Finanzminister Emmanuel Macron in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung: „Meine Generation muss Europa von Grund auf erneuern. […] Wollen wir die Neugründer Europas sein – oder seine Totengräber? So wie bisher darf es nicht weitergehen. Es genügt nicht mehr, nur in kleinen Schritten voranzukommen – wir müssen das Wesen Europas verändern. […] Und auch von Deutschland verlangt das Tabubrüche: Falls die Mitgliedstaaten wie bisher zu keiner Form von Finanztransfer in der Währungsunion bereit sind, können wir den Euro und die Euro-Zone vergessen.“

Macron vergisst dabei, dass in der Europäischen Union mit den Strukturfonds und dem Kohäsionsfonds bereits Finanztransfers etabliert sind. Deutschland ist hier seit jeher Nettozahler. Seit der Einführung des Euro-Bargeldes am 1. Januar 2002 hat Deutschland 114,1 Milliarden Euro mehr in die EU einbezahlt, als über die Fonds zurückfloss. Griechenland bekam im gleichen Zeitraum etwa 58 Milliarden Euro und ist somit der zweitgrößte Nutznießer der europäischen Kohäsionspolitik. Gerade wird EU-intern darüber entschieden, dass Athen 2015 und 2016 zusätzliche zwei Milliarden aus den EU-Strukturfonds erhalten soll. Die Sache ist wieder einmal sehr eilbedürftig. Defizitsünder werden belohnt, immer wieder Fehlanreize gesetzt. Zarten Widerspruch kam nur von Bulgarien und der Slowakei, die daran erinnerten, dass alle Staaten gleich behandelt werden sollten.

Während die Euro-Rettung in Deutschland metaphysisch überladen ist, die gemeinsame Währung schon fast religiös verklärt wird, betreibt Paris knallharte Interessenspolitik. Frankreich steckt seit 2009 im Defizitverfahren. Gebessert hat sich seitdem nichts. Die französische Neuverschuldungsquote liegt auch 2015 mit vier Prozent deutlich über dem erlaubten Wert. Um die französische Verweigerungshaltung nicht (quasi-automatisch) sanktionieren zu müssen, verlängerte die Europäische Kommission das Defizitverfahren um zwei Jahre bis 2017. So umgeht Frankreich ganz nebenbei die Bestimmungen des 2012 viel umjubelten Fiskalpaktes. Gemäß der dort verankerten 1/20-Regel müsste Frankreich eigentlich jährlich fünf Prozent seiner Schulden abbauen, die über der Maastricht-Grenze von sechzig Prozent liegen.

Damit die Europäische Kommission nicht auf dumme Ideen kommt, installierte der französische Staatspräsidenten François Hollande seinen ehemaligen Finanz- und Wirtschaftsminister Pierre Moscovici als Wirtschafts- und Währungskommissar in der Europäischen Kommission. Moscovicis Bewerbungsmappe war relativ dünn: In seiner Zeit als Finanzminister hatte Moscovici kein einziges Mal die Maastricht-Kriterien eingehalten. Als 2013 das französische Defizitverfahren um zwei Jahre verlängert worden war, bejubelte Moscovici dies als Ende der Sparpolitik mit dem Satz: „C’est la fin du dogme de l’austérité, il n’y a plus de fétichisme du chiffre.“ („Das ist das Ende des Dogmas der Sparpolitik, es gibt keinen Zahlenfetischismus mehr.“)

Ein Wirtschafts- und Währungskommissar, der die Einhaltung von Defizitkriterien als Zahlenfetischismus bezeichnet, ist genauso eine Fehlbesetzung wie Kommissions-Chef Juncker höchst persönlich. Noch während seiner Zeit als luxemburgischer Ministerpräsident ließ er keinen Zweifel an seinem Politikverständnis:

„Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter – Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt.“

Macrons Interview ist im Vergleich zur „Methode Juncker“ von einer hochanständigen Ehrlichkeit beseelt. Ich vermisse aber auch hier eine klare (Abwehr-)Haltung der Bundesregierung. Wir brauchen kein europäisches Finanzministerium, das die Verteilung hart erarbeiteter deutscher Steuergelder unter den Schuldensaaten Europas koordiniert. Wir brauchen keine Neugründung Europas sondern eine Rückbesinnung. Nichts ist unglaubwürdiger als die Lüge. Mit Lügen kann man kurzfristig vieles erreichen. Das dadurch langfristig verspielte Vertrauen zurückzugewinnen, ist fast unmöglich. Es geht ein Riss durch Europa. Wer versucht, die Unterschiede zwischen den Nationen Europas zu eliminieren, zerstört den europäischen Geist und ist der wahre Totengräber Europas.

Vor wenigen Tagen ist das Buch von Klaus-Peter Willsch „Von Rettern und Rebellen“ erschienen. In seinem Buch zeichnet Willsch chronologisch die (Fehl-)Entwicklungen der Euro-Rettungspolitik aus der Innenperspektive nach. Mit Informationen, die der Öffentlichkeit bisher nicht zugänglich waren, deckt er minutiös die zentralen Probleme der Euro-Rettungspolitik auf: die Machtlosigkeit des Parlaments gegenüber der Regierung, mangelnder ökonomischer Sachverstand im Bundestag und die mal subtile, mal rigorose Machtsicherung der Führung. Willsch scheut nicht davor zurück, Ross und Reiter zu nennen. Und doch ist „Von Rettern und Rebellen“ kein Blick zurück eines Polit-Veteranen. Denn Willsch ist als engagierter Abgeordneter immer noch Teil des politischen Karussells.

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Die Anschläge vom 11. September erschütterten die ganze Welt. Auch 14 Jahre später stellt sich die Frage, ob Bin Laden nicht mehr Erfolge erzielen konnte, als uns bewusst und lieb ist. Denn die größte Bedrohung der Offenen Gesellschaft ist die Angst.

Die Terroristen lachen sich in ihre blutige Faust

Wer London besucht, kann den Eindruck bekommen, in einem riesigen Filmstudio unterwegs zu sein – so viele Kameras hängen dort in der ganzen Stadt. In Paris patrouillieren Polizisten mit Maschinenpistolen. Die „Stadt der Liebe“ präsentiert sich inzwischen an manchen Ecken als „Stadt der Furcht“. Die Vereinigten Staaten überziehen die ganze Welt mit einem Netz von Beobachtung und Schnüffelei. Fluggastdaten, Telefondaten, Bankdaten – alles Mögliche wird gespeichert, gescreant und überwacht. Eine ganze Reihe von Kriegen wurde im Namen der Terrorismusbekämpfung begonnen – von westlichen Staaten wie auch von Russland oder China. Sicherheitsunternehmen machen aus der Angst ein großes Geschäft. Geheimdienste, Militär und Polizei nutzen sie, um beständig ihre Kompetenzen und ihr Budget auszuweiten. Und die Terroristen lachen sich währenddessen in ihre blutige Faust.

Die Angst vor dem Terror ist natürlich nicht völlig irreal. Von Madrid über London bis Paris ist er gegenwärtig. Wachsamkeit und ein effektiver Sicherheitsapparat sind unabdingbar, um Leben zu schützen. Dennoch darf man nie aus dem Auge verlieren, dass Terrorismus zwei Ziele verfolgt. Das eine Ziel ist sehr offensichtlich: Menschen umzubringen und dem Feind substantiell zu schaden. Das andere Ziel erklärt sich aus der Herkunft des Wortes: Terror bedeutet auf Lateinisch Angst und Schrecken. Gesellschaften und Staaten, die durch Terrorismus bedrängt werden, finden sich also in einem Dilemma wieder: Man möchte natürlich Menschenleben schützen. Sobald man dazu aber Sicherheitsapparat und Überwachungsstaat ausbaut, gibt man den Terroristen genau das, was sie wollen: Angst. Der Schrecken, den sie verbreiten, diktiert dann unser Handeln.

Angst bringt uns dazu, die Offene Gesellschaft zu verraten und aufzugeben

Terroristen haben keine Armeen außer der schleichenden Angst, die eine Gesellschaft durchsetzt. Sie wollen keine Gebiete erobern außer die Hirnregionen, die bei uns Beklemmung und Furcht, Unsicherheit und Misstrauen hervorrufen. Ihr Ziel ist es nicht, eines Tages auf dem Kanzleramt, dem Weißen Haus und der Downing Street ihre Fahne zu hissen. Ihr Ziel ist es, unsere Gesellschaft zu zerstören. Sie verachten den Individualismus, das Konzept der Selbstbestimmung und die Offene Gesellschaft, die diese Vorstellungen umsetzt. Und sie begreifen, dass es die Angst ist, die uns dazu bringt, die Offene Gesellschaft zu verraten und aufzugeben. Kürzlich erschien eine Untersuchung der R+V Versicherung, die zeigte, dass die Angst vor Terrorismus in Deutschland im letzten Jahr um 13 Prozentpunkte auf 52, und damit von Platz 8 auf Platz 2 hochgeschnellt ist.

Angst führt dazu, dass sich die Waage in dem beständig schwelenden Konflikt zwischen Freiheit und Sicherheit stark in Richtung Sicherheit neigt. Sicherheit kostet Freiheit. Je stärker der Terror unsere Sicherheit in Frage stellt, einen umso höheren Preis an Freiheit sind viele bereit zu zahlen. Und so zersetzt der Terrorismus Stück für Stück unsere Gesellschaft, erstickt unsere Sehnsucht nach Freiheit. Die stärkste Waffe der Terroristen liegt nicht in ihren Händen, sondern in unseren Herzen und Köpfen.

Ein wachsames Auge auf diejenigen, die für die Sicherheit sorgen (sollen)

Angesichts des Islamischen Kalifats, das sich im Vorderen Orient ausbreitet, angesichts der Attentate in Paris und angesichts der steigenden Zahl an Salafisten auch in unserem Land mag dies eine gewagte Forderung sein. Aber es geht um unsere Freiheit: Wir müssen die Tätigkeit unserer Sicherheitsapparate im Westen beschränken und zurückschneiden. Insbesondere die Parlamentarier sind aufgerufen, ihre Aufgabe als Überwacher der Überwacher ernst zu nehmen. Aber auch jeder einzelne Bürger muss immer wieder prüfen, ob er den Sicherheitsversprechen glauben will. Denn bei weitem nicht alles, das als notwendig deklariert wird, ist es auch wirklich. Auch Politik, Polizei, Militär und Nachrichtendienste haben handfeste Eigeninteressen.

Der Krieg gegen den Terror wird natürlich auch durch den Sicherheitsapparat geführt. Er wird aber nicht vom Sicherheitsapparat gewonnen. Gewinnen können ihn nur die Menschen in den bedrohten Ländern: Indem sie sich nicht in Angst und Schrecken versetzen lassen. Indem sie die Werte ihrer Offenen Gesellschaft verteidigen. Und dazu gehört ganz wesentlich, ein wachsames Auge zu haben auf diejenigen, die für die Sicherheit sorgen (sollen). Allzu rasch verwischt die Grenze zwischen dem, was der Sicherheit dient, und dem, was der Machtsicherung staatlicher Einrichtungen dient. Wenn wir in der Konsequenz des 11. September und ähnlicher Ereignisse einen Überwachungs- und Kriegs-Staat ausbauen, dann hat Bin Laden am Ende doch noch gewonnen. Wenn wir jedoch unsere Politik, überhaupt unser Zusammenleben nicht von Angst und Schrecken bestimmen lassen, sondern von Mut und Vertrauen auf die Offene Gesellschaft, dann haben wir am Ende den Sieg davon getragen.

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Die Welt steht vor einem Dilemma: Noch nie gab es so viele Schulden. 200 Billionen US-Dollar haben Staaten und Individuen aktuell angehäuft. Das sind 258 Prozent der jährlichen weltweiten Wirtschaftsleistung. Allein in den vergangenen 7 Jahren seit der letzten großen Finanzkrise 2007/08 stieg die Verschuldung um 60 Billionen US-Dollar, also um über 40 Prozent.

Die Schulden der Welt

Länder wie die Niederlande und Irland sind mit ihren Banken, Unternehmen und privaten Haushalten sogar mit über 600 Prozent ihres BIP verschuldet – noch vor Japan, Spanien oder China. Selbst wenn man nur die staatliche Verschuldung betrachtet und die Verschuldung von Unternehmen, Banken und privaten Haushalten außen vor lässt, würde die Gesamtheit aller Staaten auf dieser Welt das Maastricht-Verschuldungskriterium von 60 Prozent locker reißen. Denn allein die Staaten stehen mit über 75 Prozent zum weltweiten Bruttoinlandsprodukt in der Kreide. Wie es weiter geht und wie lange so etwas gut geht, kann niemand sagen. Es ist ein einmaliges und nie dagewesenes weltweites Experiment. Schon deshalb sind Prognosen schwierig. Dennoch kann man versuchen, verschiedene Szenarien zu untersuchen, die so oder in Kombination möglich sind.

Ausstieg – aber wie?

Erstens: Die Notenbanken werden die Schulden monetarisieren. Die Verschuldung wird dauerhaft durch die Schaffung von Zentralbankgeld finanziert, der bisherige Kurs mithin fortgesetzt. Die langfristigen Zinsen werden künstlich gedrückt und niedrig gehalten. Dies geschieht durch den Ankauf von Staatsanleihen durch die eigene Notenbank. Die EZB macht es so, die Japaner machen es so, die Engländer machen es so und die amerikanische Fed hat es so gemacht. Die EZB will bis September 2016 für 1,14 Billionen Euro Staatsanleihen erwerben. Die amerikanische Fed hat bis September 2014 rund 19 Prozent aller Staatsanleihen für 2,5 Billionen Dollar aufgekauft, die Bank of Japan 24 Prozent für 1,7 Billionen Dollar und die Bank of England sogar 25 Prozent für 568 Milliarden Dollar. Trotz partieller Unterschiede im Zeitpunkt, Umfang und bei den konkreten Instrumenten, gehen alle den gleichen Weg. Es ist der Weg des Gelddruckens, damit die wachsende Schuldenlast finanziert werden kann. Zinspapiere werden daher auf absehbarer Zeit faktisch keine Zinsen mehr abwerfen. Die Altersvorsorgesysteme, die in Zinspapiere investieren, werden unweigerlich existentielle Probleme bekommen. Zweitens: Die Last der Verschuldung wird innerhalb eines Landes, eines Währungsraums und weltweit umverteilt. Auf nationaler Ebene werden Vermögensbesitzer stärker zur Finanzierung des Schuldenberges des Staates, aber auch der Banken herangezogen. Im Immobiliensektor bekommen wir einen ersten Vorgeschmack: Bei der Grundsteuer sind in vielen Kommunen Hebesätze von 1000 und mehr Punkten keine Seltenheit mehr. Als die Festlegung der Grunderwerbsteuerhöhe im Zuge der Föderalismusreform 2006 auf die Länder übertragen wurde, konnte man noch die Hoffnung haben, der Wettbewerb werde einen Druck zur Steuersenkung auslösen. Das Gegenteil ist seitdem der Fall. Von ursprünglich 3,5 Prozent stieg die Grunderwerbsteuer in vielen Ländern inzwischen auf 6,5 Prozent. Die mobilen Vermögenswerte sind schwieriger für den Fiskus zu erfassen.

Die Kontrolle des Bargelds

Der besseren Kontrolle dient das schleichende Zurückdrängen des Bargeldes. Doch die Abschöpfung der mobilen Vermögensgüter wird sehr wahrscheinlich bald auf europäischer Ebene durchgeführt werden. Die Finanztransaktionsteuer ist wegen ihres hohen Aufwands derzeit nicht mehr im Gespräch. Im Hintergrund wird jedoch an ihrer Realisierung auf europäischer Ebene fleißig weitergearbeitet. Und die Bewältigung der Staatsschuldenkrise geschieht mit einer Umverteilung der relativ gesehen reicheren Staaten zugunsten der relativ gesehen ärmeren Staaten. Was auf nationaler und europäischer Ebene bereits vollzogen wird, geschieht letztlich auch weltweit. Die USA hat sich die hausgemachte Finanzkrise 2007/08 durch die übrige Welt bezahlen lassen. Durch den Ankauf der eigenen Staatsverschuldung durch die US-Notenbank hat sie die eigene Währung gegenüber anderen Währung quantitativ gelockert. Für die Halter von Dollar-Reserven, insbesondere China, führte dies zwangsläufig zu einem Vermögensverlust. Es ist letztlich eine kalte Besteuerung der USA für die Waren, die chinesische Unternehmen in die USA geliefert haben und die in Dollar bezahlt wurden. Gegen diese rückwirkend aufgebürdete Last kann China sich nicht direkt wehren, sondern nur dadurch, dass sie das Gleiche machen wie die Amerikaner. Sie schaffen ebenfalls mehr Geld aus dem Nichts. Insgesamt findet ein Abwertungswettbewerb aller großen Währungen statt, der künftig an Dynamik gewinnen wird.

Sparen? Das bitte nicht

Das dritte Szenario ist: Sparen. Es ist das unwahrscheinlichste aller Szenarien. Der Grund ist: Schulden, die ein Staat, eine Bank, ein Unternehmen oder eine Einzelperson aufnehmen, sind letztlich Geld aus dem Nichts, das die Banken durch Kreditvergabe aus dem Nichts produziert haben. Diesen Krediten steht keine adäquate Sparleistung der privaten Haushalte, der Unternehmen oder des Staates gegenüber. Dieses Geld dient dazu, entweder den Konsumbedarf des Staates oder der privaten Haushalte zu bedienen oder Investitionen des Staates oder von Unternehmen zu finanzieren. Im Bankensektor kann es sogar dazu benutzt werden, lediglich Versprechen zwischen Banken zu finanzieren. Der erhöhte Konsumbedarf der privaten Haushalte regt Investitionen auf Unternehmensseite in diesem Sektor an. Zusätzlich lassen die künstlich niedrige Zinsen Investitionsentscheidungen plötzlich rentierlich erscheinen und die Nachfrage nach Vermögensgütern ansteigen. All das schafft eine erhöhte Nachfrage nach Konsum- und Investitionsgütern. Der Bedarf wird so lange als solcher bestehen, bis Investitionen trotz des niedrigen Zinses als nicht mehr rentierlich angesehen werden und die Investoren sich auf breiter Front zurückziehen. Das ist dann der Beginn der Korrektur und des Crash. Die Investoren glauben nicht mehr an den geplanten Vermögenszuwachs oder sie können die Investitionen nicht mehr zu Ende finanzieren. Die Nachfrage bricht deshalb ein, weil es flächendeckend zu einem Rückzug von Investoren kommt, was mit Insolvenzen und steigender Arbeitslosigkeit einhergeht. Es platzt die Vermögens- und Wohlstandsillusion, die nur unter einer stetig steigenden Kredit- und damit Geldexpansion funktioniert. Das ist ein Umstand, den der Ökonom Ludwig von Mises in seinem Buch „Human Action“ wie folgt charakterisiert hat: „Es gibt keine Möglichkeit, den finalen Zusammenbruch eines Booms zu verhindern, der durch Kreditexpansion erzeugt wurde. Die einzige Alternative lautet: Entweder die Krise entsteht früher durch die freiwillige Beendigung einer Kreditexpansion – oder sie entsteht später als finale und totale Katastrophe für das betreffende Währungssystem.“ Oder um in die Medizin zu wechseln: Es ist die Wahl zwischen Cholera und Pest. Die Pest ist tödlich, die Cholera kann man überleben.

Erstmals erschienen auf Tichys Einblick.

Photo: Metro Centric from Flickr (CC BY 2.0)

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland ist ein einmaliges Phänomen. Nicht nur, weil er der teuerste der Welt ist. Nicht nur, weil er 23 Fernsehprogramme und 63 Radioprogramme unterhält, die immer weniger Menschen sehen wollen. Er ist ein Phänomen, weil er alle mitreden und kontrollieren lässt: Die Gewerkschaften, die Arbeitgeberverbände, die katholische Kirche, die evangelische Kirche, organisierte Minderheiten und die Politik sind umfangreich vertreten. Insgesamt werden so 507 Rundfunkräte vorgehalten. Eine Untersuchung des Prometheus-Instituts schlüsselt dies jetzt detailliert auf. Die Politik ist mit fast einem Drittel (31 Prozent) die größte Gruppe, gefolgt vom Ehrenamt (18 Prozent) sowie Arbeitgebern (12 Prozent) und Gewerkschaften (10 Prozent). Innerhalb der Politik haben CDU und SPD jeweils 51 Mitglieder, gefolgt von Grünen (17) und CSU (9). Ein Schelm, der Böses denkt und auf die inhaltliche Ausrichtung schielt.

Eine Gruppe findet man jedoch nicht unter den Kontrolleuren – die Beitragszahler. Das verwundert eigentlich, denn wenn diese schon per Zwang die üppigen Öffentlich-Rechtlichen finanzieren müssen, dann wäre es doch eigentlich recht und billig, wenn sie deren Ausgabenverhalten und Inhalte kontrollieren könnten. So ist es in jedem Kaninchenzüchterverein. Wer dort Mitglied ist und Beiträge bezahlt, der kann den Vorstand wählen, kontrollieren und auch am Jahresende entlasten. Wenn ihm das Programm des Vorstandes nicht gefällt, kann er sogar den Verein verlassen. Das unterscheidet den Kaninchenzüchterverein derzeit noch von ARD und ZDF.

Es ist an der Zeit, dass bei der Besetzung der Rundfunkgremien endlich auch diejenige Gruppe repräsentative Berücksichtigung findet, die die größte Meinungsvielfalt und Staatsferne überhaupt garantiert: Es ist dies die erstaunlicherweise bis heute überhaupt nicht vertretene Gruppe der Beitragszahler selbst! Besser lässt sich schließlich nicht umsetzen, was das Bundesverfassungsgericht schon in seiner maßgebenden Entscheidung vom 25. März 2014 ausgesprochen hat. Bezeichnenderweise ist die von dem Gericht dazu gesetzte Übergangsfrist mit dem 30. Juni 2015 bereits abgelaufen.

Kontrollrecht dürfen den Zwangsbeitragszahlern eigentlich nicht verwehrt werden. Selbst die Deutsche Rentenversicherung, die auch über Beiträge finanziert wird, kennt Sozialwahlen und lässt die Beitragszahler ihr Kontrollgremium selbst wählen.

Die Öffentlichen haben sich bislang sogar auf den absurden Standpunkt gestellt, dass ihr werbefinanziertes Programm überhaupt nicht der Kontrolle der Rundfunkräte unterliegt. So argumentierte zum Beispiel der WDR im Falle des Millionen-Deals mit Thomas Gottschalk. Dessen Vorabendsendung „Gottschalk live“ wurde mit 144 Sendungen geplant, jedoch schon nach wenigen Wochen eingestellt. Bezahlt wurden dennoch alle Sendungen an Gottschalk und die Produktionsfirma. Inzwischen hat der WDR seine Rechtsposition zwar verlassen, es zeigt jedoch, welche Selbstbedienungsmentalität ohne Kontrolle hier wohl über Jahre, wahrscheinlich sogar über Jahrzehnte vorherrschte.

Wie schreibt das Bundesverfassungsgericht in seinem oben genannten Urteil so schön: „Die Organisation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks muss als Ausdruck des Gebots der Vielfaltsicherung dem Gebot der Staatsferne genügen“. Solange das Prinzip der Zwangsbeiträge noch besteht, sollte also die Devise lauten: Zwangsbeitragszahler rein, Politik raus.

Photo: Donnie Ray Jones from Flickr (CC BY 2.0)

Von Dr. Marco Bonacker, Referent für Erwachsenenbildung im Bistum Fulda.

Das Thema der intergenerationellen Gerechtigkeit hat mehrere Aspekte: Die Verantwortung gegenüber der Kinder- und Enkelgeneration drängt sich gegenwärtig in existentiellen ökologischen Herausforderungen auf, die aber als Zukunftsszenario eher diffus bleiben. Schon klarer werden die Folgen aktueller gesellschaftlicher Entwicklungen, wenn es ums Geld geht. Gerade im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise wird deutlich, dass ein schuldenbasiertes Wirtschaftssystem gerade für nachfolgende Generationen zum Problem werden wird. Die künstlich niedrigen Zinsen tun ihr Übriges, um die Spareinlagen der Jüngeren zu gefährden. Gleiches gilt für ein Rentensystem, das im Kontext des demographischen Wandels die Vorstellungen eines funktionierenden Generationenvertrages im Grunde ad absurdum führt.

Spätestens wenn die Generation der Babyboomer in etwa 15 Jahren in Rente geht und immer weniger Erwerbstätige für immer mehr Rentenbezieher aufkommen müssen, wird sich die Frage der reinen Finanzierbarkeit aufdrängen. Es ist kaum anzunehmen, dass in diesem Zusammenhang von Seiten der Politik bereits erschöpfende Lösungen präsentiert wurden. Im Gegenteil: Ein demokratisches System neigt natürlicherweise zunächst dazu, den aktuellen Wählerwillen zu berücksichtigen, um nicht abgewählt zu werden. Die Einführung der „Rente mit 63“ ist dabei nur ein deutliches Beispiel für den größer werdenden politischen Interessenkonflikt zwischen den Generationen.

Neben all diesen negativen Entwicklungen für die Jüngeren muss man zugleich festhalten: Es wird eine Generation von Erben sein. Der von den Eltern und Großeltern erwirtschaftete Wohlstand wird genau der Generation zu Gute kommen, die um ihr Rentenniveau und ihre soziale Sicherheit bangt. Ein fairer Deal also, könnte man meinen. Damit aber beginnt erst die Diskussion: Ist Erben eigentlich gerecht? Darf man überhaupt auf ein Vermögen pochen, das man sich nicht selbst erarbeitet hat? Manifestiert das Vererben nicht eine soziale Ungleichheit und zementiert damit soziale Ungerechtigkeit?

Die vielzitierte Schere zwischen Arm und Reich nicht weiter auseinandergehen zu lassen, ist ein hehres politisches Ziel. Doch erscheint gerade der staatliche Eingriff ins Erben als falscher Weg, egalitaristischen Vorstellungen zu entsprechen. Aktuell stehen gesetzliche Veränderungen an: Im Juli wurde die Kabinettvorlage für die Reform der Erbschaftssteuer vorgelegt. Die Vorlage, der harte Verhandlungen innerhalb der großen Koalition vorausgingen und die nun ein Kompromisspapier darstellt, zielt vor allem darauf ab, dass Erben größerer Betriebsvermögen nun anders veranlagt werden. Genau wie vorher gilt: Führt der Erbe das Unternehmen weiter und hält dabei bestimmte Qualitätsstandards an Lohn und Beschäftigung ein, bleibt es von der Steuer befreit. Anders als vorher wird aber, wenn das Betriebsvermögen 26 Millionen Euro übersteigt, die private Vermögenlage des Erben in die Rechnung einbezogen. Das heißt: Besitzt der Erbe oder Beschenkte ein größeres, nicht betrieblich genutztes Vermögen, wird er mehr Erbschaftssteuern auf das Betriebsvermögen zahlen müssen. Familienunternehmen, die für den deutschen Mittelstand und damit das Rückgrat der deutschen Wirtschaft typisch sind, erhalten eine höhere Freigrenze für den Schwellenwert der Bedürfnisprüfung.

Die Kabinettsvorlage trägt damit zwei Dingen Rechnung: Erstens honoriert sie die Weiterführung von Unternehmen und besonders von Familienunternehmen, bei der zugleich Arbeitsplätze und Wohlstand gesichert werden. Firmen, auch wenn diese als Erbschaft weitergereicht werden, sind Orte von Innovation und Entwicklung und sind ohnehin von allgemeinem Wert. Zweitens aber verquickt er das private Vermögen des Erben mit dem betrieblichen Erbe – dies aber in einem noch vertretbaren Maß. Das private Risiko und die unternehmerische Leistung sollten schließlich nicht durch Steuern bestraft werden. Von daher ist es zu begrüßen, dass die Kabinettsvorlage in ihrer nun abgeschwächten Form dies zumindest stärker berücksichtigt als in vorherigen Entwürfen.

Freilich geht diese Reform anderen politischen Kräften nicht weit genug. Die Grundkritik: Die ungleiche Vermögensverteilung wird durch die Erbschaftssteuer zementiert und Vermögensakkumulation ohne eigene Leistung gefördert. Ohne Zweifel: Eine funktionierende Marktwirtschaft, die noch dazu sozialen Anspruch hat, ist auf gesellschaftlichen Ausgleich angelegt. Dennoch erscheint es zweifelhaft, dies gerade beim Vererben konfiskatorisch umzusetzen. Vermögen und Besitz wurden bereits versteuert, wenn es, wovon in der Regel ausgegangen werden kann, rechtmäßig erworben wurde. Der Erblasser aber muss darauf vertrauen können, dass mit seinem erarbeiteten und klug verwalteten Privatvermögen nach seinem Willen verfahren wird. Dies stärkt zwar nicht die egalitaristische Position. Das Gegenteil aber wäre weit mehr dem Vorwurf der Ungerechtigkeit ausgesetzt.

Erstmals veröffentlicht in: Die Tagespost, 22.08.2015, Nr. 100