Photo: University of Liverpool Faculty of Health & Life Sciences from Flickr (CC BY-SA 2.0)

2015 war der Euro-Club der „kranke Mann“ Europas. Er wird es 2016 wohl bleiben. Die Länder, die den Euro eingeführt haben, schwächeln. Sie schwächeln im Wachstum, bei den Arbeitsplätzen und beim Abbau des staatlichen Defizits. Die Folgen sind eine wachsende Verschuldung der staatlichen Ebenen, der privaten Haushalte sowie der Banken und Unternehmen. Nicht bei allen, aber bei der Mehrheit der Mitgliedsstaaten. Der Grund dieser Schwäche ist die Trägheit, Saturiertheit und Langsamkeit des gesamten Euro-Clubs. Das hat wiederum viel mit dem Umgang innerhalb der Währungsunion zu tun und weniger mit seinem Rechtsrahmen.

Die Gründerväter des Euros glaubten, dass die Einführung des Euro zu einer Angleichung der Ökonomien führen würde und zu einem wachsenden Wohlstand für alle. Die Maastricht-Kriterien, die fiskalische Disziplin erzwingen sollten, eine unabhängige Notenbank und eine EU-Kommission, die als Hüterin des Rechts, darüber wacht, sollte die Konvergenz schaffen. Diese These war und ist bei vielen Ökonomen in Deutschland beliebt. So formulierte bereits 1992 der spätere Bundespräsident und damalige Finanzstaatssekretär Horst Köhler im Spiegel-Interview: „Mit dem Maastrichter Ergebnis schreiben wir die soziale Marktwirtschaft als Ordnungsmodell für Europa fest. Das gibt uns die Möglichkeit, in Ruhe und Stabilität im Laufe der Zeit Entwicklungsunterschiede in Europa auszugleichen. Davon werden wir alle profitieren.“

Gemeinhin meint man in Deutschland andere in Europa hätten diese Logik nicht verstanden. Doch das ist nicht so. Der spanische Ökonom Jesús Huerta de Soto, einer der herausragenden und klugen Ökonomen Spaniens und Anhänger der Österreichischen Schule der Ökonomie, spricht sogar davon, dass der Euro wie der historische Goldstandard die Regierungen diszipliniere. Er meint sogar, der Euro treibe zu haushälterischer Strenge, tendenziell die Wettbewerbsfähigkeit erhöhenden Reformen und setze den Missbräuchen des Wohlfahrtsstaates und der politischen Demagogie ein Ende.

Was beide, Köhler und de Soto, völlig unterschätzten, ist das fehlende Verständnis in den Euro-Staaten, in der Kommission und erst recht in der EZB für den gemeinsamen Ordnungsrahmen. Dieser setzt nicht nur den gemeinsam ratifizierten völkerrechtlichen Vertrag voraus, sondern das gemeinsame Verständnis darüber, was man unterschrieben und welche Konsequenzen dies hat. Und gerade daran mangelt es. Besonders deutlich wurde dies vor Weihnachten im Parlament der Europäischen Union. Dort sagte EU-Kommissionspräsident Juncker mit Blick auf den Europäischen Stabilitätspakt und das erneute Hinausschieben des französischen Defizitabbaus: In der EU gehe es „nicht um Rechtsregeln oder Prozentzahlen, sondern um Menschen und die politischen Entscheidungen, die sie betreffen.“ Hier spricht der Pragmatiker, der von Fall zu Fall entscheiden will, was richtig und notwendig ist. So sieht in der Praxis die „Hüterin des Rechts“ aus. Und Mario Draghi, dem die Staatsfinanzierung über die Druckerpresse verboten ist, macht genau dies mit der EZB und verlängert sein Schuldenaufkaufprogramm nochmals.

Die Befürworter dieses Pragmatismus, betonten die Notwendigkeit der Maßnahmen, mit der benötigten Zeit für die entsprechenden Anpassungsmaßnahmen in den Problemländern. Doch halt: Im kommenden Jahr ist bereits das neunte Jahr nach der Bankenkrise, die 2007 ihren Beginn nahm. Seitdem hat sich die Verschuldung in den Krisenstaaten wie Italien, Frankreich, Spanien, Portugal, Griechenland, Zypern massiv erhöht. Die Arbeitslosigkeit hat in diesen Ländern historische Höchststände erreicht. Bis auf Spanien ist das Wachstum überall mau und das staatliche Defizit groß.

Es ist genau das Gegenteil eingetreten, was Köhler, de Soto und anderen vorausgesagt haben. Die Praxis des Euro hat nicht zur Konvergenz, sondern zur Divergenz der Ökonomien geführt. Nicht der Geist des Euros war daran Schuld, sondern das Schleifen des Rechtsrahmens durch die Institutionen selbst. Dadurch sind die Regeln beliebig geworden. Das ist zumindest historisch uneuropäisch. Die europäische Freiheitsidee hat sich vor Jahrhunderten gerade gegen die Allmacht der Herrschenden durchgesetzt, weil Bürger ihren Königen und Fürsten abtrotzten, dass diese nicht über dem Recht stünden, sondern ihm untergeordnet sind. Die Herrschaft des Rechts ist Teil der Kulturtradition Europas. Eine Rückbesinnung auf diese Tradition ist gleichzeitig die Überlebenschance für die gemeinsame Währung – vielleicht ihre einzige.

Erstmals erschienen bei Tichys Einblick.

Photo: Dave from Flickr (CC BY-ND 2.0)

Charles Dickens‘ weltberühmte Erzählung „A Christmas Carol“ von 1843 ist eine fundamentale und zu Herzen gehende Kritik des beginnenden Kapitalismus. Manche Probleme hat der sozialkritische Schriftsteller richtig erkannt. Leider schießt er am Ende aber auf Pappkameraden.

Die Macht der Bilder

Wir Menschen, auch die mehr vergeistigten unter uns, reagieren stark auf Bilder und Erzählungen. Die Botschaften, die sie vermitteln, sind in der Sprache von Akademikern und Intellektuellen oft sperrig und kompliziert. Wenn sie aber mithilfe einer anschaulichen Erzählung transportiert werden, bekommen sie existentielle Plausibilität. Abstrakte Theorien werden dann anschaulich und nachvollziehbar, appellieren an unsere Emotionen, die immer noch einen Großteil unserer Entscheidungen bestimmen. Vielleicht haben Charles Dickens‘ Romane mehr zum Erfolg sozialistischer Ideen beigetragen als die Schriften von Karl Marx.

In seiner Erzählung beschreibt Dickens, wie der Geizhals und Ausbeuter Ebenezer Scrooge mit Hilfe von Geisterbegegnungen in der Weihnacht seinen Lebenswandel radikal ändert. Der erste Geist, der seines verstorbenen Geschäftspartners, führt ihm vor Augen, dass er sein jenseitiges Leben nunmehr in Ketten führen muss, die er sich selbst durch seine Geldgier auf Erden angelegt hat, und warnt seinen alten Kollegen, dass ihm dasselbe Schicksal drohe. Der Geist der vergangenen Weihnacht bringt Scrooge in Erinnerung, welche Chancen auf ein frohes und gutes Leben er durch seine Lieblosigkeit bereits verpasst hat.

Der Geist der gegenwärtigen Weihnacht zeigt dem misanthropischen Geschäftsmann Menschen aus seiner Umgebung – seinen Angestellten, seinen Neffen, seine Nachbarn –, die er allesamt schlecht behandelt hat und die, obwohl zum Teil in elenden Situationen, doch ein frohes Fest im Kreis ihrer Lieben feiern. Der Geist der künftigen Weihnacht schließlich offenbart Scrooge wie sich nach seinem Tod nicht ein Mensch findet, der sein Hinscheiden bedauert. Nach diesen Geisterbegegnungen entschließt sich der alte Mann dann, sein Leben von Grund auf zu ändern. Die Geschichte schließt damit, dass er seinem Angestellten eine kräftige Gehaltserhöhung verpasst.

Das Zerrbild des bösen Unternehmers

Viel Wahres steckt in dieser Geschichte. Geld macht nicht glücklich. So banal diese Aussage klingt: durch unser eigenes Verhalten widersprechen wir dem oft genug. Übrigens machen sich keineswegs nur geldgierige, geizige, böse alte Säcke bisweilen etwas zu viel Gedanken um Geld … Tatsächlich sind Familie, Freundschaften und ein freundliches, zugängliches Wesen oft viel wichtiger, um glücklich zu werden als prall gefüllte Kassen. Leider vergaloppiert sich Dickens allerdings am Ende seiner Reichenschelte.

Ebenezer Scrooge ist nämlich im Rahmen der Erzählung – und erst recht im Kontext von Dickens‘ Gesamtwerk – mehr als nur ein fehlerhaftes Individuum. Er ist vielmehr ein menschgewordenes Klischee. Und auch das nicht etwa ganz allgemein für jeden Geizhals, sondern speziell ein Klischee, ja ein Zerrbild, des Unternehmers. Und das ist der Punkt, wo die Geschichte kippt. Denn mit seiner bildgewaltigen Erzählung bewirkt Dickens auch, dass die Leser subtil den Eindruck vermittelt bekommen: Arme und einfache Leute seien reichen Menschen moralisch überlegen. Nicht aufgrund ihrer persönlichen Qualitäten, sondern weil sie arm und benachteiligt sind.

Nur Individuen sind gut oder böse

Kein Mensch ist gut oder böse wegen seiner Umstände, seines Berufs, seiner Klassen-, Rassen- oder Geschlechtszugehörigkeit: Weder der Flüchtling noch die Managerin, weder die Rollstuhlfahrerin noch der Millionenerbe. Menschen tun Gutes oder Böses. Ihr Handeln definiert sie moralisch und nicht ihre Gruppenzugehörigkeit. Einer der großen Irrtümer des Sozialismus war immer dessen Denken in Klassen. Sobald Menschen pauschal zugeordnet werden, besteht immer die Gefahr, dass man den Angehörigen der einen Gruppe die Rolle der Guten und den der anderen die der Bösewichte zuweist.

Lesen wir Dickens‘ Weihnachtsgeschichte mit leicht korrigierten Augen! Dann können wir tatsächlich etwas lernen darüber, was das Leben schön und wertvoll macht. Behalten wir nur beim Lesen im Hinterkopf, dass auch ein Armer, dass jeder von uns, hartherzig sein kann. Und vor allem auch, dass es viele privilegierte Menschen gibt, die sich ihres Privilegs wohl bewusst sind und es als Verantwortung begreifen. Eine Generation nach Charles Dickens schrieb der reichste Mann seiner Zeit, Andrew Carnegie, den Satz: „Der Mann, der reich stirbt, stirbt in Schande.“ Diese Überzeugung ließ ihn zu einem der bedeutendsten Philanthropen in der Geschichte werden. Schade, dass Dickens nicht mehr erleben konnte, wie seine Erzählungen von der Realität widerlegt wurden.

Phillip from Flickr (CC BY-SA 2.0)

Es sei die beste Rede gewesen, die Angela Merkel jemals gehalten hat. So hat es wohl die Presseabteilung des Konrad-Adenauer-Hauses am Ende der Parteitagsrede Merkels den Journalisten ins Notizbuch diktiert. Genauso war es dann am nächsten Tag in den meisten Tageszeitungen zu lesen. 73 Minuten und 6 Sekunden dauert sie. Anschließend applaudierte der Parteitag 9 Minuten lang. Auch das wurde dokumentiert und analysiert. Es war weniger Applaus als 2014, aber mehr als 2013. „Gott sei Dank“ werden die Parteitagsstrategen wohl gedacht haben. Doch im Lichte betrachtet, muss man sagen, es war eher ein Rechenschaftsbericht als eine Rede: Was sie über das Jahr gemacht hat, welche Kollegen sie getroffen hat und so.

Sing-Sang der Verantwortungslosigkeit

Doch es wurde klar, was Merkel antreibt. Eine Vision oder ein Kompass ist es sicherlich nicht. Denn wenn sie davon spricht, es seien die europäischen Werte auf dem Prüfstand gestanden und es sei ein „humanitärer Imperativ“ gewesen, den an der ungarischen Grenze festsitzenden Flüchtlingen zu helfen, dann bleibt das im weichen Singsang. Sie versucht, sich ihrer Verantwortung als Kanzlerin und als Regierungschefin zu entziehen. Der „humanitäre Imperativ“ ist nicht das, was sie unterstellt. Nicht Frau Merkel ist an die ungarische Grenze gefahren und hat den Flüchtlingen eine warme Suppe oder frische Kleidung gebracht, genau das wäre ein „humanitärer Imperativ“ gewesen, sondern sie hat stattdessen europäisches Recht ausgesetzt. Vielleicht hätte sie sich an Wilhelm von Humboldt orientieren sollen, der die Erzwingung der Gesetze als einzige legitime Funktion des Staates sah. Das bedeutet im Falle der Flüchtlinge an der ungarischen Grenze eben nicht, dass Angela Merkel das Recht hat, das Dubliner Abkommen einfach auszusetzen, sondern sie hätte darauf drängen müssen, dass es durchgesetzt wird. Das entbindet die deutsche Regierung jedoch nicht, Hilfe zu leisten. Es wäre schon Monate vor dem 4. September möglich gewesen, den überforderten Ländern an der Außengrenze der EU organisatorische, finanzielle und humanitäre Hilfe anzubieten. Stattdessen schleift Merkel europäisches Recht und sorgt dafür, dass der Schengenraum implodiert. In ihrer Rede hat sie zwar den Schengenraum als große Errungenschaft in Europa herausgestellt, was dieser zweifelsohne auch ist. Jedoch ist es ihr individuelles Handeln, das ihn zum Einstürzen bringt.

Keine gute Rede, aber vor allem: Keine gute Politik

Jetzt wird gekittet und geflickt. Sichere Herkunftsstaaten werden neu definiert, Sach- statt Geldleistungen ausgereicht, sechsmonatige Verwahrung in den Aufnahmeeinrichtungen angeordnet, 4.000 neue Stellen in der Bürokratie geschaffen, der Türkei Milliarden versprochen und den Bundesländern und Kommunen einen Teil der Kosten ersetzt. Das Institut für Weltwirtschaft in Kiel rechnet bis Ende 2017 mit Mehrausgaben für den Staat von 135 Milliarden Euro. Schon pfeifen es die Spatzen von den Dächern, dass Steuererhöhungen vorbereitet werden. Vielleicht erst nach den Landtagswahlen im Frühjahr. Vielleicht nur die Mineralölsteuer. Gut, dass der Dieselkraftstoff aktuell so billig ist. Am verlässlichsten und ergiebigsten für den Finanzminister ist zweifelsohne die Mehrwertsteuer. Nein, nein, der „humanitäre Imperativ“ muss uns etwas Wert sein. Nein, Frau Merkel hat nicht nur keine gute Rede auf dem Parteitag gehalten, sie hat vor allem keine gute Politik gemacht.

Photo: Patrick Feller from Flickr (CC BY 2.0)

Von Claus Vogt, Börsenbrief „Krisensicher investieren“

Das aktuelle Geschehen an der Börse und in der Wirtschaft ähnelt in höchstem Maße den Vorgängen der Jahre 2007 und 2000. Wie Sie sich vielleicht noch erinnern, erreichte der Weltleitindex S&P 500 im Oktober 2007 seinen damaligen Höchststand von 1.576 Punkten. Nur drei Monate nach diesem Allzeithoch war der Index bereits um 20% gefallen. Außerdem begann im Dezember 2007 eine Rezession der US-Wirtschaft.

Das gleiche Muster zeigte sich in den Jahren 2000/2001. Der S&P 500 markierte sein damaliges Allzeithoch im März 2000 und erreichte dieses Niveau im Oktober fast noch einmal. Bis Ende Dezember war er dann schon mit 20% im Minus, und im März 2001 begann in den USA eine Rezession.

Alle Rezessionen gehen mit schweren Aktienbaissen einher

Tatsächlich zeigt die Finanzgeschichte, dass alle Rezessionen mit Baissen an den Aktienmärkten einhergegangen sind. Umgekehrt gilt dieser Zusammenhang allerdings nicht. Das heißt, es gab auch Aktienbaissen, die nicht von Rezessionen begleitet wurden. Deshalb reicht es für Sie als Börsianer nicht aus, sich ausschließlich mit dem Wirtschaftszyklus zu befassen, wenn Sie die Risiken an den Börsen in den Griff bekommen wollen.

Dennoch ist der Wirtschaftszyklus auch für Börsianer von herausragender Bedeutung. Denn so viel ist klar: Sobald die makroökonomischen Frühindikatoren eine Rezession signalisieren, müssen Sie sich auf eine Aktienbaisse vorbereiten. Doch damit nicht genug.

Sie müssen sogar mit einer besonders schweren Baisse rechnen. Denn die Finanzgeschichte zeigt auch, dass Aktienbaissen, die von Rezessionen begleitet wurden, stets besonders heftig ausgefallen sind.

Die nächste Rezession kündigt sich immer deutlicher an

Im laufenden Monat hat die Rezessionswahrscheinlichkeit noch einmal deutlich zugenommen. In Zahlen ausgedrückt, liegt sie inzwischen bei mindestens 70%. Eine Rezession in den USA ist damit zwar noch kein hundertprozentig sicheres Ereignis, aber das mit Abstand wahrscheinlichste Szenario.

Rezessionssignal eines treffsicheren Indikators

Ein guter Indikator muss robust sein, aber durchaus nicht kompliziert. Wenn man zum Beispiel an die doch sehr überschaubaren Arbeitsergebnisse und Prognoseerfolge des IWF denkt oder der sogenannten Wirtschaftsweisen, kann man sogar auf den Gedanken kommen, dass eher das Gegenteil der Fall ist. Gerade den besonders aufwändigen Modellen der modernen Volkswirtschaft fehlen nur allzu oft der Realitätsbezug und damit natürlich auch die praktische
Relevanz.

Die folgende Grafik zeigt Ihnen einen sehr simpel konstruierten Rezessionsindikator, der erstaunlich gute Ergebnisse erzielt hat. Er besteht nur aus zwei Komponenten: dem US-Einkaufsmanagerindex und dem S&P 500. In Blau sind alle Phasen markiert, in denen
der S&P 500 Index unter seiner 12-Monats-Durchschnittslinie notierte und gleichzeitig der US-Einkaufsmanagerindex kleiner oder gleich 50,2 Punkte war – was nicht ganz zufällig seinem aktuellen Stand entspricht. Rezessionen sind in dieser Grafik durch rote Balken gekennzeichnet.

Wie Sie an der Überlappung der beiden Balken erkennen, wurden mit diesem Indikator alle 10 Rezessionen seit 1950 vorhergesagt. Und zu Fehlsignalen kam es nur während der Kubakrise von 1962 und während der LTCM-Hedgefondskrise von 1998.

Wie Sie ganz rechts auf dem Chart vielleicht mehr erahnen als erkennen, hat dieser beeindruckende Indikator gerade ein neues Rezessionssignal gegeben. Seine Vorlaufzeit ist gewöhnlich sehr gering.

Deshalb deutet er jetzt darauf hin, dass im Lauf der kommenden sechs Monate in den USA eine Rezession beginnen wird.

S&P 500, Rezessionen (rot) und Rezessionssignale (blau), 1950 bis 2015

USA Rezession

Rezessionssignale dieses einfachen Indikators sind in Blau dargestellt, tatsächliche Rezessionen in Rot. Wie Sie sehen, gab es nur zwei Fehlsignale, 1962 und 1998. Quelle: hussmanfunds.com

Die Marktwirtschaft im Würgegriff von EZB und furchtbaren Juristen

Am 22. Januar 2015 kündigte EZB-Chef Draghi ein gigantisches Staatsanleihenkaufprogramm in Höhe von mehr als einer Billion Euro an. Seither kauft die EZB mit neu gedrucktem Geld Monat für Monat europäische Staatsanleihen im Wert von 60 Mrd. €. Diese unseriöse und vertragsbrüchige Politik ist dieser Tage noch einmal verlängert werden und soll mindestens bis März 2017 fortgeführt werden, so der offizielle Plan der EZB.

Dass es sich dabei um Staatsfinanzierung mit der Gelddruckmaschine handelt, ist aus ökonomischer Sicht offensichtlich und wohl auch unbestritten. Wenn irgendwelche Richter, die bekanntlich im Staatsdienst stehen, zu einem anderen Ergebnis kommen, dann beweist das nur, wie heruntergewirtschaftet der Rechtsstaat bereits ist, und wie verkommen die „Recht“ sprechenden Damen und Herren sind.

Wir sehen darin vor allem eine moralische Bankrotterklärung der verantwortlichen Richter. Mit solchen offensichtlich falschen Entscheidungen zerstören sie die Rechtssicherheit und tragen maßgeblich zur Politikverdrossenheit des Volkes und zur Abschaffung der Marktwirtschaft bei.

Wenn Gelddrucken nicht hilft, dann muss man … mehr Gelddrucken!

Nun sind die großspurig angekündigten positiven Reaktionen der Realwirtschaft auf diese unseriöse Geldpolitik bisher aber ausgeblieben. Das kann eigentlich nicht weiter verwundern, da es keine auch nur halbwegs valide ökonomische Theorie gibt, aus der sich eine solche realwirtschaftliche Reaktion ableiten ließe.

Dennoch konnten bisher weder die fehlende theoretische Untermauerung dieser Politik noch das Ausbleiben der ersehnten Ergebnisse bei den Herren der Gelddruckmaschine und ihrer
zahlreichen Gefolgschaft einen Sinneswandel herbeiführen.

Anstatt den eingeschlagenen Holzweg einer kritischen Prüfung zu unterziehen, wird beharrlich an ihm festgehalten. Was bisher noch in keinem Land der Welt funktioniert hat und auch in Europa keine Wirkung zeigt, soll also unbedingt fortgesetzt werden. Dann, so die irrwitzige Hoffnung, würden sich die Erfolge schon noch einstellen. Wenn Gelddrucken nicht hilft, dann muss man eben noch mehr Gelddrucken, lautet die lächerliche „Logik“ moderner Zentralbankbürokraten.

Euphorische Börsianer und Analysten scheuen den Faktencheck

Auf die oben genannte Ankündigung Draghis reagierten deutsche Börsianer euphorisch. In einer Art Pawlow’schen Reflexes trieben sie die Kurse Anfang des Jahres deutlich nach oben – aber
nicht etwa die Anleihenkurse, wie man meinen sollte, sondern die Aktienkurse, allen voran den DAX. Er stieg vom 21. Januar 2015 bis zum 13. April 2015 von 10.299 Punkten auf 12.388 Punkte. Solange die Zentralbanken ihre Bilanzsummen durch den Kauf von Anleihen in großem Stil ausweiten, würden die Aktienkurse steigen, hörte man allenthalben als Begründung – obwohl die Fakten ein ganz anderes Ergebnis zeigen.

Steigende EZB-Bilanzsumme korreliert nicht mit steigenden Aktienkursen, …

In der April 2015-Ausgabe von Krisensicher Investieren haben wir ausführlich dargelegt, dass es keine ökonomisch sinnvolle Begründung für diese These gibt. Darüber hinaus haben wir die Fakten präsentiert, anhand derer man sehen kann, dass die Realität in eindeutigem Widerspruch zu dieser These steht. Doch schauen Sie selbst:

DAX, EZB-Bilanzsummenveränderungen, 2007 bis 19. März 2015

USA Rezession2

Ausweitungen der EZB-Bilanzsumme haben in der Vergangenheit nicht zu steigenden Aktienkursen geführt. Quelle: StockCharts.com

Dieser Chart zeigt Ihnen den Verlauf des DAX von 2007 bis März 2015 und hebt die großen Veränderungen der EZB-Bilanzsumme hervor, die sich in diesem Zeitraum in klar voneinander abgegrenzten Phasen vollzogen haben.

Die roten Vierecke kennzeichnen Phasen, in denen die EZB-Bilanzsumme deutlich gestiegen ist, und die blauen Vierecke Phasen, in denen sie gefallen ist. Wie Sie sehen, zeigt sich hier ein erstaunlich deutlicher Zusammenhang zwischen den Bilanzsummenveränderungen der EZB und
dem Verlauf des DAX. Allerdings ist dieser Zusammenhang genau andersherum als landläufig behauptet wird.

Eine Ausweitung der EZB-Bilanzsumme ging mit fallenden Aktienkursen einher, während eine Reduzierung der Bilanzsumme von steigenden Aktienkursen begleitet wurde. „Offenbar sparen sich die meisten Analysten einen Faktencheck, um an ihren liebgewonnenen Behauptungen festhalten zu können“, schrieben wir seinerzeit und schlussfolgerten: „Wenn sich diese
vielleicht überraschende, aber sehr klare Korrelation zwischen DAX und EZB-Bilanzsumme fortsetzen sollte, dann muss man zu dem Ergebnis kommen, dass dem DAX schon bald sehr schwere Zeiten bevorstehen.“

… sondern mit fallenden

Jetzt zeigen wir Ihnen die aktualisierte Version dieses Charts. Tatsächlich hat der DAX inzwischen sämtliche Kursgewinne, die seit Jahresanfang angefallen waren, wieder abgegeben. Damit hat sich das Muster, auf das wir Sie Ende März dieses Jahres aufmerksam gemacht haben, auch jetzt wieder gezeigt: Eine Ausweitung der EZB-Bilanzsumme durch Anleihenkäufe ist nicht etwa mit steigenden, sondern mit fallenden Aktienkursen einhergegangen.

DAX, EZB-Bilanzsummenveränderungen, 2007 bis heute

USA Rezession3

Tatsächlich hat sich dieses Muster auch jetzt wieder fortgesetzt: Bilanzsumme hoch, DAX runter. Quelle: StockCharts.com

Wir sind sehr gespannt, ob die Massenmedien jemals über diesen Zusammenhang berichten und einen Faktencheck durchführen werden. In ihrer selbstgewählten Eigenschaft als unkritische staatstragende Claqueure werden sie es wahrscheinlich vorziehen, ihrer liebgewonnenen Mär treu zu bleiben, dass Anleihenkäufe der Zentralbanken und der Einsatz der Gelddruckmaschine stets zu steigenden Aktienkursen führen.

Fazit: Die Baisse hat begonnen

Wir bleiben bei unserer Prognose, dass an den Aktienmärkten eine zyklische Baisse begonnen hat. Diese Baisse wird viele Monate dauern, und in ihrem Verlauf werden sich die Kurse mindestens halbieren.

Die Zentralbankbürokraten können weder diese Baisse verhindern, noch die sich immer deutlicher abzeichnende Rezession. Allerdings befürchten wir, dass sie unbeirrt an ihrer fatalen Politik festhalten und den eingeschlagenen Weg weitergehen werden. Denn lernfähig scheinen sie offenbar nicht zu sein.

Deshalb raten wir Ihnen dringend, Gold und Goldminenaktien zu kaufen sowie auf fallende Aktienkurse zu setzen. Mit diesen Investments werden Sie zu den wenigen Gewinnern gehören, die es in den kommenden Krisenjahren geben wird.

Photo: Marjan Lazarevski from Flickr (CC BY-ND 2.0)

Seit dem 15. September 2008 ist alles anders. Seitdem erpressen die Banken die Politik. Seitdem ist die Pleite der Investmentbank Lehman Brothers gleichbedeutend mit dem Höllenschlund. Notenbanker und Politiker blicken seitdem bei jeder neuen Bankenschieflage „in den Abgrund“. Jedes Mal scheint die Welt unterzugehen oder der Himmel uns auf den Kopf zu fallen.

Seit Lehman ist die Allzweckwaffe im Krisenfall die Bankenrettung um jeden Preis. In der ersten Phase geschah dies noch durch Garantien, Bürgschaften und Hilfsgelder des jeweiligen Staates. Schon in der zweiten Phase reichten die Verschuldungsmöglichkeiten dieser Länder nicht mehr aus. Supranationale Hilfen wurden notwendig. IWF und der Euro-Club mussten einspringen. Deren Hilfen waren und sind letztlich Schattenhaushalte, die eine neue Verschuldungsebene ermöglichen. Das ist verführerisch, denn es nimmt den Druck im Heute und verschiebt die Lasten auf ein fernes Morgen. Nichts ist für eine Regierung attraktiver als das: ein „free lunch“, der die Wahlperiode überdauert.

Doch niemand sollte die vermeintlichen Retter unterschätzen. Ihre Phantasie geht weit über die Steigerung der eigenen Verschuldung hinaus. Es geht in der Folge auch um die Vergemeinschaftung der Sparvermögen in Europa.

Dazu dient die dritte Phase der Bankenrettung: die Einlagensicherung. Sie soll den bank run verhindern. Der schnelle Abzug von Einlagen bringt eine Bank nämlich schnell in Schieflage. Und das liegt am Geldsystem. In diesem System schaffen Banken aus dem Nichts neues Geld nur dadurch, dass sie Kredite vergeben. Diesen Krediten stehen faktisch keine Sparprozesse an anderer Stelle gegenüber. Weniger als zehn Prozent des umlaufenden Geldes sind daher Banknoten. Der überwiegende Rest ist Giralgeld bzw. Buchgeld. Zweifeln Einleger an der Fähigkeit einer Bank, jederzeit ausreichend Banknoten auszahlen zu können, kommt es zur Schieflage und alle wollen ihre Konten räumen. Die Schieflage verschärft sich und reißt vielleicht sogar andere Banken mit. Die Herstatt-Pleite 1974 war die Geburtsstunde der Einlagensicherung. Die Frankfurter Privatbank hatte sich mit Devisengeschäften verspekuliert. Seitdem gibt es ein System der kollektiven Sicherheit in Deutschland. Kommt eine Bank in Schieflage, rettet eine Ausfallversicherung die Einlagen der Sparer. Die privaten Banken sicherten nun über diese Ausfallversicherung jedem Sparer seine Einlagen bis zu einer Höhe von 30 Prozent des haftenden Eigenkapitals der Bank. Die Höhe der Ausfallversicherung sollte jeden Zweifel beseitigen, dass jemals wieder Einleger, die letztlich Gläubiger gegenüber der Bank sind, bei einer Bankenschieflage ihr Geld verlieren. Über 40 Jahre hat das gut funktioniert. Doch als die kleine deutsche Tochter von Lehman Brothers ebenfalls 2008 Pleite ging, konnte der Einlagensicherungsfonds der privaten Banken dieses Versprechen nur durch die stille und heimliche Hilfe der Bundesbank erfüllen. Die Entschädigungssummen waren schlicht zu hoch. Alle Beteiligten machten damals um den Sachverhalt nicht viel Aufsehen. Keiner wollte an dem bewährten System der Einlagensicherung in Deutschland Zweifel hegen. Doch bis heute hat sich das Einlagensicherungssystem der privaten Banken nicht wirklich erholt.

Die Schieflagen der Landesbanken in Deutschland hat auch die Sparkassenorganisation an die Grenze ihrer Belastbarkeit geführt. Der Bankenrettungsfonds Soffin musste 2008 und in den Folgejahren mehrere Landesbanken stützen, die Teil des Haftungsverbundes der öffentlich-rechtlichen Bankensektors waren. Lediglich die Genossenschaftsbanken kamen bislang ungeschoren davon.

Einlagensicherungssysteme funktionieren nur bei schönem Wetter. Kommt leichter Regen und Wind auf, reichen sie nicht aus, müssen staatlich gestützt oder kollektiviert werden. Letzteres geschieht jetzt. Eine Billion Euro an faulen Krediten in den Bilanzen der Banken hat das Ausfallrisiko in den letzen Monaten erhöht. Deshalb strebt die EU-Kommission eine Ausfallversicherung für alle Banken in Europa an. Nicht mehr nationale Sicherungssysteme sollen nationale Banken sichern, sondern ein europäischer Sicherungsfonds soll alle Einlagen in Europa gleich sicher machen. Eine neue europäische Illusion entsteht.

Schon heute funktionieren die nationalen Systeme nicht oder nur sehr schlecht. Jetzt sollen 19 Systeme, die entweder gar nicht, nur auf dem Papier oder schlecht funktionieren, zu einem System zusammengefaßt werden. Wie wahrscheinlich ist es, dass dies besser funktioniert? Im Zweifel entsteht nicht eine europäischer Einlagensicherung sondern eine europäische Einlagenverunsicherung. Der Denkfehler ist, dass die Regulierer in Brüssel glauben, je größer die Versicherung, desto stabiler sei das System.

Das Gegenteil ist der Fall. Werden in einem zentralen System Fehler gemacht, zu wenig oder zu viel Geld für die Versicherung eingesammelt, zu schlecht kontrolliert oder zu viel Bürokratie den Banken aufgeladen, dann haften alle für die Fehler dieser zentralen Planwirtschaft. Ein Wettbewerb der Ideen, auch ein Systemwettbewerb findet nicht statt. Alle müssen dann Fehlentscheidungen, Fehlentwicklungen oder eine zu späte Korrektur der Zentrale ausbaden. Natürlich können die zentralen Planer auch zufällig einmal richtig liegen. Doch kein Beamter, kein Bürokrat und kein Regulierer können von Lappland bis Andalusien von Nordirland bis Kreta überschauen, welche Risiken auf die Banken und damit indirekt auf die Einleger in Zukunft zukommen.

Werden dagegen Fehler individuell verantwortet, dann haften die Beteiligten selbst und kein anderer. Das ist bitter und kann auch vielfach existenzvernichtend sein. Jedoch lernen alle anderen aus dessen Schicksal, ändern ihr künftiges Verhalten und sind auch deshalb individuell erfolgreich. Das ist das Wesen und die Faszination der Marktwirtschaft. Eine Kollektivhaftung der Sparer und Steuerzahler passt dazu nicht.