Photo: hans-johnson from Flickr (CC BY-ND 2.0)

China ist kein Musterknabe der freien Marktwirtschaft. Aber die verantwortlichen Parteikader haben schon lange verstanden, dass man mit Mao, Lenin und Marx die Wirtschaft nicht zum prosperieren bringt. Darum ist China zwar kein vorbildlicher, aber doch ein wichtiger Verbündeter auf dem Weg zum Freihandel.

Ein fundamentaler Wandel – aber noch viel Raum nach oben

In vielen Kulturen stehen Händler am unteren Ende der Hierarchie in einer Gesellschaft. Die Art und Weise, wie die Kaufleute im konfuzianischen Gesellschaftsverständnis beschrieben werden, erinnert an die Verachtung, die ihnen früher und heute auch in unseren Breitengraden entgegenschlägt in Form von Intellektuellendünkel, Antikapitalismus und nicht selten auch in antisemitischen Klischees. Der Klasse der „Shang“ wird unterstellt, selber nichts zu erschaffen und zu leisten, und wie Parasiten von den Bemühungen und dem Einsatz anderer zu leben. Ihnen wird unterstellt, gierig zu sein und keinerlei moralische Überzeugung zu pflegen. Sie sind die Ausbeuter, die von anderer Leute Arbeit leben. Auf diese Grundüberzeugung gründete Mao auch seine kommunistische Terrorherrschaft. Das heutige China ist von beiden Traditionen inzwischen weit entfernt: Seit bald einem Jahrzehnt liefern sich Deutschland und China ein Wettrennen um den Titel des Exportweltmeisters.

Trotz alledem ist China natürlich noch keine Marktwirtschaft im Sinne westlicher Staaten, geschweige denn im Sinn der großen freiheitlichen Theoretiker. In vielerlei Hinsicht handelt es sich bei dem Wirtschaftssystem noch um astreinen Staatskapitalismus und Korporatismus. Die Hürden für Investoren und Anbieter aus dem Ausland sind immer noch verhältnismäßig hoch. Und chinesische Unternehmen selbst treten im Ausland durchaus nicht als fairer Partner auf, sondern nutzen die Rückendeckung ihrer Regierung, um sich, insbesondere in den weniger entwickelten, aber rohstoffreichen Ländern der Welt, Vorteile gegenüber Wettbewerbern zu verschaffen und die Länder rücksichtslos auszubeuten. In Abwandlung eines Wortes von Helmut Kohl kann man sagen: China will offenbar nicht den Ludwig-Erhard-Preis gewinnen.

Ein ungewöhnlicher Verbündeter

Die chinesische Politik weiß, dass politische und wirtschaftliche Stabilität für das Land nur erreicht werden können, wenn es weiterhin ein halbwegs stabiles Wachstum gibt. Und dazu gehört natürlich der Außenhandel als ganz wesentlicher Faktor. Während es in manchen westlichen Staaten derzeit zunehmend Abschottungstendenzen gibt, entwickelt sich China zu einem immer wichtigeren Vorkämpfer der Globalisierung. Der chinesische Präsident Xi Jinping warf sich vor wenigen Monaten beim Weltwirtschaftsforum in Davos für Freihandel in die Bresche: „Wir müssen uns weiterhin engagieren, um weltweit Freihandel und Investitionsfreiheit weiterzuentwickeln, … indem wir uns öffnen und dem Protektionismus eine Absage erteilen. … China steht dafür, dass offene und transparente Freihandelsabkommen geschlossen werden, die für alle beteiligten von Nutzen sind. Und wir lehnen es ab, exklusive Gruppen zu bilden, die auf eine Fragmentierung hinauslaufen.“

Am vergangenen Wochenende trafen sich in Peking 31 Staats- und Regierungschefs von Indonesien bis Kenia, von Argentinien bis zur Schweiz zum Auftakttreffen der von Jinping seit längerem schon vorbereiteten „Belt and Road Initiative“ („Neue Seidenstraße“). Im Abschlussdokument der Konferenz einigten sich die Teilnehmer auf die Formulierung: „Wir streben danach, ein universelles, regelbasiertes, offenes, nicht-diskriminierendes und faires multilaterales Handelssystem voranzubringen auf Basis der WTO-Regeln.“

Falsche Freunde, aber richtige Ideen

Zurecht haben viele Kommentatoren darauf hingewiesen, dass die chinesische Politik noch einen sehr langen Weg vor sich hat, wenn sie ihr Reden und Handeln in Einklang bringen wollen. Manche befürchten gar, dass diese Sonntagsreden den wahren Charakter chinesischer Handelspolitik übertünchen sollen, deren Ziel die Marginalisierung der westlichen Demokratien sei. Nun ist es allerdings keine besonders große Überraschung, dass im Bereich der Politik die wohlklingenden Worte oft nur in einem marginalen Zusammenhang mit der Realität stehen. Sich darüber aufzuregen, lohnt der Mühe fast nicht. Man sollte allerdings nicht übersehen, welche Rolle auch die Rhetorik und Symbolik in der Politik spielt. Politiker wie Willy Brandt oder Ronald Reagan können durch ihre Kommunikationsfähigkeiten mitunter viel mehr politische Veränderung bewirken als ein anderer mit Heerscharen von Gesetzen und Steuern.

Wenn die chinesische Politik sich nun anschickt, zu einem glühenden Befürworter des Freihandels zu werden, hat das viele positive Effekte. Auch unabhängig davon, wie glaubwürdig das Eintreten tatsächlich erscheint für diejenigen, die die Hintergründe etwas besser kennen. Eines Tages werden die Verantwortlichen vermutlich tatsächlich auch an ihrer eigenen Rhetorik gemessen. Und unter dem Strich ist es immer noch besser, wenn die richtigen Ideen von falschen Freunden in die Welt gesetzt werden, als wenn keiner dazu beiträgt, sie zu verbreiten. Vor kurzem veröffentlichte die offizielle Nachrichtenagentur Chinas ein drolliges Video, in dem eine Gruppe von Kindern aus den Ländern, die an der Seidenstraße liegen, die segensreichen Wirkungen des Freihandels besingt. Ganz ehrlich: Man würde sich wünschen, dass die richtigen und wichtigen Botschaften, die diese Kinder dort transportieren, in der ganzen Welt Gehör finden – ganz egal, von wem sie kommen. Ja, Chinas Politik genügt diesen Idealen oft nicht. Aber das hat auch die Politik anderer Staaten nicht, die früher wichtige Motoren des Freihandels waren – wie Großbritannien, die Niederlande, Deutschland und die USA. Freuen wir uns dennoch darüber, dass diese Ideen ein weiteres einflussreiches Sprachrohr gefunden haben. Wenn statt der Mao-Bibel Werbung für den Freihandel in alle Welt gesendet wird, kann das nur von Vorteil sein!

Für geneigte Leser hier noch das Video und die deutsche Übersetzung des Textes:

Der Gürtel verbindet das Land,
Die Straße bewegt sich auf dem Meer.
Ihr Versprechen
Ist gemeinsamer Wohlstand.

Wir zerbrechen Grenzen,
Wir schreiben Geschichte.
Die Welt, von der wir träumen,
Beginnt mit Dir und mir.

Jetzt kommt die Zukunft,
Und zwar durch Gürtel und Straße.
Wir teilen jetzt all das Gute,
Und zwar durch Gürtel und Straße.

Wenn Handelswege sich auftun,
Dann beginnt das Teilen:
Ressourcen werden ausgetauscht
Und Autoteile verschifft.

Ideen fangen an, zu fließen,
Und Freundschaften werden geschlossen.
Dann werden Dinge, die man für unmöglich gehalten hatte,
Der Normalzustand.

Produkte und Güter sind nur ein Teil,
Von Äpfeln bis zu Kränen (und alles hochmodern!).
Wir bauen neue Straßen, errichten mehr Häfen,
Finde neue Möglichkeiten (mit allen möglichen Freunden!).

Es ist ein Austausch der Kulturen und wir vermehren unseren Wohlstand.
Wir verbinden uns im Herzen (und das macht uns gesünder!).
Mit unseren Trassen und Kabeln, unserem diplomatischen Austausch
Werden wir eine Welt des Wohlstands teilen!

Photo: Paul Sableman from Flickr (CC BY 2.0)

Vor zwei Jahren machte ein Tweet Schlagzeilen, in dem sich eine Schülerin aus Köln beklagte: „Ich bin 18 und habe keine Ahnung von Steuern, Miete oder Versicherungen. Aber ich kann eine Gedichtsanalyse schreiben – in vier Sprachen.“ Letzteres wird die derzeitige NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann sicherlich freuen. Und ersteres war bisher nicht die oberste Priorität der grünen Bildungsministerin. Die Abschaffung des Faches Wirtschaft durch die gerade abgewählte NRW-Landesregierung, das die Vorgängerregierung zuvor eingeführt hatte, zeigt daher bereits ihre Wirkung.

Eine Studie des Verbandes Junger Unternehmer und der Familienunternehmer hat die Entwicklung jetzt systematisch anhand der Qualität der Schulbücher untersucht. Das Urteil ist erschreckend. Wenn es um ökonomische Zusammenhänge in deutschen Schulbüchern geht, dreht es sich meist um Fragen der Verteilungsgerechtigkeit, um Gefahren und Nachteile der Globalisierung und es wird ein tendenziell negatives Unternehmerbild vermittelt. Das positive Bild der Marktwirtschaft, die Basis für unseren Wohlstand ist, spielt nur eine untergeordnete Rolle.

Und selbst dort, wo wirtschaftliche Zusammenhänge behandelt werden, sind die untersuchten Schulbücher von der herrschenden neoklassischen Gleichgewichtstheorie und einer keynesianischen Wirtschaftspolitik geprägt. Die Rolle des Unternehmers in der Marktwirtschaft, wie ihn einst Schumpeter beschrieb, spielt dabei keine oder nur eine sehr untergeordnete Rolle. Dabei ist er es, der durch seine Risikobereitschaft investiert und dadurch Ideen in Produkte verwandelt. Er ist in einer Marktwirtschaft unverzichtbar. Eine Bildungspolitik, die das ignoriert oder sogar das Gegenteil vermittelt, befördert dann auch nur potentielle Staatsbedienstete. Wie soll in einem solchen schulischen Umfeld eine Gründerkultur in Deutschland entstehen? Stattdessen steht in einem Schulbuch „Volkswirtschaftslehre“: „Wer als Arbeitgeber nur heuert und feuert, Mitarbeiter nicht weiterbildet oder diese gar mobbt, handelt demnach keineswegs im Sinne von Ökonomen.“

Auch die Notwendigkeit und der Segen der Arbeitsteilung in der Marktwirtschaft wird meist nicht positiv herausgestellt, sondern es werden wüste Zerrbilder gezeichnet. Insbesondere die internationale Arbeitsteilung, die für viele deutsche Unternehmen existentiell ist, wird als Gefahr und nicht als Chance dargestellt. In „Terra Erdkunde 3“ heißt es dazu: „Der Großteil der Bevölkerung hat aber keinen Vorteil vom Welthandel.“ Da muss man sich dann nicht wundern, wenn Globalisierungskritiker von „Rechts“ und „Links“ zu tausenden auf die Straße gehen. Woher sollen sie es auch wissen, wenn es nicht mal in den Schulbüchern steht und viele Lehrer selbst in vorderster Front auf den Demos mitmarschieren? So heißt es im Schulbuch „Politik verstehen und handeln“ über eine marktwirtschaftliche Ordnung: „Ihre häufigen Krisen, die die wirtschaftliche Existenz großer Menschengruppen bedrohen, und die weltweiten Umweltzerstörungen lassen jedoch viele Menschen an diesem Leitbild zweifeln.“ Da mag man sich doch gleich an die Umweltzerstörungen in sozialistischen Planwirtschaften des letzten Jahrhunderts erinnern. Insbesondere die Kraftwerke in der DDR waren ja der Inbegriff des Fortschritts und des Umweltschutzes, oder etwa nicht?

Die Autoren der Studie fordern als Konsequenz aus dieser Situation ein eigenes Schulfach oder zumindest ein Ankerfach für Wirtschaftswissenschaften an Schulen. Dadurch würde sich die Lage sicher nicht von heute auf morgen verändern, aber es würde eine Veränderung der Lehrerausbildung einleiten. Denn ohne ein eigenes Fach oder ein Ankerfach fände keine systematische ökonomische Aus- und Fortbildung von Lehrern statt. Ohne ein entsprechendes Ankerfach wird daher die ökonomische Bildung in der Schule immer ein Nischenthema bleiben. Mal ist es der Politikunterricht, mal der Erdkundeunterricht und mal der Geschichtsunterricht, in dem Aspekte des Wirtschaftens eine Rolle spielen, aber Lehramtsstudenten bekommen so ökonomische Zusammenhänge nur am Rande mit. Vielleicht wäre schon einmal ein guter Anfang, wenn Ludwig Erhards „Wohlstand für alle“ zur Pflichtlektüre gemacht würde. Darin beschreibt er das Bild einer Marktwirtschaft, die in ihrer Wirkung sozial ist. Das wäre doch schon mal etwas, wenn dies in unseren Schulen vermittelt würde.

Erstmals erschienen auf Tichys Einblick.

Photo: Guian Bolisay from Flickr (CC BY-SA 2.0)

Der Insolvenzantrag des größten Solarmodulherstellers in Deutschland, der Solarworld AG aus Bonn, mit seinen rund 3.000 Mitarbeiter ist für die betroffenen Mitarbeiter und ihre Familien, und auch für die Aktionäre und Gläubiger, ein schwerer Schlag. Er ermöglich aber auch einen tiefen Blick auf die Wirkung staatlicher Einmischung in die Marktwirtschaft.

Diese Einmischung erfolgte in mehreren Stufen und mit unterschiedlichen Begründungen. Am Anfang stand 1991 das Stromeinspeisegesetz und später das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), das Mindestpreise und Abnahmegarantien für Wind- und Solarstrom verbindlich regelte. Die Folge von Mindestpreisen sind aus der Ökonomie bekannt. Werden Produkte durch staatliche Mindestpreise und Abnahmegarantien gefördert, die oberhalb des Marktpreise liegen, entsteht ein Überangebot. Milchseen in der Landwirtschaft der damaligen Europäischen Gemeinschaft und der Erhalt des unrentablen Steinkohlebergbaus in Deutschland sind historische Beispiele dafür. Die dadurch früh in den Markt tretenden heimischen Unternehmen verhalten sich in einem solchen Umfeld meist innovationshemmend und träge. Sie glauben, ihnen könnte nichts passieren. In einem globalen Markt drängen dann aber neue Marktteilnehmer in den staatlich gelenkten Markt, weil auch sie von den Mindestpreisen und Abnahmegarantien profitieren wollen.

In diesem Umfeld rufen die heimischen Unternehmen nach Schutzzöllen. Die Importeure von preiswerteren Solarmodulen, hieß es etwa, würden vom dortigen Staat subventioniert und könnten mit Dumpingangeboten agieren. Die Argumentation ist dann meist von Erfolg gekrönt. So auch bei Solarworld, das zwar auch staatliche Fördergelder und Subventionen des Landes Thüringen in dreistelliger Millionenhöhe erhalten hat – aber dabei sei es ja um den Erhalt der Arbeitsplätze in meist strukturschwachen Regionen gegangen. Eine breite Allianz von europäischen Herstellern intervenierte bei der EU wegen der vermeintlichen Wettbewerbsverzerrung durch Konkurrenten außerhalb der EU. Daraufhin verhängte die EU Strafzölle von fast 48 Prozent auf chinesische Solarmodule, die bis heute gelten. Geholfen hat das alles nichts. Heute behauptet Solarworld, chinesische Hersteller hätten zur Umgehung dieser Zölle ihre Produktion teilweise in chinesische Nachbarländer verlagert. Sei es drum. Auch das zeigt den Irrsinn dieser Politik. Das EuGH hat die Klage chinesischer und europäischer Unternehmen gegen die Schutzzölle vor wenigen Tagen zurückgewiesen. Schon die Tatsache, dass nicht nur chinesische, sondern auch europäische Unternehmen gegen die Schutzzölle klagten, zeigt den Irrsinn dieser Abschottung. Diese verhindert letztlich, dass Häuslebauer in Deutschland und Europa preiswertere Solarmodule montieren können. Sie werden faktisch gezwungen mehr zu bezahlen, nur um die Arbeitsplätze bei heimischen Solarmodulhersteller zu fördern.

Diese Firmen mögen argumentieren, dass dies doch für den Erhalt heimischer Arbeitsplätze, wodurch hier Steuern und Sozialabgaben bezahlt werden, sinnvoll und richtig sei. Doch das ist zu kurz gesprungen. Es unterstellt nämlich, dass der Häuslebauer nur eine Verwendung für sein Geld hätte. Aber so ist es nicht. Zahlt er weniger für seine Solaranlage, dann kann er mit dem eingesparten Geld in andere Dinge investieren. Vielleicht in ein neues Bad, das Handwerkern in seiner Region einen Auftrag bringt. Oder ein anderes Auto, das ihm vom Händler aus seinem Ort verkauft wird.  Oder es ermöglicht ihm, seinen Kindern eine bessere Ausbildung zu ermöglichen.

Am Ende zeigt das Beispiel von Solarworld sehr anschaulich: Weder der Umwelt und dem Klima wurde durch diese Markteingriffe nennenswert geholfen. Denn dazu sind die Entsorgungsprobleme von alten Solarmodulen viel zu groß und der Anteil Deutschlands am weltweiten CO2-Austoss viel zu gering. Noch wurde dadurch dauerhaft eine Wertschöpfung erzielt. Friedrich August von Hayek bezeichnete dieses Phänomen als die Folge der Anmaßung von Wissen, über das kein zentraler Wirtschaftslenker, keine Regierung und kein Parlament verfügen können. Sein Freund und Lehrer Ludwig von Mises sagte dazu: “Die Obrigkeit kann nicht erschaffen, sie kann aber durch ihren Befehl Vorhandenes zwar nicht aus der Welt des Seins, doch aber aus der Welt des Erlaubten tilgen. Sie kann nicht reicher, aber sie kann ärmer machen.“

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Lange nichts gehört an der Zwangsbeitragsfront zur Finanzierung von ARD und ZDF. Jetzt tut sich wieder etwas. Die ARD soll laut Medienberichten eine automatische Anpassung des Rundfunkbeitrages fordern, die sich an der Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts orientiert. Für 2021 soll dann ein Monatsbeitrag von 18,28 Euro und 2025 von 19,59 Euro fällig werden. Die ARD hält dies für notwendig, um die Öffentlich-Rechtlichen zu einem umfassenden Content-Netzwerk auszubauen. Ähnliche Überlegungen hat der Chef der „Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten“ (KEF), Heinz Fischer-Heidlberger dem MDR gegenüber geäußert: „Es gibt natürlich auch durch die Technikveränderungen, durch die Ausdehnung der Mediatheken und Telemedien zusätzliche Aufwendungen. Alles muss finanziert sein.“

So einfach, wie es ARD und ZDF praktizieren, kann man schon den Hut ziehen. Für die 23 Fernsehkanäle und 63 Radiosender berechnet die KEF anhand der Anforderungen der Sender einen Bedarf und schlägt diesen dann den Ministerpräsidenten der Länder vor. Diese lassen es anschließend durch ihre Landtage beschließen. Da das neue Beitragsmodell seit 2013 zu erheblichen Mehreinnahmen gegenüber dem vorherigen Gebührenmodell führte, konnte der Beitrag vorübergehend von fast 17,98 Euro auf 17,50 Euro reduziert werden. Dennoch nehmen die Sender inzwischen Beiträge von über 8 Milliarden Euro ein. Kein Land dieser Erde leistet sich nur annähernd diesen Umfang an durch Zwangsbeiträge oder Steuern finanzierten Rundfunk.

Nicht nur die Meinungsvielfalt wird dadurch geschwächt, sondern auch der Wettbewerb verhindert. Allein bei den Preisen für Film- und Sportrechte sind ARD und ZDF mit ihren Beitragsmilliarden dick im Geschäft. Gegen das Einkaufsvolumen der Öffentlichen muss ein privater Anbieter schon erheblich in Vorleistung gehen, um mithalten zu können. Das öffentlich-rechtliche Rundfunksystem stammt aus dem letzten Jahrhundert. Die Briten haben ihr System nach dem 2. Weltkrieg auf Deutschland übertragen. Es hat sich in der analogen Welt von damals bewährt und hat sicherlich zum Aufbau der Demokratie in Deutschland maßgeblich beigetragen. Heute ist diese Welt aber von gestern. Es gibt im digitalen Zeitalter keinen Mangel an Fernsehsendern in Deutschland. Über 400 sind inzwischen empfangbar. Daneben verändert sich das Sehverhalten entscheidend. Streamingdienste wie Netflix und Amazon Prime laufen ARD und ZDF den Rang ab. Youtube-Kanäle begeistern junge Zuschauer mehr als Rosamunde Pilcher-Filme. Warum sollen alle Bürger des Landes ein Content-Netzwerk der ARD finanzieren? Muss sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk immer weiter ausdehnen? Müssen die Öffentlichen im Netz präsent sein? Wohl kaum. Wenn sich die Gewohnheiten verändern, eine Aufgabe nicht mehr ausreichend nachgefragt wird, dann sollte eigentlich auch die Finanzierung dieser Aufgabe zurückgedrängt werden. Doch der Amtsschimmel wiehert anders in Deutschland. In Behördenmanier wird einfach nach neuen Aufgaben gesucht. Bis zur nächsten Beitragserhöhung.

Erstmal erschienen auf Tichys Einblick.

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Die Brexit-Verhandlungen stehen unter keinem guten Stern. Die Vertreter der Rest-EU sind beleidigt und spielen mit den Muskeln. Alle innerhalb der Rest-EU und außerhalb sollen sehen, wozu es führt, wenn man aus dem gemeinsamen Haus auszieht und die Familie verlässt. Nur Mühsal, Beschwerlichkeiten und Unglück! Die Briten sollen die Folgen ihrer Undankbarkeit ruhig spüren. Die Leitlinien, die der Europäische Rat vor wenigen Tagen verabschiedete, sind ein Dokument dafür. Sie sind eine Machtdemonstration. Siebenundzwanzig gegen einen. Ein Nicht-Mitgliedsstaat, der nicht dieselben Pflichten übernimmt wie ein Mitgliedstaat, kann nicht dieselben Rechte haben und dieselben Vorteile genießen wie ein Mitgliedstaat. Allein diese Formulierung in den Grundsätzen der Leitlinien zeigt schon die Überheblichkeit der Rest-EU. Bis jetzt hat die britische Regierung nicht behauptet, sie wolle die gleichen Rechte und Vorteile genießen wie die restlichen Mitglieder. Ganz im Gegenteil setzt die Regierung May das um, was das britische Volk im Referendum knapp, aber dennoch klar ausgesprochen hat: den Austritt aus der Europäischen Union. Sie wollen also ausdrücklich nicht mehr das wesentliche Recht der Mitgliedschaft ausüben, das Stimmrecht.

Das Austrittsschreiben der britischen Premierministerin Theresa May vom 29. März war ein Wendepunkt im Verhandlungspoker. Bis dahin hatte May vieles richtig gemacht und war im Vorteil. Sie hatte die Agenda und das Tempo bestimmt. Ex-Parlamentspräsident Schulz und EU-Kommissionspräsident Juncker hatten schon einen Tag nach der Brexit-Entscheidung am 23. Juni 2016 gefordert, Großbritannien müsse unmittelbar den Austrittsantrag stellen. Das hat May nicht sonderlich beeindruckt. Sie hat sich ein dreiviertel Jahr für den Antrag Zeit gelassen. Bis dahin konnte sie sich vorbereiten. Erst mit dem Austrittsantrag kommen die 27-Mitgliedsstaaten in den Vorteil. Jetzt bestimmen sie die Agenda. Schon stellt die EU den treulosen Briten Scheidungskosten von 100 Mrd. Euro in Aussicht, um erstmal eine Hausnummer in den Raum zu stellen. Gleichzeitig betont sie, dass erst über die Austrittsmodalitäten verhandelt werden muss, bevor über die künftige Zusammenarbeit verhandelt werden kann.

Der EU spielt dabei in die Hände, dass die Zeit sehr knapp ist, um ein Abkommen mit Großbritannien zu schließen. Zwei Jahre nach dem Austrittsantrag finden die Europäischen Verträge auf Großbritannien keine Anwendung mehr. Sollte bis dahin kein Abkommen erzielt werden, das vom Parlament der Europäischen Union und vom Europäischen Rat beschlossen werden muss, hat Großbritannien ein Problem.

Wahrscheinlich ist es nicht wirklich möglich, in so einer kurzen Zeit ein Abkommen zu erzielen. Selbst wenn die EU einer einmaligen Verlängerung der Verhandlungen um weitere zwei Jahre zustimmt, ist die Zeit sehr kurz. Das Erpressungspotential der EU ist daher die Zeit. Theresa May kann dem nicht viel entgegensetzen. Ihr kurzfristiger Schachzug war es, Neuwahlen für den 8. Juni anzusetzen. Bis dahin kann sie mit Nadelstichen auch der EU wehtun. Und genau das macht May jetzt. Solange das britische Parlament nicht neu gewählt ist, verhindert sie durch ihr Veto Beschlüsse im Europäischen Rat. Damit erhöht sie ihrerseits den Druck auf die übrigen Verhandlungspartner. Doch wenn die eigentlichen Austrittsverhandlungen erst nach der Parlamentswahl beginnen, bleibt nur noch rund ein Jahr Zeit.

Dieses Fingerhakeln lässt für die kommenden Monate nicht viel Hoffnungen auf eine gütliche Einigung aufkommen. Die Strategie der EU gegenüber Großbritannien mag funktionieren. Sie mag auch die anderen Mitglieder in der EU, die ebenfalls mit Brüssel unzufrieden sind, disziplinieren. Ein Friedens- und Freiheitsprojekt sieht aber anders aus. Attraktivität und Anziehungskraft kann man nicht durch Zwang und Druck erzielen, sondern nur durch innere Souveränität, Gelassenheit und Einsicht. Daran fehlt es den Handelnden in Brüssel und Berlin offensichtlich. Sie glauben, dass zu große Zugeständnisse an die Briten zu weiteren Absetzbewegungen innerhalb der EU führen würden. Dabei schadet der harte Brexit nicht nur den Briten, sondern auch den übrigen Staaten der EU. 290 Milliarden Euro exportieren Unternehmen aus der EU nach Großbritannien und 175 Milliarden umgekehrt. Viel zu viele Bürger und Unternehmen in Europa sind darauf angewiesen, dass sich beide Seiten verständigen. Jean-Claude Juncker hat dazu gerade ein Weißbuch „Zukunft Europas“ vorgelegt und darin einen der Gründerväter Robert Schuman zitiert: „Europa wird nicht von heute auf morgen und nicht aus einem Guss entstehen. Vielmehr werden greifbare Erfolge eine zunächst faktische Solidarität erzeugen.“ An diesen Gründergeist sollte er sich erstmal selbst orientieren.

Erstmals erschienen in der Fuldaer Zeitung am 6. Mai 2017