Prometheus – Das Freiheitsinstitut verleiht der Deutschen Umwelthilfe e. V.
„Goldenen Engel der Scheinheiligkeit“

Sehr geehrte Damen und Herren,

es ist uns eine Freude, Ihnen mitteilen zu können, dass Sie als erster Preisträger für unseren „Goldenen Engel der Scheinheiligkeit“ ausgewählt wurden.

Als Kandidaten qualifizieren sich Organisationen, bei denen Anspruch, Auftreten und Ansehen in einem besonderen Missverhältnis zur dahinterliegenden Wirklichkeit stehen.

Sie bezeichnen sich selbst auf ihrer Website als „nichtstaatliche Umweltorganisation“. Als große Freunde zivilgesellschaftlichen Engagements begrüßen wir alles Nichtstaatliche. Und zwar vornehmlich aus zwei Gründen: Nichtstaatliche Organisationen belasten nicht das Portemonnaie der Steuerzahler, sondern sorgen selber für ihre Finanzierung. Nichtstaatliche Organisationen setzen auf freiwillige Kooperation und Überzeugungsarbeit anstatt auf den Zwang, den staatliche Stellen ausüben.

In beiden Fällen erfüllen Sie nicht die Kriterien, wodurch Sie sich als Preisträger qualifizieren.

1. Sie belasten den Steuerzahler in nicht unerheblichem Maße und beziehen mit ihren Aktivitäten als Verbandskläger Gelder, die andernfalls staatlichen Kassen zufließen würden.

In Ihrem Jahresabschluss 2016 weisen Sie 19,7 % Ihres Jahresbudgets als „öffentliche Zuschüsse“ aus, das sind insgesamt 1.600.290 €. Hinzu kommen noch weitere 76.085 € aus Bußgeldern, so dass mindestens rund ein Fünftel Ihres Etats aus staatlichen Quellen stammt – mit anderen Worten: vom Steuerzahler. Weitere 2.460.719 € stammen aus ihrer Tätigkeit als „klageberechtigter Verbraucherschutzverein“, sind also ohne die staatliche Unterstützung und Zertifizierung nicht einzutreiben. Damit sind wir bereits bei 4.137.094 € (50,97 % des Jahresbudgets). Aus welchen Quellen die 1.113.415 € „Sonstige Zuschüsse“ und „Sonstige Erträge“ stammen, ist leider nicht ersichtlich. Lediglich 2.772.305 € (34,15 %) können eindeutig privaten Quellen in Form von Spenden und Sponsoring zugeordnet werden. Wir bezweifeln, dass man sich wirklich noch als nichtstaatlich bezeichnen kann, wenn mehr als die Hälfte des Budgets unmittelbar und mittelbar durch staatliche Stellen zur Verfügung gestellt wird.

2. Sie setzen in vielen Fällen nicht auf Kooperation und Überzeugungsarbeit, sondern nutzen staatliche Zwangsmittel zur Durchsetzung ihrer Ziele oder stellen sich sogar als Organisation dar, die hoheitliche Aufgaben übernimmt.

In Ihrem Jahresbericht von 2017 beschreiben Sie Ihre Tätigkeit unter anderem folgendermaßen: „Die DUH überwacht inzwischen in vielen Bereichen gezwungenermaßen die Umsetzung der Umwelt- und Verbrauchergesetze und übernimmt damit die Aufgabe der staatlichen Überwachungsbehörden.“ Abgesehen von der Frage, wer Sie dazu gezwungen hat, ist es aus unserer Sicht keine besonders begrüßenswerte Situation, wenn sich zivilgesellschaftliche Gruppierungen wie Hilfs-Sheriffs betätigen. Ihr Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch nutzt zwar in seinem Interview in selbigem Jahresbericht Bilder aus dem Wilden Westen, wenn er beansprucht, einen „rechtsfreien Raum“ zu schließen, „weil die zuständige Behörden die Kontrollen verweigern“. Allerdings ist die Aufgabe von nichtstaatlichen oder zivilgesellschaftlichen Organisationen in unserem Verständnis nicht, sich staatlichen Stellen wie einst die Kaffeeschnüffler im alten Preußen anzudienen oder sich gar als parastaatlicher Akteur hoheitlicher Aufgaben anzunehmen. Das mag alles legal sein, widerspricht aber dem gängigen Verständnis von „nichtstaatlich“.

Ganz an den Anfang Ihres Jahresberichts stellen Sie als eine Art Motto Ihrer Arbeit den Satz „Die DUH fördert in den politisch sich ändernden Zeiten eine Kultur der demokratischen Teilhabe durch den Austausch von Argumenten.“ Aus unserer Sicht erfüllen Sie diesen Anspruch in keiner Weise. Das beginnt damit, dass Ihre Tätigkeit im Bereich der Verbandsklagen ja gerade nicht argumentativ stattfindet, unbeschadet der Tatsache, dass Sie sicherlich in anderen Tätigkeitsfeldern den dialogischen Weg wählen, was wir in jedem einzelnen Fall natürlich sehr begrüßen.

Mit den „politisch sich ändernden Zeiten“ ist vermutlich der Aufstieg von Populisten gemeint sowie die damit einhergehende Verschärfung des öffentlichen Diskurses. Auch wir sehen diese Veränderungen mit sehr großer Sorge, geht es doch um die Grundlagen einer offenen und freien Gesellschaft, die durch Polemik, Zwietracht und populistische Forderungen in Gefahr gebracht werden. Nun ist unser Eindruck, dass Sie diese Veränderungen nicht bekämpfen, sondern ganz im Gegenteil einen nicht unerheblichen Anteil an deren Entstehung haben. Im Folgenden möchten wir das anhand Ihres Jahresberichts von 2017 darlegen, insbesondere im Blick auf Originaltöne von Ihrem Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch, Ihrer Stellvertretenden Bundesgeschäftsführerin Barbara Metz, des Abteilungsleiters Kreislaufwirtschaft Thomas Fischer und der Abteilungsleiterin Verbraucherschutz Agnes Sauter.

1. Sie pflegen eine Rhetorik, die man fast wortgleich im rechten bis rechtsradikalen Umfeld findet. Wenn etwa Herr Resch behauptet „der Diesel-Abgasbetrug offenbart das organisierte Staatsversagen“, dann erinnert die Vorstellung eines organisierten, also absichtsvollen Staatsversagens an verschwörungstheoretische Behauptungen. In eine ähnliche Richtung geht die Behauptung von Herrn Fischer: „Aus Angst, etwas gegen die Industrie zu unternehmen, wollte Bundesumweltministerin Hendricks ihre Politik der Einwegindustrie und den Discountern anpassen.“ Finstere Mächte werden hier ausgemalt, die einen versagenden Staat vollkommen unter Kontrolle haben. Oder mit den Worten von Herrn Resch: „Wir erleben, wie die Autokonzerne durchregieren und die Autokanzlerin Angela Merkel durch die Chefs von Daimler, BMW und VW ferngesteuert wird.“ Was dem ungarischen Ministerpräsidenten George Soros ist, scheinen Ihnen Industriekonzerne zu sein.

2. Zur Rechtfertigung Ihrer eigenen Tätigkeiten stellen Sie Behauptungen auf wie: „das völlige Fehlen einer staatlichen Kontrolle“ (Resch); die Existenz rechtsfreier Räume (Resch); dass „Behörden aus einer falsch verstandenen Rücksichtnahme auf die Profitinteressen der Unternehmen deren Rechtsverstöße tolerieren“ (Sauter); „Betrug am Verbraucher“ (Metz); „Der Staat lässt also auch hier zu, dass die Konzerne betrügen“ (Resch); und „Der Staat lässt Wirtschaftsunternehmen fast gänzlich unbehelligt gegen Energieverbrauchs- und Effizienzangaben von Haushaltsgeräten, Pkw und Reifen verstoßen“ (Sauter). Deutschland und sein politisches System in Worten zu beschreiben, die die Situation in Somalia oder Afghanistan relativ akkurat beschreiben würden, ist schon in sich eine Respektlosigkeit gegenüber den Menschen, die wirklich Opfer rechtsfreier Räume werden und um ihr Eigentum, Leib und Leben fürchten müssen. Darüber hinaus ist es aber auch ein Alarmismus, der existentielle Ängste hervorruft. Es ist möglich – und viele politische Akteure beweisen das – die realen Umweltbelastungen in einer Weise zu thematisieren, die öffentliche Aufmerksamkeit erregt ohne mit apokalyptischen Szenarien zu arbeiten.

3. Sie schüren in erheblichem Maße Ressentiments innerhalb der Gesellschaft durch Ihre hoch aggressive, undifferenzierte und polarisierende Kritik an Unternehmen. Sie behaupten pauschal, dass „alle Unternehmen … den Rechtsbruch wissentlich in Kauf“ nehmen (Sauter). Während selbstverständlich außer Frage steht, dass einzelne Verantwortliche in einigen Konzernen bewusst staatliche Vorschriften umgangen haben, ist diese Verallgemeinerung ein Beispiel purer Polemik. Noch weniger differenziert ist die Behauptung im redaktionellen Teil des Jahresberichts: „Umweltschützer erleben oft kriminelle Machenschaften oder um es korrekt zu sagen: illegale Praktiken von Unternehmen.“ Ja, sie unterstellen Unternehmen sogar eine aktive Zerstörung der Grundordnung unseres Landes: „Die Einflussnahme der Industrie auf die Politik untergräbt inzwischen auch in Deutschland das demokratische System.“ (Metz) Die Personalisierung, die mit diesen Anschuldigungen einhergeht („Unternehmen“, „Konzerne“) spiegelt in keiner Weise die tatsächliche Situation wider, wo einzelne Personen gegen geltendes Recht verstoßen haben, eignet sich aber natürlich hervorragend, um Bilder einer Verschwörung der „bösen“ Industrie gegen die „wehrlosen“ Menschen zu zeichnen. Völlig außer Acht gelassen wird dabei, wie viele Unternehmer und Manager in äußerst verantwortungsvoller Weise zum Wohl des Gemeinwesens beitragen.

Die Darstellung Deutschlands als eines Landes mit Staatsversagen, rechtsfreien Räumen, korrupten Behörden und Ministern und einer „ferngesteuerten“ Kanzlerin ist maßlos übertrieben und trägt ebenso zur Vergiftung des öffentlichen Diskurses bei wie die Darstellung von Unternehmen als finsteren Mächten, die letztlich insbesondere dazu dient, Ihre eigene Arbeit als besonders heroisch und tugendhaft darzustellen. Wenn Panik geschürt wird und Kritik geäußert wird ohne die Regeln zivilisierten Diskurses einzuhalten, ist es wenig überraschend, wenn die entsprechenden alarmistischen und hetzerischen Botschaften vom rechten und linken Rand des Spektrums auf fruchtbaren Boden fallen. Die „politisch sich ändernden“ Zeiten haben Sie mit herangezüchtet.

Das ist ganz besonders bedauerlich, weil es offensichtlich auch in Ihrer Organisation viele engagierte Umweltfreunde gibt, die mit positiven Methoden, konstruktiven Initiativen und viel Herzblut dazu beitragen, dass unsere Natur geschützt und erhalten wird. Deren Einsatz diskreditieren Sie durch Ihre polemische Kommunikation und ihre exzessiven (wenn auch – natürlich – ganz und gar legalen) Tätigkeiten als bezahlte Hilfs-Sheriffs. Wir möchten diesen Menschen gegenüber unser Bedauern ausdrücken.

Wir schätzen den Beitrag, den nichtstaatliche und zivilgesellschaftliche Organisationen in unserem Gemeinwesen leisten, sehr hoch – von „Ärzte ohne Grenzen“ über den „Bund der Steuerzahler“ bis zu Initiativen wie „Arbeiterkind“ reicht das Spektrum von Akteuren, die einen fundamentalen Beitrag leisten zu einem gedeihlichen Miteinander. Den Ansprüchen, die durch die Arbeit solcher Organisationen gesetzt werden, genügen Sie nicht. Und doch stellen Sie sich mit ihnen auf eine Stufe. Auch durch die Finanzierung durch unmittelbare und mittelbare staatliche Zuwendungen disqualifizieren Sie in unseren Augen Ihren Anspruch als „nichtstaatliche“ Organisation. Deshalb haben wir Sie zum ersten Preisträger unseres „Goldenen Engels der Scheinheiligkeit“ auserkoren.

Wir wünschen Ihnen gute Besserung und der außerordentlich wichtigen Sache der Umwelt ehrliche und anständige Fürsprecher.

Mit freundlichen Grüßen,

Frank Schäffler                                                 Clemens Schneider

Photo: Eduardo Merille (CC BY-SA 2.0)

Die Informationsflut durch das Internet hat auch ihre Schattenseiten. Oft sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht. So ist es auch beim Fortgang der Air-Berlin-Pleite. Im Wahlkampf half die Bundesregierung mit einem Überbrückungskredit von 150 Millionen Euro der Kreditanstalt für Wiederaufbau, der so sicher sein sollte, wie das Amen in der Kirche. Heute ist klar, dass das nicht stimmte. Laut Insolvenzbericht wird der Steuerzahler wohl auf 84,1 Millionen Euro sitzen bleiben. Wer bürgt, wird halt gewürgt. Interessant dabei ist, dass die Beratungsgesellschaft PwC die Werthaltigkeit der Sicherheiten überprüft hat. PwC war in seiner Einschätzung zu dem Ergebnis gekommen, dass die Höhe der zu erwartenden Verkaufserlöse ausreichen müsste, teilte die Bundesregierung noch im Dezember auf meine Anfrage mit. Das traf nach dem gescheiterten Verkauf der österreichischen Tochtergesellschaft Niki an Lufthansa am Ende nicht mehr zu.

Umso mehr erstaunt es, dass PwC laut BamS im Auftrag des Insolvenzverwalters nunmehr prüft, ob eine mögliche Insolvenzverschleppung vorliegt. Mmh, denkt der kritische Betrachter. Warum wird mit diesem Mandat erneut die PwC beauftragt? War die Risikobewertung der Bundesbürgschaft vom August letzten Jahres so gut?

Air Berlin ist ein Lehrstück staatlicher Intervention und gescheiterter Industriepolitik. Dahinter steckt der Glaube, es sei Aufgabe der Regierung, des Wirtschaftsministers oder generell der Politik wirtschaftliche Entwicklungen in einzelnen Unternehmen beeinflussen zu können. Das endet meist im Desaster. Der ehemalige Finanzminister Peer Steinbrück wollte einmal eine zweite Großbank durch die Fusion von Commerzbank und Dresdner Bank in Deutschland schaffen. Deutschland brauche eine zweite Bank mit internationalem Anspruch. Heute gibt es keine mehr. Die Deutsche Bank ist nur noch in der Europaliga, die Dresdner Bank gibt es nicht mehr und die Commerzbank musste mit Steuergeldern gerettet werden.

Ähnlich war es bei Air Berlin. Der Niedergang von Air Berlin sollte die Lufthansa im internationalen Wettbewerb stärken, indem ihr die Filetstücke zugeschustert werden. Ausländische Gesellschaften sollten nicht zum Zug kommen, das könnte ja der heimischen Fluggesellschaft schaden. Deshalb wurde durch den Bürgschaftskredit des Bundes Zeit gewonnen, um der Lufthansa Vorteile zu verschaffen. Eine Pseudotransparenz wurde öffentlich zelebriert, tatsächlich wurde aber im Hinterzimmer des Wirtschaftsministeriums alles mit den Kranichen ausgekungelt.

Dass gerade das Marktwirtschaftsministerium in der Regierung Antreiber war, lässt besonders tief blicken. Man kann dankbar sein, dass diese Kungelwirtschaft erneut gescheitert ist, denn sie würde sonst fortdauernd Nachahmung finden. Jetzt kann und wird der ganze Sachverhalt aufgeklärt. Und da fängt es schon damit an, wer eigentlich die politische Verantwortung trägt. Das Kanzleramt, die zuständige Ministerin? Letztere ist noch geschäftsführend im Amt. Ihr Staatsekretär Matthias Machnig ebenso.

Photo: Joe Gatling from flickr.com (CC BY 2.0)

Es gibt vieles, was man am Koalitionsvertrag von Union und SPD kritisieren kann. Es sind der mangelnde Mut, die fehlende Perspektive und die Reformunfähigkeit, die man mit Recht bemängeln muss. Aber eigentlich ist es das Bild, das von Bürgern und Unternehmen gezeichnet wird, das besonders entlarvend ist. Es ist das Bild des fürsorglichen Staates, der seine Untertanen an die Hand nimmt, ihnen die Lebensrisiken abnehmen und sie behüten und beschützen will. Die Koalitionäre behandeln die Bürger eigentlich wie Schafe. Sie dürfen ab und zu blöken, aber ansonsten werden sie regelmäßig geschoren und eingehegt.

Wer sich nicht benimmt, wird an den Pranger gestellt. So heißt es im Koalitionspapier: „Wir unterstützen eine gerechte Besteuerung großer Konzerne, gerade auch der Internetkonzerne wie Google, Apple, Facebook und Amazon.“ Es mag inzwischen wohlfeil sein, auf die Internetgiganten einzuprügeln. Doch ist es nicht bezeichnend, wenn hier allein US-Konzerne aufgeführt werden? Wenn die angehende Koalition schon Unternehmen wegen ihrer Steuerpraxis kritisiert, dann sollte sie doch erstmal vor der eigenen Haustüre kehren. Der Staatskonzern Airbus hat seinen Unternehmenssitz nicht deshalb in das niederländische Leiden verlegt, weil dort die Innenstadt so schön ist oder der Käse so gut schmeckt, sondern weil der Konzern das attraktive niederländische Steuerrecht anwendet, um seine Steuerlast geschickt auf nahe null zu drücken.

Doch sei es drum – das Steuerrecht leidet letztlich unter dem Anspruch der Einzelfallgerechtigkeit, und es wird von der künftigen Koalition weiter verschlimmbessert werden. Die Koalition erkennt eine vermeintliche Ungerechtigkeit und versucht diese detailreich im Steuerrecht anzupassen. Dieser Wettlauf gegen die Steuerabteilungen der Konzerne ist letztlich ein Hase-und-Igel-Spiel, das immer zulasten der kleineren und mittleren Unternehmen geht, die sich keine großen Steuerberatungskanzleien oder -abteilungen im Unternehmen leisten können oder wollen, sondern anschließend mit dem dann noch komplizierten Steuerrecht leben müssen.

Ein gerechtes Steuerrecht sähe anders aus. Es würde nicht auf den Einzelfall, auf groß oder klein, auf die Herkunft des Unternehmens oder sein Geschäftsmodell schauen. Ein gerechtes Steuerrecht würde allgemeine, abstrakte Regeln schaffen, die für alle gleich sind. Dieser Anspruch müsste Leitbild für das Steuerrecht sein. So ein Steuerrecht würde auch Lobbyinteressen aushebeln. Mittelständler können sich meist teure Vertretungen in der Hauptstadt nicht leisten, sondern nur die großen Konzerne.

Daher sollten insbesondere CDU und CSU Ludwig Erhards „Wohlstand für Alle“ hernehmen. Darin schreibt Erhard sehr eindrücklich über die Sonderinteressen in der Politik: „Das Nachgeben gegenüber einzelnen Forderungen bestimmter Wirtschaftskreise verbietet sich auch wegen der Interdependenz allen wirtschaftlichen Geschehens. Jede einzelne Maßnahme in der Volkswirtschaft hat Fernwirkungen auch in Bereichen, die von den Aktionen gar nicht betroffen werden sollen, ja, von denen niemand bei flüchtiger Beobachtung glauben möchte, dass sie von den Ausstrahlungen berührt werden.“ Hier gilt es anzusetzen, wenn man den Anspruch hat, Wohlstand für alle zu ermöglichen.

Erstmals veröffentlicht bei der Ludwig-Erhard-Stiftung.

Photo: Caleb Zahnd from Flickr (CC BY 2.0)

Minister – das ist lateinisch und heißt: Diener. Und das sollten sie in erster Linie auch sein: Diener ihres Souveräns, des Volkes. Es ist hingegen vollkommen egal, ob sie ostdeutsch, weiblich, verdient oder Jens Spahn sind.

Kabinettsbesetzung: Zwischen Soap und Kindergeburtstag

Wohl über kein politisches Thema wird in Zeiten von Koalitionsverhandlungen so viel spekuliert wie über die Besetzung des Kabinetts. Es ähnelt einer Soap, die zur besten Nachmittagssendezeit das alternde Publik der öffentlich-rechtlichen bei Laune hält, wenn eine ganze Republik spekuliert: Wie geht es weiter mit den vertrauten Figuren, an deren Schicksalen und Erfolgen wir uns Nachmittag für Nachmittag ergötzen? Besonders schmerzlich ist es, wenn über die Jahre liebgewonnene Protagonisten wie etwa Thomas de Maiziere oder Sigmar Gabriel aus dem Drehbuch geschrieben werden. Dabei reicht es schon, dass man sich die Soap einfach nicht mehr ohne diese Figuren vorstellen kann, um plötzlich Sympathie für diese eigentlich flachen oder ursprünglich gänzlich unsympathischen Rollen zu empfinden.

Doch der Trennungsschmerz ist allzu schnell überwunden, wenn es um die Neubesetzung geht. Schließlich verknüpfen wir so einige Erwartungen an die Profile der Neuen. Nur beziehen sich diese beim Bundeskabinett eben seltener auf die sexuelle Ausrichtung oder die familiäre Bande zu anderen Soap-Stars. Stattdessen stehen in den Medien und am Stammtisch der repräsentative Charakter des neuen Kabinetts im Vordergrund: Wird es etwas keinen ostdeutschen Minister geben? Wie steht es um die Frauenquote? Werden genug Junge ins Kabinett geholt?

In der parteiinternen Diskussion verwandelt sich die Personaldebatte mittels Quoten- und Versorgungsdenken dann langsam in einen Kindergeburtstag. Wie zwischen Fünfjährigen, die darum streiten, wer zuerst mit einem Holzlöffel auf der Suche nach dem Topf um sich schlagen darf, werden gegenseitige Sympathie und Gruppenzugehörigkeit in die Waagschale geworfen. So müssen die Parteivorstände von Union und SPD peinlich genau darauf achten, dass alle Landesgruppen, Parteiflügel und Unterorganisationen entsprechend im neuen Kabinett vertreten sind. Dann erst kommt die persönliche Ebene: Wer kann mit wem und wer möchte seinen Parteifreund am liebsten als dritten Honorarkonsul in Wladiwostok sehen? Gibt es vielleicht noch Versprechen einzulösen oder sind da gar verdiente Alt-Ministerpräsidenten, die ihre Karriere im fernen Preußen langsam ausklingen lassen sollen? Am Ende sind sowohl die öffentliche als auch die parteiinterne Diskussion Symptom eines großen Missverständnisses, was die Rolle der Minister angeht.

Minister sollen dem Gesetzgeber dienen, nicht andersherum

Die Minister sind als Teil der Exekutive nämlich hauptsächlich für die Verwaltung und – wesentlich wichtiger – für die Umsetzung der Beschlüsse der gesetzgebenden Gewalt verantwortlich. Zwar kann die Bundesregierung Gesetze in Bundestag einbringen, deren Beschluss obliegt aber stets den Abgeordneten. Das macht die Minister, im Sinne des lateinischen ministrare, zu Dienern. Sie dienen dem Bundestag als ausführendes Organ – nicht der Bundestag den Ministern als Beschlussorgan oder Jubelperserverein. Auch wenn das in den vergangenen Jahren allzu häufig den Anschein erweckte. Damit dienen die Minister mittelbar vor allem dem Volk, dessen repräsentative Vertretung der Bundestag ist.

Anders als der Bundestag muss die Besetzung der Minister nicht repräsentativ sein. Sie müssen keine Quoten erfüllen und sie sollten auch nicht zur puren Verhandlungsmasse oder Abfindung werden. Vielmehr sollte die Bundeskanzlerin bei der anstehenden Benennung ihrer Minister Fachkompetenz und Dienstbereitschaft, altmodisch Demut, als Maßstab für die Eignung annehmen. Gleiches gilt für die sie bewertende Öffentlichkeit und die Medien. Leider lassen die vergangenen Wochen sowohl bezüglich Fachkompetenz als auch hinsichtlich der Demut nichts Gutes vermuten. Auf der eine Seite streiten sich zwei führende SPD-Politiker öffentlich, von Eitelkeit wie Anspruchsdenken getrieben –  und am Ende wohl für beide erfolglos – um ein Ministeramt. Auf der anderen Seite – glaubt man den durchgesickerten Informationen – spielen die CDU-Minister munter Bäumchen-wechsel-dich. Getreu dem Motto: ein Jurist kann sowohl Gesundheit als auch Bildung.

Der Abgeordnete sollte der eigentliche Star sein

Die „Kindergeburtstagssoap“ der Kabinettsbesetzung ist zuletzt aber vor allem auch ein Symptom eines stetig schwächer werdenden Parlaments. Während vielen Menschen selbst Verbraucherschutz, Landwirtschafts- oder Entwicklungshilfeminister bekannt sind, rangiert der eigene Wahlkreisabgeordnete häufig unter ferner liefen. Dabei soll dieser am Ende über die konkreten Projekte des jeweiligen Ministers entscheiden und ihre Ausführung kontrollieren. Ja, als wie stark kann ein Parlament überhaupt noch bezeichnet werden, wenn sich eine geschäftsführende Regierungschefin schlicht weigern kann, mit wechselnden Mehrheiten (ähnlich wie in den Vereinigten Staaten) zu regieren und dies nicht öffentlich hinterfragt wird.

Dabei hätte gerade eine solche Konstellation dem Abgeordneten endlich wieder mehr Gewicht verliehen. Man stelle sich nur vor: Woche für Woche müsste die Bundeskanzlerin gemeinsam mit ihren Ministern im Parlament erscheinen und sich für Ihre Entwürfe und Entscheidungen rechtfertigen, um eine Mehrheit zu erhalten. Eine Regierungserklärung ist dann nicht mehr zu allererst eine Show-Einlage für die Heute-Nachrichten und die Regierungskollegen in Brüssel, sondern der ernsthafte Versuch, den Vertreter des Souveräns von Politikvorschlägen zu überzeugen. Der Minister als demütiger Diener, der Wahlkreisabgeordnete als Star: Das wäre doch was!

Photo: Olga Guryanova on Unsplash

Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues und Benjamin Buchwald, Research Fellow bei IREF, Student von Public Economics an der Leuphana Universität Lüneburg.

Die Abgeordnetendiäten sind entgegen der öffentlichen Meinung gemessen am BIP nicht sonderlich stark gestiegen. Die Koppelung an die Nettolohnentwicklung war ein erster wichtiger Schritt. Nachhaltiger wäre es jedoch, wenn das BIP als zentrale Bemessungsgrundlage herangezogen werden würde.

Über die finanzielle Kompensation von Politikern wird nicht nur hierzulande gern und kontrovers diskutiert. Eine Analyse des Verhältnisses der Entschädigung von Bundestagsabgeordneten zum Bruttoinlandsprodukt pro Person zeigt, dass die gewährten Mittel für die Parlamentarier zwar stattlich, aber die Erhöhungen der letzten Jahre maßvoll waren. Die Entwicklung der Höhe der Zahlungen an Abgeordnete an sich erscheint deshalb nicht problematisch. Dennoch gibt es deutliches Potential für Verbesserungen der Anreizstruktur für Abgeordnete. Seit 2016 ist die Entwicklung der Abgeordnetenentschädigungen an die Entwicklung der Nominallöhne gekoppelt. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Eine Koppelung an das BIP und die Einbindung der Abgeordneten in die Sozialversicherungen wären jedoch vorzuziehen, um die Anreize der Volksvertreter mit denen der von ihnen Vertretenen in Einklang zu bringen.

Entschädigung von Bundestagsabgeordneten kontrovers debattiert

Das Thema „Diätenerhöhung“ sorgt wiederkehrend für teils heftige Diskussionen. Nicht selten wird argumentiert, dass Politiker zu viel verdienen und sich selbst üppig bedienen würden. Von anderer Seite wird aber auch angeführt, dass die Vergütung von Parlamentariern hinter der allgemeinen Entwicklung der Bruttolöhne herhinkt. Im besonderen Fokus stehen dabei die Abgeordneten des Deutschen Bundestages und die Verfahren zu ihrer finanziellen Entschädigung.

Was erhält aber ein Bundestagsabgeordneter als finanzielle Kompensation für seine politische Arbeit?

Abgeordnetenentschädigung seit 1977 einkommensteuerpflichtig

Das Grundgesetz bestimmt, dass Abgeordnete einen Anspruch auf eine angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung haben. Seit 1977 wird den Abgeordneten des Deutschen Bundestages eine solche Kompensation durch eine monatliche Abgeordnetenentschädigung gezahlt, welche einkommensteuerpflichtig ist. Sie löste die vormals gezahlte Diät ab, die den Abgeordneten vor 1977 als Aufwandsentschädigung gewährt wurde und steuerfrei war.

Laut Abgeordnetengesetz soll sich die monatliche Entschädigung grob an den Bezügen von einfachen Richtern bei einem obersten Gerichtshof des Bundes orientieren. Seit der letzten Anpassung im Sommer 2016 erhalten die Bundestagabgeordneten eine zu versteuernde Entschädigung von monatlich 9.327 Euro. Sonderzahlungen wie Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld, ein dreizehntes Monatsgehalt oder ähnliches existieren nicht. Hinzu kommt jedoch eine einkommensteuerfreie Kostenpauschale von derzeit 4.305 Euro. Sie dient insbesondere der Bezahlung von Kosten zur Einrichtung und Unterhaltung von Wahlkreisbüros außerhalb des Sitzes des Bundestages, für Mehraufwendungen für Unterkunft und Verpflegung in Berlin, bei Reisen in Ausübung des Mandats, soweit sie nicht erstattet werden sowie für andere mandatsbedingte Aufwendungen.

Bindung an Nominallohnindex

2016 legten die Abgeordneten des Bundestages die Höhe ihrer monatlichen Entschädigung erstmals nicht selbst fest. Grundlage für die automatisch zum 1. Juli vorgenommene Anpassung war und ist nun die Entwicklung des vom Statistischen Bundesamt ermittelten Nominallohnindex. Damit ist die Höhe der Abgeordnetenentschädigung an die allgemeine Verdienstentwicklung in Deutschland gekoppelt.

Entschädigung wächst langsamer als BIP pro Person

Bei der erstmaligen Auszahlung der monatlichen Abgeordnetenentschädigung im Jahre 1977 betrug diese umgerechnet 3.835 Euro. Als der Deutsche Bundestag 1999 seinen neuen Amtssitz in Berlin einnahm, war die Höhe der Entschädigung bereits auf 6.583 Euro angewachsen. Über mehrere Nullrunden in den 2000er Jahren stieg sie bis heute auf die bereits genannten 9.327 Euro und hat sich damit seit ihrem Bestehen mehr als verdoppelt.

Ein Vergleich mit dem Bruttoinlandsprodukt pro Person offenbart jedoch, dass dieses schneller wuchs als die Abgeordnetenentschädigung. Das BIP pro Person betrug im Jahre 1977 10.367 Euro, 2015 waren es 37.127 Euro.

 

Das Verhältnis der Entschädigung eines Bundestagsabgeordneten zum Bruttoinlandsprodukt pro Person betrug im Jahre 1977 noch 4,44. Aber 2015 waren die Entschädigungen nur noch 2,94 mal so hoch wie das Bruttoinlandsprodukt pro Person. Schon seit den 1980er Jahren ist das Verhältnis relativ konstant auf diesem Niveau.

Gewiss stellt die finanzielle Kompensation eines Bundestagsabgeordneten ein stattliches monatliches Einkommen dar. Angesichts der Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts nehmen sich die Anstiege der Abgeordnetenentschädigung in den vergangenen Jahren jedoch als maßvoll aus.

Kompatible Anreize: Koppelung an BIP und Integration in Sozialversicherungen

Die Entwicklung der Höhe der Entschädigung für Abgeordnete erscheint deshalb nicht problematisch. Raum für Verbesserungen, die die Anreize der Abgeordneten mit denen der von ihnen vertretenen Bürger stärker in Einklang bringen, gibt es dennoch.

Zum einen sollten Abgeordnete ― ebenso wie Beamte ― in die gesetzlichen Sozialversicherungen integriert werden. Es mutet sonderbar an, dass gerade die für die Ausgestaltung der von der öffentlichen Hand organisierten Sozialversicherungen Zuständigen und die engsten Mitarbeiter des Staates nicht verpflichtet sind, den für andere Mitglieder unserer Gesellschaft verpflichtenden Versicherungen beizutreten.

Zum anderen wäre es vorzuziehen, die jährliche Anpassung der Entschädigungen nicht an den Nominallohnindex zu koppeln, sondern an das Bruttoinlandsprodukt. Auch das Bruttoinlandsprodukt wäre als Grundlage für die Bemessung der Abgeordnetenentschädigungen nicht perfekt, weil beispielsweise die Abgeordneten durch höhere Konsumausgaben des Staates das BIP direkt beeinflussen können. Das Bruttoinlandsprodukt ist dennoch dem Nominallohnindex als Anker für die Abgeordnetenentschädigung vorzuziehen, weil es inklusiver ist.

Erstens, wie der Nominallohnindex berücksichtigt auch das Bruttoinlandsprodukt Einkommen, die durch die Bereitstellung des Produktionsfaktors Arbeit erzielt werden. Darüber hinaus berücksichtigt es jedoch anders als der Nominallohnindex auch Einkommen aus der Bereitstellung des Produktionsfaktors Kapital. Fungiert das Bruttoinlandsprodukt als Grundlage für die Anpassung der Entschädigungen der Abgeordneten haben diese einen Anreiz, für Konditionen zu sorgen, die es den Mitgliedern der Gesellschaft leicht machen, die Summe der Einkommen aus beiden Produktionsfaktoren zu steigern.

Zweitens, das Problem der Arbeitslosigkeit schlägt sich direkter auf das Bruttoinlandsprodukt als auf den Nominallohnindex durch. So können hohe Nominallöhne mit einer hohen Arbeitslosigkeit einhergehen, beispielsweise wenn die Insider auf dem Arbeitsmarkt erfolgreich ihr Interesse an hohen Markteintrittsbarrieren zum Nachteil der Outsider durchsetzen können. Erzielen Menschen aufgrund von Arbeitslosigkeit kein Einkommen und tragen somit nicht zum BIP bei, fällt hingegen das BIP unmittelbar niedriger aus.

Erstmals erschienen bei IREF.