Ich liebe Städte – je größer, desto besser. Und ich wette, dass man das schmecken kann. In meinem sehr kleinen Heimatdorf in Niedersachen – das ich sehr liebe – gibt es nicht viel mehr als einen Döner-Laden, einen Asia-Imbiss, und ein gut-bürgerliches Restaurant. In Berlin dagegen gibt es unzählige hochspezialisierte Restaurants, die ausschließlich türkische Spezialitäten aus Süd-Ost Anatolien, vegane süd-vietnamesische Küche oder Pistazien-Backwaren von sizilianischen Bäckern anbieten. Viele Menschen mit unterschiedlichen Geschmäckern auf engem Raum – das ist das Rezept für vielfältige Nachfrage und dann auch das nötige konzentrierte Angebotsmenü. Mein aktueller Favorit: Die Soufflé Pancakes mit vietnamesischem Kaffee im luuv Café in Prenzlauer Berg.

Während ich mich für den Markt der Köstlichkeiten und vietnamesische Pancakes ausführlich begeistern kann, tut der Berliner Senat das nicht. Er misstraut dem Markt: Seit knapp zwei Jahren sind Restaurants gesetzlich verpflichtet, Ergebnisse von Hygienekontrollen im Geschäft auszuhängen. Ein Zettel mit Farbverlauf von grün (sehr gut) über gelb bis rot (nicht ausreichend) soll im Türbereich hängen, ähnlich dem Energieausweis eines Gebäudes.

Stand 2023 haben aber nur drei Betriebe in ganz Berlin überhaupt diese Gastro-Ampel ausgehängt – auch das luuv Café hat das nicht getan. Die Bezirke haben wohl nicht genug Geld, das neue Gesetz durchzusetzen. Uns Berlinern entlockt das nicht mal ein Achselzucken. Wir genießen weiter das kulinarische Berlin – ein paar NGOs ausgenommen – und löffeln weiter mit Vertrauen in die disziplinierende Kraft des Wettbewerbs.

Ist ein Restaurant nämlich unhygienisch und bietet schlechtes Essen an, kommen schnell keine Gäste mehr. Denn es gibt genug Alternativen. Die besten Restaurants werden mit hunderten 5-Sterne-Bewertungen bei Google belohnt – luuv hat fast 700. Die stetigen Menschenströme in die Restaurants und die langen Schlangen vor jedem neu eröffneten – und ungetesteten – Pancake-Laden, sprechen Rezeptbuchbände.

Wenn Sie also das nächste Mal in Berlin sind, schauen sie doch bei luuv vorbei, und unterstützen die Kraft des kulinarischen Wettbewerbs.

 

Meine Buchempfehlung (vielleicht auch zu Weihnachten) ist ein Werk von Hubert Wolf, Professor für Kirchengeschichte in Münster: „Die geheimen Archive des Vatikan und was sie über die Kirche verraten“. Darin gibt er uns einen spannenden Einblick in die Vatikanischen Archive und untersucht die Rolle Papst Pius‘ XII (1939-1958) in der Zeit des Nationalsozialismus und der Judenverfolgung – ein streckenweise dunkles Kapitel der katholischen Hierarchie. Interessant ist auch die Auseinandersetzung der Kirche mit den Erkenntnissen der Naturwissenschaften. An der Katholischen Kirche ist faszinierend, dass sie in ihrem langen Wirken über 2.000 Jahre zahlreiche Wendungen und Anpassungen vorgenommen hat, die im Zeitraffer kurz erscheinen, die aber oft über Hunderte von Jahren vollzogen wurden und immer noch nicht abgeschlossen sind.

Der Umgang mit Erkenntnissen der Naturwissenschaften, mit Gelehrten wie Galileo Galilei und Charles Darwin, zeigt, dass die Offiziellen der Kirche oft geirrt haben, dass sich die Institution Kirche über einen langen Zeitraum einem Lernprozess aussetze musste, der oftmals sehr pragmatisch war. So war die Zensur von Büchern ein beliebtes Instrument der Kontrolle über Inhalt und Lehre der Kirche und des übrigen Gesellschaftslebens. Die Kirche hatte durch die Klöster, in denen Bücher abgeschrieben und vervielfältigt wurden, eine Art Monopol über deren Inhalte. Das Verbot von Büchern war daher ein Verbot von Informationen. Erst mit der Erfindung des Buchdrucks und der kirchenunabhängigen Vervielfältigung von Büchern war die Zensur und der Index verbotener Bücher „nur noch“ ein Instrument der innerkirchlichen Disziplinierung. So machte es die Katholische Kirche dann auch. Außerhalb war dies nicht mehr möglich. Kurz gesagt: Wettbewerb schafft Freiheit – auch die Meinungsfreiheit.

Am 7. November lud der Bundespräsident ein zu einem Festakt zum 35. Jahrestag des Mauerfalls. Als einer der Festredner wurde der Schriftsteller Marko Martin eingeladen. In den 16 Minuten, die seine Ansprache dauerte, wurde der Gastgeber und Hausherr sichtlich immer ungehaltener und erboster. Denn in guter dissidentischer Tradition – Martin stammt aus einer Dissidentenfamilie hat sich der Autor nicht geschmeidig angepasst, sondern den Mächtigen in ihrem eigenen Schloss schonungslos seinen Blick auf die Dinge ins Gesicht gesagt. Nicht hinterm Rücken, nicht nur als Kommentar im Netz, nicht inmitten lauter Gleichgesinnter. Sondern direkt, anständig, aber knallhart ins Gesicht. (Der Bundespräsident zeigte sich deutlich weniger souverän in seiner Reaktion …) Die Rede ist es wirklich wert, gelesen (oder gehört) zu werden und sollte eigentlich von der Bundeszentrale für politische Bildung an alle Schulen geschickt werden. So geht republikanischer Geist.

Wir sind übrigens sehr stolz, dass Marko Martin erst vor wenigen Monaten als Gastredner bei unserer Taverne war …

Die ersten drei Staffeln von 7 vs. Wild habe ich bereits begeistert verfolgt. Besonders der Aspekt der Isolation und des Überlebens hat mich dabei fasziniert. In der neuen, vierten Staffel geht es nun in eine Teams-Edition: Sieben Teilnehmer werden in Neuseeland ausgesetzt, das Szenario ist ein Flugzeugabsturz. Mit dabei ist eine bunte Mischung an durchaus bewusst selektionierten, illustren Gestalten, die wohl einen Querschnitt der Gesellschaft darstellen sollen.

Da sind da zum einen zwei absolute Survival- und Outdoor-Experten, der Biologe Joe Vogel und der Ex-Elitesoldat Stefan Hinkelmann. Dann ist da Joey Kelly – bekannt als Extremsportler und Musiker. Und dann sind noch mit dabei Flying-Uwe, JuliaBeautix, LetsHugo und Selfiesandra und damit vier Teilnehmer aus der Online-Welt, die mit Outdoor und Survival so mal gar nichts am Hut haben.

Spannend an der diesjährigen Staffel ist neben der Extremsituation vor allem die Gruppendynamik: Bereits von Anfang an zeigt sich die Tendenz, aneinander vorbeizureden. Ein potenziell großer Konflikt zeichnet sich immer mehr ab.

Die entstehende Dynamik verdeutlicht, wie leicht Missverständnisse entstehen können und wie schwer es sein kann, echte Verständigung zu erreichen.

Jeder der Teilnehmer bringt seine eigene Perspektive und Erfahrung mit, doch anstatt voneinander zu lernen, führt der ständige Druck der Extremsituation und das Beharren auf dem eigenen Standpunkt oft zu Frustration und Misskommunikation.

Psychologisch ist das sehr interessant, denn es zeigt, wie leicht Menschen in schwierigen Situationen die Fähigkeit verlieren, wirklich zuzuhören und gemeinsam Lösungen zu finden. Die vierte Staffel bietet einerseits großes Entertainment, aber ist auch ein Sinnbild für eine Gesellschaft, in der immer weniger gewaltfrei miteinander und immer mehr übereinander oder aneinander vorbei gesprochen wird. Die Staffel regt dazu an, darüber nachzudenken, wie wichtig echte Kommunikation und Empathie sind – nicht nur in Survival-Situationen, sondern auch im Alltag.

Der amerikanische Ökonom Mancur Olson hat bereits 1985 mit seinem Buch „Aufstieg und Niedergang von Nationen“ („The Rise and Decline of Nations“) seine Theorie des kollektiven Handels auf Länder und Staaten übertragen. Dabei hat er die Entwicklung von Staaten nach dem 2. Weltkrieg untersucht und die dargestellt, dass Japan und Deutschland sich nicht nur deshalb besser als andere Länder entwickelt hätten, weil dort ein großer Wiederaufbau notwendig war und deshalb ein Nachholbedarf vorhanden war. Dies würde als Begründung alleine nicht ausreichen, da auch andere vergleichbare westliche Staaten in der Nachkriegszeit wie Frankreich und Großbritannien zerstört waren. Seine These war, dass dies wesentlich am Zurückdrängen von einflussreichen Interessengruppen lag. Sie konnten Entscheidungsprozesse nicht durch ihre Partikularinteressen aufhalten. Heute ist das leider wieder anders und gleichzeitig der Grund, wieso wir an Bürokratie ersticken. Was hilft? Allgemeine, abstrakte Regel, die für alle gleich sind. Also, weniger Einzelfallgerechtigkeit und insgesamt weniger Regelungen (Gesetze).