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Schon als Persönlichkeit war Calvin Coolidge (1872-1933), von 1923 bis 1929 der 30. Präsident der Vereinigten Staaten, eine außergewöhnliche Gestalt. Anders als sein schillernder Vorgänger Warren G. Harding, dem er nach dessen Tod ins Amt folgte, und anders als viele andere politische Anführer der 1920er Jahre war er ein zurückhaltender Typ – so sehr, dass er den Spitznamen „Silent Cal“ bekam. In einer Zeit, in der überall der Staat expandierte, setzte er sich dafür ein, dass die Politik vor allem ihre eigenen Grenzen beachtet und den Bürgern so viel Freiraum wie möglich gibt. Schon als Gouverneur von Massachusetts achtete er auf fiskalische Disziplin, stemmte sich dem Trend der Prohibition entgegen und war ein deutlicher Fürsprecher für Frauenrechte.

Er führte in enger Zusammenarbeit mit seinem Finanzminister Andrew Mellon massive Steuerreformen durch, die dazu führten, dass im Jahr 1927 nur noch die wohlhabendsten 2 Prozent der Bevölkerung Einkommensteuer zahlen mussten. Die berühmten „Roaring Twenties“ mit ihrem massiven Wirtschaftswachstum verdanken sich auch seiner Fiskalpolitik. Anders als viele seiner Nachfolger finanzierte er die Steuersenkungen nicht etwa über Schuldenaufnahme, sondern durch Haushaltsdisziplin. Schulden baute er sogar deutlich ab. Er widerstand den Verlockungen und Drohungen einer übermächtigen Agrarlobby und half so mit zur effizienten Modernisierung der USA.

Nur eine schwere Last liegt auf dieser Amtszeit eines an sich geradezu modellhaften liberalen Präsidenten. Im (Wahl-)Jahr 1924 beherrschte ein Thema ganz besonders die Diskurse: der zunehmende Widerstand gegen Zuwanderung, der sich mit kaum verhohlenen rassistischen Untertönen gegen Ost- und Südeuropäer und ganz besonders gegen Asiaten richtete. Coolidge bemühte sich, im Kongress einen Kompromiss zu finden, musste aber 1924 schließlich doch den „Immigration Act“ unterzeichnen. Rassismus war ihm zuwider: in seiner Präsidentschaft verlieh er allen Eingeborenen die Staatsbürgerschaft und er bekämpfte den damals bis in die höchsten Kreise vernetzten Ku-Klux-Clan mit Härte. Dass er ein solch antiliberales und in Teilen menschenfeindliches Gesetz unterzeichnen musste, versuchte er abzumildern, indem er wenigstens in seinen Ansprachen immer und immer wieder den Wert derjenigen pries, die durch Zuwanderung Amerika stärker und ambitionierter machten. Mit echtem Patriotismus konnte er sagen: “It is one of the anomalies of the human story that these peoples, who could not be assimilated and unified under the skies of Europe, should on coming to America discover an amazing genius for cooperation, for fusion, and for harmonious effort. … Quite apparently, they found something in our institutions, something in the American system of Government and society which they themselves helped to construct, that furnished to all of them a political and cultural common denominator.”