Photo: Satish Krishnamurthy from Flickr (CC BY 2.0)
Bargeld ist gedruckte Freiheit. Wem das zu erhaben klingt, muss aktuell nur nach Indien schauen. Die dortige Regierung hat die 500- und 1.000-Rupienscheine für ungültig erklärt, um so die Schwarzarbeit zu bekämpfen. Beide Scheine sind die gängigsten Noten auf dem Subkontinent. Seitdem versuchen Millionen von Bürgern, ihre alten Scheine umzutauschen und loszuwerden. Die Notenbank kommt mit der Bargeldproduktion der neuen Geldscheine nicht hinterher. Chaos und Panik herrschen.
Das indische Beispiel ist exemplarisch für das Problem unseres Geldsystems. Es basiert auf zwei Säulen: Die eine Säule ist das staatliche Geldmonopol. Das basiert auf dem Grundsatz, dass der Staat das gesetzliche Zahlungsmittel definiert und nur er Geld produzieren und in Umlauf bringen darf. Dem ist nur schwer auszuweichen. Alle Bürger sind Gefangene ihres Währungsraumes. Die Bürger sind im Alltag daher darauf angewiesen, dass sie jederzeit ihre Geldscheine für den Zahlungsverkehr verwenden können. Es gilt der Grundsatz von Treu und Glaube, dass Bargeld jederzeit umgetauscht werden kann. Der Staat sichert diesen Grundsatz mit seiner Autorität. Gibt es aus irgendeinem Grund Zweifel an der Geldversorgung, dann bricht leicht Panik aus. Bei Banken kommt es zum „Run“. Die Bürger versuchen, ihr Geld möglichst schnell in andere, noch gültige Geldschein umzutauschen oder generell Bargeld zu horten. Im Extremfall bricht das Wirtschaftssystem zusammen, bis der Staat durch eine Währungsreform mit neuem staatlichen Geld einen Neuanfang wagt.
Die zweite Säule unseres Geldsystems ist deren mangelnde Deckung mit einem realen Wert. Die Geldproduktion ist nicht an Gold, oder einen anderen Sachwert gebunden. Sondern sie wird zum einen durch die Zentralbanken als Bargeld gedruckt, deren Menge und Versorgung diese zentral plant und steuert. Und zum anderen als Giralgeld durch die Kreditvergabe der Banken dezentral produziert. Auf letzteres hat die Zentralbank nur indirekt Einfluss. Sie kann die Menge und die Qualität in der Regel nur mittelbar über ihre Geldpolitik steuern. Beides, Bar- und Giralgeld, werden aus dem Nichts produziert. Das Verhältnis Bargeld zu Giralgeld beträgt bei uns eins zu neun. Das ungleiche Verhältnis ist gleichzeitig das Problem bei einem Bankrun. Wollten alle Kunden einer Bank das Geld, das auf ihrem Konto als Giralgeld gebucht wurde, als Bargeld abheben, dann wäre diese Bargeldmenge nicht einmal ansatzweise vorhanden. Deshalb ist in einem ungedeckten Geldsystem der Bankrun das eigentliche Problem. Erkennen die Geldhalter diesen „Schwindel“, kommt es zur Panik. Der schnellste Windhund profitiert, der lahme Dackel schaut in die Röhre. Wer zuerst sein Konto leert, ist daher im Vorteil.
Will man dieses Problem angehen, dann gibt es mehrere Möglichkeiten: Die aktuell vorherrschende ist die Regulierung. Banken werden streng beaufsichtigt. Deren Kreditvergabe wird bürokratisch überwacht, damit diese und die daraus entstehende Giralgeldproduktion möglichst im Einklang mit der wirtschaftlichen Entwicklung stattfinden. Überhitzungen der Wirtschaft will die Notenbank durch eine Verschärfung der Regulierung entgegenwirken. Auf eine wirtschaftliche Schwäche reagiert die Notenbank mit einer Reduktion der Regulierung. Will man einen Bankrun verhindern, dann erfordert dies eine intensive Steuerung des Prozesses. Dennoch gibt es immer wieder unvorhergesehene Ereignisse, die schwere Wirtschaft- und Finanzkrisen auslösen. Ein „schwarzer Schwan“, also ein Ereignis das unvorhergesehen von außen auf ein Finanzsystem oder einen Wirtschaftsraum einbricht, kann schon per Definition nicht vorhergesehen und daher auch nicht gesteuert werden.
Eine weitere Möglichkeit ist, die autonome Geldschöpfung durch Kredite über die Geschäftsbanken zu unterbinden. Diese Idee geht auf den Ökonomen Irving Fisher zurück, der bereits Anfang des letzten Jahrhunderts ein Geldsystem vorschlug, bei dem ausschließlich die Zentralbanken die Menge des Bar- und Giralgeldes bestimmen. Banken müssen in diesem System 100 Prozent des Geldes ihrer Kreditvergabe bei der Zentralbank hinterlegen. Die Notenbank steuert direkt die Menge des Geldes. Fishers Modell ist staatstragend und setzt den Glauben an zentrale Steuerung und deren Verlässlichkeit und Regelgebundenheit voraus. In Krisenzeiten ist das jedoch nicht zu erwarten. Daher eignet es sich wohl nur als Übergangsmodell.
Eine weitere Möglichkeit ist der Geldwettbewerb. Diese Idee geht auf den Ökonomen Friedrich August von Hayek zurück. Der Wirtschaftsnobelpreisträger schlug 1976 vor, das Geld dem Wettbewerb auszusetzen – so wie Brötchen und Wurst auch. Wenn auch die private Geldproduktion zugelassen würde und jeder jederzeit schlechteres in besseres Geld tauschen könnte, würde niemand das schlechtere Geld halten wollen, sondern zusehen, dass er es möglichst schnell umtauscht. Durch den Wettbewerb würde sich evolutorisch gutes Geld entwickeln. Für manchen mag dieser Vorschlag utopisch klingen. Aber Geld ist eine private Erfindung. Der Staat hat sich im Laufe der Geschichte das Geldmonopol erst angeeignet, um leichter den Staatsapparat durch Verschuldung und Inflation finanzieren zu können. Kriege und der Hofstaat waren dadurch leichter und länger zu finanzieren.
Hayeks Idee des Geldwettbewerbs beruht auf seiner Skepsis gegenüber der zentralen Steuerung von Prozessen, an denen viele Akteure beteiligt sind. Er war überzeugt, dass niemand das umfassende Wissen von Millionen von Menschen in sich vereinen kann, wie die richtige Versorgung des Einzelnen mit Gütern aussehen kann. Deshalb kann auch niemand dies zentral planen. Es sei eine Anmaßung von Wissen, die sich der Staat hier zu eigen mache. Daraus leitete er ab: „Die Hauptaufgabe des Wettbewerbs ist es, zu zeigen welche Pläne falsch sind.“ Darin steckt auch der Gedanke, dass es in einer Wirtschaftsordnung besser ist, wenn ein Scheitern dezentral im Kleinen stattfindet als wenn ein zentraler Irrtum im Großen möglich ist, dem keiner ausweichen kann.
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