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Individualismus und Selbstverantwortung sind Konzepte, die uns vertraut sind und ganz selbstverständlich gelebt werden, auch weit über das liberale Umfeld hinaus. Aber sie mussten erst langsam entstehen. Der Homo Sapiens musste sich freistrampeln und differenzieren, nachdem er die allerlängste Zeit seiner Existenz in kleinen, geschlossenen und streng hierarchischen Gruppen sein Dasein gefristet hatte. Der wichtigste Träger bei diesem Wandel war Kultur – im weitesten Sinne, also Narrative, die in einer Gesellschaft verbreitet werden.
Ziemlich am Anfang des Prozesses steht die Figur der Antigone, die der griechische Dichter Sophokles in seinem gleichnamigen Drama verewigt hat. Sie bricht aus den traditionellen Gepflogenheiten aus und stellt sich demonstrativ gegen die Mächtigen und ihre Ungerechtigkeiten. Damit ist sie ein Urbild für das, was sich später zum Beispiel als Gewissensfreiheit und ziviler Ungehorsam herausbilden wird. Seit meinen Schulzeiten begleitet mich diese Figur in meiner Sicht auf die Welt, in meinem Pflichtgefühl und auch als Vorbild, wenn der Dichter ihr die Worte in den Mund legt: „Nicht mitzuhassen, mitzulieben bin ich da.“

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