Photo: oddharmonic from Flickr (CC BY-SA 2.0)

Initiativen privater Solidarität sind in den meisten Fällen erheblich wirksamer als Maßnahmen des Sozialstaates oder der Entwicklungshilfe. Über Spenden und Freiwilligenarbeit hinaus gibt es noch eine Möglichkeit privater Solidarität: Das soziale Unternehmertum.

Rendite für die Ärmsten

Am Mittwoch hat die Meldung Furore gemacht, dass Facebook-Gründer Mark Zuckerberg rund 45 Milliarden Dollar spenden möchte. Die Stiftung, die er anlässlich der Geburt seiner Tochter einzurichten ankündigte, soll weltweit Gesundheitsversorgung, Bildung, eine nachhaltige Entwicklung und ähnliche Zwecke fördern. Damit setzt er eine Tradition der Philanthropie fort, die in den Vereinigten Staaten von Andrew Carnegie bis Bill Gates natürlicher Bestandteil des Selbstverständnisses von Unternehmern ist. Aber auch in Europa und bei uns in Deutschland stellen sehr viele Unternehmer erhebliche Geldsummen zur Verfügung, deren Rendite nicht auf ihrem Konto landet, sondern der Gesellschaft zugutekommt – oft ihren ärmsten und schwächsten Gliedern.

Die Motive für solche Großzügigkeit sind sehr vielfältig: Die einen wollen „der Gesellschaft etwas zurückgeben“, andere handeln aus bestimmten philosophischen oder religiösen Überzeugungen heraus, wieder andere werden angestachelt durch ihren Fortschrittsoptimismus, den sie mit dem unbedingten Willen verbinden, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Eines haben sie freilich alle gemeinsam: Obwohl sie alle Jahr für Jahr einen erheblichen Beitrag in den Steuersäckel werfen müssen, rufen sie nicht nach dem Staat, um soziale Probleme zu lösen. Vielleicht auch, weil sie sehr genau wissen, dass Politik und Bürokratie generell keine Experten für Problemlösung sind …

Jeder nach seinen Möglichkeiten

„Zuckerberg kann problemlos so viel abgeben. Der wird ja auch danach noch zu den reichsten Menschen der Welt gehören.“ Aus der Perspektive einer Familie mit drei Kindern, die Miete zu bezahlen hat und fünf Leute mit Nahrung, Essen, Kleidung und vielleicht auch noch einem Flugticket für den Kanada-Austausch der Ältesten ausstatten muss, ist ein solcher Einwand nachvollziehbar. Der indischen Familie, die sich mit diesen Geldern endlich eine Toilette bauen kann, wird das herzlich egal sein. Ebenso den Bauern im bolivianischen Hochland, die jetzt eine Schule im eigenen Dorf haben. Und um diese Menschen soll es ja auch primär gehen!

Gleichwohl muss nicht jeder ein Zuckerberg oder Buffett sein, um etwas gegen Armut und Not, Krankheit, Elend und Tod zu tun. In den vergangenen zwölf Monaten haben das Hunderttausende unserer Mitbürger sehr eindrucksvoll bewiesen, indem sie sich eingebracht haben bei der Unterstützung von Flüchtlingen – in Kleiderkammern und Volkshochschulen, bei Behörden und in ihren eigenen Wohnungen. Auch jenseits solch aktueller Ereignisse wie den Kriegsflüchtlingen gehen junge Menschen nach dem Abitur für ein Jahr in ein Kinderheim in Ostafrika, verbringen Ärzte ihren Jahresurlaub mit Operationen in Bangladesch und organisieren Kegelvereine den Transport von Krankenhausbetten nach Moldawien. Wichtig ist nicht, wieviel man gibt. Und erst recht nicht, wie viel einem danach noch übrig bleibt. Wichtig ist, dass Menschen geholfen wird.

Wir brauchen soziale Unternehmer

Spenden und Freiwilligenarbeit sind jedoch nicht die einzigen Optionen, wie man seinen Mitmenschen helfen kann. Vor einer Woche war ich in Lviv in der Ukraine und habe dort eine weitere Option kennengelernt, die mich auf Anhieb begeistert hat. Ich durfte zu Gast sein bei Yuriy, einem Freund aus meinen Studiumstagen. Yuriys Sorge gilt obdachlosen Frauen, die auf den Straßen der westukrainischen Stadt leben. Darum hat er ein Frauenhaus ins Leben gerufen, um den Frauen Schutz und Zugang zu Nahrung und Hygiene zu geben. Aber auch, um ihnen Arbeit zu geben. Denn diese Arbeit gibt ihnen die Möglichkeit, einen neuen Sinn im Leben zu finden und Fertigkeiten einzuüben, die für die Teilhabe an der Gesellschaft wichtig sind. Das Frauenhaus lebt aber nicht primär von staatlichen Zuwendungen, Spenden oder Freiwilligenarbeit. Es ist ein unternehmerisches Projekt. Yuriy versteht sich als Unternehmer. Er will den Frauen helfen. Und darum packt er an.

Zuerst hat er das Frauenhaus mit Hilfe einer Kerzenwerkstatt finanziert. Seit einiger Zeit ist es vor allem eine Bäckerei, die den Geldfluss gewährleistet und gleichzeitig den Frauen die Möglichkeit gibt, sich mit ihren Fähigkeiten einzubringen. In der derzeit sehr lebhaften IT-Branche in Lviv sind die Kekse von Yuriys Bäckerei inzwischen ein so fester Bestandteil der Mitarbeitermotivation wie die Sitzsäcke und die Playstation. Derzeit planen Yuriy und seine Freunde, ins Nuss-Geschäft einzusteigen, um das Frauenhaus weiter ausbauen zu können.

Zuckerbergs gigantische Spende ist sehr ehrenvoll und wird auf jeden Fall für eine große Zahl an Menschen, auch weit in die Zukunft hinein, enormes bedeuten. Mindestens genauso wichtig aber ist es, dass es Menschen wie Yuriy gibt. Die ihr Anliegen, anderen in Not zu helfen, nicht dazu bringt, dass sie erst einmal nach dem nächsten Staatstopf Ausschau halten. Die das Anliegen als ihr eigenes verstehen, nicht als eines, das man outsourced oder vergemeinschaftet. Wenn man sich ein schönes Auto kaufen will, muss man hart arbeiten. Genauso muss man hart arbeiten, wenn man ein Frauenhaus gründen und unterhalten will. Einen solchen Ansatz sozialen Unternehmertums könnten wir auch hierzulande gut gebrauchen: Wenn ich eine andere Welt will, muss ich selber anpacken!

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