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Photo: mike goehler from Flickr (CC BY-ND 2.0)

Von Frederik C. Roeder, Ökonom und Direktor des Consumer Choice Centers.

In der Vergangenheit war der Berufsstand Apotheker in der Bundesrepublik so gut geschützt wie der Adler auf dem Bundeswappen. Doch in letzter Zeit scheint die Apothekerlobby den Bogen überspannt zu haben. Im vergangenen Jahr zeigten die Liberalen, dass sich auch der Apothekerstand Wettbewerb und Wandel stellen müssen. Nun sorgen Signale aus einem Bundesministerium für weiteren Zündstoff.

Ein bisher unveröffentlichtes Gutachten des Bundeswirtschaftsministeriums kommt zum Schluss, dass die staatlich festgesetzten Honorare für deutsche Apotheker zu hoch sind. Die Gutachter schreiben von einer Überfinanzierung, die sich auf circa 20% des jährlichen Apothekerhonorars oder 1,1 Milliarden Euro beläuft.

Die Studie geht auch auf wirtschaftliche Probleme von Apotheken im ländlichen Raum ein und stellt fest, dass diesen nicht durch ein Verbot des Versandhandels von verschreibungspflichtigen Medikamenten geholfen ist. Das Argument der Apothekervereinigung ABDA, der Versandhandel schade der Versorgung im ländlichen Raum ist damit unhaltbar.

Das Festhalten an einem sehr limitierten Versandhandel hat auch negative Auswirkungen für Verbraucher. Die gut-organisierte Apothekerschaft ruht sich auf Kosten der Allgemeinheit aus.

Für Patienten stellt der Status Quo des deutschen Apothekenwesens große Probleme beim Zugang zu Medikamenten dar. Während in anderen Bereichen mit Knopfdruck Lebensmittel und andere Waren bestellt werden können, erfordert der anachronistisch regulierte Medikamentenversand die Einsendung eines Papierrezepts im Voraus. Es ist also fast umständlicher als direkt zur Apotheke zu gehen. Für chronisch Kranke ist dies eine Zumutung: Informationstechnologien erlauben schon lange elektronische Rezepte, in fortschrittlichen Staaten wie Estland ist das Papierrezept 25 Jahre nach Unabhängigkeit von der Sowjetunion Geschichte, Verschlüsselung auf der Blockchain macht das elektronische Rezept sicherer als Papier.

Innovationshemmnis Apotheke: Eine alternde und multimorbide Bevölkerung stellt die Gesundheitsversorgung in Deutschland auf ganz neue Herausforderungen. Technologietrends wie Internet of Things können bei der Erhebung von Medikamentenvorräten und Einnahmecompliance helfen. Vorbehalte gegenüber der Datensicherheit und Manipulationsanfaelligkeit des elektronischen Rezepts können durch kluge Anwendungen von Kryptographie auf der Blockchain entkräftet werden.

Nichtsdestotrotz werden solche Innovationen von unserer Apothekerlobby mit allen Mitteln aufgehalten. Zu groß ist die Angst, dass sich Patienten zunehmend für Versandapotheken entscheiden würden und man sich die angenehmen Vergütungsbudgets mit neuen Wettbewerbern teilen müsse.

Doch selbst erfolgreiche „stationäre“ Apotheker werden in ihrem Erfolg dadurch gebremst, dass antiquierte Vorschriften existieren, wie das Verbot mehr als maximal vier Apotheken zu betreiben oder das Fremdbesitzverbot das Investitionen durch berufsfremde Kapitalgeber verhindert.

Eine Liberalisierung der Abgabe von vielen verschreibungsfreien Medikamentenwürde Verbrauchern erlauben Kopfschmerztabletten und ähnliche Präparate im Supermarkt zu erwerben. Viele westliche Staaten erlauben dies schon seit Jahrzehnten. Die Preise für solche Medikamente in liberalisierten Märkten sind deutlich niedriger, der Zugang für Patienten komfortabler und die Patientensicherheit ist weiter gegeben. Meldungen von Falschdosierungen oder erhöhtem Konsum aus den Niederlanden oder Dänemark blieben aus.

Die aktuelle Studie des Bundeswirtschaftsministeriums ist ein weiterer Beweis dafür, dass Patienten bei der aktuellen Apothekenpolitik den Kürzeren ziehen. Die Nutzung von neuen Technologien, das Aufbrechen mittelalterlicher Gildenstrukturen und ein Ende der Sonderbehandlung von Apothekern würden ungeahnte Potenziale in der Patientenversorgung und Wahlfreiheit von Verbrauchern erlauben. Die Zeichen der Zeit stehen gut, dass Verbraucher endlich aus der Geiselhaft der Apothekerlobby gelassen werden und dringend notwendiger Wandel in der Medikamentenversorgung passieren kann. Der Ball ist bei der nächsten Bundesregierung diese Chance zu nutzen.

Photo: Wikimedia Commons (CC 0)

Der Gesetzgeber engt den Spielraum von Unternehmern und Konsumenten in einem schleichenden Prozess immer stärker ein – und die Gerichte machen mit. Der missionarische Eifer dieser Weltbeglückungsträume zwingt den Bürgern immer mehr ein Wertesystem auf. Darf die Politik das?

Die Politik erweitert ihren Handlungsspielraum

Ludwig Erhard, Helmut Schmidt, Gerhard Schröder – Kanzler, die sich ständig mit Rauchwaren im Mund abbilden lassen oder vor laufender Kamera ein Bier bestellen, wären heute nur noch schwerlich denkbar. Eine moderne Prüderie hat Einzug gehalten in der Sphäre der Politik. Das hat auch damit zu tun, dass zumindest halbwegs das Gleichgewicht zwischen Reden und Handeln gewahrt werden muss. Und in Bezug auf das Reden hat eine zunehmend freudlose Stimmung immer mehr die Oberhand gewonnen. Alkohol, Tabak, Zucker, Fett, Fleisch – was früher einmal unverzichtbarer Grundbestandteil von Schützenfest, Karneval und Omas 80. Geburtstag war, wird von verschiedensten Seiten für das Unglück in dieser Welt verantwortlich gemacht. Kein Wunder also, dass man inzwischen erleben kann, wie Politiker Fotografen darum bitten, sie nicht beim Fleisch-Essen abzulichten.

Eine krude Mischung aus Puritanismus und Selbstoptimierung ist auf dem Vormarsch. Natürlich kann man nicht leugnen, dass die Politik auf diesem Feld durchaus eine bestehende Nachfrage bedient. Es sind inzwischen bei weitem nicht mehr nur „die Ökos“, die sich einem gesundheitsbewussten Lebensstil verpflichtet fühlen. Unabhängig davon, ob man diese Entwicklung nun begrüßt oder bedauert, muss man sich die Frage stellen: Nutzt die Politik diesen Trend, um hemmungslos die Grenzen ihres legitimen Handelns zu überschreiten und mithin diese Grenzen im allgemeinen Bewusstsein zu verschieben? Auch Freunde des gesunden Lebens sollten hier Acht geben, weil es eben nicht nur um konkrete Fragen geht, sondern um prinzipielle.

Gleichheit vor dem Gesetz war gestern

Vor zwei Wochen hat der Bundesgerichtshof entschieden, die ohnehin schon exzessiven Regeln zu Tabakwerbung im Internet so streng wie möglich auszulegen. Nicht einmal auf ihren eigenen Webseiten dürfen die Hersteller von Rauchwaren mehr Menschen beim munteren Konsum von Tabakprodukten zeigen. Wie rechtfertigen Gesetzgeber und Richter eigentlich solche massiven Eingriffe in die unternehmerische Freiheit? Staatliche Akteure sind inzwischen völlig außer Rand und Band geraten, wenn es darum geht, die Bürger vor ihrer eigenen „Dummheit“ zu schützen. Und bedauerlicherweise gibt es auch eine große Zahl an Bürgern, die das tolerieren oder gar selber einfordern. Gerade diese Unterstützung in Teilen der Bevölkerung macht es Politikern immer leichter, die Grenzen der geduldeten Eingriffe in die Entscheidungen ihrer Bürger weiter zu verschieben. Während sie dabei vermeintlichen Schutz ermöglichen, zerstören sie in Wirklichkeit Stück für Stück die Grundlagen des freiheitlichen Rechtsstaats.

Die Argumente für die einzelnen Eingriffe kommen in der Regel im pragmatischen Gewand daher nach dem Schema: In diesem konkreten Fall sei jetzt eine bestimmte Maßnahme gerechtfertigt, weil sie ein erwünschtes Ziel begünstige. Was im Einzelfall dann sinnvoll und vernünftig erscheinen mag und darum Zustimmung erntet, untergräbt zunehmend die Freiheit, die sich unsere Vorfahren mühsam erarbeitet haben. Denn eine zentrale Grundlage unserer individuellen Freiheit ist es, dass wir keinen willkürlichen Eingriffen der Herrschenden ausgesetzt sind, sondern in einem verlässlichen System aus allgemeinen und gleichen Regeln leben. Die Gleichheit vor dem Gesetz ist, wie die Philosophin Hannah Arendt einmal herausstellte, das Gegenstück zu Machtausübung. Das ursprünglich griechische Konzept der „Isonomie“, das später von mittelalterlichen Rechtsgelehrten und den Denkern der Aufklärung weiterentwickelt wurde, und die Grundlage unseres Rechtsverständnisses bildet, wird laut Arendt dadurch gekennzeichnet, dass hier das Konzept der Herrschaft durch Personen vollständig fehle. Es ist das Ideal der Herrschaft des Rechts.

Diskriminierung für einen guten Zweck

Dieses Bollwerk gegen Willkür der Politik untergraben die paternalistischen Einzelmaßnahmen gegen alle möglichen Produkte und Verhaltensweisen, die als schädlich angesehen werden. Der Tabakproduzent und der Hersteller von Katzenfutter werden vollkommen unterschiedlich behandelt. In diesem Geiste dürfte es nicht mehr allzu lange dauern, bis auch die Süßwarenhersteller und die Computerspielentwickler ins Visier genommen werden. Wir geraten immer tiefer in einen Strudel der Diskriminierung hinein. Politiker und Meinungsmacher entscheiden, wer bestraft und wer belohnt werden soll, denn sie entscheiden auch, was schädlich ist und was nicht; was bekämpft werden muss und was in Ruhe gelassen wird; und was dem Bürger (oder sollte man sagen: dem Untertan?) zu einem besseren Leben verhilft.

Pragmatismus statt Prinzipienreiterei – mit diesem Argument werden Einwände gegen die diskriminierenden Maßnahmen der Politik oft vom Tisch gewischt. Was zählt schon die unternehmerische Freiheit, wenn Leben gerettet werden können? Diese Logik ist ein bewährtes Mittel, um Macht auszuweiten und Freiheit einzuschränken. Diesen süßen Sirenengesängen nicht zu folgen, erfordert Stehvermögen. Während man für ein abstraktes Prinzip streitet, werden einem Raucherlungen und Drogenstatistiken entgegengeschleudert. Man darf sich davon nicht irremachen lassen. Früher wurde die Willkür der Herrschenden gerechtfertigt mit religiösen Begründungen oder dem nationalen Interesse – heute eben mit der Sorge um die Gesundheit und das Wohlergehen der Bürger. Was Friedrich August von Hayek 1961 in dem Artikel „Die Ursachen der ständigen Gefährdung der Freiheit“ schrieb, ist in diesem Zusammenhang zeitlos gültig: „dass die Freiheit nur erhalten werden kann, wenn sie nicht bloß aus Gründen der erkennbaren Nützlichkeit im Einzelfall, sondern als Grundprinzip verteidigt wird, das der Erreichung bestimmter Zwecke halber nicht durchbrochen werden darf.“

Photo: Neil Conway from Flickr (CC BY 2.0)

Als Friedrich August von Hayek 1974 der Ökonomienobelpreis verliehen wurde, schrieb der jüngste Preisträger Richard Thaler gerade seine Doktorarbeit über Verhaltensökonomie, die ihn später so populär machen sollte. Die Idee, dass der Mensch eine nutzenmaximierende Maschine sei, war lange die vorherrschende Denkrichtung in der Volkswirtschaftslehre. Thalers Verdienst, dieses falsche Bild des Einzelnen zu zerstören, hat die Schwedische Akademie der Wissenschaften jetzt gewürdigt.

Doch Vertreter der Verhaltensökonomie werden nicht zum ersten Mal mit diesem Preis gewürdigt. Vor 15 Jahren bekam Daniel Kahnemann bereits den Preis für seine Forschung auf diesem Gebiet. Schon Kahnemann widersprach vehement dem neoklassischen Paradigma eines „homo oeconomicus“, der alle Entscheidungen rational und ökonomisch trifft. Selbst Hayek hatte dies in seinen Arbeiten herausgearbeitet. Es gehört zur DNA der Ökonomen der Österreichischen Schule, deren wohl bekanntester Vertreter Hayek ist. Die Österreicher haben dem Konzept des „homo oeconomicus“ schon zu Beginn des letzten Jahrhunderts widersprochen. Sie gehen davon aus, dass Wissen und Informationen immer subjektiv und verstreut sind und einem ständigen Wechsel unterliegen. Daher gibt es für Entscheider, seien es Konsumenten oder Unternehmer, nicht eine feste Wahrheit, sondern viele Möglichkeiten, da keiner umfassendes Wissen haben kann.

Daher kann auch niemand, keine Regierung und kein Parlament, vorhersagen, was die Zukunft bringt. Und da kollidiert Hayek mit Thaler fundamental. Thaler nutzte seine Erkenntnisse der irrationalen Entscheidungen des Einzelnen dazu, ein völlig neues Politikkonzept den Regierungen anzubieten, das er Nudging nennt. Dabei geht es darum, dass Bürger zu richtigem Verhalten angestupst (to nudge) werden. Nicht mehr Gesetze oder Verordnungen regeln die Grenzen des Zusammenlebens, sondern Methoden aus der Psychologie sollen Bürger zu richtigem Verhalten bringen. Dieses Anstupsen ist zur Mode moderner Regierungsführung geworden. Thaler beriet bereits Barack Obama in diesen Fragen. Der ehemalige britische Premierminister David Cameron richtete ein „Behavioural Insights Team” in der Downing Street 10 ein. Und auch Angela Merkel hat eine Gruppe im Kanzleramt, die sich um das sanfte Anstupsen der Bürger kümmert. Das Ziel ist, unterhalb der Gesetzgebung durch psychologische Maßnahmen das Verhalten der Bürger zu ändern.

Aus der Erkenntnis der Verhaltenspsychologie heraus, dass Menschen nicht immer das tun, was sie tun WOLLEN, werden also neue politische Konzepte gestrickt. Jetzt geht es nicht mehr darum, dass Bürger nicht das tun, was sie tun WOLLEN, sondern, dass sie nicht tun, was sie tun SOLLEN. Das mag harmlos klingen – wer hat schon etwas dagegen, wenn Autofahrer auf Autobahnen vor zu dichtem Auffahren durch Unfallbilder auf Hinweistafeln gewarnt werden. Doch welche Methoden und welche Maßnahmen eine Regierung ergreift, entzieht sich dabei in der Regel der Kontrolle des Souveräns. Welche Ziele die Regierung damit verfolgt, erst recht.

Hayek hat in seiner Dankesrede bei der Nobelpreisverleihung in Stockholm vor der Anmaßung von Wissen gewarnt. Er hat gerade seiner eigenen Zunft vorgeworfen, viel Elend mit ihren Empfehlungen an die Politik angerichtet zu haben. „In dem Glauben, dass Ökonomen die Kenntnis und die Macht besitzen, die Vorgänge in der Gesellschaft ganz nach unserem Gutdünken zu gestalten, eine Kenntnis, die wir in Wirklichkeit nicht besitzen, werden wir nur Schaden anrichten“, so Hayek. Doch nicht nur die Ökonomen haben dieses Wissen nicht, sondern auch Parlamente, Regierungen und Beamte haben dieses Wissen nicht. Niemand hat dieses allumfassende Wissen.

Deshalb ist Nudging als weicher Paternalismus nichts Harmloses, sondern ein Angriff auf die Autonomie des Menschen als Bürger, als Konsument und generell als Individuum. Prometheus – Das Freiheitsinstitut hat dazu im vergangenen Jahr eine Studie durch den deutschen Nudging-Experten Professor Jan Schnellenbach erstellen lassen, die als Fazit hat, dass das Konzept des Nudging, anders als von den Befürwortern behauptet, sehr wohl die Autonomie des Einzelnen einschränken kann, da Maßnahmen auch zur gezielten Manipulation genutzt werden können. Wer schützt die Bürger in einem Rechtsstaat davor, dass eine Regierung mit Methoden des Nudging an Parlament und Gerichten vorbei, Grundrechte einschränkt, wenn die Maßnahmen gar nicht im Detail bekannt sind? Man kann nur sagen: wehret den Anfängen.

Erstmals erschienen bei Tichys Einblick.

Photo: Simon Harrod from Flickr (CC BY 2.0) 

Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues und Julian Reichardt, Student der Volkswirtschaftslehre in Berlin. 

Im vergangenen Jahr kippte der Europäische Gerichtshof die in Deutschland geltende Preisbindung für rezeptpflichtige Medikamente. Vor diesem Urteil hatte der deutsche Apothekerverband im Vorfeld inständig gewarnt. Demnach sei eine bestmögliche Medikamentenversorgung, die sich am Schutze der Gesundheit und des Lebens orientiere, ohne Preisbindung nicht zu machen. Diese Argumentation sahen die Luxemburger Richter zwar als prüfenswert an, wiesen sie aber aufgrund unzureichender Belege schlussendlich zurück. Das hartnäckige Werben für eine Preisbindung durch Interessensvertreter ist kein Unikum der Arzneimittelbranche. Taxiunternehmer und Buchhändler versuchen sich ebenso regelmäßig dabei, die angeblichen Vorteile anzupreisen, welche Preisbindungen für Verbraucher haben. Bei genauerer Betrachtung offenbart sich jedoch, dass es vielmehr sie selber sind, die von den Preisbindungen profitieren. Das Wohl des Verbrauchers bleibt dabei meistens auf der Strecke.

Bessere Medikamentenversorgung durch Preiswettbewerb

Im Zuge der Verhandlungen am EuGH hatte der deutsche Apothekerverband wiederholt auf das angebliche Gefährdungspotential einer Preisliberalisierung für die deutsche Patientenfürsorge aufmerksam gemacht. Eine Aufhebung der Preisbindung werde einen Siegeszug der Versandhändler Bahn brechen, welche so manche ortsansässige Apotheke in den Ruin treiben würde. Eine flächendeckende, wohnortsnahe Arzneimittelversorgung sei hierdurch dem Niedergang geweiht und eine bestmögliche Medikamentenversorgung von nun an nicht mehr gewährleistet.

Die Richter schluckten die Pille der Apothekerverbände nicht. Im Gegenteil. Sie machten in ihrem Urteilsspruch deutlich, dass es klare Anhaltspunkte für den genau gegenteiligen Effekt gebe: Mehr Preiswettbewerb unter den Apotheken würde die gleichmäßige Versorgung mit Arzneimitteln sogar fördern, so das Fazit der Richter. Tendenziell könnten Apotheker bei einer freien Preisentfaltung in strukturschwachen Regionen aufgrund des geringen Wettbewerbdrucks höhere Servicezuschläge verlangen. Sie hätten somit einen Anreiz, vor Ort eine Niederlassung zu eröffnen. Langfristig würde sich dadurch die Versorgungslage auf dem Land verbessern.

Unabhängig davon, ob die Richter mit ihrer Einschätzung bezüglich der Monopolsituation von Apotheken in ländlichen Regionen richtigliegen, sollten Apotheken frei entscheiden können, zu welchem Preis sie Medikamente verkaufen – auch Versandapotheken. Der Wettbewerb unter den Apotheken würde dann nicht mehr nur über die Beratungs- und Servicequalität, sondern auch über den Preis der Medikamente ausgetragen werden. Von einer Preisliberalisierung und den damit einhergehenden geringeren Preisen für rezeptpflichtige Medikamente würden vor allem die Patienten und Beitragszahler der Krankenkassen profitieren. Diesen Kundenvorteil rücken die Apothekerverbände verständlicherweise nicht in den Vordergrund, wenn sie sich für den Erhalt der Preisbindung aussprechen.

Statt dem etwas entgegenzusetzen, lässt sich Gesundheitsminister Gröhe allem Anschein nach weiterhin für die Interessen der traditionellen Apotheken einspannen. Nach aktuellem Stand möchte er die Versandapotheken zum „Schutze der Verbraucher“ verbieten, um die Versorgung durch die wohnortsnahen traditionellen Apotheken nicht zu gefährden. Der Schluss liegt nahe, dass es sich hierbei um gezielte Interessenpolitik im Sinne der Apotheker handelt: Nur ungern möchte sich der CDU-Politiker im Wahljahr 2017 gegen die Interessen der gut organisierten Apotheker stellen.

MyTaxi und Uber: Einsparungspotentiale in Millionenhöhe

Der Markt für Medikamente ist nicht der einzige, auf dem etablierte Platzhirsche um ihre Privilegien ringen. Seit Jahren wehren sich Taxiunternehmen und ihre Interessenverbände gegen Konkurrenten, die wie MyTaxi oder Uber auf Apps statt auf Taxistände setzen. Auch ihnen ist sehr viel an der Preisbindung in ihrer Branche gelegen. Dies ist verständlich. Erlaubt die Preisbindung es Taxiunternehmen doch, sich Konkurrenten vom Leibe zu halten, die bereit wären, die gleiche Leistung oder gar eine bessere Leistung zu einem niedrigeren Preis anzubieten.

Öffentlich stellen die Interessensvertreter gerne die angeblichen Vorzüge der Preisbindung für den Verbraucher in den Vordergrund: Die auf dem Taximarkt geltende Preisbindung würde einen ruinösen Preiswettbewerb verhindern und somit das für die allgemeine Daseinsvorsorge wichtige Funktionieren des örtlichen Taxenverkehrs sichern.

Für ein Versagen des Marktes für Fahrdienstleistungen spricht jedoch nichts. Vieles spricht allerdings dafür, dass Taxiunternehmen, wie auch andere Unternehmen, keine zusätzliche Konkurrenz mögen. Die Aufhebung der Preisbindung würde die Konkurrenz zwischen den derzeitigen Taxiunternehmen und alternativen Anbietern intensivieren. Anbieter mit einem schlechten Preis-Leistungs-Verhältnis würden sich nicht lange auf dem Markt halten können und müssten entweder attraktivere Angebote machen oder den Markt verlassen. Die Attraktivität der gemachten Angebote würde demnach für die Kunden gegenüber dem derzeitigen Preisbindungsszenario sogar steigen.

 

 

Wie hoch die Vorteile einer Preisliberalisierung für die Verbraucher wären, lassen Zahlen aus Amerika erahnen. Die Kosteneinsparungen, die Kunden allein durch UberX für das Jahr 2015 realisieren konnten, lagen dort Schätzungen zufolge bei etwa 6,8 Milliarden US-Dollar. Das sind handfeste Vorteile für Verbraucher, die ihnen hierzulande mit Hinweis auf ihren eigenen Schutz vorenthalten werden.

Büchervielfalt auch ohne Preisbindung

Ein weiterer prominenter Fall, in dem angebliche Verbraucherinteressen vorgeschoben werden, um Klientelinteressen salonfähig zu machen, ist die Buchpreisbindung. Diese schreibt den Verlagen vor, für jedes Buch einen unveränderbaren Preis festzusetzen, der für alle Letztverkäufer verbindlich ist. Das erklärte Ziel der Buchpreisbindung ist, ein vielfältiges Angebot an Büchern zu garantieren, welches über Bestseller hinausgeht und auch die Verlegung weniger populärer, aber kulturell wertvoller Titel ermöglicht.

Der angeführte positive Effekt der Preisbindung auf die Anzahl der erschienenen Buchtitel lässt sich jedoch nicht beobachten. Die beiden Haupteffekte einer Aufhebung der Preisbindung sind empirischen Studien zu Folge andere: Zum einen eine Verlagerung von kleinen unabhängigen Buchhandlungen zu größeren Filialen, zum anderen eine Verringerung der Preise für Bestseller. Die Profiteure der Buchpreisbindung scheinen also in erster Linie kleine Buchhandlungen zu sein, während eine Aufhebung der Buchpreisbindung dem ursprünglich ausgegebenen Ziel der Buchpreisbindung eher nicht entgegensteht.

Einige Angehörige unserer Gesellschaft mögen ein Faible für kleine Buchhändler haben, die ohne Buchpreisbindung im Wettbewerb mit großen Buchhandlungen und Onlineanbietern, die eine vielfältigere Auswahl zu niedrigeren Preisen anbieten, keine Chance auf ein profitables Fortbestehen hätten. Den Fortbestand kleiner Buchhändler zu sichern, ist jedoch gewiss nicht Aufgabe des Staates.

Die Preisbindung hat ausgedient

Es gibt keine Hinweise darauf, dass die Aufgabe von Preisbindungen auf den Märkten für rezeptpflichtige Medikamente, Taxifahrten und Bücher zu den von den jeweiligen Interessengruppen prophezeiten Desastern führen würde. Im Gegenteil. Es spricht vieles dafür, dass die dem Schutz der breiten Masse der Verbraucher dienenden politischen Ziele grundsätzlich besser durch eine Preisliberalisierung erreicht werden könnten. Anstatt sich in Passivität zu üben und auf Maßregelungen des Europäischen Gerichtshofs zu warten, sollte sich der deutsche Gesetzgeber selbständig aufraffen, Preisbindungen im Sinne der Verbraucher aufzuheben.

Erstmals erschienen bei IREF.

Photo: SPD Saar from Flickr (CC BY-ND 2.0)

Verbraucherschutz als Bollwerk gegen ausbeuterische und profitgierige Konzerne? Es wäre angebracht, die Aufmerksamkeit auch auf politische Akteure zu richten. Denn viele Nachteile für Verbraucher kommen aus Besteuerung und Regulierung und nicht von Marktakteuren.

Gierige Unternehmer? Gieriger Staat!

Ein großer deutscher Energiekonzern verschickte vor kurzem an seine Kunden einen Brief, in dem er Preiserhöhungen ankündigte. Im Brief und der beiliegenden Broschüre wird ohne Schaum vorm Mund, aber mit einer durchaus klaren Sprache herausgearbeitet, dass die Preiserhöhung nicht Ergebnis zunehmender Raffgier des Unternehmens ist. Dem Kunden wird verdeutlicht, dass 24 % des Strompreises Netzentgelte sind, 54 % durch staatliche Steuern, Abgaben und Umlagen entstehen und nur 22 % für Beschaffung und Betrieb anfallen, vom Stromversorger also tatsächlich zu beeinflussen sind. Derlei Informationen sollten dem Verbraucher viel öfter und deutlicher zur Verfügung gestellt werden!

Gesetzgeber und Bürokraten schildern die Macht der Konzerne oft in düsteren Farben. So entblödete sich etwa Verbraucherschutzminister Heiko Maas nicht, in einem Artikel aus dem Jahr 2014 der digitalen Industrie pauschal finstere Motive zu unterstellen: „so schnell wie im Silicon Valley neue Produkte erfunden werden, kann kein Staat der Welt Gesetze verabschieden“. Als ob jedes Produkt erst einmal dringend der Inspektion durch den Staat bedürfte … (Der Minister spricht hier übrigens von den Leuten, die unsere Informationsgesellschaft mit Google, Wikipedia & Co. exponentiell vorangebracht haben, Unterhaltung mit Diensten wie Netflix und Spotify für alle leichter zugänglich gemacht haben und die darüberhinaus auch unendlich viel forschen, um Medizin, Umweltschutz und Bildung zu verbessern.)

Energiewende – bezahlt vom Kindergeld

Natürlich gibt es gefährliche Konzernentscheidungen, verbrecherische Unternehmer und kurzsichtige Manager. Im Zweifel sollte aber doch nicht nur im rechtsstaatlichen, sondern auch im zwischenmenschlichen Umgang die Unschuldsvermutung gelten. Ersteres sollte gerade dem Justizminister bewusst sein, wenn er pauschale Verdächtigungen ausspricht – zumal er selber im vergangenen Jahr zurecht vor einem Pauschalverdacht gegenüber Flüchtlingen gewarnt hatte. Selbstverständlich sind in Unternehmen Menschen tätig, die ähnlichen Versuchungen ausgesetzt sind wie Politiker: den Versuchungen des Machtmissbrauchs. Insofern ist der aufmerksame Verbraucher durchaus gefragt. Aber eben auch der aufmerksame Bürger. Denn auch politische Maßnahmen wirken sich oft zum erheblichen Schaden des Verbrauchers und Bürgers aus.

Knapp 29 Euro im Jahr mehr fallen laut der Rechnung des Stromversorgers aufgrund der erhöhten Abgaben für den typischen Haushalt an. Unabhängig davon, ob Sie Rechtsanwalt oder Reinigungskraft sind. Da sind die zwei Euro Kindergelderhöhung auch gleich wieder futsch. Hier lässt sich sehr anschaulich verdeutlichen, wo das Problem staatlicher Interventionen für den Bürger liegt: Eine gigantische Summe Geld wird Jahr für Jahr aus den linken Taschen der Bürger genommen, um sie Ihnen anschließend mit großzügiger Geste in die rechte Hand zu drücken. Auf dem Umweg über den Staat kann die Politik dann noch bestimmen, wo diese vom Bürger erwirtschafteten Ressourcen besser eingesetzt werden können als wenn sie das Geld behalten hätten: bei der Unterstützung der Energiewende zum Beispiel oder im Kampf gegen den demographischen Wandel.

Der Bürger hat ein Recht zu wissen, wieviel Geld der Staat ihm abnimmt

Die (das zeigen gerade die populistischen Entwicklungen der jüngsten Zeit) brandgefährliche Pauschalschelte von Unternehmen sollten den vielen Menschen in unserem Land zu denken geben, die sich als Eigentümer oder verantwortliche Manager ehrlich und fleißig an der erheblichen Wertschöpfung in unserem Land beteiligen. Es könnte an der Zeit sein, sich gegen eine in Worten und Taten zunehmend übergriffige Politik auch deutlicher zur Wehr zu setzen. Mit fairen Mitteln, versteht sich, und ohne in dieselbe Polemik-Kiste zu greifen. Informationen wie diejenigen des Energiekonzerns sind wichtig – im Sinne des Verbraucherschutzes und der Wähler-Aufklärung. Der Bürger hat ein Recht zu wissen, wieviel Geld der Staat ihm abnimmt – nicht nur einmal im Jahr, wenn er sich durch seine Steuererklärung quält.

Hersteller von Produkten wie Energie, Treibstoff, Bier, Kaffee oder Tabak, die durch Steuern, Abgaben und Regulierungen einen hohen Staatsanteil am Preis zu verzeichnen haben, sollten deutlich auf den Steueranteil am Gesamtpreis hinweisen. In den Vereinigten Staaten werden Preise in der Regel ohne Mehrwertsteuer ausgezeichnet: Auch eine interessante Methode, um dem Bürger vor Augen zu führen, was der Staat nimmt. Nicht nur Unternehmen sollten sich vom Verbraucher stets observiert fühlen. Auch staatliche Akteure sollten sich unter beständiger Beobachtung wissen. An dieser Stelle ein kleiner Gruß an den Kanzlerkandidaten der SPD: Staatlich verursachte Preiserhöhungen wie beim Strom treffen vor allem die Geringverdiener hart. Während der Verbraucher in einer freien Marktwirtschaft in der Regel die Möglichkeit hat, betrügerischen Unternehmen aus dem Weg zu gehen, ist ihm dieser Weg beim Staat verwehrt. Umso mehr muss er sich schützen – vor den Übergriffen und Eingriffen der Politik. Hier ist Transparenz mindestens so wichtig wie bei Marktakteuren.