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Wie von Zauberhand hat sich die Homöopathie eine einzigartige Sonderstellung im deutschen Gesundheitswesen erschaffen. Sie muss nicht wirken und nichts beweisen und ist trotzdem Teil des Systems – ein Fehler.

Hokuspokus Fidibus!

„Hiezu fügt man 100 Tropfen guten Weingeist und giebt dann dem, mit seinem Stöpsel zugepfropften Fläschgen, 100 starke Schüttelstöße mit der Hand gegen einen harten, aber elastischen Körper geführt.“ Hokuspokus Fidibus, drei Mal schwarzer Kater – Fertig ist der Trunk! – mag man da vollenden. Doch anders als man gemeinhin annehmen könnte, handelt es sich bei diesem Rezept nicht um einen Auszug aus dem altenglischen magischen Heilbuch „Lacnunga“. Stattdessen erklärt hier der 1843 verstorbene Vater der Homöopathie, Samuel Hahnemann, ein Grundprinzip zur Herstellung homöopathischer Mittel. Durch das beschriebene „Verschütteln“ sollen sich die guten Eigenschaften eines Giftes auf die Arznei übertragen, während die schlechten durch endloses Verdünnen verschwinden.

Ja, das ist skurril, aber wäre eigentlich nicht weiter von Belang. Würde die Homöopathie nicht eine absurde Sonderstellung im deutschen Gesundheitswesen genießen.

„Regulierung? Ja bitte!“ Die Homöopathie kauft sich den Anstrich „Arzneimittel“

Im vergangenen Jahr gaben die Deutschen 670 Millionen Euro für homöopathische Arzneien aus. Davon wurden 85 % privat bezahlt. Präparate für ca. 100 Millionen Euro wurden hingegen auf Rezept ausgegeben und damit teilweise von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. An sich wäre das in Zeiten, in denen Menschen Unsummen für Dinge wie Ziegen-Yoga ausgeben, nicht weiter problematisch. Wäre da nicht die unheilvolle Verquickung der homöopathischen Industrie mit dem Staat. So besteht für die allermeisten homöopathischen Erzeugnisse eine Registrierungs- und Apothekenpflicht. Allerdings mit einer wichtigen Sonderregel. Während Hersteller konventioneller Arzneimittel umfangreiche Wirksamkeitsnachweise erbringen müssen, entfällt diese Vorgabe für homöopathische Präparate.

Das zuständige Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte prüft lediglich, ob die jeweiligen Präparate korrekt (also entsprechend der homöopathischen Vorgaben) hergestellt wurden und ob der Hersteller garantieren kann, dass die jeweilige Mischung nicht schädlich ist. Letzteres ist bei den allermeisten Präparaten dann auch nicht sonderlich schwer, schließlich enthalten Präparate schon ab der so genannten D24-Verdünnung in 50 Prozent der Fälle überhaupt kein einziges Molekül mehr des eigentlichen Wirkstoffes. Ein für die Hersteller recht aufwendiges und teures Verfahren zum Inverkehrbringen von kleinen Zuckerkügelchen. Doch trotzdem insistiert die Homöopathen-Lobby, die Registrierungspflichten beizubehalten.

Setzt sich eine ganze Industrie für mehr Bürokratie ein, sollte man auf der Stelle stutzen. Und tatsächlich helfen Apotheken- und Registrierungspflicht den homöopathischen Unternehmen nur. Denn obwohl nichts mehr drin ist, steht Arzneimittel drauf – und welcher Kunde hinterfragt das schon in einem Land, in dem alles und jedes aufs Genauste geprüft und reguliert ist. Und so verfällt neben gutgläubigen Patienten auch so mancher Schulmediziner dem Gedanken, dass da ja schon irgendwas dran sein müsse und verschreibt die kleinen Mittelchen. Man möchte ja auch kein zurückgebliebener Außenseiter sein …

Ein öffentliches Gesundheitswesen braucht allgemeinverbindliche und nachvollziehbare Regeln

Darüber hinaus schleicht sich die Homöopathie immer weiter in das öffentliche Gesundheitswesen. Universitäten bieten ihren Studenten Wahlkurse in Homöopathie an und gesetzliche Krankenkassen übernehmen freiwillig die Kosten homöopathischer Anwendungen auf Kosten der Solidargemeinschaft. Und das alles, obwohl die Studienlage eindeutig zeigt, dass homöopathische Präparate nicht besser wirken als jedes andere x-beliebige Placebo. Sicher, es gibt immer wieder Studien, die das Gegenteil behaupten. Doch sind diese fast ausschließlich tendenziös, von schlechter wissenschaftlicher Qualität und uneindeutig, wie eine große Metastudie aus dem Jahr 2005 belegt.

Ein so umfangreiches öffentliches Gesundheitswesen wie das deutsche ist vor allem eines: teuer. Da ist es umso wichtiger, dass wir dieser Institution allgemeinverbindliche und nachvollziehbare Regeln geben. Es geht dabei letztendlich um nichts anderes als die Gleichheit vor dem Gesetz. Es gibt diese umfangreichen und klar nachvollziehbaren Regeln, und sie stellen hohe Ansprüche an Anbieter medizinischer Leistungen und Präparate.

Doch die deutschen Homöopathen haben es durch geschickte Lobbyarbeit, Scheinwissenschaftlichkeit und Selbstreferenz geschafft, sich so mancher Regel zu entziehen und trotzdem Teil des Systems zu sein. Das grenzt schon fast an Zauberei und trägt wesentlich zur wachsenden Bedeutung der Homöopathie bei. Welch ein Aufschrei würde aber durchs Land gehen, würde sich Volkswagen mittels eines eigenen Paragraphens einfach dem verbindlichen Abgastest entziehen? VW könnte dafür beispielsweise einige Studien renommierter Lungenärzte im hauseigenen VW-Magazin platzieren, die behaupten, dass VW-Abgase sich durch den Kontakt mit der Mundschleimhaut auflösen und deshalb nicht schädlich seien. Weit weg ist dies von der Argumentation der Homöopathen-Lobby jedenfalls nicht.

Besen, Besen! Seids gewesen.

Das Problem ist letztlich nicht, dass viele Menschen trotz fehlender Belege von der Homöopathie überzeugt sind. So kann die Homöopathie ja erwiesenermaßen die gleichen positiven Wirkungen erzielen wie simple Placebo-Präparate. Und in Zeiten, in denen der von der Gesundheitspolitik durchs Arztzimmer gehetzte Hausarzt gerade einmal sieben Minuten pro Patient erübrigen darf, will er seine Praxis irgendwie halten, da ist es auch nicht verwunderlich, dass es wohltuend ist, wenn sich ein Homöopath einmal 90 Minuten für den Patienten nehmen kann. Das alles rechtfertigt aber nicht die Sonderstellung der Homöopathie im deutschen Gesundheitswesen.

Sicherlich sollte niemandem der Zugang zu den kleinen Zauberkügelchen verwehrt werden – so lange im Ernstfall eine richtige Behandlung zugänglich ist. Hinterfragen sollten wir allerdings wie die Homöopathie-Lobby sich ihre Welt zurecht zaubert – und wie wir unser Gesundheitssystem so organisieren können, dass wir am Ende vielleicht ganz ohne Zauberei auskommen.

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Von Sebastian Everding, Doktorand an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, und Dr. Johanna Jauernig, Postdoc am Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien (iamo) in Halle.

Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts sind Diesel-Fahrverbote grundsätzlich zulässig. Erste Straßenabschnitte in deutschen Städten wurden bereits für einige Dieselautos gesperrt. Diese Maßnahme ist der vorläufige Abschluss eines bisweilen erbittert geführten Schlagabtausches zwischen Umweltverbänden, Autoindustrie und Politik. Gerade das Lager der Diesel-Gegner argumentierte dabei äußerst polemisch. Ein Standpunkt zur Versachlichung war in der Debatte kaum zu finden. Deshalb plädieren wir hier für eine echte Folgenabschätzung.

Für Linken-Chef Bernd Riexinger unterstreicht das Urteil, dass „die Menschen ein Recht auf Gesundheit und körperliche Unversehrtheit haben. „Zudem, so der Politiker weiter, sei es endlich ein „spürbarer Tritt vor das Schienbein der betrügerischen Autoindustrie“. Als vorsätzliche Körperverletzung mit Todesfolge in Tausenden Fällen hat die deutsche Umwelthilfe (DHU) die Überschreitung der Grenzwerte bereits im Vorfeld des Urteils bezeichnet. Im Straßenverkehr nicht eingehaltene Abgaswerte seien vorsätzlicher Betrug, und die mangelnde Handlungsbereitschaft der Kommunen zeige, dass anstatt mit Geld „lieber mit dem Leben [der] Bürger“ bezahlt werde. Diese Zitate sind Beispiele für ein immer wiederkehrendes Problem in der Argumentation der Diesel-Gegner. Es werden nur die Kosten des Diesels betrachtet. Mögliche Vorteile bleiben unberücksichtigt.

Wenn die Politik eine gemeinwohlorientierte Entscheidung treffen will, darf sie nicht einseitig nur auf die Kostendimension starren. Vielmehr muss sie auch die Nutzendimension sorgfältig in Betracht ziehen. Häufig kann eine Gesetzesänderung zwar ein spezielles Problem lösen, doch ist stets damit zu rechnen, dass neue und insbesondere ungewollte Konsequenzen auftreten. Deshalb können vernünftige politische Eingriffe in der Regel nicht das Ziel verfolgen, Risiken komplett zu annullieren. In vielen Bereichen wäre dies schlichtweg unmöglich – oder zu teuer. Beispiel Straßenverkehr: Die Fahrzeuge werden zwar immer sicherer, dennoch wird es immer Gefährdungsrisiken für die Teilnehmer geben. Selbst wenn man den motorisierten Straßenverkehr abschaffen wollte, führte der Verzicht auf motorisierte Mobilität zu neuen Risiken. Man denke nur an den Nutzen, den man sich entgehen lassen würde, wenn man im ländlichen Raum für alltägliche Besorgungen oder für schnelle Krankentransporte auf Autos verzichten würde. Auch ein Verbot von Technologien wie dem Internet oder der Elektrizität würde zwar einerseits Risiken (z.B. Datenlecks, Kabelbrände) ausschließen, der Preis dafür wäre allerdings unverhältnismäßig hoch. Bei politischen Eingriffen mit dem Ziel, Risiken zu verringern, ist deswegen folgende Frage unerlässlich: Welche Einbußen wollen wir als Gesellschaft dafür in Kauf nehmen? Der Gesetzgeber ist folglich gut beraten, ein gesellschaftlich akzeptables Risikoniveau anzustreben, bei dem der Gesamtnutzen der Gesellschaft gesteigert und nicht gemindert wird.

Das gilt auch für die Diesel-Debatte: Hier benötigen wir eine wissenschaftlich gestützte Risikobewertung, die die Vor- und Nachteile abwägt und dabei die unterschiedlichen Eintrittswahrscheinlichkeiten verschiedener Risiken in Rechnung stellt. Eine solche Folgenabschätzung ist in der Debatte um Fahrverbote bislang – wenn überhaupt – nur sehr bruchstückhaft vorgenommen worden. Ein Hauptargument gegen Dieselfahrzeuge in deutschen Städten ist das steigende Risiko von Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die DUH spricht von jährlich 10.600 Todesfällen durch Stickoxide. Bei der Berücksichtigung dieser Kosten müssen aber auch die Kosten alternativer Technologien betrachtet werden. Ein Umstieg aller Dieselfahrer auf Benzin- oder Elektromotoren würde den CO2-Ausstoß durch höheren Verbrauch bzw. energieaufwendige Produktion erheblich erhöhen. Das führt zu all den negativen hinlänglich bekannten Folgen für Umwelt und Gesundheit. Dazu kommen weitere hohe Umstiegskosten: Nimmt man den ehemaligen Justiz- und Verbraucherschutzminister Heiko Maas beim Wort, dann sollen die Autofahrer nicht „die Zeche zahlen.“ Aber wer kommt stattdessen in Frage? Betrachtet man die Auswirkungen von Dieselfahrverboten aus ökonomischer Perspektive, ist es wahrscheinlich, dass die Autobranche jetzt schon keinen volkswirtschaftlichen Gewinn (= Erlös minus Opportunitätskosten) erzielt und somit die Umrüstungskosten auf den Konsumenten übertragen muss. Auf einem perfekten Markt entspricht der Preis langfristig den Kosten der Produktion. Nimmt man dies als Ausgangspunkt, kann gefolgert werden, dass die höheren Produktionskosten für Euro 6 Diesel von der Autoindustrie an den Verbraucher weitergegeben wurden. Die Autohersteller können somit nicht auf große Reserven zurückgreifen, aus denen sie die Umrüstungskosten bezahlen können. Sie sind deswegen dazu gezwungen, die Kosten an ihre (zukünftigen) Kunden weiterzugeben (z.B. über höhere Preise für Neuwagen). Um das Abwälzen der Kosten auf die Konsumenten wirklich zu verhindern, müsste der Staat als Zechezahler der Autoindustrie deswegen unter die Arme greifen. Der Staat müsste – will er keine weiteren Schulden aufnehmen – die Umstiegskosten durch Einsparungen in anderen Bereichen finanzieren. Laut ADAC bewegen sich die Kosten für eine Umrüstung pro Auto zwischen 1.400 und 3.300 Euro. Bei 12,4 Millionen Alt-Dieselfahrzeugen in Deutschland entstehen also Gesamtkosten von bis zu 41 Milliarden Euro. Das sind ungefähr 8% des Ausgabenvolumens des Bundeshaushaltes im Jahr 2017. Diese Summe entspricht in etwa dem Betrag, den die Bundesregierung im letzten Jahr für Arbeitsmarktpolitik und Elterngeld ausgegeben hat. Eine derart hohe Belastung wirft naturgemäß die Frage der Steuergerechtigkeit auf. Summa summarum ist es also nicht gewiss, ob Fahrverbote positive Auswirkungen auf Gesundheit, Umwelt und Gesellschaft erzielen, da durch den Umstieg auf andere Technologien neue Umweltprobleme entstehen und zudem die Frage einer massiven Steuerbelastung aufgeworfen wird.

Entscheidet man sich für die vermeintlich billige Lösung und unterlässt eine Entschädigung der Dieselfahrer, dann hätte auch dies eine gravierende nicht-beabsichtigte Folge: Das Vertrauen in den Rechtsstaat könnte nachhaltig erodieren. Dieses Argument wurde in der Debatte bislang kaum berücksichtigt. Dabei bildet ein starker Rechtsstaat, in dem Gesetze verbindlich und Verstöße justiziabel sind, die Grundlage für eine funktionierende Marktwirtschaft. Nur wenn sich die Bürger ihrer Rechte sicher sein können, also den Schutz ihres Eigentums oder die Einklagbarkeit von Verträgen verlässlich erwarten, werden sie private Tauschbeziehungen eingehen. Das Vertrauen der Bürger in den Schutz ihrer Rechte durch den Staat ist also essentiell für die Marktwirtschaft. Enttäuschtes Vertrauen kann zu schwindendem Schuldbewusstsein bei Rechtsbrüchen und letztendlich zu Selbstjustiz führen und damit schlimmstenfalls eine Spirale der Aushöhlung des Rechtsstaats in Gang setzen. Fahrverbote, die für über 15 Millionen Halter von Dieselfahrzeugen eine De-facto-Enteignung bedeuten, gefährden dieses Vertrauen in den Rechtsstaat. Wer ein Fahrzeug kauft ‒ gleich ob für privaten oder geschäftlichen Gebrauch ‒ rechnet damit, den Wagen für dessen Lebensdauer uneingeschränkt nutzen zu können und ihn gegebenenfalls zum erwarteten Wert weiterverkaufen zu können. Ist das nun nicht mehr der Fall, birgt dieser Verlust eines sicher geglaubten Wertes ein erhebliches Verunsicherungspotenzial in sich. Sozialpsychologische Studien zeigen, dass Menschen ihrem aktuellen Besitz einen wesentlich höheren Wert zuschreiben als einem Besitz, den sie erst noch erwerben müssen. Der Verlust eines bereits im eigenen Besitz befindlichen Gutes wiegt also wesentlich schwerer als die entgangene Chance, ein Gut allererst zu erwerben. Deswegen stellen Enteignungen eine besondere Gefahr für das Rechtsempfinden der Bürger und damit auch für den Rechtsstaat dar. Gesetze sollten sich immer am Wohl der Gesellschaft orientieren. Wenn sie jedoch drastisch in die Eigentumsrechte der Bürger eingreifen, sollten die Konsequenzen besonders gründlich abgewogen werden. Insofern wäre es klug, die derzeit diskutierten Übergangsfristen an der realistischen Lebensdauer von bereits erworbenen und zugelassenen Fahrzeugen orientieren.

Eine differenzierte Betrachtung des Dieselfahrverbots mit Folgeabschätzung zeigt, dass die drohende Ad-hoc-Regeländerung keineswegs automatisch dem moralischen Anliegen dient, Mensch und Natur wirksam zu schützen. Ein Fahrverbot senkt zwar den Ausstoß von Stickoxiden in den Innenstädten und verhindert damit bestimmte negative Folgen. Allerdings schafft es auch neue Probleme. Und die sind so gewaltig, dass ein Fahrverbot sich als für das Gemeinwohl kontraproduktiv erweisen könnte.

Photo: Bankenverband from Flickr (CC BY-ND 2.0)

Die Transparenz und Rechenschaftspflicht, die der Staat vom Bürger fordert, sollte er selber umso mehr vorleben. Eine Möglichkeit wäre, dass man deutlicher erkennen kann, wieviel Steuern man im täglichen Leben so zahlt.

Was das Preisschild verheimlicht

Wenn Sie ein Päckchen Butter für 2,19 € kaufen, zahlen Sie 15 Cent an Vater Staat. Und das ist nur die Mehrwertsteuer. Darüber hinaus haben der Produzent, die Zwischenhändler und der Supermarkt noch eine ganze Reihe anderer Steuern in diesen Preis hineingerechnet: Von der Gewerbesteuer, die der Milchbauer entrichtet, über die Stromsteuer, die der Zwischenhändler für den Betrieb seiner Kühlhäuser zahlt, bis zur Lohnsteuer, die der Supermarkt-Besitzer für seine Angestellten abführt.

Und wer ein Smart-TV für 399 € kauft, blecht gleich 75,81 € für die Mehrwertsteuer. Wenn man die Rechnung bei einer Flasche Bier oder Wein anstellen wollte, kommt man gleich ganz durcheinander: Die genaue Höhe der Alkoholsteuer ist nämlich für Normalsterbliche, die kein Doppelstudium Chemie und Jura absolviert haben, gleich gar nicht herauszufinden. Und dann gibt es auch noch bizarre Sondersteuern wie die Kaffeesteuer, die uns aus dem 17. Jahrhundert geblieben ist und anders als die Teesteuer noch nicht abgeschafft wurde. Übrigens: die Mehrwertsteuer zahlt jeder. Wer ALG II bezieht, wird am Ende des Tages also nicht monatlich Waren und Dienstleistungen im Wert von 409 € erwerben können, sondern im Grunde genommen nur von vielleicht 360 oder 370 €.

Der Finanzminister sitzt mit an der Supermarktkasse

Selbst wenn die meisten grundsätzlich wissen, wie hoch der Mehrwertsteuersatz ist, denkt wohl kaum einer beim Kauf darüber nach oder wirft noch einen Blick auf den Kassenzettel. Wir übersehen also in der Regel, dass 19 Cent jedes Euros, den wir dem Kassierer in die Hand drücken, weitergereicht werden ans Finanzamt. Im Grunde genommen fehlt es an Ehrlichkeit. Während der Staat Unternehmen dazu verpflichtet, alles Mögliche auszuweisen und offenzulegen, beschränkt er sich in seiner Transparenz auf den kleinen Hinweis am Ende des Rechnungsbelegs. Dadurch übersieht der Konsument rasch, dass er in jeder einzelnen Transaktion auf dem Markt immer einen erklecklichen Betrag an die Kassen des Finanzministers abführt. Seltsam, dass so etwas Verbraucherschützer nicht mehr auf die Barikaden bringt …

Der Ärger, den man beim Ausfüllen der Steuererklärung einmal im Jahr verspürt – oder vielleicht auch einmal im Monat, wenn die Gehaltsabrechnung ins Haus flattert, wo in der Regel Brutto und Netto recht ordentlich ausgewiesen sind … Diesen Ärger könnte man bei jeder einzelnen Transaktion im Kleinen spüren. Nun profitiert der einnahmenfreudige Finanzminister durchaus davon, dass wir Menschen uns gerne Ärger ersparen: Nicht lange darüber nachdenken, Augen zu und Mehrwertsteuer gezahlt. Das Problem ist nur: Je besser versteckt die Steuern sind, umso leichter lassen sie sich erhöhen oder gar neu einführen. Im Zweifel sucht der Verbraucher die Schuld für die hohen Preise bei den ausbeuterischen Unternehmern und nicht beim Staat.

Was wir jährlich an Mehrwertsteuer zahlen

Aufgrund des sehr komplexen Mehrwertsteuersystems in den USA hat man dort eine andere Lösung gefunden. Wenn Sie auf der anderen Seite des Atlantiks im Geschäft die gleiche Butter oder den gleichen Fernseher kaufen würden, würde auf dem Preisschild das Dollar-Äquivalent zu 2,04 € bzw. 323,19 € stehen. Erst an der Kasse würde dann die Mehrwertsteuer berechnet und sie müssten den Preis zahlen, der in Deutschland bereits im Geschäft an dem Produkt steht. Würde man in Deutschland auf dieses Prinzip umstellen, könnte man vielleicht mehr Leute dafür sensibilisieren, wie hoch die tatsächliche Steuerbelastung ist. Denn zu Lohnsteuer, Grunderwerbsteuer, Energiesteuer und Co. kommt ja noch die Mehrwertsteuer als zusätzliche Belastung hinzu. Für normale Haushalte in Deutschland gehen die Mehrwertsteuerausgaben schnell mal in die Tausende. (2017 betrug das – wie es ganz korrekt heißt – Umsatzsteueraufkommen 170,5 Milliarden Euro. Wenn man diskontiert, dass auch Nicht-Staatsbürger die Steuer zahlen, kommt man auf durchschnittlich etwa 1.800 € Mehrwertsteuer pro Person.) Das ist schon ein Betrag, den man häufiger spüren sollte als Steuerzahler … Eine Diskussion über einen Umstieg auf das US-System wäre es wert, geführt zu werden.

Wenn man dem Staat Aufgaben zuweist, sind Steuern natürlich notwendig. So schwer es einem auch fallen mag: man muss sogar zugestehen, dass sich der Anteil der Steuern am BIP seit der Gründung der Bundesrepublik kaum verändert hat und immer um die 22 Prozent lag. Dennoch dürfen Steuern nicht zu einem Automatismus werden oder zu einer Selbstverständlichkeit, die nicht mehr hinterfragt wird. Ob Kalte Progression, „Sündensteuern“ oder die Ewigkeitsgarantie für den Soli: es gibt immer gute Gründe, das Steuersystem zu hinterfragen. Mr. Bierdeckel-Steuererklärung hat es vorgemacht … Entscheidend ist vor allem die Haltung der Politik und des Staates. Steuerehrlichkeit ist nicht nur etwas, das vom Bürger gefordert werden sollte, sondern auch eine Verpflichtung, die für den Staat gilt. Er ist dem Bürger gegenüber Rechenschaft schuldig: darüber, was er ausgibt, aber ganz besonders auch darüber, was er ihm abnimmt. Denn die Steuereinnahmen sind nicht Eigentum der Regierung, sondern ihr nur treuhänderisch überlassen.


Hinweis: In einer vorherigen Version des Textes war fälschlicherweise für Butter die Mehrwertsteuer von 19 % berechnet worden. Richtig sind 7 %. Wir bitten, dieses Versehen zu entschuldigen!

Photo: Wendy Scofield from Unsplash (CC 0)

Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues und Fabian Kurz, Student der Volkswirtschaftslehre.

Der Gesetzgeber hat mit der Übertragung des Versorgungsauftrags auf die etablierte Ärzteschaft den Bock zum Gärtner gemacht. Hätten die Ärzte freie Standortwahl und würde jede Leistung an gesetzlich Versicherten finanziell honoriert, wären vor allem gesetzlich Versicherte besser versorgt als heute.

Ärzte, die in Deutschland gesetzlich Versicherte behandeln wollen, müssen Mitglied in einer Kassenärztlichen Vereinigung sein. Die Mitglieder der Kassenärztlichen Vereinigungen sind dabei in einer ungewöhnlichen Situation. Sie können beeinflussen, wie viel Konkurrenz sie von anderen Ärzten bekommen. Die Rechnung der etablierten Ärzteschaft ist recht simpel: Je mehr neue Praxen es gibt, desto weniger Geld bekommen die bestehenden Praxen.

Bedarfsplanung

Es gibt 17 kassenärztliche Vereinigungen. Für jedes Bundesland ist eine Kassenärztliche Vereinigung zuständig, nur in Nordrhein-Westfalen gibt es zwei. Die Kassenärztlichen Vereinigungen sind für die Versorgung der gut 72,2 Millionen gesetzlichen Versicherten verantwortlich. Unter anderem planen die einzelnen Kassenärztlichen Vereinigungen, wie viele Arztpraxen eines bestimmten Fachgebiets es in einer Region geben soll.

Die Kassenärztlichen Vereinigungen sind nach dem fünften Sozialgesetzbuch dazu verpflichtet, die Versorgung der gesetzlich Versicherten sicher zu stellen. Seit 1992 gibt es für die ambulante Behandlung eine Bedarfsplanung der Kassenärztlichen Vereinigungen. Diese basiert auf der Annahme, dass die Versorgung gewährleistet ist, wenn in einer Region ein bestimmtes Arzt-Einwohner-Verhältnis sichergestellt ist. Für Hausärzte zum Beispiel gilt, dass ein Arzt im Idealfall 1.671 Einwohner versorgt.

Für andere Fachärzte gilt kein bundesweites Verhältnis, sondern regionalspezifische Verhältniszahlen. So gelten beispielsweise in „stark mitversorgenden“ Regionen, zu meist Städte, 2.405 Kinder pro Kinderarzt als angemessen. In „stark mitversorgten“ Regionen dagegen gilt ein Verhältnis von 4.372 Kinder pro Kinderarzt als ausreichend. Die Verhältniszahlen werden nicht auf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse ermittelt, sondern spiegeln die Versorgungsverhältnisse eines bestimmten Stichtages wieder. Das Arzt-Einwohner-Verhältnis des 31.12.1990 gilt daher als „optimal“.

Liegt der Arzt-Einwohner-Quotient über 110 Prozent des „optimalen“ Niveaus, gilt eine Region als überversorgt. Liegt der Quotient unter 50 Prozent, beziehungsweise bei Hausärzten unter 75 Prozent, gilt eine Region als unterversorgt. In Regionen, in denen derart definiert eine Überversorgung herrscht – zumeist in städtischen Regionen – dürfen grundsätzlich keine neuen Ärzte ihre Dienste gesetzlich Versicherten zur Verfügung stellen. Die Region gilt für den überversorgten Fachbereich als gesperrt. Nur durch die Übernahme einer bereits bestehenden Praxis oder per Antrag auf Sonderbedarf kann ein Arzt sich in einer gesperrten Region niederlassen.

Keine direkte Abrechnung mit Kassen

Kassenärzte rechnen Leistungen für gesetzlich Versicherte nicht direkt mit deren Krankenkassen ab. Jede Kassenärztliche Vereinigung verhandelt einen fixen Betrag mit den Krankenkassen, der von ihr auf ihre jeweiligen Mitglieder verteilt wird. Die Kassenärztlichen Vereinigungen zahlten im Jahr 2015 über 35 Milliarden Euro an ihre Mitglieder aus.

Die jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigungen verteilen die fixe Summe mit Hilfe eines Punktesystems an ihre Mitglieder. Erbringt ein Arzt eine Leistung, erhält er dafür entsprechende Punkte. Jedes Quartal wird der Wert eines Punktes in Euro festgelegt. Die Punkte können allerdings nur bis zu einer gewissen Obergrenze abgerechnet werden. Diese Obergrenze wird als Regelleistungsvolumen bezeichnet und berechnet sich im Wesentlichen aus der Fallzahl des Arztes im Vorjahresquartal. Wird das Regelleistungsvolumen überschritten, erhalten die Ärzte nur noch einen Bruchteil des ursprünglichen Punktwerts.

Auch Ärzte freuen sich nicht über Konkurrenz. Die Verteilung eines fixen Budgets führt jedoch dazu, dass die Ärzte einer Kassenärztlichen Vereinigung neuen Niederlassungen in ihrer Region noch kritischer gegenüberstehen.

Bedarfsplanung und Privatpatienten

Doch Kassenpatienten sind für Ärzte nicht die einzige Einnahmequelle. Auch Privatpatienten werden behandelt. Zudem können Ärzte bei Privatpatienten für identische Leistungen höhere Beträge in Rechnung stellen. Privatpatienten sind also besonders attraktive Patienten – finanziell gesehen.

Wenig überraschend zeigt eine Untersuchung der Universität München, dass sich Kassenärzte bevorzugt in Regionen niedergelassen haben, in denen ein hoher Anteil privat Versicherter wohnt. Dies sind vor allem urbane Gegenden – Regionen die von den Kassenärztlichen Vereinigungen häufig als überversorgt eingestuft werden. Neue Arztpraxen, die sowohl Kassenpatienten als auch Privatpatienten versorgen, können in den als überversorgt ausgewiesenen Regionen nicht mehr eröffnet werden. Dabei mag der Bedarf für weitere Arztpraxen dort sehr wohl bestehen, denn bei der Bedarfsplanung der Kassenärztlichen Vereinigung bleiben die privat versicherten Einwohner der Region unberücksichtigt. Erfreuliche Nebenwirkung für die etablierten Ärzte: Sie sind unter dem Deckmantel der Bedarfsplanung vor weiterer lästiger Konkurrenz geschützt.

Das Kartell wehrt sich

Scheren Mitglieder aus der Monopollogik aus, etwa indem sie versuchen, sich in gesperrten Gebieten mit Hilfe eines Sonderbedarfsantrags niederzulassen, können diese von den Kassenärztlichen Vereinigungen mit einer besonders intensiven Honorarprüfung sanktioniert werden.

Auch Krankenhäuser können niedergelassenen Ärzten Konkurrenz machen. Bieten Krankenhäuser ambulante Behandlungen an, reduziert dies die Auslastung umliegender Praxen. So ging die Berliner Kassenärztliche Vereinigung juristisch gegen ambulante Angebote von Berliner Krankenhäusern vor, darunter auch gegen Angebote des Deutschen Roten Kreuz. Die Berliner Kassenärztliche Vereinigung zwang schließlich das Rote Kreuz drei medizinische Behandlungszentren zu schließen. Einer besseren Versorgung der Patienten ist damit sicher nicht geholfen.

Freie Standortwahl: Versorgungssicherheit nicht gefährdet

Das Verhalten der Kassenärztlichen Vereinigungen ist schwerlich mit Hinweis auf die Interessen der Patienten zu erklären. Doch angesichts der Anreize, denen die Kassenärztlichen Vereinigungen und ihre Mitglieder ausgesetzt sind, verwundert ihr Gebaren nicht. Die Bedarfsplanung der Kassenärztlichen Vereinigungen sollte daher abgeschafft werden: Ärzten sollte es freistehen, Praxen am Ort ihrer Wahl zu eröffnen.

Die Befürworter der Bedarfsplanung würden gegen die freie Standortwahl einwenden, dass es dann zu einer Unterversorgung in manchen Gebieten käme. Die Erfahrung mit Zahnärzten und Apotheken spricht gegen diese Befürchtung. Seit April 2007 können Zahnärzte ohne Beschränkungen auf Grund von Bedarfsplänen ihren Standort frei wählen. Auf eine noch längere Erfahrung können Apotheken zurückblicken. Auch wenn der Apothekenmarkt nach wie vor hoch reguliert ist, dürfen sich Apotheker seit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 1958 am Ort ihrer Wahl niederlassen. Auch die Grundversorgung mit lebensnotwendigen Nahrungsmitteln hängt nicht von einer zentralen Bedarfsplanung der etablierten Lebensmittelgeschäfte ab.

Finanzielle Anreize zum Wohl der Patienten

Die 17 Kassenärztlichen Vereinigungen sollten zudem von der Aufgabe befreit werden, eine zuvor von den gesetzlichen Krankenkassen erhaltene Verteilungsmasse als Honorare unter der Ärzteschaft zu verteilen.

Die Arzthonorare könnten zwischen den gesetzlichen Krankenkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung ausgehandelt und von den Ärzten direkt mit den Krankenkassen abgerechnet werden. Dies ist schon jetzt gängige Praxis bei den privaten Krankenkassen. So wären die Umsätze einer Praxis nicht direkt abhängig von Obergrenzen oder dem Behandlungsvolumen bzw. der Anzahl anderer Ärzte der gleichen Kassenärztlichen Vereinigung.

Die gesetzlichen Krankenkassen könnten in einem solchen Rahmen Verhandlungsergebnisse anstreben, die mittels finanzieller Anreize dafür sorgen, dass die gewünschte Versorgung in allen Regionen gewährleistet ist – zum Beispiel durch höhere Honorare in ausgewählten Regionen. Den privaten Krankenkassen scheint der Einsatz finanzieller Anreize seit Jahren erfolgreich zu gelingen. Ärzte lassen sich gerne in Regionen mit vielen Privatpatienten nieder.

Den Bock zum Gärtner gemacht

Der Gesetzgeber hat mit der Übertragung des Versorgungsauftrags auf die etablierte Ärzteschaft den Bock zum Gärtner gemacht. Die regionalen Kassenärztlichen Vereinigungen nutzen ihre Planungshoheit hinsichtlich der Anzahl der Arztpraxen, um ihre eigenen Interessen zu verfolgen. Hätten die Ärzte freie Standortwahl und würde jede Leistung an gesetzlich Versicherten finanziell honoriert, wären vor allem gesetzlich Versicherte besser versorgt als heute.

Erstmals erschienen bei IREF.

Photo: Herry Lawford from Flickr (CC BY 2.0)

Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues und Kalle Kappner, Promotionsstudent an der Humboldt-Universität zu Berlin, Research Fellow bei IREF, Fackelträger von Prometheus.

Dass hierzulande der Staat in manchen Fällen weiterhin als Monopolanbieter auftritt, ist sicher historisch begründet. Nun zeigen aber die Erfahrungen aus der jüngsten Vergangenheit und die erfolgreiche Privatisierung einiger Brachen, dass auch in Deutschland die gesellschaftliche Gesamtwohlfahrt durch Privatisierung gesteigert werden könnte.

Vorschläge zur Privatisierung öffentlicher Unternehmen werden oft kontrovers diskutiert. Aktuell sorgt der Verkauf von 33.000 Wohnungen an private Investoren in Bayern für Aufsehen. Selbst wenn nicht die öffentliche Finanzierung, sondern lediglich die öffentliche Bereitstellung einer Leistung zur Debatte steht, begegnen nicht wenige Menschen Privatisierungen skeptisch. Sie argumentieren mit Hinweis auf vermeintliche Desaster wie die Bahnprivatisierung in England, dass die von Privatisierungsbefürwortern versprochene segensreiche Wirkung für Konsumenten nicht eintritt.

Viele jüngere Privatisierungsmaßnahmen sind allerdings Erfolgsgeschichten, so in Deutschland z.B. im Telekommunikationssektor und in der Gesundheitsinfrastruktur. Dass die Übertragung vormals öffentlich bereitgestellter Leistung an Private für die Konsumenten in der Regel positive Folgen hat, ist nicht überraschend: Private Anbieter haben einen stärkeren Anreiz zur ressourcenschonenden Bereitstellung von Leistungen. Darüber hinaus bieten Privatisierungen die Chance, von einem Monopolanbieter beherrschte Märkte für den Wettbewerb zu öffnen.

 

 

Bund, Länder und Kommunen sollten weitere Privatisierungen in Betracht ziehen.

Privatisierung schont Ressourcen

Wäre die Bereitstellung von Leistungen durch den Staat genauso effektiv wie die private Bereitstellung, gäbe es vielleicht ethische Argumente für die Privatisierung, aber keine ökonomischen.

Die Effektivität unterscheidet sich jedoch. Denn die Anreizstruktur der Eigentümer und Manager eines Privatunternehmens ist eine andere als jene eines Staatsunternehmens. Die Eigentümer privater Unternehmen profitieren von Effizienzsteigerungen direkt. Gelingt es ihnen, die Nachfrage zu einem geringeren Preis zu bedienen oder die Qualität zu erhöhen, wandern zusätzliche Profite in ihre eigene Tasche. Das schafft einen starken Anreiz zu ressourcenschonender Leistungserbringung. Die steuerzahlenden Eigentümer und bedienstete Manager öffentlicher Unternehmen profitieren persönlich von einer effizienteren Bereitstellung dagegen kaum.

Damit es zu den erwünschten Effizienzsteigerungen kommt, muss die Privatisierung substantiellen Charakter haben und über die rein formale Umwandlung der Rechtsform eines staatlichen Unternehmens hinausgehen. Die Deutsche Bahn – oft zitiertes Beispiel für eine angeblich gescheiterte Privatisierung – hat eine solche substantielle Privatisierung fast 25 Jahre nach der Bahnreform noch vor sich. Auch als Aktiengesellschaft befindet sie sich zu 100 % im Staatsbesitz.

Privatisierung intensiviert den Wettbewerb zwischen Anbietern

Ein weiterer Vorteil entsteht, wenn die Privatisierung den betreffenden Markt für den Wettbewerb öffnet. Konsumenten profitieren vom Wettbewerb zwischen Unternehmen, da die um Kunden konkurrierenden Anbieter Leistungen stets günstiger oder in besserer Qualität bereitstellen müssen.

Theoretisch könnten auch Staatsunternehmen miteinander konkurrieren. Doch spricht wenig dafür, dass Wettbewerb zwischen ihnen zu ähnlich schonendem Umgang mit Ressourcen führt wie Wettbewerb zwischen Privatunternehmen. Die Anreize dafür fehlen schlicht. Auch eine halbherzige Privatisierung, bei der neben staatlichen auch private Anbieter zugelassen werden, ist der rein staatlichen Bereitstellung daher vorzuziehen.

Sogar private Monopole sind effizienter

Selbst wenn kein Wettbewerb möglich ist oder zugelassen wird, birgt Privatisierung Vorteile für Konsumenten. Staatliche Monopole sind weniger bemüht, Effizienzsteigerungen durch kostensenkende und qualitätssteigernde Innovationen herbeizuführen. Privatisierung ist in vielen Fällen also auch dann sinnvoll, wenn die Marktstruktur, also das Ausmaß des Wettbewerbs und der Regulierung, unverändert bleibt. Das gilt auch für Industrien, in denen sich aufgrund starker Skalen- und Netzwerkeffekte natürliche Monopole bilden. Auch hier können private Anbieter vom Staat reguliert werden, zum Beispiel hinsichtlich ihrer Preispolitik. Ihren Anreiz, Ressourcen möglichst sparsam einzusetzen verlieren sie dadurch nicht.

Unabhängig davon, ob es sich um ein durch Gesetze geschaffenes oder ein natürliches Monopol handelt, sollte die Privatisierung durch eine Öffnung des Marktes begleitet werden. Beruht die Monopolstellung auf gesetzlichen Regelungen, würde der private Anbieter seine Monopolstellung einbüßen. Handelt es sich um ein natürliches Monopol, würde die Marktöffnung den Monopolisten zusätzlich zu einem effizienten Umgang mit Ressourcen anhalten. Ein natürliches Monopol braucht gewiss keinen gesetzlichen Schutz, aber hat auch keine Garantie, dass seine Stellung fortbesteht.

Effiziente Bereitstellung durch den Staat: Ein kleiner Kreis

Die Privatisierung der Erbringung einer Leistung impliziert nicht, dass auch deren Finanzierung privat organisiert wird. So stellt der deutsche Staat mittels Sozialtransfers sicher, dass kein Mensch ohne Wohnung auskommen muss, während überwiegend private Akteure für ein angemessenes Immobilienangebot sorgen. Umverteilungsaktivitäten des Staates sind transparenter und für die Bürger leichter zu kontrollieren, wenn der Staat Leistungen finanziert, sie aber nicht selbst bereitstellt.

Ist Privatisierung stets sinnvoll? Nein. Es gibt Leistungen, die durch den Staat nicht nur finanziert, sondern auch bereitgestellt werden sollten. Das ist dann der Fall, wenn die betreffende Leistung in hoher Qualität bereitgestellt werden muss, private Anbieter aber vertraglich nicht auf eine konstant hohe Qualität festgelegt werden können und der Abschluss eines neuen Bereitstellungsvertrages zu viel Zeit in Anspruch nimmt. Landesverteidigung und Polizei sind zwei der wenigen Beispiele für derartige Leistungenwobei das staatliche Angebot auch in diesen Bereichen durch private Anbieter ergänzt wird.

Fair und nachhaltig privatisieren

Wenngleich die Privatisierung von staatlichen Monopolen oder Anteilen grundsätzlich sinnvoll ist, hängt das Ausmaß der dadurch zu realisierenden Vorteile für Konsumenten von den Details ab. Sind Ausschreibungen kompetitiv oder kommt ein privilegiertes Privatunternehmen stets zum Zug? Wird der privatisierte Markt ausreichend dereguliert oder werden vormals im Staatsbesitz stehende Unternehmen weiterhin regulatorisch gegenüber ihren Konkurrenten bevorzugt – wie etwa im Fall der Deutschen Post?

Wie schwer es sein kann, den Prozess fair zu gestalten, zeigt das Beispiel der ehemaligen Ostblock-Staaten. Einzelne Privatpersonen sind dort nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion sehr reich geworden, doch viele formal privatisierte Märkte sind weiterhin nicht für Wettbewerber geöffnet und stark vermachtet – zu Lasten der Kunden.

Chancen ergreifen

In stabilen Rechtsstaaten mit geringer Korruptionsgefahr, wie in Deutschland, ist die breitflächige Privatisierung derzeit öffentlich bereitgestellter Leistungen vielversprechend. Das Potenzial ist groß: Der Bund hält weiterhin Anteile an 108 formal privatisierten Unternehmen. Dazu kommen Angebote des Staates wie Wohnungen, Schulen, Autobahnen oder Krankenhäuser, die getrost privater Bereitstellung, aber nicht unbedingt privater Finanzierung, überlassen werden können.

Als Konsumenten würden die Bürger Deutschlands zukünftig von der Bereitstellung durch effizientere und im Wettbewerb stehende Anbieter profitieren. Auch als Steuerzahler könnten die Bürger entlastet werden. Privatisierung kann zum Abbau der hohen Staatsschulden beitragen, ermöglicht dem deutschen Staat somit langfristig mehr Freiraum und erlaubt es ihm, sich auf seine wesentlichen Aufgaben zu konzentrieren.

 

Zuerst erschienen bei IREF.