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 Photo: ARD/Tagesschau

Als am Wahlabend vergangene Woche zur besten Sendezeit um 20 Uhr Jörg Schönenborn in der öffentlich-rechtlichen Tagesschau die Umfragen zur amerikanischen Präsidentenwahl veröffentlichte, war eigentlich alles klar. Clinton habe 268 Stimmen bereits sicher und benötige lediglich die Wahlmännerstimmen eines Swing State, um die notwendigen 270 Wahlmännerstimmen zu erlangen und damit die Wahl zu gewinnen. Konkurrent Trump könne nur auf sichere 180 Wahlmännerstimmen vertrauen. Er relativierte zwar die Zahlen, es sei noch nichts sicher, dem Zuschauer wurde aber eine Graphik gezeigt, die den Eindruck eines klaren Vorsprungs darstellen sollte. Wie unsauber die durch Zwangsgebühren finanzierte ARD hier arbeitete, wird erst klar, wenn man die Umfragen in Amerika vom Vortag anschaut.


In diesem Zusammenhang teilen wir gerne folgende Anmerkung von Jörg Schönenborn, hier wiedergegeben in der Zusammenfassung eines Telefongesprächs mit Roland Tichy. Rückfragen bitte unter diesem link stellen.

„Jörg Schönenborn legt Wert auf die Feststellung, dass er die Karte lediglich als Ausgangspunkt genommen habe für die weitere Erklärung, dass die noch ausstehenden Ergebnisse einzelner Bundesstaaten wie Wisconsin den Vorsprung von Hillary Clinton sehr schnell verkehren könnten. Genau diese Interpretation habe sich als zentral und richtig herausgestellt, weil dadurch der Ausgang bestimmt worden sei. Alles andere sei eine extreme Zuspitzung bis zur Verdrehung von Fakten, da die Grafik als Ausgangspunkt einer weiteren Erklärung richtig interpretiert worden sei.“


Das Portal Realclearpolitics, das alle relevanten Umfragen in den USA veröffentlicht, hatte Clinton noch am Montag lediglich 203 und Trump 164 Wahlmänner sicher zugerechnet. Bei allen anderen Staaten, die insgesamt 171 Wahlmänner repräsentieren, betrug die Differenz zwischen Clinton und Trump weniger als 5 Prozent und fiel daher in den Bereich der Fehlerwahrscheinlichkeit. Es war unseriös und mindestens fahrlässig von Schönenborn und der ARD, diese statistische Fehlerwahrscheinlichkeit einfach unter den Tisch fallen zu lassen. Vielleicht steckte in den pseudowissenschaftlichen Daten der Tagesschau mehr der Wunsch eines Wahlausgangs. Der Gebührenzahler will in der Tagesschau aber nicht den Wunsch von Jörg Schönenborn oder einer Redaktion hören und sehen, sondern Fakten. Besser wäre es gewesen, wenn die ARD auf das Programm und die jeweiligen Folgen der Kandidaten eingegangen wäre, anstatt Umfragen zu manipulieren. Denn das Programm des 45. Präsidenten der USA ist nicht ganz ohne und wird Auswirkungen auf Deutschland haben.

Trumps Agenda: Er will das Freihandelsabkommen mit Kanada und Mexiko kündigen und neuverhandeln. Er will das Freihandelsabkommen TTIP mit der EU auf Eis legen und auch das Transpazifische Handelsabkommen TPP stoppen. Einiges davon hätte auch Hillary Clinton gemacht, auch sie folgte dem Druck von Links und Rechts, den Freihandel zurückzuschrauben, weil sie eine Gefahr für die Arbeitnehmer im eigenen Land befürchten.

Das führt uns zum Kern des Wirtschaftens. Wofür werden Waren und Dienstleistungen produziert und verkauft? Dienen sie in erster Linie dazu, Menschen eine Arbeit und damit Einkommen zu ermöglichen, damit sie anschließend diese Waren kaufen können? Dienen sie in erster Linie sogar dazu, dass die Regierung oder der Staat Einnahmen über Steuern generieren kann, damit anschließend Straßen und Kindergärten gebaut werden können? Nein, beides sind Folgen des Wirtschaftens. Die Produktion und der Verkauf von Waren dient in erster Linie dazu, dass der Einzelne als Konsument seine individuellen Wünsche erfüllen kann. Würde man die Arbeitsplätze oder die Einnahmen des Staates als wesentlichen Kern des Wirtschaftens betrachten, dann verließe man den Boden der Marktwirtschaft, auch unserer Sozialen Marktwirtschaft. Ludwig Erhard sagte über die Marktwirtschaft: “Je freier die Wirtschaft, umso sozialer ist sie auch.“ Die Marktwirtschaft ist deshalb sozial, weil sie Wünsche Einzelner bedient, die sonst nicht bedient würden. Erst dadurch entstehen Arbeitsplätze und mittelbar auch Einnahmen für den Staat. Keine Regierung, kein Interessenverband und auch keine Gewerkschaft kennen die Wünsche jedes Einzelnen, dieses Wissen haben sie nicht.

Zäumt man das Pferd von hinten auf, indem man erst an den Erhalt der Arbeitsplätze und die Einnahmen des Staates denkt, dann orientiert man sich nicht am Konsumenten und dessen Wünsche, sondern an den Wünschen von Lobbygruppen. Dies ist dann das Einfallstor für Protektionismus, Abschottung und eine gelenkte Wirtschaft, in der der Staat immer mehr zu sagen hat und dadurch die Bürokratie überhandnimmt. Letztlich geht es im internationalen Handel ebenso um diese entscheidende Frage. Auch dabei geht es darum, ob der Einzelne seine Wünsche, Ideen und Vorstellungen auch grenzüberschreitend erfüllen kann, ohne die jeweilige Regierung demutsvoll fragen oder Wegzoll bezahlen zu müssen. Das betrifft und schadet uns allen. Wie es die österreichische Nationalratsabgeordnete Claudia Gamon während einer Debatte im dortigen Parlament so treffend sagte: „Wer hier in diesem Saal ohne Freihandel ist, werfe das erste iPhone.“

Erstmals veröffentlicht auf Tichys Einblick.

Photo: Erik Drost from Flickr (CC BY 2.0)

Die wirtschaftspolitische Agenda des kommenden US-Präsidenten Donald Trump ist durchaus differenziert. Innerhalb der USA setzt er auf Steuersenkungen und Investitionen und außerhalb der USA auf Abschottung. Auf Steuersenkungen zu setzen ist durchaus vernünftig. US-Unternehmen zahlen auf der Ebene des Unternehmens 35 Prozent Körperschaftsteuer an den Bund und eine nach Bundesstaat differenzierte Ländersteuer. In New York sind dies rund 5 Prozentpunkte, so dass Unternehmen dort mit fast 40 Prozent belastet werden. Das ist ein internationaler Spitzenwert und höher als in Hochsteuerländern wie Frankreich oder Belgien. Deutschland kommt auf einen Wert von knapp 30 Prozent (Körperschaftsteuer, Soli, Gewerbesteuer). Zwar ist die Bemessungsgrundlage der Steuern auf Unternehmensgewinne von Land zu Land unterschiedlich und daher nur schwer zu vergleichen, dennoch ist die Höhe für die US-Wirtschaft und den Investitionsstandort Amerika ein psychologisches Problem.

Trump hat im Wahlkampf angekündigt, die Bundessteuer auf 15 Prozent und damit die Gesamtbelastung für Unternehmen auf 20 Prozent (New York) zu reduzieren. Er würde damit bei der Unternehmensteuer sein Land vom internationalen Schlusslicht ins fordere Mittelfeld katapultieren und gleiche Steuersätze wie Großbritannien, Finnland oder die Schweiz (Zürich) erreichen. Das war auch der Weg von Ronald Reagan Anfang der 1980er Jahre, auf den Donald Trump ausdrücklich Bezug nimmt.  Reagan wird heute von Kritikern vorgeworfen, dass seine Amtszeit und der wirtschaftliche Aufstieg Amerikas mit einem massiven Schuldenaufbau einhergegangen sei. Tatsächlich haben sich die absoluten Staatsschulden in seiner Amtszeit verzweieinhalbfacht: von 1,3 Billionen auf 3,4 Billionen Dollar. Bezogen auf die Wirtschaftsleistung betrug die Verschuldung zu Beginn der Amtszeit Reagans 1981 rund 40 Prozent und 1989 60 Prozent. Mit diesen Werten würde Amerika heute gut dastehen.

Aber die Situation ist heute weitaus schlechter. Trump startet seine steuerpolitischen Visionen mit einem Schuldenstand von über 19 Billionen Dollar, einer Verschuldung zum BIP von über 106 Prozent und einem laufenden Staatsdefizit von fast 800 Milliarden Dollar in 2016.

Trump sieht die Ursache für die hohe Verschuldung und den geringen Beschäftigungsstand auch in der Stärke Chinas. Sein Vorwurf an die Asiaten ist, dass sie indirekt ihre Exportindustrie subventionieren, indem sie die chinesische Währung Renminbi abwerten und damit chinesische Exporte billiger machen. An diesem Argument ist etwas dran. Zwar verteuern sich dadurch auch die importierten Vorprodukte für China, doch in Zeiten frei manipulierbarer Währungen überwiegt der kurzfristige Vorteil. Die Antwort Trumps darauf ist, Einfuhrzölle für chinesische Waren von 45 Prozent vorzuschlagen. Wenn das käme, wäre es der Super-Gau für die Weltwirtschaft, der ein gegenseitiges Hochschaukeln von Gegenmaßnahmen zur Folge hätte.

Wahrscheinlich werden daher Zölle in dieser Größenordnung nicht kommen. Eher wird Trump verstärkt in den Abwertungswettlauf mit China eintreten. Aus seiner Sicht könnte er damit mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen. Würde er die amerikanische Notenbank FED dazu bringen, auf künftige Zinserhöhungen zu verzichten und stattdessen die Zinsen auch nominal am langen Ende niedrig zu halten, dann könnte er eine Steuerreform über neue Schulden finanzieren, die auch nominal nichts kosten. Die FED müsste dann den Weg Japans gehen, wo die dortige Notenbank die Zinsstrukturkurve über alle Laufzeiten kontrolliert. Das hätte aus Trumps Sicht sehr viel Charme, denn der größte Gläubiger von US-Staatsanleihen ist mit 2,5 Billionen Dollar die eigene Notenbank. Aber direkt danach kommt schon China mit 1,22 Billionen Dollar. China ist hier in einem Dilemma. Es kann die Anleihen nicht umfangreich auf den Markt werfen, ohne dass es an den Anleihemärkten zum Kollaps käme. Andererseits können sie gegen die Zinsmanipulation der FED nichts unternehmen. Gelänge es der FED die Zinsstruktur der Staatsanleihen über die jeweilige Laufzeit durch ihre Intervention zu steuern, dann würde China seine Exporterfolge mit einem immer weniger werthaltigen Anleihenportfolio von US-Staatsanleihen bezahlen.

Daher wird die FED unter ihrer Präsidentin Janet Yellen am 14. Dezember sicherlich nicht ihren Leitzins anheben. Stattdessen könnte nach dem Amtsantritt Trumps am 20. Januar die FED verstärkt in den Ankauf von Staatsanleihen einsteigen, um China und den Rest der Welt an der Finanzierung der Steuersenkung Trumps zu beteiligen. Die Politik Trumps unterscheidet sich nicht wesentlich von seinem Vorgänger. Dieser hat den Staatsapparat ausgeweitet und durch Zentralbankgeld finanziert. Trump senkt die Steuern, um die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Amerika zu verbessern und finanziert dies wohl ebenfalls durch die eigene Notenbank. Beides ist falsch und führt zu Verwerfungen und Gegenreaktionen. Daher ist eines klar, auch unter dem US-Präsidenten Donald Trump wird der Weg in den Geldsozialismus weitergehen – nur konsequenter.

Photo: metroplico.org from Flickr (CC BY-SA 2.0)

Deutschland ist auch ein bisschen Griechenland. Zumindest was die kollektive Verantwortungslosigkeit im deutschen Föderalismus angeht. So trägt jeder Bremer die Schuldenlast seines Landes in Höhe von 32.735 Euro. Das ist mehr als jeder Grieche für sein Land. Dort beträgt die Schuldenlast pro Einwohner 28.500 Euro. Jeder Vergleich hinkt, so auch dieser. Es ist sicherlich nicht vermessen, wenn man behauptet, dass in den aktuellen griechischen Zahlen nicht alle Verbindlichkeiten enthalten sind, aber dies gilt auch für Bremen. Die Schuldenlast des Bundes von 1.100 Milliarden Euro müsste in diesem Vergleich auch anteilig auf jeden Bremer verteilt werden.

Wie in Griechenland ist auch in Bremen die Schuldenlast erdrückend und nicht mehr durch reines Wirtschaftswachstum nennenswert zurückzuführen. Und wie in Griechenland durch die EU und die EU-Mitgliedsstaaten erhält Bremen regelmäßig Transferzahlungen vom Bund und von den übrigen Bundesländern. Vom Bund kamen 2015 563 Millionen Euro Sonderzuweisungen und im Rahmen des Länderfinanzausgleichs über 600 Millionen Euro von den Ländern. Mit letzterem ist jetzt bald Schluss. Der Länderfinanzausgleich wird abgeschafft. Darauf haben sich der Bund und die Länder geeinigt. Das ist gut und richtig so. Er war schon immer leistungsfeindlich, weil nur wenige Geberländer eine große Mehrheit von Nehmerländern gegenüberstanden. Aktuell zahlen nur noch Hamburg, Hessen, Baden-Württemberg und Bayern ein. In 2015 waren es 9,5 Milliarden Euro. Das hört sich viel an, am gesamten Steueraufkommen von 620 Milliarden Euro sind es aber lediglich 1,5 Prozent.

Daher ist die Einigung nur ein Reförmchen. Eigentlich müsste eine viel grundlegendere Veränderung des Föderalismus stattfinden. Der deutsche Föderalismus schafft falsche Anreize. Er bestraft gute Politik und belohnt schlechte. Kommen Bremen oder auch das Saarland mit ihren Ausgaben nicht zurecht und steigt daher die Verschuldung immer weiter an, dann hilft der Bund in unregelmäßigen Abständen mit Sonderzahlungen – jetzt wieder. Damit die beiden Länder der Neuordnung des Finanzausgleichs ab 2020 zustimmen, erhalten sie erneut Sanierungshilfen von 800 Millionen Euro.

Geändert hat sich in den letzten Jahrzehnten an der grundsätzlichen Finanzsituation der beiden Schuldenländer dennoch nichts. Dabei ist die Größe der Bundesländer nicht das Problem. Das sieht man schon daran, dass das kleine Hamburg in den Länderfinanzausgleich bislang eingezahlt und das große Nordrhein-Westfalen Leistungen daraus bezogen hat.

Das Problem ist, wie in Griechenland auch, das Auseinanderfallen von Risiko und Haftung. Werden falsche Strukturentscheidungen der Länder getroffen, zu viele Beamte eingestellt oder zu viele Prestigeprojekte errichtet, haften nicht das Land Bremen und seine Bürger dafür, sondern alle Bürger in Deutschland. Es gibt in Deutschland keine Insolvenz von Kommunen und Ländern. Im Zweifel muss der Bund einspringen.

Das muss nicht so sein. Ein funktionierender Wettbewerbsföderalismus lässt die Verantwortung für die Entscheidungen auf der jeweiligen politischen Ebene. Leben eine Kommune oder ein Land über ihre Verhältnisse, dann müssen sie sich selbst um eine Konsolidierung bemühen. Gelingt dies nicht, dann muss mit den Gläubigern über eine Lösung verhandelt werden. Das ist nicht ungewöhnlich. Kann der Bundesstaat Kalifornien seine Beamten nicht mehr bezahlen, dann schickt er sie in den Zwangsurlaub. Die Zentralregierung in Washington käme nicht auf die Idee einzuspringen.

Und auch in unserem Nachbarland Schweiz kennt man nicht die Kollektivhaftung für das Versagen auf kommunaler oder kantonaler Ebene. Als 1998 die Gemeinde Leukerbad im Kanton Wallis zahlungsunfähig wurde, wollten sich die Gläubiger anschließend beim Kanton und bei der Zentralregierung schadlos halten. Diese verweigerten die Zahlung. Am Ende verzichteten die Gläubiger auf 78 Prozent ihrer Forderungen. Seitdem differieren die Finanzierungskonditionen zwischen Gemeinden, Kantonen und dem Bund in der Schweiz je nach Solidität. Dieser Wettbewerbsföderalismus funktioniert in der Schweiz auch deshalb, weil die jeweilige Ebene nicht nur über die Ausgaben in einem viel größeren Ausmaß als hierzulande bestimmen kann, sondern auch über die Einnahmen. Kantone und Gemeinden haben eine umfangreiche Steuerautonomie, die 80 Prozent des Steueraufkommens bei ihnen belässt. In Deutschland sind es nur rund 50 Prozent und das eigene Steuererhebungsrecht ist, von einigen Bagatellsteuern abgesehen, nicht vorhanden. Mehr Wettbewerbsföderalismus wäre daher auch für Deutschland gut.

Erstmals erschienen am 22. Oktober 2016 in der Fuldaer Zeitung.

Photo: Eli Christman from Flickr (CC BY 2.0)

Von Fabian Kurz, Student der Volkswirtschaftslehre, ehemaliger Praktikant bei Prometheus und dem Cato Institute in Washington D.C.

Noch vor einigen Monaten wurde die Präsidentschaftskandidatur Donald Trumps von der ganzen Welt belächelt. Der Immobilienmogul war mit seiner eigenen Reality Show nicht viel mehr als eine Kuriosität im amerikanischen Vorwahlkampf. Doch er hat das scheinbar Unmögliche geschafft: Er hat alle republikanischen Konkurrenten eindrucksvoll aus dem Rennen befördert und ist nun der Präsidentschaftskandidat der „Grand Old Party“. Man stelle sich einen rassistischen Robert Geiss vor, der Angela Merkel als CDU Spitzenkandidat ablösen würde.

Eine CNN Umfrage vom Anfang des Monats sieht Hillary Clinton klar in der Favoritenrolle in der kommenden Präsidentschaftswahl. Sie erhält 42 Prozent Zustimmung während Donald Trump mit nur 34 Prozent rechnen kann. Bemerkenswert ist, dass der Kandidat der Libertarian Party, Gary Johnson, mit ganzen 11 Prozent gelistet wird. Doch wenn es nach den Demoskopen gehen würde, wäre „Low Energy Bush“ Präsidentschaftskandidat der Republikaner geworden … In den wichtigen „Swing States“ Ohio, Florida und Pennsylvania liefern sich Trump und Clinton in den Umfragen ein Kopf-an-Kopf-Rennen.

Clinton ist bei den Amerikanern äußerst unbeliebt. Selbst langjährige Demokraten können ihre Abneigung gegen die ehemalige First Lady kaum verbergen. Sie steht für die abgehobene Washingtoner Politikwelt, ohne jeden Realitätsbezug, ist opportunistisch und unglaubwürdig. Aus der Zeit als Außenministerin macht ihr außerdem eine E-Mail-Affäre zu schaffen. Das FBI ermittelt und die ganze Welt kann auf Wikileaks lesen, was die ehemalige Außenministerin Clinton alles so geschrieben hat. (Stöbern lohnt sich!)

Donald Trumps Erfolg ist zu einem großen Teil der Unzufriedenheit über genau diesen Politikertyp geschuldet. Trump ist der Anti-Clinton in jeglicher Hinsicht: Er spricht eine einfache Sprache und er kann Menschen begeistern. Er verkörpert, wenn auch auf eine etwas schräge Art und Weise, den „American Dream“. Er lässt sich, anders als „die da“ in Washington nicht durch Lobbyisten kaufen: Er hat selbst schon genug Geld.

Die Wandlung des schrägen und lauten Vorwahlkämpfers Trump zum Präsidentschaftskandidaten Trump hat längst begonnen. So vermeidet er es neuerdings, Mexikaner pauschal als Verbrecher und Vergewaltiger zu beleidigen. Auch die geplante Mauer zu Mexiko tritt zunehmend in den Hintergrund. Der 69-jährige Milliardär bewegt sich zunehmend auf die politische Mitte zu. Am Ende könnte er sogar Unterstützung aus dem Bernie Sanders-Lager gewinnen. Protektionistische Wirtschaftspolitik und der Frust über die Washingtoner Politikelite ist auch dort zuhause. Auch in gesellschaftlichen Fragen wurde Donald Trump in der Vergangenheit eine deutlich Demokraten-nahe Position nachgesagt. Sobald er seine Rhetorik des Vorwahlkampfs abgelegt hat, kann er beispielsweise mit den Themen Gleichberechtigung von Homosexuellen und Abtreibung in der Wählerschaft der Demokraten wildern.

Langsam dämmert es vielen, dass ein Präsident Trump nicht nur möglich ist, sondern auch zunehmend wahrscheinlicher wird. Clinton wird auf jeden Fall eine leichterer Gegner sein als viele hoffen. Das bringt uns zu dem eigentlichen Gegenspieler von „The Donald“: Thomas Jefferson. Der Gründungsvater und dritte Präsident der Vereinigten Staaten steht wie kein anderer für die Ideen der amerikanischen Unabhängigkeit und Verfassung. Am 4. Juli 1776 erklärte der zweite Kontinentalkongress die Unabhängigkeit von Großbritannien. Zusammen mit der amerikanischen Verfassung bildet die Unabhängigkeitserklärung das Fundament der Vereinigten Staaten von Amerika: „We hold these truths to be self-evident, that all men are created equal, that they are endowed by their Creator with certain unalienable Rights, that among these are Life, Liberty and the pursuit of Happiness.“

Die ersten Zeilen der Unabhängigkeitserklärung sind nicht nur ein nettes Vorwort, sie fassen das moralische Selbstverständnis der Gründungsväter und Millionen Amerikaner zusammen. Nicht die Regierung verleiht den Menschen gewisse Rechte, sondern jeder Mensch ist von Natur aus mit unveräußerlichen natürlichen Rechten geboren. Diese Rechte auf Leben, Freiheit und das Streben nach Glück bedeuten, dass jeder sein Leben führen kann wie er es für richtig hält. Die Grenzen sind die natürlichen Rechte der Anderen. Um diese natürlichen Rechte zu sichern, konstituierten die Gründer den jungen Staat. Dieser erhält seine gerechte Legitimation durch die Zustimmung der Beherrschten. Regierungshandeln ist daher auf die Bereiche beschränkt, in welchen die Menschen der Regierung entsprechende Kompetenzen verliehen haben. Auch der Regierung und einem Präsidenten Trump sind im Verständnis der Gründungsväter der USA klare Machtgrenzen gesetzt.

Die legislativen Befugnisse werden in Artikel 1 der Verfassung dem Kongress zugesprochen: „All legislative Powers herein granted shall be vested in a Congress of the United States, which shall consist of a Senate and House of Representatives.“ Die Idee, dass die Menschen von Natur aus mit Rechten geboren wurden und nur gewisse Befugnisse an den Staat abgegeben haben, finden sich auch in diesem Satz wieder. So wird keine generelle Befugnis erteilt in dem vom „Power“ gesprochen wird, sondern nur die durch die Menschen abgetretenen „Powers“ werden dem Kongress übertragen. Die amerikanische Verfassung ist mit vielen „Checks and Balances“ ausgestattet. Die vom Kongress verabschiedeten Gesetze können durch den Präsidenten mit einem Veto blockiert werden. Das Veto kann durch eine „Supermajority“ ausgehebelt werden, wenn zwei Drittel beider Kammern des Kongresses es beschließen.

Der „Supreme Court“ hat eine entscheidende Rolle in der amerikanischen Verfassung. Er wacht darüber, dass der amerikanische Gesetzgeber und der Präsident ihre durch die Verfassung definierten Befugnisse nicht überschreiten. Die Richter werden zudem vom Präsidenten im Einvernehmen mit dem Kongress auf Lebenszeit ernannt. Anfang 2016 verstarb der oberste Richter Antonin Scalia. Der nächste Präsident wird durch die Wahl eines neuen Richters die Auslegung der Verfassung auf Jahrzehnte bestimmen können. Antonin Scalia galt als ein konservativer Richter, welcher die Verfassung nahe am Text und daher im Geist der Gründerväter auslegte. Derzeit sind vier Richter im Amt, die durch republikanische Präsidenten ernannt wurden, und ebenso viele, die durch demokratische Präsidenten ihren Posten erhielten. Die nächste Nominierung ist daher entscheidend für das Machtverhältnis im obersten Gericht.

Die Verfassung sieht vor, dass der Kongress mit seinen beiden Kammern das Machtzentrum der amerikanischen Demokratie sein soll. Dem Präsidenten bleibt nach der Ausführung der Beschlüsse des Kongresses nur das Feld der Außenpolitik. Insbesondere ist der Präsident der Oberbefehlshaber der Streitkräfte und entscheidet über deren Einsatz, inklusive des Kernwaffenarsenals. Trump gibt sich als „Non-Interventionist“ und kritisiert die Außenpolitik von George W. Bush scharf, doch es bleibt zu befürchten, dass seine impulsive Art zu gefährlichen Situationen führen wird.

Seit dem Inkrafttreten der Verfassung hat sich das Machtgefüge zugunsten des Präsidenten verschoben. Vor allem Obama benutzt exekutive Anordnungen, um den regulären Gesetzgebungsprozess im Kongress zu umgehen. Man könnte hoffen, dass der Kongress seine Kompetenzen wieder zurückholen würde und die Macht der Exekutiven wieder einschränkt, wenn Donald Trump gewählt werden würde. Das wäre allerdings ein sehr optimistisches Szenario, denn es verkennt die tatsächliche Machtbalance zwischen der Exekutive und dem Kongress.

Die amerikanische Verfassung gibt dem Kongress die Möglichkeit, Donald Trump in die Schranken zu weisen. Sie kann der Unberechenbarkeit des Donald Trumps aber wohl nichts entgegensetzen. Die Gründungsdokumente sind beeindruckende Meilensteine der Freiheit, doch sie sind nicht „self-enforcing“. Das Wirken hängt von dem Respekt und dem tatsächlichen Leben der Verfassung ab. Wenn sich mehr Amerikaner der Bedeutung ihrer liberalen Gründungsdokumente vergegenwärtigen würden, könnte Druck auf den Kongress entstehen, seine ursprüngliche Verantwortung wieder zu übernehmen. Vor allem würde dann aber ein prinzipienloser Populist, der mit fast jeder Aussage die liberalen Grundwerte der Gründerväter mit Füßen tritt, erst gar nicht gewählt werden.

Photo: Danny Huizinga from Flickr (CC BY 2.0)

Die bizarre bis erschreckende Situation, in der sich die USA derzeit befinden, ist auch das Ergebnis überzogener Versprechen der Politik. Wenn Weltenrettung der Mindeststandard geworden ist, darf man sich nicht über Kandidaten wie Trump oder Sanders wundern.

„Wenn Du mich wählst, sorge ich dafür, dass Du ein glücklicher Mensch wirst.“

George W. Bush versprach seiner Nation nach dem Trauma des 11. September einen harten, mühsamen, im Ende aber siegreichen Kampf gegen den Terrorismus. Mit dem Irak-Krieg wurde der Agenda auch noch die Demokratisierung des Nahen und Mittleren Ostens hinzugefügt. Nachdem diese beiden Vorhaben einen ganz anderen Verlauf genommen hatten, als ihn sich der Präsident vorgestellt hatte, punktete sein Nachfolger Barak Obama mit der Verheißung, einen Wandel herbeizuführen und die Vereinigten Staaten wieder zu versöhnen. Gemeinsam ist beiden in so vielen Punkten antagonistischen Präsidenten, dass sie gewaltige Versprechen abgegeben haben. Ihr Anspruch war nicht, das ein oder andere Problem zu lösen. Ihr Anspruch war die Rettung der Welt.

Damit haben sie nicht nur bei weitem die Grenzen dessen überschritten, was Politik in einer Demokratie überhaupt zu leisten befähigt ist. Sie haben vor allem auch ein Anspruchsdenken der Wähler an die Politiker befördert, dessen Früchte nun im Vorwahlkampf zu begutachten sind. Politik, so das implizite Versprechen von Bush und Obama, würde sich nicht mehr nur darauf beschränken, Art und Maß der Steuern zu bestimmen, die Umverteilung zu organisieren und Möglichkeiten der Gewährung von innerer und äußerer Sicherheit auszuloten. Politik würde die Welt fundamental verändern und das Leben der Menschen nachhaltig verbessern. Auch wenn das explizit nie so formuliert wurde – das was bei vielen Wählern ankam, war die Verheißung: „Wenn Du mich wählst, sorge ich dafür, dass Du ein glücklicher Mensch wirst.“

Das veränderte Politik-Verständnis

Natürlich wurden diese so geschürten Erwartungen auf voller Linie enttäuscht. Die beiden Präsidenten verloren sich auch im Klein-Klein der Alltagspolitik, machten technische Fehler, schätzten Situationen falsch ein, mussten äußeren Zwängen gehorchen und wurden von der Öffentlichkeit und vom Parlament vor sich hergetrieben. Die Bilanz nach acht Jahren Bush war viel erfolgloses Militärengagement, ein exzessiver Überwachungsstaat und eine enorme Steigerung der Staatsverschuldung. Die Bilanz nach acht Jahren Obama wird, von einigen Ausnahmen abgesehen, auch nicht viel besser ausfallen. Zudem hat sich die Spaltung des Landes eher noch verschlimmert.

Die Enttäuschung über die nicht eingehaltenen Versprechen hat allerdings nicht dazu geführt, dass sich die amerikanischen Wähler jetzt wieder den Pragmatikern zugewandt hätten, also etwa grundsoliden, wenn auch etwas langweiligen Leuten wie dem Republikaner John Kasich oder dem Demokraten Martin O’Malley. Und das liegt daran, dass Politiker wie Bush und Obama mit ihren völlig überzogenen Weltrettungs-Plänen das Politik-Verständnis der Mehrheit verändert haben. Dass noch keine paradiesischen Zustände eingetreten sind, liegt dann im Verständnis vieler an der Person Bush oder an der Person Obama, nicht an der Unerfüllbarkeit von deren Versprechen. Ein anderer, so die Erwartung, werde das dann aber schon hinbekommen.

Streben nach Glück statt Glücksversprechen

Das Ergebnis ist, dass extreme Exponenten wie Trump und Sanders einen erschreckenden Zulauf haben. Die beiden sind in gewisser Weise groteske und überzeichnete Karikaturen der letzten Präsidenten: Trump in seiner Hemdsärmeligkeit als vulgäre Variante von Bush und Sanders in seiner Intellektuellen-Manier als kompromisslose Variante von Obama. Anstatt die Erwartungshaltung an die Politik wieder zurückzuschrauben, wurde sie noch einmal um etliche Windungen weitergeschraubt. Das ist der Fluch unerfüllbarer Versprechen. Der Fluch der Verheißung, die Welt retten zu können.

Gerade weil viele Trends aus den USA oft mit ein paar Jahren Verspätung in Europa ankommen, kann man nur inständig hoffen, dass der derzeitige Alptraum eine vorübergehende kurze Episode bleiben wird. Hoffentlich wacht die Mehrheit der Amerikaner bald erschrocken auf und wendet sich wieder jenem Verständnis von Politik zu, das ihre Gründerväter formuliert hatten und das sie zu ihrer jetzigen Größe geführt hat. Denn das „Streben nach Glück“, das als unveräußerliches Recht in der Unabhängigkeitserklärung festgeschrieben wurde, ist eben nicht ein Glücksversprechen, das von außen kommt. Es wird nicht versprochen, dass die Bürger glücklich gemacht werden, sondern dass sie die Möglichkeit haben, ihr eigenes Glück zu verfolgen. Weder Grenzzäune noch ein massiver Ausbau der sozialen Sicherungssysteme werden Amerika wieder zu alter Größe führen. Einzig der Einsatz, der Fleiß, der Unternehmergeist und der Optimismus jedes einzelnen Bürgers kann ein Land nach vorne bringen – ob in den USA oder in unserem Land.