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Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues und Kalle Kappner, Promotionsstudent an der Humboldt-Universität zu Berlin, Research Fellow bei IREF, Fackelträger von Prometheus.

Deutschlands „Schwarze Null“ der Neuverschuldung alleine reicht nicht, um eine Rezession Hierzulande sicher ausschließen zu können. Ein vom Export abhängiges Land wie Deutschland tut gut daran auch seine Partner von einer stabilitätsfördernden Fiskalpolitik zu überzeugen.

Die Wahrscheinlichkeit einer Rezession in einer Volkswirtschaft steigt mit dem Volumen ausstehender Schulden. Das legen Ergebnisse ökonomischer Forschung nahe. Zwar ist Deutschlands Schuldenbelastung im internationalen Vergleich gering, doch gibt der hohe Schuldenstand in vielen anderen Ländern Anlass zur Besorgnis. Kommt es im Ausland zu ausgeprägten Verwerfungen auf den Finanzmärkten und in der realen Wirtschaft, bleibt ein hochgradig in die Weltwirtschaft integriertes Land wie Deutschland von den Wirkungen auch bei niedrigem Schuldenstand nicht vollends verschont. Finanzminister Olaf Scholz sollte bei seinen Kollegen dafür werben, ebenfalls ausgeglichene Haushalte anzustreben. Das wäre zwar nur ein Anfang, denn auch die privaten Schuldenstände sind anderswo hoch. Aber ein Anfang wäre es.

Schulden und Krisen

Empirisch ging vielen Konjunkturabschwüngen ein wachsender Verschuldungsgrad von privaten Haushalten, Unternehmen und Staaten voraus. Die in der Fachliteratur als Finanzzyklus bezeichneten Aufs und Abs der Kreditvergabe gelten entsprechend als zuverlässiger Indikator für die Entwicklung der realwirtschaftlichen Konjunktur. Das gilt auch für die Wirtschaftskrise ab 2008, der ein starker Anstieg des Niveaus der gesamten Schulden im Verhältnis zum BIP voranging.

Zwar verlaufen Finanz- und Konjunkturzyklen nicht synchron – erstere dauern typischerweise 15 bis 20 Jahre, während letztere in entwickelten Volkswirtschaften 5 bis 8 Jahre anhalten. Doch fallen die Spitzen des Finanzzyklus, also die Zeiten höchster Verschuldung, häufig mit Finanz-, Banken- und allgemeinen Wirtschaftskrisen zusammen.

Exzessive Kreditvergabe kann Wirtschaftskrisen auslösen – zum einen, weil sie gehäufte Fehlinvestitionen begünstigt, deren Bereinigung sich in Krisen äußert, zum anderen, weil hoch verschuldete Volkswirtschaften gegenüber exogenen Schocks wie Handelsflauten weniger widerstandsfähig sind. Fallen die Kurse von Vermögenswerten auf breiter Front und geht die wirtschaftliche Aktivität zurück, können viele Schuldner ihren Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen, wodurch weitere Marktteilnehmer in Zahlungsschwierigkeiten geraten.

Schuldenstand in Deutschland vergleichsweise niedrig…

Die Verschuldung von Privathaushalten, Staat und nicht im Finanzsektor tätigen Firmen fällt in Deutschland im internationalen Vergleich relativ gering aus. Die jüngsten international vergleichbaren Zahlen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich beziehen sich auf das dritte Quartal 2017.

Mit einer Quote von rund 178 % des Bruttoinlandsprodukts lag die Summe der Verschuldung privater Haushalte, Nicht-Finanzunternehmen und des Staates in Deutschland deutlich unter dem Verschuldungsgrad von Ländern wie Frankreich, Großbritannien, Italien oder den USA, die alle eine Quote von über 250 Prozent aufwiesen. Deutschland lag auch unter dem Durchschnitt der Eurozone (260 %) und der G20 (246 %).

 

 

In besonderem Maße tragen dazu die niedrigen Schulden von nicht im Finanzsektor tätigen Firmen bei. Deren Verschuldung fällt mit rund 54 % des Bruttoinlandsprodukts nur halb so hoch aus wie im Eurozonendurchschnitt (102,2 %) und in den G20 (96,1 %).

 

 

Auch die Privathaushalte waren im Vergleich zum Eurozonen- (57,9 %) und G20-Durchschnitt (61 %) mit 53,1 % des Bruttoinlandprodukts unterdurchschnittlich verschuldet.

 

 

Bezüglich der Staatsverschuldung befand sich Deutschland mit rund 70 % des Bruttoinlandsprodukts ebenfalls deutlich unter dem Eurozonendurchschnitt (100 %) und auch unter dem Durchschnitt der G20 (89 %).

 

 

Im Gegensatz zu den meisten Eurozonenländern war die deutsche Gesamtverschuldungsquote über die letzten 20 Jahre recht stabil und seit einigen Jahren rückläufig. Zwar stieg im Zuge der Finanzkrise von 2012 die deutsche Staatsverschuldung an, doch fiel dieser Anstieg geringer aus als im Eurozonendurchschnitt.

 

 

… aber Gefahr durch hohe weltweite Verschuldung

Wäre Deutschland eine isolierte Volkswirtschaft, gäbe angesichts des vergleichsweise niedrigen Schuldenniveaus wenig Grund zur Sorge vor einer durch hohe Schuldenstände ausgelösten Krise der realen Wirtschaft. Doch die deutsche Wirtschaft ist international stark vernetzt. Zwar ist sie durch die niedrigen Schuldenstände vor einer Finanzkrise, in der die Preise vieler Vermögenswertklassen fallen, relativ gut gewappnet. Geht jedoch die Nachfrage nach deutschen Produkten aufgrund einer Finanz- und Realwirtschaftskrise im Ausland zurück und müssen Kredite an Ausländer abgeschrieben werden, ist es auch mit dem deutschen Konjunkturhoch und der historisch niedrigen Arbeitslosigkeit schnell vorbei.

Angesichts des weltweit hohen und weiter steigenden Schuldenniveaus besteht für die deutsche Politik daher kein Anlass zum entspannten Zurücklehnen. Vielmehr sollte Finanzminister Scholz an der „schwarzen Null“ festhalten und unter seinen Eurozonen- und G20-Kollegen für eine nachhaltigere Schuldenpolitik werben. So würden die Staaten zumindest einen Beitrag zu mehr Finanzstabilität leisten, statt Öl ins Feuer zu gießen.

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Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues und Fabian Kurz, Student der Volkswirtschaftslehre. 

Die aufgebauten Rentenansprüche zeigen, dass die meisten Menschen in Deutschland erfolgreich für ihr Alter sparen. Vermögen außerhalb der Renten sind nicht nur Einkommensgrundlage im Alter, sondern geben Menschen auch Flexibilität und Eigenverantwortung. Es sollte ihnen leichter gemacht werden, Selbiges selbstbestimmt aufzubauen und zu verwalten.

Der Median des Nettovermögens deutscher Haushalte lag 2014 bei 60.400 Euro, wie die Deutsche Bundesbank berichtet. Wird – wie einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung – der Versuch unternommen, die Rentenansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung mit einzuberechnen, nimmt das Nettovermögen der Haushalte in der Mitte und am unteren Ende der Vermögensverteilung relativ stark zu. Doch Rentenansprüche bringen im Vergleich zu anderen Vermögensformen bedeutende Nachteile mit sich. So können sie beispielsweise nicht als Eigenkapital beim Hauskauf eingesetzt werden. Deshalb wäre es wünschenswert, wenn auch abhängig Beschäftigte die Möglichkeit hätten, über einen Großteil ihres Vermögens frei zu verfügen. Eine Reduzierung der verpflichtenden Einzahlungen in die gesetzliche Rentenversicherung auf ein Minimum wäre ein großer Schritt in die richtige Richtung. Menschen hätten dadurch mehr Raum für die Altersvorsorge mittels flexibel verwendbarer Vermögensformen.

Vermögensverteilung in Deutschland

Die Studie des DIW aus dem Jahr 2017 bietet einen aktuellen Einblick in die Vermögensverteilung in Deutschland. Die Forscher verwendeten Daten des Sozioökonomischen Panels aus den Jahren 2012 und 2013. Das durchschnittliche Nettovermögen der 10 Prozent der Haushalte, die am wenigsten Vermögen besaßen, betrug demnach inklusive privater und betrieblicher Renten und ohne gesetzliche Rentenansprüche durchschnittlich 6.670 Euro. Die Haushalte mit dem höchsten Vermögen besaßen netto im Durchschnitt 945.809 Euro.

 

Vermögensverteilung inklusive Renten- und Pensionsansprüchen

Die Rentenansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung machen vor allem für weniger Vermögende einen bedeutenden Teil ihres gesamten Vermögens aus. Dies zeigt sich, wenn die gesetzlichen Renten- und Pensionsansprüche mit in die Vermögensstatistik einbezogen werden. Das Median-Nettovermögen steigt auf über 169.000 Euro und die Vermögensverteilung wird gleicher.

 

Für das unterste Dezil erhöht sich das Nettovermögen um über 100.000 Euro. Auch im zehnten Vermögensdezil erhöhen sich die Nettovermögen, wenn die Renten- und Pensionsansprüche miteinbezogen werden, allerdings fällt der relative Anstieg hier geringer aus, weil die Rentenansprüche einen kleineren Anteil am Vermögen ausmachen. Dass Personen mit den höchsten Vermögen in Deutschland im Sozioökonomischen Panel nicht erfasst werden, ist für unsere Betrachtung nicht bedeutend, weil wir primär interessiert sind an der Auswirkung der Berücksichtigung der Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung und weniger an der Vermögensverteilung per se.

Rentenansprüche: Vermögen zweiter Klasse

Auf den ersten Blick scheint es keinen großen Unterschied zwischen verschiedenen Formen der Altersvorsorge zu geben. Vorsorgende Menschen verzichten heute darauf, einen Teil ihres Einkommens für Konsum auszugeben, um in der Zukunft mehr konsumieren zu können.

Doch die Unterschiede zwischen Ansprüchen aus der gesetzlichen Rentenversicherung – sowie zum großen Teil auch Vermögen aus der staatlich geförderten privaten Altersvorsorge – und anderen fungibleren Vermögenswerten sind enorm. Anders als beispielsweise bei einem Guthaben bei einer Bank, Aktien oder einem Eigenheim kann der Sparer bei Rentenansprüchen nicht stets auf sein Vermögen zugreifen. Zugang zum eigenen Vermögen zu haben, ist jedoch an sich wertvoll, denn nur dann kann es in vielen Situationen eingesetzt werden.

Anders als klassische Vermögensformen können Rentenansprüche weder als Sicherheit für ein Kredit dienen, noch vererbt oder verschenkt werden. Sie können zudem nicht als finanzieller Puffer in schlechten Zeiten dienen. Sie können nicht zur Hilfe für Freunde und Verwandte eingesetzt werden. Sie können nicht den altersgerechten Umbau der Wohnung erleichtern oder die Gründung einer Unternehmung finanzieren.

Rentenansprüche ersetzen klassisches Vermögen nicht

Anstatt die Mehrheit der Bevölkerung dazu zu verpflichten, den Großteil ihres gesamten Vermögens in Form eines imperfekten Substituts für klassisches Vermögen zu halten, wären Maßnahmen wünschenswert, die allen den Aufbau klassischen Vermögens erleichtern. Die derzeitige weitreichende Verpflichtung, in die gesetzliche Rentenversicherung einzuzahlen, nimmt den Menschen die Möglichkeit, das volle Potential ihrer Ersparnisse zu nutzen.

Deutlich attraktiver wäre es, die Verpflichtung, in die gesetzliche Rentenversicherung einzuzahlen, auf ein Minimum zu beschränken. Dadurch wäre die Mindestsicherung im Alter sichergestellt. Über die Mindestsicherung hinaus könnten Menschen zusätzlich vielseitig einsetzbares Vermögen aufbauen und die Sparform wählen, die am besten zu ihrer Lebensplanung passt. Dies würde die Nachteile, die aus den nur unflexibel einsetzbaren Rentenansprüchen resultieren, reduzieren und mehr Gestaltungsspielraum beim Aufbau von Vermögen lassen.

Vermögen für alle

Die aufgebauten Rentenansprüche zeigen, dass die meisten Menschen in Deutschland erfolgreich für ihr Alter sparen. Die relativ niedrigen sonstigen Vermögen sind daher zum Teil auf die umfangreiche Verpflichtung zurückzuführen, Einzahlungen in die gesetzliche Rentenversicherung zu tätigen.

Vermögen außerhalb von Rentenansprüchen ist nicht nur Einkommensgrundlage im Alter, sondern kann für viele Zwecke eingesetzt werden: als Sicherheit für einen Kredit, als Notgroschen für Ernstfälle und als Startkapital für eine Selbständigkeit. Klassiches Vermögen gibt Menschen Flexibilität. Es sollte ihnen leichter gemacht werden, Selbiges eigenverantwortlich aufzubauen.

 

Zuerst erschienen bei IREF.

Bild: Rachel from Unsplash (CC 0) 

Wenn in diesen Tagen überall im Land die Sommerferien zu Ende gehen, dann gewinnt die Bildungspolitik wieder stärkere Aufmerksamkeit. Das ist gut und richtig. Eine gute Bildungspolitik wird oft in Statistiken gepackt. Gut ist, wenn ein Bundesland möglichst viel Geld pro Schüler ausgibt. Gut ist, wenn die Bildungsausgaben pro Wirtschaftskraft im internationalen Vergleich möglichst hoch sind. Und gut ist, wenn die staatliche Forschungsförderung möglichst ausgebaut wird. All diese Ansätze haben eines gemeinsam. Sie glauben, „viel hilft viel“ und der Staat wüsste am besten, wie Bildung und dessen Erfolg auszusehen hat. Deshalb muss er für das Bildungswesen verantwortlich sein – und das möglichst zentral gelenkt.

Doch wenn das alles richtig wäre, dann müsste man im Bundesland Berlin die besten Schüler finden. Denn der Stadtstaat gibt pro Schüler am meisten Steuergelder aus (8.900 Euro pro Schüler/2015). Berliner Schüler schneiden aber beim Bildungsmonitor der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft am Schlechtesten von allen Bundesländern ab. Ein wesentlicher Grund für die hohen Bildungsausgaben pro Schüler ist der hohe Anteil an Ganztagsschulen in der Hauptstadt. Auch daran sieht man, dass Ganztagsschulen nicht per se zu besseren Bildungserfolgen führen. Dennoch zeigt das Beispiel Berlin, dass der Wettbewerb im Bildungsbereich in Deutschland nicht gänzlich ausgeschaltet ist. Würde alles von Berlin aus für das ganze Land bestimmt, dann bräuchte es nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen, dass nicht Sachsen (Platz 1) oder Thüringen (Platz 2) den Takt angäben, sondern eben Berlin (Platz 16) und Bremen (Platz 15)

Entscheidend ist, wofür Bildungsausgaben eingesetzt werden. Und hier läuft die Auseinandersetzung auf zwei Ebenen. Die erste Ebene ist zentral gegen dezentral. Die zweite Ebene verläuft zwischen Staat und Privat. Wenn der Staat seine Bildungsausgaben zentralisiert, glauben viele, würde es besser. Warum eigentlich? Eigentlich funktionieren die staatlichen Ebenen meist dann nicht, wenn Verantwortung verwischt wird. Wenn der Bund Bildungsausgaben bezahlt, die Länder das Personal einstellen und die Inhalte bestimmen, zusätzlich die Kommunen die Gebäude finanzieren, dann herrscht kollektive Verantwortungslosigkeit. Keiner kann für das Versagen in der Bildungspolitik verantwortlich gemacht werden. Eigentlich sind dann alle irgendwie schuld, wenn die Ergebnisse schlecht sind. Gleichzeitig verzerrt der Staat den Wettbewerb zu privaten Trägern. Letztere werden zwar auch vom Staat beaufsichtigt, aber irgendwie sind die Schulämter den „eigenen Schulen“ doch näher. Diese können die Lehrer verbeamten, private Träger können das nicht. Dort haben Lehrer dann schnell mal ein paar hunderte Euro weniger netto in der Tasche, nur weil sie Angestellte und keine Beamten sind.

Der Vereinheitlichung und Verstaatlichung des Bildungssystems ist der falsche Weg in der Bildungspolitik. Daher muss eine erfolgreiche Bildungspolitik auf dem Wettbewerbsprinzip basieren. Bildungseinrichtungen, vom Kindergarten bis zur Universität, müssen nach ihren eigenen Kriterien und ihren Auswahlverfahren ihre Bildungsempfänger aussuchen können. Der Staat muss Kinder und Jugendliche unabhängig vom Träger der Bildungseinrichtung gleich fördern, am besten über Gutscheine, die die Nutzer für die Bildungseinrichtung ihrer Wahl einlösen können. Der Staat kann in diesem Bildungssystem vielleicht Mindeststandards vorgeben, aber ansonsten sollte er sich nicht einmischen. Weder mit einem zentralen Bildungskanon noch mit einem Zentralabitur. Warum müssen alle Schüler eines Bundeslandes oder in ganz Deutschland die gleiche Abiturprüfung machen? Welchem Ideal folgt diese Forderung? Dem Ideal des Einheitsschülers?

Bildungsvielfalt könnte auf den Einzelnen Rücksicht nehmen. Sie könnte auf die Talente, auf die Begabungen und die unterschiedlichen Geschwindigkeiten im Lernen besser Acht geben. Bildungszentralismus schert alle über einen Kamm. Wir sollten in der Bildungspolitik mehr Wilhelm von Humboldt folgen: „Je mehr der Mensch für sich wirkt, desto mehr bildet er sich. In einer großen Vereinigung wird er zu leicht Werkzeug.“

Zuerst erschienen bei Tichys Einblick. 

Photo: David Goehring (CC BY 2.0)

Politische Akteure haben zuweilen eine etwas ungesunde Tendenz, das Leben der Bürger zu verplanen. Ob „Dienstjahr“ oder Rentenalter – irgendwelche wohlklingenden Begründungen finden sich immer. Es ist verwunderlich, wie viel sich die Bürger da gefallen lassen.

Ab in die „Schule der Nation“!

Um das Sommerloch zu stopfen, brachte die CDU-Generalsekretärin Kramp-Karrenbauer Anfang des Monats das Thema Dienstpflicht wieder ins Gespräch. Zur Seite sprangen ihr Kollegen aus den verschiedensten Ecken: vom Vorsitzenden der Mittelstandsvereinigung der Union bis zur Staatsministerin im Auswärtigen Amt. Ja, laut einer Umfrage des ZDF stehen gar 68 Prozent der Bevölkerung auf ihrer Seite. Während Wehrdienst-Veteranen sich begeistert zeigen, dass sich die jungen Leute jetzt auch mal durch die „Schule der Nation“ durchquälen müssen, denkt sich der angehende Romanistik-Student, der gerade seinen Bundesfreiwilligendienst leistet, so ein Jahr könne seinem Klassenkameraden, der mit 17 das BWL-Studium aufgenommen hat, eigentlich auch nicht schaden.

Kaum beachtet werden in der Debatte die vielen Nebeneffekte. Das fängt bei der Tatsache an, dass (zum Glück) nicht jeder junge Mensch durch die Abiturmaschine in Richtung Hochschule durchgeschleust wird. Bundesweit haben vorletztes Jahr 41 Prozent einer Alterskohorte das Abitur gemacht und 11 Prozent die Fachhochschulreife erlangt. Ein sehr großer Teil der anderen 48 Prozent wird Handwerkerin, Buchhalter oder fängt im heimischen Betrieb an zu arbeiten. Viele dieser jungen Leute sind tüchtig und ambitioniert. Sie sind darauf angewiesen, rasch Geld zu verdienen und sich in ihrem Beruf und Betrieb zu bewähren. Eine allgemeine Dienstpflicht würde sie alle für (vermutlich) ein Jahr aus ihrem beruflichen Werdegang herausziehen. Das sollte man sich mal bei einem Studenten nach Abschluss seines Masters trauen …

Der Wert der Freiwilligkeit

Mit welchem Recht sollten politische Entscheidungsträger überhaupt eine solche Pflicht einführen können? Kann die reine Legitimation durch die Wahl rechtfertigen, dass darüber entschieden wird, jedem Bürger ein Jahr seiner Zeit zu mopsen? Im Kalten Krieg mochte das gerade noch angehen – heute wirkt dieser Vorschlag schlichtweg grotesk. Selbst wenn eine große Mehrheit der Bevölkerung das Vorhaben unterstützen sollte, gibt es keine Rechtfertigung dafür, die Minderheit unter ein solches Joch zu zwingen.

Vor allem aber widerspricht eine solche Maßnahme fundamental dem hehren Grundgedanken, der immer gerne angeführt wird, wenn eine solche Dienstpflicht diskutiert wird. Denn der Einsatz für die Gesellschaft bezieht seinen Wert aus der Freiwilligkeit. Und da sieht es in Deutschland übrigens hervorragend aus. Lag der Anteil der ehrenamtlich Engagierten im Jahr 1999 noch bei 34 %, so ist der Anteil im Jahr 2014 auf 43 % der Bürger gestiegen. Am stärksten ausgeprägt ist das Engagement übrigens bei der jungen Bevölkerung. 45.000 Menschen haben letztes Jahr den Bundesfreiwilligendienst absolviert, Tausende junger Menschen gehen jedes Jahr ins Ausland, um dort ihre Zeit und ihr Herzblut einzusetzen. Die freiwillige Entscheidung zum Engagement und die freie Wahl des Bereichs, in dem es stattfindet, machen diesen Einsatz so wertvoll und fruchtbar.

Relikte aus der Feudalzeit

Die Dienstpflicht-Idee ist freilich nur eine unter vielen Maßnahmen, bei denen Politiker das Leben ihrer Bürger planen anstatt ihnen selbst die Verantwortung zu überlassen. Dazu zählen auch viele Gebiete, auf denen wir uns schon längst daran gewöhnt haben, die es aber durchaus wert sind, hinterfragt zu werden. Etwa das ewige Hin und Her zwischen dem acht- und dem neunjährigen Abitur. Nur sechs Bundesländer ermöglichen derzeit Wahlfreiheit für Eltern und Schüler. In allen anderen wird es zentral entschieden. Und auch im höheren Alter wird munter mit dem Leben der Bürger geplanwirtschaftet, indem sich der Staat (auch dank des hiesigen Rentensystems) anmaßt, zu entscheiden, wer wie lange zu arbeiten habe bzw. arbeiten darf. Derzeit arbeiten in Deutschland 1,4 Millionen Rentner nebenbei – und bei weitem nicht alle, um ihre knappe Rente aufzubessern. Gerade Akademiker können ohne Probleme viele Jahre über das gesetzliche Rentenalter hinweg ihrer Arbeit nachgehen, die ihnen oft auch Freude und Zufriedenheit bereitet. Zugleich müssen Facharbeiterinnen, die in einem privaten Altersvorsorgesystem schon mit Mitte 50 genug angespart hätten, Abschläge auf ihre Rente hinnehmen, wenn sie früher die Arbeit niederlegen.

Letztlich sind das alles Relikte aus der alten Feudalzeit, in der ein Fürst seine Untertanen in den Frondienst nehmen konnte und Herr auch über deren privateste Lebensentscheidungen war. Der selbstverantwortliche Bürger in einer freiheitlichen Demokratie sollte so etwas nicht mit sich machen lassen. Unsere Vorfahren haben in einem mühsamen und zähen Kampf die Vorrechte des Landesväter immer weiter zurückdrängen können. Dass Sie heute im Gewand des wohlmeinenden Politikers wiederkehren, der uns erklärt, wo unser Leben hinzugehen habe, und wie wir es am besten und nutzbringendsten führen können, ist eine Farce, die man nicht mit sich machen lassen sollte.

Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues und Kalle Kappner, Promotionsstudent an der Humboldt-Universität zu Berlin, Research Fellow bei IREF, Fackelträger von Prometheus.

Die Deutschen sparen. Und sie sparen viel. Allerdings landet das Ersparte entweder in festverzinslichen Sparkonten und Wertpapieren oder aber als zukünftiger Anspruch in der gesetzlichen Rentenversicherung. Das wird vom Fiskus begünstigt und im Falle der gesetzlichen Rente sogar erzwungen. Dabei hätte eine eigenkapitalbasierte Vorsorge beispielsweise mit Aktien deutliche Vorteile.

Die Deutschen sind weltweit als Sparfüchse bekannt, aber auch als Aktienmuffel mit einer Präferenz für festverzinste Spar- und Sichteinlagen. Deutsche halten einen relativ geringen Anteil ihres Vermögens in Form von veräußerlichen Anlagen mit Eigenkapitalcharakter, obwohl derartige Anlageformen langfristig vor allem im derzeitigen Nullzinsumfeld deutlich höhere Renditen abwerfen.

Ein Grund für die geringe Rolle des Eigenkapitals im Portfolio deutscher Sparer liegt in der gesetzlichen Rentenversicherung, die einen großen Teil der Vermögen weniger betuchter Haushalte repräsentiert. Ein weiterer Grund für die geringe Rolle des Eigenkapitals liegt in der gesetzlichen Anreizstruktur bei der privaten Altersvorsorge. Der deutsche Gesetzgeber privilegiert Anlageformen steuerlich, in deren Genuss individuelle Direktanleger nicht kommen.

Auf individueller Ebene führen die Zwangsersparnis in der gesetzlichen Rentenversicherung und die Fehlanreize in der privaten Altersvorsorge zu Renditeeinbußen. Gesamtwirtschaftlich verzerren sie die Allokation von Ersparnissen. Um daraus resultierende Wohlfahrtsverluste zu verringern, empfiehlt sich der Abbau der gesetzlichen Rentenversicherung zugunsten einer Mindestsicherung sowie eine Korrektur der Anreize für die private Vermögensbildung. Ihre neu gewonnene Freiheit könnten auch weniger begüterte Sparer nutzen, um mehr Eigenkapitalvermögen aufzubauen.

Deutschland: Hohe Sparquote, wenig Eigenkapitalvermögen

Deutschland ist eine Sparernation. Seit Beginn des Jahrtausends liegt die Sparquote deutscher Haushalte stabil bei rund 9-10 % – deutlich über den Quoten der meisten anderen europäischen Länder. Hinsichtlich des langfristigen individuellen Kapitalstockaufbaus sind das gute Voraussetzungen: Viele Deutsche sind bereit, heute auf Konsum zu verzichten, um morgen zusätzlichen Konsum aus ihren Ersparnissen finanzieren zu können.

Das aufgebaute Vermögen konzentriert sich stark in der oberen Hälfte der Vermögensverteilung. Das bedeutet jedoch nicht, dass weniger begüterte Haushalte kaum Ersparnisse bilden. Vielmehr sparen sie vornehmlich zwangsläufig in Form von Ansprüchen gegenüber der gesetzlichen Rentenversicherung, die nicht in die Sparquote einbezogen werden.

Bei freiwilliger Ersparnis setzen deutsche Sparer – neben Immobilien und Bausparverträgen – vor allem auf das Sparschwein, Sicht- und Termineinlagen. Dazu kommen Lebens- und Altersvorsorgeversicherungen, die hauptsächlich auf geringverzinsten Produkten basieren. Eine untergeordnete Rolle spielen dagegen Aktien- und Fondsinvestments.

Im internationalen Vergleich verfolgen deutsche Sparer damit eine konservative Strategie: Geringes Risiko, geringe Rendite – das gilt sowohl bezüglich der gesetzlichen als auch bezüglich der privaten Altersvorsorge. Zum Ausdruck kommt dieses Anlageverhalten unter anderem in der niedrigen Aktienquote. Als Fremdkapitalgeber und Versicherte in der gesetzlichen Rentenversicherung tragen deutsche Sparer zwar relativ geringe Risiken, profitieren langfristig aber auch weniger stark vom technischen Fortschritt, dessen Früchte eher Eigenkapitaleigner ernten.

Die Renditedifferenz zu Sparern in den USA, Großbritannien oder der Schweiz dürfte vor allem bei den weniger Vermögenden höher ausfallen. Wohlhabende Deutsche investieren einen höheren Anteil ihres Vermögens in Anlagen mit Eigenkapitalcharakter.

Anlagestrategie: Präferenzen oder Regulierung?

Angesichts der Klagen über die langanhaltende Niedrigzinsphase und den damit verbundenen Renditeeinbußen bei Sicht- und Spareinlagen, stellt sich die Frage: Weshalb setzen die Deutschen bezüglich ihrer Altersvorsorge nicht stärker auf Eigenkapitalvermögen?
Der geringe Eigenkapitalanteil im deutschen Sparportfolio könnte auf die Präferenzen der Sparer zurückgehen. Die Bundesbank etwa attestiert deutschen Sparern eine „ausgeprägte Risikoaversion“. Die Ursprünge mutmaßlich konservativer Präferenzen sind indes nicht leicht zu ergründen. Die viel zitierte kollektive Erinnerung an die Hyperinflation nach dem ersten Weltkrieg etwa sollte eher Investments in Sachwerte und inflationsgeschützte Anlagen fördern, nicht aber in Bargeld und Sichteinlagen.

Resultierten die Sparentscheidungen der Deutschen schlicht aus ihren risikoaversen Präferenzen, gäbe es an der geringen Rolle des Eigenkapitalvermögens nichts auszusetzen. Doch es deutet einiges darauf hin, dass diese maßgeblich durch staatliche Anreize herbeigeführt wird: Zum einen durch den Zwang zu Beiträgen in die gesetzliche Rentenversicherung und zum anderen durch die Bevorteilung nominal verzinster Anlagen relativ zu Immobilien und Aktien im Rahmen der freiwilligen Altersvorsorge.

Sparzwang: Umlagefinanzierte Rentenversicherung

Neben der privaten Altersvorsorge sammeln die meisten Deutschen im Laufe ihres Lebens zwangsläufig Rentenansprüche, die sie durch Beiträge finanzieren, welche folglich nicht mehr für die private Vermögensbildung zur Verfügung stehen.

Diese Anwartschaften können als Anspruch gegenüber zukünftigen Generationen interpretiert werden. Die Rendite dieser Form von Zwangsersparnis hängt unter anderem von der Entwicklung der Reallöhne ab. Da Arbeitnehmer auch zukünftig durch steigende Reallöhne vom wachsenden Kapitalstock und technischen Fortschritt profitieren werden, ist die umlagefinanzierte Rente prinzipiell geeignet, eine breite Partizipation an den Früchten des Wachstums zu ermöglichen. Sie ähnelt diesbezüglich Aktien und anderen Formen von Eigenkapitalvermögen, die anders als die Rente zusätzlich jedoch den Vorteil haben, veräußerlich und beleihbar zu sein. Zudem impliziert die demographische Entwicklung Deutschlands eine steigende Belastungsquote, die die individuelle Rendite der Zwangsersparnis und damit deren Attraktivität im Vergleich zu direktem Eigenkapitalerwerb weiter schmälern wird.

Es empfiehlt sich daher, die gesetzliche Rentenversicherung in eine Mindestsicherung umzuwandeln. Die neu entstehende Wahlfreiheit könnten Sparer nutzen, um vermehrt in Aktien und Immobilien zu investieren und damit den Eigenkapitalanteil ihres Portfolios zu erhöhen.

Anlage über institutionelle Investoren wird gefördert

Ein großer Teil des Vermögensaufbaus erfolgt im Rahmen der freiwilligen Altersvorsorge. Spätestens seit den Rentenreformen unter der Regierung Schröder ist die staatliche Förderung privater Vorsorge über institutionelle Anleger wie Pensionskassen ein explizites politisches Ziel.

Die staatliche Förderung privater Vorsorge, etwa über Riester-Zuschüsse, kommt hauptsächlich versicherungsförmigen Produkten zugute. Individuelle Direktanlagen am Aktienmarkt hingegen sind von der Förderung ausgeschlossen. Im Rahmen des Alterseinkünftegesetzes kommen außerdem bestimmte, der privaten Altersvorsorge dienende Finanzprodukte, in den Genuss der nachgelagerten Besteuerung. Für den Sparer ergeben sich dadurch deutliche Steuervorteile. Doch entsprechend zertifizierte Produkte werden typischerweise nur von Altersvorsorgeeinrichtungen angeboten.

Der deutsche Staat kanalisiert private Ersparnis somit systematisch hin zu institutionellen Investoren und weg von einer direkten individuellen Anlage. Begründet werden diese Anreize mit Verbraucherschutzargumenten – naive Anleger sollen vor besonders riskanten Anlageformen bewahrt werden.

Private Altersvorsorge setzt kaum auf Eigenkapital

Per se führt die Anlage via institutioneller Investoren zwar nicht zu einer niedrigen Eigenkapitalquote im Portfolio. Doch institutionelle Anleger, die privates Vermögen zu Altersvorsorgezwecken verwalten, verfolgen in Deutschland besonders konservative Anlagestrategien. Sie setzen verstärkt auf nominal verzinste Vermögenswerte, etwa Staatsanleihen.

Die Gründe für die wenig renditeträchtige Portfoliowahl sind komplex. Unstrittig ist, dass der Gesetzgeber aktienschwache Portfolios systematisch fördert. So sind für deutsche Altersvorsorgeeinrichtungen Mindestverzinsungen oder die Garantie einbezahlter Beiträge üblich, die wiederum eine risikoferne, aktienschwache Anlagestrategie bedingen.

Zudem unterliegen Altersvorsorgeeinrichtungen in Deutschland weitgehend der Versicherungsaufsicht, was in anderen europäischen Ländern nicht der Fall ist. Die Versicherungsaufsicht beinhaltet Mindestkapital- bzw. Solvenzvorschriften, die risikoaversere Anlagestrategien wahrscheinlich machen.

Verzerrungsfreie Altersvorsorge

Festverzinsliche Anlageformen sollten im Rahmen der staatlich geförderten privaten Altersvorsorge nicht privilegiert werden und Sparern sollte es freistehen, wie sie den Großteil ihrer derzeit in die gesetzliche Rentenversicherung fließenden Beiträge anlegen. Dann würden auch die möglicherweise besonders risikoaversen deutschen Sparer mehr Vermögen mit Eigenkapitalcharakter aufbauen. Das würde insbesondere Sparer besser für die Zukunft wappnen, die heute nahezu ausschließlich Vermögen in Form unveräußerlicher Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung halten.

Zuerst veröffentlicht bei IREF.