Beiträge

Photo: Lfpelser from Wikimedia Commons (CC BY-SA 4.0)

Selbstständige und Unternehmer sind nicht notwendigerweise Freunde der Marktwirtschaft. Sie sind zwar Marktakteure, aber oft wollen sie nur die Chancen des Marktes nutzen, die Risiken aber möglichst ausschließen. Neue Wettbewerber werden nicht geschätzt, sondern lieber außen vorgelassen. Oft bündeln diese Unternehmer ihre Interessen, um schlagkräftiger gegenüber der Regierung und dem Parlament auftreten zu können. Dies führt zuweilen zu überhöhten Normen und Standards, die dann als Markteintrittsbarrieren dienen. Zusätzliche Anbieter können nur noch mit hohem Aufwand mitmachen. Die Folge ist: zusätzliche Angebote bleiben aus und die Preise bleiben hoch. Die Unternehmer, die drin sind, argumentieren mit der Qualität der Leistung, die der Kunde nicht ausreichend beurteilen könne.

Nicht nur von einigen Unternehmern wird so argumentiert. Es ist auch die Sprachregelung der institutionalisierten „Verbraucherschützer“. Sie glauben, dass es eine Informationsasymmetrie gibt, die dazu führt, dass nicht beide Vertragsparteien über das gleiche Wissen verfügen. Deshalb müsse der schwächere Vertragspartner, der Verbraucher, vom Staat geschützt werden. Viele Interessenvertreter verkennen dabei, dass in einer Marktwirtschaft nie beide Seiten über gleiche Informationen verfügen können. Der so genannte Verbraucher ist auch nicht immer der Schwächere. Er verändert mit seinem Kaufverhalten ganze Branchen. Die Versandhändler Quelle und Neckermann können ein Lied davon singen. Oft ist das Argument des Verbraucherschutzes nur vorgeschoben. Den zu schützenden Unternehmen dient es dazu, sich gegen quirlige Wettbewerber besser zu behaupten, und der Regierung dazu, die Bürger an die Hand zu nehmen. Vater Staat kümmert sich schon um die kleinen Bürgerlein.

Freier Wettbewerb ist anstrengend, senkt die Margen und macht zuweilen auch die Preise kaputt. Doch das ist gut für die Kunden und Konsumenten. Sie haben eine größere Auswahl zu niedrigeren Preisen. Eines der Kernmerkmale dieses freien Wettbewerbes ist die freie Berufswahl, die seit den Stein-Hardenbergschen Reformen von 1810 erst in Preußen und später in ganz Deutschland gilt. Sie wurde nach dem verlorenen Krieg gegen Napoleon eingeführt, weil der ökonomische Druck den preußischen Staat zu umfassenden Reformen zwang.

Nicht ganz so prekär wie im frühen 19. Jahrhundert war Anfang der 2000er Jahre die ökonomische Situation in Deutschland. Dennoch plagte die damalige rot-grüne Regierung unter Gerhard Schröder eine hohe Arbeitslosigkeit und wirtschaftliche Stagnation. Deutschland war der kranke Mann Europas. Die Agenda 2010 war die Antwort Schröders und seines Wirtschaftsministers Wolfgang Clement darauf. Vieles, was lange in der Wissenschaft und in regierungsnahen Beratergremien diskutiert und niedergeschrieben wurde, war plötzlich en vogue. Ein Thema, was über Jahrzehnte die Gemüter bewegte, war der Meisterzwang (großer Befähigungsnachweis) im Handwerk.

Handwerkskammern, Politiker und Interessenvertreter klammerten sich daran. Den Anstoß für die Änderung gab letztlich die EU. Der EuGH verwarf 2000 die damalige Handwerksordnung, da sie dem Grundsatz der Dienstleistungsfreiheit widersprach. Seit 2004 gilt ein reduziertes Verzeichnis der Gewerbe, die als „zulassungspflichtige Handwerke“ betrieben werden können. Sie sind in Anlage A der Handwerksordnung aufgeführt. Die 41 Berufe reichen von Brunnenbauer bis Vulkaniseur. Sie kennzeichnet ihre „Gefahrgeneigtheit“ und sie weisen eine hohe „Ausbildungsleistung“ aus. Frühere meisterpflichtige Gewerke wie Fliesenleger und Rolladenbauer sind in der Anlage B erfasst und benötigen keinen Meisterbrief zur Selbstständigkeit. Die Interessenvertreter des Handwerks wollen diese wieder dem Meisterzwang aussetzen, um sie vor günstiger Konkurrenz zu schützen.

Jetzt werden zusätzliche Kriterien diskutiert, um diese Berufsfelder in die Gruppe der geschützten Gewerke aufzunehmen. Der Verbraucher- und Umweltschutz, Energieeinsparung oder der „Erhalt des Kulturgutes“ werden dabei genannt. Und wieder trommeln die Verbände und Kammern dafür. Der Wirtschaftsminister und die Koalitionsparteien sind bereits auf ihrer Seite.

Doch es wäre der falsche Schritt. Stattdessen müsste eigentlich die Liste der 41 Gewerke überprüft werden, die nach wie vor einen großen Befähigungsnachweis für die Selbständigkeit benötigen. Deren Rückgang hat der Meisterzwang nicht aufgehalten. In manchen Regionen gibt es beispielsweise keinen einzigen Fleischer mehr, der selbst schlachtet. Es wird auch nicht mehr in entsprechender Anzahl ausgebildet, da nicht nur die Anzahl der Betriebe insgesamt rückläufig ist, sondern auch das Interesse junger Menschen Fleischer zu werden schwindet. Das kann man beklagen, jedoch hat der große Befähigungsnachweis daran nichts geändert. Heute ist, auch das kann man beklagen, die Fleischverarbeitung meist ein großindustrielles Gewerbe. Die Ursache ist nicht nur der internationale Wettbewerb, sondern auch die hohen Hygiene-, Umwelt- und Dokumentationsstandards, die viele selbständige Fleischer zur Aufgabe gezwungen haben. Man sagt, Handwerk habe goldenen Boden. Das stimmt sicherlich. Wer Handwerker im Baunebengewerbe sucht, kann ein Lied davon singen. Wahrscheinlich werden junge Handwerker in dieser Branche in wenigen Jahren ein wesentlich besseres Auskommen haben als viele der Bachelorabsolventen, die derzeit an den Hochschulen ausgebildet werden.

Die Stein-Hardenbergschen Reformen machten 1810 nicht nur den Weg frei für eine Gewerbefreiheit, sondern beseitigten auch den Meisterzwang für das Handwerk. Diese Reform war einer der entscheidenden Schritte für den ökonomischen Aufstieg Deutschlands Mitte und Ende des 19. Jahrhunderts. Daran sollten wir wieder anknüpfen.

Foto: biancamentil from Pixabay (CC O)

Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues und Fabian Kurz, Doktorand der Volkswirtschaftslehre. 

Auf den ersten Blick ist Vollkommenheit erstrebenswert. Doch Perfektion ist in vielen Fällen mit hohen Kosten verbunden. Immer mehr Ressourcen, die anderswo eingesetzt werden könnten, müssen verwandt werden, um noch das letzte bisschen Unvollkommenheit auszumerzen. Unvollkommenheit ist deshalb häufig optimal.

Optimale Unvollkommenheiten

Eine Welt ohne Morde, Kriminalität, Todesopfer im Straßenverkehr, Flugzeugunglücke und mit einer immer pünktlichen Deutschen Bahn sowie einer hundertprozentigen Recyclingquote. Wäre das nicht schön? Aktuell möchte Verkehrsminister Scheuer mit einer „Funkloch-App“ auch die letzten weißen Flecken in Mobilfunknetzen aufspüren und beseitigen. Auf den ersten Blick ist Vollkommenheit erstrebenswert. Doch Perfektion ist in vielen Fällen mit hohen Kosten verbunden. Immer mehr Ressourcen, die anderswo eingesetzt werden könnten, müssen verwandt werden, um noch das letzte bisschen Unvollkommenheit auszumerzen. Unvollkommenheit ist deshalb häufig optimal.

Trade-Offs und steigende Kosten

Ressourcen wie Rohstoffe und Arbeitszeit sind knapp. Ihre Verwendung auf eine Aktivität schließt eine alternative Verwendung aus. Werden Ressourcen zur Verbesserung der medizinischen Versorgung eingesetzt, können sie nicht mehr für die Prävention von Kriminalität verwandt werden. Derartige Trade-Offs plagen uns, sobald Ressourcen lediglich begrenzt zur Verfügung stehen. Angestrebte Ziele können dann nur erreicht werden, wenn die Verfolgung anderer Ziele eingeschränkt wird.

Keine Morde, Kriminalität, Todesopfer im Straßenverkehr, Flugzeugunglücke und eine stets pünktliche Deutsche Bahn haben etwas gemein: Je näher man einem dieser Ziele kommt, desto größer ist der Aufwand, einen weiteren Schritt in Richtung der angestrebten Vollkommenheit zu machen. Der Ressourceneinsatz steigt überproportional und bei alternativen Zielen müssen immer mehr Abstriche gemacht werden. Dilemmata dieser Art sind allgegenwärtig.

100 Prozent Recycling?

Die Recyclingquote für Siedlungsabfälle ist von 56 Prozent im Jahr 2002 auf 67 Prozent im Jahr 2015 gestiegen. Dies sind grundsätzlich erfreuliche Nachrichten. Doch welcher Aufwand wurde betrieben, um die zusätzlichen 11 Prozentpunkte zu erreichen? Wurde relativ zum Nutzen wenig Aufwand betrieben, um die Recyclingquote zu erhöhen, dann wurden insgesamt Ressourcen geschont. Überstieg dagegen der zusätzliche Ressourcenaufwand die Einsparungen durch zusätzliches Recycling, hat sich die Steigerung nicht gelohnt.

Je höher die Recyclingquote ist, desto aufwändiger ist es, diese weiter zu erhöhen. Das Recycling jeder weiteren Einheit ist etwas teurer als für die Einheit zuvor. Eine hundertprozentige Recyclingquote wird daher kaum optimal sein. Eine Studie aus dem Jahr 2014 kommt zum Beispiel zu dem Schluss, dass die Recyclingquote in Japan ineffizient hoch sei. Dabei lag die Recyclingquote dort bei nur knapp über 20 Prozent.

Beste medizinische Versorgung?

Mückenstiche können gefährlich sein, auch in Deutschland. Nicht Malaria, sondern eine Entzündung und eine darauffolgende Blutvergiftung können schwerwiegende gesundheitliche Schäden hinterlassen. Eine schnelle ärztliche Behandlung ist bei einem Verdacht auf eine Blutvergiftung unabdinglich. Sollten deshalb alle Personen mit dem Verdacht auf einen Mückenstich auf die Intensivstation gebracht werden? Wollten wir die medizinische Versorgung auf das höchstmögliche Level anheben, wäre dies wohl die Folge. Auch hier zeigt sich, dass die Extremlösung nicht optimal ist.

Ebenso verhält es sich mit der Krankenwagendichte. In Notfällen ist es entscheidend, dass Patienten schnell medizinisch versorgt werden. Im ländlich geprägten Rheinland-Pfalz brauchen Krankenwagen im Durchschnitt etwa 7 Minuten bis sie einen Patienten erreichen. Immerhin 94 Prozent der Rheinland-Pfälzer können in unter 15 Minuten von einem Krankenwagen erreicht werden. Eine bessere Versorgung mit Krankenwagen wäre natürlich möglich. Doch in der dünnbesiedelten Eifel eine Abdeckung wie in Mainz zu garantieren, wäre sehr aufwendig. Auch eine wünschenswerte bessere Versorgung in den Städten ist mit immer höherem Aufwand verbunden. Es wäre kaum optimal, wenn jeder Straßenzug eine eigene Rettungswacht beherbergte. Die Kosten, auch die letzte Minute Anfahrtszeit zu reduzieren, sind schlicht zu hoch.

Hundertprozentige Medikamentensicherheit?

Wir alle wünschen uns, dass Medikamente unsere Gesundheit verbessern. Zu diesem Zweck werden Medikamente aufwendig geprüft. Doch die aufwendigen, staatlich geforderten Tests und Zulassungsverfahren führen nicht nur dazu, dass die Wahrscheinlichkeit sinkt, dass ein schadhaftes Medikament auf den Markt kommt. Sie führen auch dazu, dass Erkrankte die von getesteten Medikamenten profitieren könnten, diese erst verspätet oder gar nicht erhalten.

Es muss daher zwischen den Kosten der Nichtbereitstellung hilfreicher Medikamente und dem Schaden, der durch fehlerhafte Medikamente verursacht wird, abgewogen werden. Ein hundertprozentiger Ausschluss potentiell schädlicher Medikamente würde die Einführung wirksamer Medikamente unverhältnismäßig verzögern oder gänzlich verhindern.

Optimale Mordrate nicht null?

Auch hundertprozentige öffentliche Sicherheit ist nicht mit angemessenem Aufwand zu erreichen. Selbstverständlich wäre es wünschenswert, wenn alle Menschen engelsgleich wären und es keine Morde gäbe. Müssen für die Verhinderung von Morden mehr Polizisten und Richter eingestellt oder die Videoüberwachung ausgeweitet werden, können diese Ressourcen jedoch nicht für alternative wünschenswerte Ziele eingesetzt werden. Dabei wird es mit sinkender Mordrate schwieriger und somit teurer, sie weiter zu senken. Selbst eine 24-Stunden-Polizeistreife für jeden Straßenzug wird nicht ausreichen, um jeden Mord zu verhindern.

Vollkommenheit unerschwinglich

Es wäre wünschenswert, wenn kostenlos dafür gesorgt werden könnte, dass Menschen nicht morden, Krankenwagen sofort vor Ort sind, die Bahn immer pünktlich kommt, eingesetzte Ressourcen vollständig recycelt werden und vieles mehr. Leider ist Vollkommenheit nicht zu Kosten von null erreichbar.

Bei der Formulierung von Zielen sollten stets die Kosten berücksichtigt werden. Extremlösungen erweisen sich nur in Ausnahmefällen als optimal. Im privaten Bereich werden Menschen zwangsläufig mit den Kosten ihrer Handlungen konfrontiert. Wenn etwa Frau Hoppenstedt nicht nur ein Jodeldiplom erlangen, sondern die beste Jodlerin der Welt werden möchte, kann sie nur noch wenig Zeit mit ihrem Mann verbringen.

Auch in der Politik gilt: There is no free lunch

Haben Entscheidungen Einzelner direkte Konsequenzen auch für andere, besteht die Gefahr, dass Kosten nur unzureichend berücksichtigt werden. Die Politik als der Bereich unserer Gesellschaft, in dem wir in Gruppen entscheiden oder gewählte Repräsentanten für uns entscheiden lassen, ist von diesem Problem besonders betroffen. Wähler haben angesichts hoher Informationskosten keinen Anreiz, vollständig informiert zu sein – unabhängig davon, ob sie an einer politischen Entscheidung direkt beteiligt sind oder nicht. Das macht es für Politiker reizvoll, die Vorteile politischer Maßnahmen zu betonen und die Kosten in Form alternativer Ressourcenverwendungen in den Hintergrund zu rücken. Um ihrer Kontrollfunktion gerecht zu werden, sollten gerade Vertreter der vierten Gewalt deshalb die Kosten stets mit im Blick haben, auch wenn ihnen das angestrebte politische Ziel persönlich zusagt.

So würde sich über die politische Durchsetzung lückenloser Mobilfunknetze gewiss nicht nur Herr Scheuer freuen. Doch wäre es die Kosten wirklich Wert, auch im entlegensten Waldstück LTE-Empfang zu haben? Das eine oder andere Loch im Funknetz ist vermutlich optimal.

Erstmals veröffentlicht bei IREF. 

Photo: Max Langelott from Unsplash (CC 0)

Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues und Fabian Kurz, Student der Volkswirtschaftslehre, ehemaliger Praktikant bei Prometheus. 

Deutsche Städte stehen angesichts seit Jahren steigender Mieten in der Kritik – allen voran Berlin. Der Vorwurf: Das Wohnungsangebot wird nicht stark genug ausgeweitet, um den Mietanstieg einzudämmen. Ein Blick auf Zahlen aus den zehn größten Städten erlaubt einen Vergleich zwischen den Städten. Der offenbart: es ist nicht alles schlecht in Berlin.

Vor zehn Jahren wurden in Deutschland so wenige Wohnungen fertiggestellt wie seit Kriegsende nicht mehr. 2008 wurden nur 143.000 Wohnungen vollendet. Seitdem ging es mit den Fertigstellungen deutlich aufwärts. 2017 waren es 275.000 Wohnungen. Trotzdem stehen deutsche Städte angesichts seit Jahren steigender Mieten in der Kritik – allen voran Berlin. Der Vorwurf: Das Wohnungsangebot wird nicht stark genug ausgeweitet, um den Mietanstieg einzudämmen. Ein Blick auf Zahlen aus den zehn größten Städten lässt kein Urteil zu, ob insgesamt „zu wenig“ gebaut wird. Er erlaubt jedoch einen Vergleich zwischen den Städten. Der offenbart unter anderem, dass die Anzahl pro 1.000 Einwohner fertiggestellter Wohnungen in Berlin nicht unterdurchschnittlich niedrig ist. Es ist also nicht alles schlecht in Berlin.

Seit 2010: Höhere Mieten, höhere Kaufpreise, mehr Wohnungsbau

Insbesondere seit 2010 stiegen in Deutschland Mieten und Kaufpreise für Wohnungen und Häuser – vor allem in den Städten. Die lockere Geldpolitik der EZB, die gute Konjunktur, die Migration vom Land in die Stadt sowie der Zuzug von EU- und nicht-EU-Ausländern trugen dazu bei. Der Anstieg wäre noch höher ausgefallen, wäre über die letzten Jahre das Angebot an Wohnungen nicht erheblich ausgeweitet worden.

Fertigstellungen von Wohnungen 2017: Berlin Mittelmaß

Den Städten wird dennoch vorgeworfen, dem Anstieg der Mieten nicht angemessen durch die Ausweisung zusätzlichen Baulands und der Erteilung von Baugenehmigungen zu begegnen. Unter den zehn größten deutschen Städten wird vor allem Berlin und hier ganz besonders die seit Dezember 2016 amtierende Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, Katrin Lompscher (Die Linke), für eine zu geringe Bautätigkeit kritisiert.

Berlin stand allerdings 2017 mit 15.669 Fertigstellungen bezüglich der Fertigstellungen pro 1.000 Einwohner im Vergleich zu den übrigen großen Städten nicht sonderlich schlecht da.

Nur in Frankfurt (6,9), München (5,4) und Düsseldorf (4,4) wurden pro 1.000 Einwohner mehr Wohnungen fertiggestellt als in Berlin (4,2). Hamburg (4,2) und Berlin waren in etwa gleich auf und ließen Stuttgart (3,5) und Leipzig (2,8) hinter sich.

Es lässt sich festhalten, dass unter den zehn größten Städten pro 1.000 Einwohnern nur in Frankfurt, München und Düsseldorf bei wesentlich höheren Neuvertragsmieten mehr Wohnungen gebaut wurden als in Berlin.

Baugenehmigungen 2017: Berlin in der Spitzengruppe

Ein ähnliches Bild zeichnen die Baugenehmigungen für Wohnungen 2017. Absolut waren es in Berlin 24.743.

Pro 1.000 Einwohner liegen München (8,8) und Frankfurt (7,3) an der Spitze und auch hier ist Berlin (6,7) im Vergleich zu Städten wie Hamburg (6,6), Düsseldorf (5,9) und Stuttgart (2,4) nicht abgeschlagen. Die Anzahl der 2017 erteilten Baugenehmigungen lässt darauf schließen, dass auch 2018 und 2019 die Wohnungsfertigstellungen pro 1.000 Einwohner in Berlin nicht dramatisch geringer ausfallen werden als in Hamburg oder Stuttgart.

Bauaktivität in Berlin: Weder Top noch Flop

Würden in Berlin und Hamburg pro 1.000 Einwohner jährlich so viele Wohnungen fertiggestellt wie in München und Frankfurt oder wie im Hamburger Umland und Vororten Berlins wie Potsdam, fiele der Mietanstieg in beiden Städten niedriger aus. In beiden Städten sollten die politisch Verantwortlichen folglich schneller und umfangreicher Bauland ausweisen und freizügiger Baugenehmigungen erteilen.

Der Vorwurf, in Berlin werde der Wohnungsbau politisch besonders erschwert, wird durch den hier vorgenommenen Vergleich allerdings nicht gestützt. Vielmehr scheinen mit München und Frankfurt zwei der größten Städte wünschenswerterweise besonders wohnungsbaufreundliche Politik zu betreiben, wohingegen Berlin diesbezüglich dasteht wie eine gewöhnliche deutsche Großstadt – aber eben auch nicht schlechter.

Erstmals erschienen bei IREF.

Photo: Thirteen Of Clubs from Flickr (CC BY-SA 2.0)

Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues und Fabian Kurz, Student der Volkswirtschaftslehre, ehemaliger Praktikant bei Prometheus. 

Auf fast der ganzen Welt – mit Ausnahme des Irans – ist der kommerzielle Handel mit menschlichen Organen verboten. Doch das Verbot führt keineswegs dazu, dass Menschen nicht gegen Geld ihre Organe verkaufen. Sie tun es aus der Not heraus ohne Schutz, angemessene Entschädigung oder medizinische Versorgung auf Schwarzmärkten. Die Weltgesundheitsorganisation schätzte 2012, dass jährlich ca. 10.000 illegale Organtransplantationen stattfinden. Ein legaler regulierter Handel mit lebendspendenfähigen Organen sollte in Betracht gezogen werden, um einerseits Erkrankten zu helfen und andererseits die Zahl der unter widrigen Bedingungen durchgeführten illegalen Transplantationen zu verringern.

Hunderttausende warten auf ein Organ

Gut 660.000 Menschen warten weltweit auf eine Organtransplantation. Daten der WHO für das Jahr 2010 zeigen, dass insgesamt 106.879 Organe transplantiert wurden. Davon wurden schätzungsweise 10 Prozent illegal transplantiert. Nieren machen mit 68,5 Prozent den Großteil der Transplantationen aus, gefolgt von Lebern mit gut 20 Prozent. Für beide Organe sind Lebendspenden möglich. Für die meisten Patienten, die sich für den illegalen Kauf eines Organs entscheiden, ist es die letzte Möglichkeit, ihr Leben zu retten.

Wie läuft ein illegaler Organhandel ab?

In der Regel reisen Patienten aus relativ reichen Ländern in relativ arme Länder, um dort ein Organ transplantiert zu bekommen. In diesen Ländern wird das Verbot des Organhandels nicht so konsequent durchgesetzt wie in den Heimatländern der Patienten.

Die Weltgesundheitsorganisation hat dem illegalen Organhandel 2007 einen der wenigen Berichte über diesen illegalen Markt gewidmet. Der Bericht offenbart, dass eine kurze Internetrecherche genügte, um mit Vermittlungsorganisationen in Kontakt zu treten. So wurden auf www.liver4you.org … damals Nieren für 85.000 Dollar auf den Philippinen angeboten. Ein chinesischer Anbieter offerierte eine Niere für 70.000 Dollar.

 

Brutales Geschäft

Der illegale Handel ist vor allem für die Organspender gefährlich. Immer wieder werden Spender, die zunächst freiwillig in den Handel einwilligten, betrogen und erhalten für das Organ nicht den zuvor verabredeten Preis oder werden medizinisch unsachgemäß behandelt. Zudem zwingen Menschenhändler regelmäßig ihre Opfer zur Organentnahme.

Eine besonders perfide Strategie der illegalen Organhändler ist es, schutzbedürftigen Menschen, wie Behinderten, Obdachlosen, (illegalen) Migranten oder Analphabeten vorzugaukeln, sie müssten wegen einer anderen Krankheit behandelt werden, um anschließend ohne das Wissen der Opfer Organe zu entnehmen.

China: Organe von politischen Gefangen

Auch Staaten beteiligen sich an diesem brutalen Geschäft. In China werden die Organe von zu Tode verurteilten Gefangenen für Transplantationen verwendet. Dabei handelt es sich keineswegs nur um verurteilte Mörder, sondern auch um politische Gefangene. Die Organe werden zum Teil mit hohen Gewinnen an ausländische Patienten verkauft. Die Exekutionen werden der Nachfrage entsprechend arrangiert. Zwar ist die zwangsweise Organentnahme von Gefangen inzwischen offiziell verboten, doch wird sie wohl weiterhin praktiziert. Die Gefangenen stimmen nun „freiwillig“ der postmortalen Organentnahme zu.

Illegaler Markt vs. legaler Markt

Auf dem illegalen Organmarkt wird die Not der Organspender von kriminellen Organisationen ausgenutzt. Befürworter des Organhandelsverbots befürchten, dass auch auf einem legalen Organmarkt die Notsituation von Menschen ausgenutzt werden könnte. Es ist jedoch die Illegalität und nicht der Handel per se, die dazu führt, dass die Organspender unter widrigen Bedingungen ausgenutzt werden.

Legaler Organhandel: Schutz durch Regeln

Ein besserer Schutz der Spender und der Empfänger könnte durch gezielte gesetzliche Regelungen auf einem legalen Organmarkt erreicht werden.

Auf den illegalen Märkten ist die finanzielle Not einer der Hauptgründe für den Organverkauf. Auf legalen Märkten könnten Einkommens- oder Vermögensgrenzen dafür sorgen, dass relativ arme Personen vom Verkauf von Organen ausgeschlossen werden. Auch die Auszahlung des Preises könnte verzögert erfolgen – etwa erst nach 3 Jahren. Relativ arme Menschen, die kurzfristig Geld benötigen, könnten so nicht zu einem Organverkauf gedrängt werden.

Auch auf der Käuferseite könnten Restriktionen umgesetzt werden. Vorstellbar ist, dass nur Krankenkassen oder zertifizierte gemeinnützige Organisationen die Organe ankaufen können. Die finanzielle Situation des Versicherten würde beim Kauf eines Organs so keine Rolle spielen.

Außerdem könnten Spender und Empfänger bei einem legalen Verkauf auf hohem medizinischen Niveau behandelt werden. Legale Operationen würden sowohl in armen als auch in reichen Ländern ausschließlich von Experten durchgeführt werden.

Legaler Organhandel unethisch und unnötig?

Auch wenn Spender wie Empfänger durch Regeln auf einem legalen Markt besser geschützt werden, gibt es weitere Einwände gegen die Legalisierung des Organhandels.
Der erste Einwand ist grundsätzlicher Natur: Organe sollten schlicht nicht zum Verkauf stehen – weder legal noch illegal. Dagegen lässt sich basierend auf der Arbeit der Philosophen Jason Brennan und Peter Jaworski einwenden, dass Dinge, die unentgeltlich getauscht werden dürfen, auch gegen Geld getauscht werden können sollten. Unentgeltliche Organspenden sind in den meisten Ländern legal möglich – in Deutschland derzeit zwar nur an Nahestehende. Eine legale entgeltliche Organspende sollte nach diesem Grundsatz ebenfalls möglich sein.

Der zweite Einwand stellt die Notwendigkeit eines legalen Organhandels in Frage. Die Nachfrage nach illegalen Organen könnte gemindert werden, etwa indem die Spenderquote nach dem Tod erhöht wird und Tauschringe sowie Tauchketten erlaubt werden. Außerdem könnte der medizinische Fortschritt, zum Beispiel im Bereich 3D-Druck, in Zukunft Organtransplantationen überflüssig machen. Es ist jedoch möglich, dass in der kurzen Frist auch diese Änderungen nicht ausreichen würden, um die Nachfrage nach Organen gänzlich zu bedienen.

Illegalen Handel durch legalen Handel einschränken

Solange die Nachfrage nach Spenderorganen nicht durch unentgeltliche Organspenden oder den medizinischen Fortschritt vollständig bedient wird, ist die relevante Alternative zu einer Welt mit legalem Organhandel nicht eine Welt ohne Organhandel.

Die relevanten Alternativen sind eine Welt mit ausschließlich illegalem Organhandel und eine Welt, in der der legale Organhandel den illegalen Organhandel weitestgehend zurückdrängt. Ein regulierter legaler Organhandel könnte mehr lebensrettende Transplantationen ermöglichen, professionelle Anbieter von Transplantationen kriminelle Organisationen verdrängen lassen und verlässliche Zahlungen an Spender garantieren.

 

Zuerst veröffentlicht bei IREF.

Photo: Tambako The Jaguar from Flickr (CC BY-ND 2.0)

Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues und Kalle Kappner, Promotionsstudent an der Humboldt-Universität zu Berlin, Research Fellow bei IREF, Fackelträger von Prometheus.

Bis 2020 sollte in Deutschland der Ausstoß klimaschädlicher Gase um 40 % gegenüber 1990 sinken, so der 2007 beschlossene Plan von Kanzlerin Merkel. Nachdem sich in den letzten Jahren abzeichnete, dass dieses Ziel deutlich verfehlt wird, erklärte die neue schwarz-rote Bundesregierung den Klimaplan Anfang des Jahres für gescheitert.

Umweltpolitiker und Interessengruppen schlagen Alarm. Vielleicht sei das ursprüngliche Einsparungsziel tatsächlich nicht mehr zu halten, aber das könne nur bedeuten, dass künftig noch mehr Anstrengungen für den Klimaschutz zu unternehmen seien – durch neue Subventioneneinen schnelleren Kohleausstieg und gesetzliche Anreize zur Emissionsminderung.

Ein naheliegender Alternativvorschlag findet in der Diskussion dagegen wenig Gehör: Über das EU-weite Emissionshandelssystem ETS kann die Bundesregierung Verschmutzungsrechte erwerben. Lässt sie diese ungenutzt, trägt sie effektiv zum Klimaschutz bei, da die Gesamtmenge der Verschmutzungsrechte limitiert ist.

Deutschlands Emissionsziele

Es gibt drei wesentliche staatliche Mechanismen zur Emissionsreduzierung:

(1) Über das Emissionshandelssystem ETS wird der Ausstoß klimaschädlicher Gase in rund 45 % der EU-weiten Emissionsquellen reguliert. In jeder mehrjährigen Handelsperiode stellt die EU eine fixe Menge an zum Ausstoß klimaschädlicher Gase berechtigenden Zertifikaten bereit. Alle partizipierenden Unternehmen müssen anschließend eine ihren Emissionen entsprechende Menge an Zertifikaten vorweisen, die sie teils unentgeltlich erhalten, teils per Auktion ersteigern müssen. Über die Menge der in jeder Handelsperiode ausgegebenen Verschmutzungsrechte gibt die EU das Tempo der Emissionssenkungen in Europa – und damit auch in Deutschland – vor.

(2) Für die nicht im ETS integrierten Emissionsquellen – im Wesentlichen Verkehr, Gebäudeenergie und Landwirtschaft – gibt die EU im Rahmen der Lastenteilungsentscheidung länderspezifische Einsparziele vor. So soll Deutschland seine Emissionen in diesen Bereichen zwischen 2005 und 2020 um 14 % senken – ein Ziel, das zunehmend unrealistisch erscheint.

(3) Darüber hinaus gibt sich die Bundesregierungen Selbstverpflichtungsziele, aktuell etwa im Klimaschutzplan 2050. Frühere Ziele wie die sogenannten Meseberger Beschlüsse konnten nicht eingehalten werden. Ein wichtiger Grund für das Scheitern ist die unerwartet gute Konjunktur der letzten Jahre, die zu höheren Emissionen geführt hat.

Konventionelle Klimapolitik: Ineffizient und inflexibel

Vor diesem Hintergrund wird der Ruf nach zusätzlichen Subventionen und gesetzlichen Anreizen zur Emissionsreduktion wieder lauter. Doch Subventionen haben unerwünschte Umverteilungseffekte und sind teuer: Zu den direkt für die Steuerzahler anfallenden Kosten kommen indirekte durch Marktverzerrung entstehende Kosten hinzu. So zahlen deutsche Stromkunden schon heute auch aufgrund der EEG-Umlage europaweit mit die höchsten Strompreise.

Subventionsgetriebene Klimapolitik ist nicht nur teuer, sondern auch inflexibel. So ist eine 2018 ersonnene Subvention aufgrund langwieriger Gesetzgebungsverfahren kaum in der Lage, Emissionen schon zwei Jahre später effektiv zu senken. Einmal eingeführt, ist es allerdings schwer, eine Subvention wieder abzuschaffen, wenn ihre ursprüngliche Begründung längst weggefallen ist.

Ein weiteres Problem entsteht aus der Interaktion zwischen nationaler Klimapolitik und EU-weitem Emissionshandel: Da die in jeder Handelsperiode zur Verfügung stehende Menge an Verschmutzungsrechten EU-weit fixiert ist, führt jede aufgrund einer Subvention in Deutschland eingesparte Tonne lediglich zur Emission einer zusätzlichen Tonne in einem anderen europäischen Land – jedenfalls in den knapp 45 % der Emissionen umfassenden Sektoren, die derzeit im ETS integriert sind. Zwar verpuffen Subventionen so nicht gänzlich, doch ihr Einsparpotenzial wird damit relativ zu den durch sie verursachten Kosten eingeschränkt.

Alternative: Regierung kauft Verschmutzungsrechte

Als Alternative zur teuren und inflexiblen Subventionspolitik bietet sich die Beteiligung der Bundesregierung am europäischen Emissionshandel an. Kauft die Bundesregierung Unternehmen Zertifikate ab und lässt diese anschließend ungenutzt verfallen, entspricht dies einer durch die deutschen Steuerzahler finanzierten Reduktion der weltweiten Emissionen.

Auch zertifikatebasierte Klimapolitik ist nicht billig. Das Recht zur Emission einer Tonne CO2 kostet im ETS derzeit rund 16 Euro (Stand Juni 2018). Würde die Bundesregierung eine Großorder aufgeben, so würde dieser Preis steigen. Im Vergleich zur konventionellen Klimapolitik verspräche eine zertifikatebasierte Klimapolitik den Steuerzahlern dennoch substantielle Entlastungen, da die Verzerrungskosten herkömmlicher Subventionen vermieden würden. In europaweiter Perspektive würde zudem dafür gesorgt, dass die Einsparungen effizient vorgenommen werden.

Einsparungsziele durch Zertifikatekauf realisierbar

Auch das 2007 formuliert Ziel, Deutschlands Emissionen bis 2020 relativ zu 1990 um 40 % zu senken, könnte mittels eines entsprechenden Zertifikatkaufs erreicht werden. 2017 wurden in Deutschland etwa 904,7 Millionen Tonnen Treibhausgase freigesetzt. Um die Differenz zu den ab 2020 nur noch erlaubten 751 Millionen Tonnen zu überbrücken, wäre der Kauf von 153 Millionen Zertifikaten nötig – eine solche Order kostet zu heutigen Preisen 2,4 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Das Erneuerbare-Energien-Gesetz hat im Jahr 2016 Kosten von rund 22 Milliarden Euro verursacht.

Die Verpflichtung gegenüber der EU ließe sich über den Zertifikatekauf dagegen nicht vertragsgenau einhalten, schließlich beziehen sich die darin formulierten Einsparungsziele auf jene Emissionsquellen, die nicht vom ETS abgedeckt werden. Das ist bedauerlich, da effizienter zu realisierende Einsparungen in durch das ETS abgedeckten Emissionsquellen nicht gegen weniger effiziente Einsparungen in Nicht-ETS-Emissionsquellen aufgerechnet werden können. Solange diese Emissionsquellen nicht integriert sind, sollte die EU erwägen, es Regierungen zu erlauben, etwaige Lücken gegenüber den Zielvorgaben durch den Kauf von ETS-Zertifikaten zu schließen. Für den Klimaschutz spielt es keine Rolle, in welchen Industrien die Einsparungen vorgenommen werden.

Ein unmoralischer Ablasshandel?

Kritiker bezeichnen Unternehmen, die ihren Kunden klimaneutrale Produkte per Zertifikatekauf anbieten als „moderne Ablasshändler“. Der Kritik liegt die Vorstellung zugrunde, dass jeder Emittent für den durch ihn angerichteten Schaden moralisch verantwortlich ist und diesen daher selbst zu beheben hat – selbst, wenn es effizienter wäre, andere für eine klimaäquivalente Schadensbehebung zu bezahlen. Auch die Bundesregierung träfe die Kritik, sich „freizukaufen“, sollte sie die Klimapolitik zukünftig auf den Kauf von Zertifikaten beschränken und Unternehmen somit dafür bezahlen, weniger Emissionen auszustoßen.

Derartige Kritik übersieht allerdings, dass auch die heutige Subventionspolitik einem „Ablasshandel“ entspricht. Der Übergang zu einer zertifikatebasierten Klimapolitik würde lediglich bewirken, dass die Steuerzahler zusätzlich zu inländischen Unternehmen auch ausländische Unternehmen für Emissionsreduktionen bezahlen.

Emissionshandel stärken

Schwerwiegendere Kritik am Vorschlag einer zertifikatebasierten Klimapolitik speist sich aus der derzeit nur eingeschränkten Reichweite des ETS. Nur wenn möglichst viele wichtige Emissionsquellen in das ETS einbezogen werden, bewirkt dieses eine EU-weite Priorisierung von Emissionseinsparungen in jenen Bereichen, in denen diese am kostengünstigsten sind.

Zwar werden die Reichweite des ETS steigernde Reformen bereits diskutiert. Doch der Einbezug von Privathaushalten (ca. 10 % der Emissionen), Dienstleistungssektor (ca. 4 %) sowie Verkehrssektor (ca. 17,7 %) würde zu erheblichen Transaktionskosten führen. Zwar ist vorstellbar, dass die europäischen Regierungen den notwendigen Zertifikatekauf stellvertretend für ihre Bürger vornehmen, etwa auf Basis einer jährlichen Schätzung der aus diesen Quellen entsprungenen Emissionen. Eine solche Stellvertreterlösung würde jedoch zu Trittbrettfahrerverhalten einladen und die Effizienz des ETS mindern.

Trotz dieser Schwierigkeiten stellt das ETS für die Bundesregierung bereits heute ein vielversprechendes Instrument zur Realisierung selbstgesteckter Einsparungsziele dar. Die Vorteile gegenüber der konventionellen subventionsbasierten Klimapolitik – eine geringere Verzerrungswirkung und flexiblere Anwendungsmöglichkeiten – wachsen in dem Maße, in dem es zukünftig gelingt, weitere Emissionsquellen in das ETS einzubeziehen. Statt auf die Einführung neuer Subventionen hinzuwirken, sollten am Klimaschutz interessierte Interessengruppen und Umweltpolitiker daher auf die Ausweitung des ETS und die Nutzung des Zertifikatekaufs als klimapolitische Maßnahme durch die Bundesregierung pochen.

 

Zuerst veröffentlicht bei IREF.